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VG WORTTour 75: Iran - Persischer Golf (2690 km)



Chris & Miri vor der Chubi-Brücke in Isfahan
In Isfahan

Bike-Blog & Routen-Karte & Etappen-Übersicht
Iran - Persischer Golf (1.11.-12.12.2015)
Sechs Wochen Middle East: die längste aller Touren

Ausrüstung: Bike & More
Ausrüstung:
Bike & More
Vom Kaspischen Meer zum Persischen Golf: Rund 1.800 Kilometer durch die Höhen und Tiefen des Iran. Durch die Höhen der persischen Kultur und Natur. Mit ihrer unglaublichen Begeisterung und Großzügigkeit gegenüber dem Radlerpaar aus dem Westen. Am Persischen (oder "Arabischen") Golf mit der Fähre über die Straße von Hormus. Und dort noch ein bisschen entlang der Küste durch die Emirate Sharjah, Dubai und Abu Dhabi. Dann mangels saudischem Visum Hopping mit dem Flugzeug durch Katar, Bahrain und Kuwait. Jedes Land eine Welt für sich. Radeln zum Teil auf Miet-Rädern. Eine Tour der Superlative. Auch dank angenehmem Klima, sehr guter Straßen und kaum Kriminalität. Teil 2
Schiras - Bandar Abbas + Emirate + Bahrain + Katar + Kuwait (1485 km)
Rocking the Gulf States


Die Tour bei YouTube


Cycling Iran (20:00 Min.)


Cycling the Emirates (3:40 Min.)


Cycling Bahrain (2:00 Min.)


Cycling Qatar (3:15 Min.)


Cycling Kuwait (2:13 Min.)


Oder: die ganze Tour in einem Film


Das Beste aus 39 Videos und 1700 Fotos in 30 Minuten.


Teil 1
Iran: Tschalus - Schiras (1205 km)
Zum Herzen der persischen Kultur

Mit dem Iran haben wir gute Erfahrungen gemacht: Im Jahr 2005 sind wir von Baku aus am Kaspischen Meer entlang durch den Iran geradelt. Und weiter über Mashad nach Turkmenistan und Samarkand auf der Seidenstraße. Miri mit langen Gewändern und Kopftuch. Viele Menschen sind sehr offen, wollen Fotos am Straßenrand mit uns machen, möchten Englisch sprechen, laden uns ein. Diesmal soll es ins Herz der persischen Kultur und Tradition gehen: Nach Ghom, Kashan, Isfahan, Schiras. Vorher aber noch kurz zum Kaspischen Meer, für den Link zur Tour von damals.

Fahrrad verpackt in Plastikfolie am Schalter von Turkish Airlines in Frankfurt/MainProlog: Fly Turkish?
Umsteigen in Istanbul

Kein Zweifel: Turkish Airlines bietet günstige Flüge in den arabischen Raum, fliegt dort sehr viele Ziele an, so dass besonders Gabelflüge attraktiv sind. Dazu: Fahrradtransport ist relativ unkompliziert und im Vergleich zu anderen Airlines immer noch günstig. Also buchen wir Turkish. Leider auf der sehr intransparenten Homepage der Airline. Dort bekommt man keine Preisvergleiche angezeigt für unterschiedliche Flugzeiten. Und so oder so kostet es mehr als bei Vergleichsportalen.
Größtes Problem für uns allerdings: Turkish lässt uns eine Flug-Kombination buchen mit 65 Minuten Umsteigezeit in Istanbul. Im Nachhinein stellen wir fest: andere Portale bieten diese Kombination gar nicht an. Eigentlich auch gar nicht nötig, weil Istanbul-Teheran auch ein, zwei Stunden später wieder angeflogen wird.
Anruf bei der Hotline. Deutsche Telefonnummer, aber von Dauerrauschen und Hintergrundgeräuschen her zu urteilen, lande ich in einem türkischen Call-Center. Zuvor bekomme ich per Band mitgeteilt, dass alle Gespräche automatisch aufgezeichnet werden. Liebe Türken, das ist in Deutschland verboten. Warum verkauft Turkish Airlines Verbindungen auf der eigenen Homepage, die nirgendwo sonst verkauft werden? Keine Antwort. Eigentlich sollten 90 Minuten Zeit sein fürs Umsteigen in Istanbul. Umbuchung - wäre vielleicht auch im Interesse der Airline... - würde 100 Euro kosten. Auch drei Monate vor dem Flug. Nein, danke. Lassen wir es also drauf ankommen, ob es klappt.


Midnight at the Airport Istanbul
Mitternacht am Istanbuler Flughafen


Miri verpackt ihr Rad am Frankfurter Flughafen Probleme mit dem Standard-Maß
Samstag, 31. Oktober 2015: Flüge Frankfurt - Istanbul - Teheran

Alles läuft prima, ein relaxter Tag zur letzten Vorbereitung, pünktliche Abfahrt, pünktliche S-Bahn, leerer Flughafen, schnelles Radverpacken (Fotos oben links, rechts). Nur noch bezahlen müssen wir den Räder-Transport. Also rüber zum Bezahl-Schalter von Turkish. Es dauert und dauert und dauert. Nein, das geht nicht. Sie können die Räder nicht mitnehmen. Äh? Sie passen nicht ins Flugzeug. Nanu? Auf dem grün-schwarzen Monitor des Turkish-Mitarbeiters stehen plötzlich "Standard"-Maße: 200x150x45 cm. Und Standard ist doch Standard und dürfte kein Problem sein. Selbst mein Rad ist übrigens noch ein paar Zentimeter kleiner. Da bin ich mir aber in diesem Moment noch nicht sicher.
Als der Casher daher fragt, ob die Räder noch da seien, sage ich 'Nein', während ich sie in der Ferne entschwinden sehe. Telefongespräch mit dem Check-in-Schalter in Sichtweite, wo auch Miri noch steht. Der Mann vom Schalter hechtet hinter den Rädern her, erreicht sie aber wohl nicht mehr. Ich beteure, mit dem ganz normalen Fahrrad schon viele Male mit allen möglichen Flugzeugen geflogen zu sein. Irgendwann haben sie ein Einsehen, die Räder sind eh unterwegs, und ich zahl 120 Euro für zwei Räder für zwei Flüge bis Teheran.
Erster Flug also nach Istanbul. Handgepäck-Kontrolle leer, Einstieg relaxed. Man müsste immer Samstagnachmittag fliegen.
Neben uns im Flugzeug in der ersten Reihe eine ältere Dame aus Teheran, die gerade ihre Verwandtschaft im Rhein-Main-Gebiet besucht hat. Wir sitzen offenbar ganz vorne, damit wir in Istanbul die kurze einstündige Umsteigezeit besser nutzen können. Bringt aber nix, weil das Flugzeug ewig über das Rollfeld gleitet, bis es kurz vor der Hagia Sophia zum Stehen kommt. Also müssen wir eh warten bis alle im Bus sind und der Weg zurück zum Abfertigungsgebäude führt. Dort aber sind die Wege kurz. Die eigentlich obligatorische erneute Handgepäck-Kontrolle im Transfer-Bereich entfällt (anders als bei der Rückreise. So sitzen wir um Mitternacht im nächsten Flieger. Die Dame aus Teheran bietet Miri sogar den Platz neben mir an. Welcome to Iran.


Schaden an Miris Rad: Vorderlicht weg
Schaden an Miris Rad: Vorderlicht weg

Schaden an Chris Rad: Klingel weg
Schaden an Chris Rad: Klingel weg


Chris passiert Obstverkauf am Straßenrand bei Teheran, Iran Rothaariges Amerikanisch am Rande der Hauptstadt
Sonntag, 1. November 2015: Teheran Imam Khomeini Airport - Karaj (62 km)

Ich habe - im Gegensatz zu Miri - keine Sekunde geschlafen, als wir um 3:55 Uhr auf dem Imam-Khomeini-Flughafen weit außerhalb von Teheran landen. Auf den beiden Gepäckbändern rollen auch bald die Fahrrad-Taschen ein. Kurz darauf die Räder. Die ich gerade noch vom Band reißen kann, bevor sie in der ersten Kurve ins dichte Gedränge der Wartenden gleiten würden. Die Verpackung sieht von außen nach einem erfolgreichen Transport aus. Beim Auspacken ist aber an Miris Rad das Vorderlicht abgebrochen und bei mir die Schelle (Fotos oben). Beides immerhin in meine Verpackung gelegt. Es nützt allerdings nichts: definitiv kaputt.
Es ist noch dunkel, und so legen wir uns auf die Bänke im Gepäckbereich. Gegen sieben versuchen wir es mit dem Geldwechsel. Im Departure-Bereich ein Stockwerk höher soll der beste sein: Sarafis. Ganz am Ende der oberen Plattform entdecke ich ihn auch. Zwei Frauen in Schwarz scheinen nicht unbedingt auf Kundschaft zu warten. Noch bevor ich mein Portemonnaie öffne, sagt die erste Frau: "One hundred only." Also nur hundert Euro. Oder Dollar. Kaum bin ich mehrfacher Millionär stellen beide Ladies in einer Art Synchronschwimmen ihre Handtaschen vor die kleine Luke ihres jeweiligen Schalters. Auch als Miri versucht, die nächsten hundert zu tauschen, hält die Pause an. Fahren wir also los.
Elf lange Kilometer Flughafen-Straße. Bei übelstem Gegenwind. Elf Stundenkilometer. Eine Stunde brauchen wir also. Dann etwas im Zick-Zack, aber im Grunde immer gegen den Wind. Wir wollen nach Norden zum Kaspischen Meer, um den Link zu unserer Tour vor zehn Jahren zu schaffen. Heute heißt das: 70 flache Google-Map-Kilometer bis Karaj. Real sind es am Ende nur 60, aber sie fühlen sich ohne Schlaf und mit Gegenwind an wie 180.

Miri & Chris mit der Familie eines Restaurant-Besitzers am Stadtrand von Teheran Highlight des Tages nach 20 Kilometern: ein Stopp zum Aufwärmen in einem kleinen einfachen Restaurant. Der Beginn ist etwas mühsam, weil wir uns eigentlich nur aufwärmen wollen, bestellen also einen Tee, was hier nicht ganz normal zu sein scheint. Es ist zwar erst halb zehn, aber es fühlt sich für uns an wie Nachmittag. Dann aber kommt der Restaurant-Chef in Fahrt. Geht zwei Mal einkaufen für uns und kommt beides Mal mit genialem Käse zurück. Sein Sohn taucht auf. Beide steigen ins Auto, brausen los. Bald sind sie wieder da, mit einer jungen, rothaarigen Frau (Foto links). Die spricht ein amerikanisch inspiriertes Englisch und ist sehr sympathisch. Jetzt können wir alle Fragen klären. Längst haben der Chef und alle Restaurant-Mitarbeiter mit ihren Smartphones zig Bilder geschossen. Ich bin in einer halben Stunde noch nie im Leben so oft fotografiert worden wie in diesem kleinen Ort am Stadtrand von Teheran.
Die Hauptstadt sehen wir unter ihrer Smog-Glocke rechts den ganzen Tag in der Ferne. Der Verkehr nimmt immer mehr zu (Foto rechts). Wir werden ständig freundlich angehupt, das Winken nimmt kein Ende. Immer wieder halten Wagen, die uns überholt haben, kurz danach rechts am Straßenrand, um auf uns zu warten. Fahrer, die auf Radler(innen) starren. Einige versuchen uns anzusprechen. Wir halten allerdings eher, wenn wir mit dem Weg nicht weiter wissen.
Bei der zweiten Pause lassen wir leichtsinnig ein Restaurant rechts liegen. Es war das vorerst letzte. So wird die zweite Pause eine kalte Outdoor-Pause. Miri versucht sie, mit ihrem Gas-Kocher zu erwärmen. Der Bundesgrenzschutz hat mal wieder eine Gas-Kartusche aus dem Gepäck gefischt. Die zweite war im Kocher versteckt und blieb offenbar unentdeckt. Lucky us.
Die letzten Kilometer auf der sechsspurigen Schnellstraße sind eine einzige Quälerei. Lärm, Abgase, und ich bin völligst übermüdet. Allein: auf 60 Kilometern haben wir kein einziges Hotel gesehen. In Karaj soll es laut Google ein Hotel Saman geben. Die vielen Taxi-Fahrer am ersten Roundabout kennen es nicht. Sie rufen extra eine junge Frau an, von der sie meinen, dass sie Englisch spricht. Das wird uns häufiger passieren in den nächsten Tagen. Immer wieder rufen Leute Leute an, von denen sie annehmen, dass sie Englisch sprechen. Die wiederum bieten an, ihre Nummer zu notieren, falls wir mal Schwierigkeiten hätten. Bei ihr hier verstehe ich leider nicht, was sie uns mitteilen will.
Wir geistern ein wenig durch die 1,7-Millionen-Einwohner-Stadt, die mit Teheran zusammengewachsen ist, fragen immer wieder, aber Hotels scheinen im Bewusstsein der Menschen hier nicht übermäßig verankert zu sein. Plötzlich stehen wir vor dem Hotel Saman. 71 Dollar soll es kosten. Ich kann keinen Cent mehr handeln. Sinke um 15.10 Uhr nach 30 Stunden Dauer-Power aufs Bett, ins Bett, in den Sofort-Schlaf. Miri geht noch erfolgreich ne Runde Geldwechseln.


Karaj-Tal: Chalus-Road bei Khozankala mit den Serpentinen zur Staumauer
Chalus-Road bei Khozankala mit den Serpentinen zur Staumauer


November-Stimmung im Karaj-Tal an der Chalus-Road November-Stimmung bei der Auffahrt ins Elburs-Gebirge
Montag, 2. November 2015: Karaj - Gachsar (67 km)

Miri hat den Wecker auf sechs Uhr gestellt, um 6:45 Uhr soll es Frühstück geben. Die Sonne geht nach iranischer Zeit (MEZ plus zweieinhalb Stunden) momentan relativ früh auf, vor allem schon gegen 17 Uhr unter. Am Nebentisch sitzt ein deutscher Ingenieur, der hier bis Weihnachten eine Solar-Strom-Zentrale baut. Er kann der Linsensuppe am Morgen nichts abgewinnen. Bestellt sich Toast. Ich einen Milchkaffee. Dafür wollen sie beim Auschecken zwei Dollar haben. Auch für das Wasser, das ich gestern Abend getrunken haben soll. Abgelehnt. Ist auch ok. Kaffee soll allerdings in den nächsten vier Wochen tatsächlich eine Rarität bleiben.
Leichter Regen wie vorhergesagt, der die Temperatur auf drei Grad drosselt. Rund um Karaj auf den Bergen eine dünne Schneedecke. November-Stimmung (Foto rechts). Und wir wollen 1.500 Meter höher heute. Aber wieder auf gemächlichen 70 Kilometern.

Omelette in einem iranischen RestaurantDie Straße nach Tschalus am Kaspischen Meer ist von Beginn an eine tiefe Felsschlucht im Elburs-Gebirge (auch Albors, Alborz, Alburz, Elburz, Elborz). Gesäumt von Restaurants für das Wochenend-Vergnügen der Hauptstädter. Etwas steiler ist es nur, wo die Straße in Serpentinen auf die Höhe der 180 Meter hohen Staumauer führt (Foto oben). Obenauf führt die Straße durch einige Tunnel am Seeufer des Flusses Karaj entlang. Ausgerechnet hier gibt es aber - im Gegensatz zur Behauptung meiner Reiseführer-Kopie - kaum Restaurants. Und so machen wir unsere Pause erst, als wir wieder an dem kleiner gewordenen Fluss sind. Ein sehr geschmackvoll eingerichtetes Restaurant. Tomaten-Omelette ist angesagt (Foto links).
Ich ziehe danach noch eine weitere Windjacke über. Es bleibt bei maximal sechs Grad heute. Aber der Schnee weicht vor uns immer wieder zurück. Noch eine Pause und es will einfach nicht steiler werden. Kehren wir also wieder um 15 Uhr ein in der wunderschönen, nicht mehr ganz topmodernen Anlage des persischen Hotels von Gachsar (Fotos unten). Heute kann ich auch ein bisschen handeln. Zehn Prozent sind drin. Kurz unterhalb der Pass-Tunnel-Höhe mit ihren knapp 2700 Metern über dem Meeresspiegel können wir uns für die letzten Höhenmeter ausschlafen.


November-Stimmung rund um das Hotel Gachsar, Chalus-Road, Iran
November-Stimmung rund um das Hotel Gachsar

November-Stimmung rund um das Hotel Gachsar, Chalus-Road, Iran


Auffahrt zum Kandovan-Tunnel, Chalus-Road, Iran Der Rumms im langen Berg-Tunnel
Dienstag, 3. November 2015: Gachsar - Kandovan-Tunnel (2670 m) - Tschalus (92 km)

Frühstück im hochherrschaftlichen Hauptgebäude. Die ganze Anlage atmet den Geist der Kaiserzeit unter Shah Reza Pahlevi. Aristokraten-Barock.
Acht Kilometer seien es noch bis zum Pass-Gipfel-Tunnel, dem Kandovan-Tunnel. Stimmt genau, wenn man den höchsten Punkt im Tunnel meint. Acht Kilometer mit rund 450 Höhenmetern. Bei einem Grad Celsius unter null. In der Nacht hat es geschneit. Und heute kommen wir wirklich auf Schneehöhe. Vor allem ist es sonnig. Ein völlig anderer Blick in die Berge ringsum als gestern im Nieselregen bei leichtem Schneefall. Fast wie ein kleiner Morgenspaziergang. Grandiose Kulisse. Grandiose Stimmung. Dann Kandovan, Tunnel Nummer elf (seit Karaj werden die Tunnel gezählt): der letzte, der längste, der höchste. 1938 einspurig gebaut, ab 1995 erweitert.
Die erste Überraschung: es geht weiter bergauf. Fast ein Kilometer lang mit fünf Prozent Steigung. Genau wie der heimische Lerchenberg, Maßstab aller Bergstrecken. Doch schon nach 200 Metern eine eher unangenehme Überraschung. Von vorne kommt ein Bus, von hinten will ein Auto zeitgleich überholen. Das kann rein physikalisch nicht funktionieren. Fährt der Fahrer halt kurz entschlossen gegen mein Hinterrad. Rumms. Ich kann mich halten, die Fahrradtasche dämpft den Aufprall. Ein Stück Stoßstange fliegt durch die Gegend. Der Fahrer fährt weiter. Ich sammle das Stoßstangenteil in Windeseile auf, verstärke die blinkende Lichtanlage am Rad. Weiter geht's. In der Tunnelmitte sind wir auf 2670 Metern. Dann rollen wir mit vier Prozent Gefälle zur Tunnelausfahrt.

Chris & Miri am Kaspischen Meer in Tschalus, Iran Auf der Nordseite des Tunnels haben wir dann richtig Schnee (Fotos unten). Wir stürzen hinab. Die Autos mit uns. Gestern hatten wir überhaupt keine unangenehmen Begegnungen mit Fahrzeugen aller Art. Heute ist mehr Verkehr, mehr Stress. Wir müssen ständig höllisch aufpassen.
Die Kälte zieht in die Knochen. Wir können nur noch rollen lassen, uns nicht mehr wärmen durch Anstrengung. Tolles Panorama, dann eine tolle Schlucht. Wir wärmen uns kurz auf in einem Café. Machen dann Pause in einem Restaurant mit Foto-Tapeten von einem französischen Fachwerk-Dorf, vermutlich im Elsass, einem Radler im Schnee plus Südsee-Romantik. Alles nett eingerichtet und draußen wie drinnen plätschern künstliche Bäche und Wasserfälle. Persische Romantik.
Die Schluchten werden noch enger, bei Marzanabad weitet sich das Tal etwas, kurz danach wird es wieder enger, aber es ist Platz genug für die neue Autobahn auf den letzten zwanzig Kilometern vor Tschalus. Inzwischen ist es 16, 17 Grad. Wir fragen am Taxistand nach Rückfahrt-Möglichkeiten zum Flughafen. Denn das war ja nur der Einstiegstrip.
Irgendwo sind wir vor zehn Jahren durch Tschalus gefahren. Auf dem Weg nach Samarkand. Wir haben nichts Konkretes in Erinnerung. Brettern durch zum Strand am Kaspischen Meer (Foto links). Mit den Füßen gehe ich ins Wasser. Angenehm. Eine Studentin und ihre Freundin tun es auch. Wir haben genug für heute. Und bleiben im Hotel am Strand. Ein Ferien-Apartment für die iranische Großfamilie mit Blick aufs Meer. Der Gasofen stellt um sechs Uhr abends seinen Dienst ein. Wir werden uns alle Decken hier übereinander legen.


Chris & Miri am Kandovan-Tunnel, Chalus-Road, Iran
Geschafft: Glücklich aus dem Kandovan-Tunnel

Schnee auf der Nordseite des Elburs-Gebirge, Chalus-Road, Iran
Schnee auf der Nordseite des Elburs-Gebirge

Schnee auf der Nordseite des Elburs-Gebirge, Chalus-Road, Iran

Schnee auf der Nordseite des Elburs-Gebirge, Chalus-Road, Iran

Schnee auf der Nordseite des Elburs-Gebirge, Chalus-Road, Iran

Schnee auf der Nordseite des Elburs-Gebirge, Chalus-Road, Iran

Abfahrt zum Kaspischen Meer auf der Chalus-Road
Abfahrt zum Kaspischen Meer auf der Chalus-Road

Abfahrt zum Kaspischen Meer auf der Chalus-Road


Taxi Teheran
Mittwoch, 4. November 2015: Tschalus - Taxi - Teheran Imam Khomeini Airport - Mohammad Ali Khan (35 km)

Um sechs Uhr lässt Miri in die Kälte ihr Smartphone säuseln. Sie will nur mal eben runter zum Meer. Da Miri zu jeder Jahreszeit jede Art von Gewässer am liebsten schwimmend erlebt, ahne ich, was das bedeutet. Ein paar Minuten später bin also auch ich auf den Beinen. Der Premium-Blick aus unserm Strand-Apartment im fünften Stock macht schnell klar: Miri macht es auch hier. Ist im Halbdunkel des Morgens irgendwie ins Wasser und schwimmt in sicherem Abstand zum Strand im Meer. Ein paar junge Männer schauen dem gelassen vom sicheren Festland aus zu. Ich mache ein paar Fotos. Die Morgenröte steht über dem Kaspischen Meer. Als auch die geduldigsten Männer vom Horizont verschwunden sind, steigt Miri langsam aus dem Wasser. Leicht umhüllt von Gewändern, die sie nun der Allgemeinheit spendet. Um sich in ihrem weiten Umhang nun wieder ins langsam warm werdende Hotelzimmer zu bewegen.
Fahrrad wird in Taxi-Kofferraum verladen in Tschalus am Kaspischen Meer, IranWir wollen nach Vollendung des Links zu unserer 2005er Tour zurück zum Flughafen, um von dort Richtung Süden durchzustarten. Dazu müssen wir erst mal fünf Kilometer durch Tschalus hinauf zum Busbahnhof. Auf halber Strecke versuche ich es mit wartenden Pickup-Fahrern. Einer scheint bereit, uns samt Fahrrädern für rund 25 Euro die 220 Kilometer zum Flughafen zu bringen. Allerdings hat er den schmalsten Laderaum von allen und auch vorne würde es eng werden zu dritt. Und so richtig begeistert ist der Fahrer nicht. Also weiter zum Busbahnhof. In einer Stunde soll ein Bus zumindest bis Karaj fahren, nach Ghom (Qom) geht der nächste erst um sechs Uhr abends. Der käme in etwa am Flughafen vorbei. Da mischen sich ein paar Taxifahrer ein, unterbrochen von einem unermüdlichen Fischverkäufer, der uns aus einer Plastiktüte durchaus ansehnliche Fische anbietet. Das Angebot der Taxifahrer: sie packen unsere Räder in den Kofferraum, da hängen sie dann halt raus.
Besonders ein mittelalter Fahrer, der von der Haarpracht eher als Künstler-Typ durchgeht, bemüht sich um uns und macht schließlich das Rennen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Die Räder sind noch nicht halbwegs mit einem Seil und ein paar Pappkarton-Stücken 'fixiert' (Foto rechts), da prescht er schon los. Natürlich nicht über die Autobahn sondern auf der engen Landstraße. Ist schon der normale persische Autofahrer nach unseren Erfahrungen der vergangenen drei Tage nicht von Pappe beim Überholen, versucht unser Fahrkünstler sie alle noch zu toppen. Ich habe mehr Angst als auf den bisherigen 210 Rad-Kilometern. Zehn-Meter-Busse werden vor der nächsten engen uneinsehbaren Kurve noch mal schnell überholt. Wenn's mal eng wird, drängt er einfach die Wagen auf beiden Seiten beiseite. Dazu kommen offenbar unaufschiebbare Telefongespräche mit seinem alten Nur-Handy.

Taxi-Fahrer zeigt Beifahrer Familienfotos auf der Autobahn in Teheran Ruhig ist nur der geheimnisvolle dritte Passagier auf dem Beifahrersitz. Ein Gentleman mit Krawatte, der jeden Kontakt mit uns meidet. Will er nach Karaj? Auch zum Flughafen? Ruckzuck sind wir wieder am Kandovan-Tunnel, immer noch im Schnee. Wir sind noch keine zwei Stunden auf unserm Trip unterwegs, der Verkehr hat nach einer Abzweigung ins Skigebiet etwas nachgelassen, als der Raser zur Rast bläst. Gemütlich sitzt er in einer einfachen Raststätte beim obligatorischen Omelette. Das bestellen wir uns dann auch. Und zahlen nur noch die Hälfte von dem, was wir bisher in den Edel-Restaurants gezahlt haben.
Karaj umfahren wir auf der Umgehungsstraße, um am Ende dort doch noch zu halten. Die Telefonkontakte des Fahrers haben zuletzt stark zugenommen. Schließlich steht die Person, mit der er telefoniert, unmittelbar vor ihm. Eine alte Frau nimmt eine fette schwarze Plastiktüte entgegen. Die hat auf unseren Ortlieb-Taschen gequetscht auf der Rückbank die Fahrt mitgemacht. Entsprechend riechen unsere Taschen nun nach Olivenöl und Chili
Noch steht eine weitere Steigerung aus: wir fahren nicht etwa auf dem direkten Weg zum Flughafen, unserer Radstrecke vom Sonntag, sondern es geht auf der Autobahn mitten rein nach Teheran. Hier kann unser Fahrkünstler noch mal richtig aufdrehen. Auch wenn ab 120 Stundenkilometern automatisch alle paar Sekunden ein Warnton hinzukommt.
Unser Fahrer nimmt das zum Anlass, sein zweites Handy, ein Smartphone hervorzuzaubern und dem Beifahrer ausführlich Familienfotos zu zeigen (Foto links). Während er auf der rechtesten Fahrspur von zehnen ein Auto nach dem anderen überholt. Erst der Teheraner Stau macht dem ein Ende. Und bald steigt Mr. Geheimnisvoll aus, ohne uns weiter zu grüßen. Der Taxifahrer gibt Vollgas Richtung Flughafen.
Nach vier Stunden Fahrt mit ca. 270 Kilometern sind wir wieder am Ausgangspunkt. Kein 40 Euro hat's gekostet. Alles gut gegangen. Wir bauen Räder und Gepäck wieder zusammen. Nächstes Ziel Ghom. Dafür müssten wir allerdings entweder 30 Kilometer Umweg rund um den Flughafen fahren oder fünf Kilometer auf der Autobahn fahren. Undeutlich sind auf dem Google-Maps-Satellitenbild Feldwege zu erkennen, die eventuell eine Alternative wären. Tatsächlich finden wir eine Lücke in den Zäunen rund um den Cargo-Bereich des Flughafens und können auch einen kleinen Bach trocken überqueren, folgen ein paar Meter dem Pfad am Rande der Eisenbahn und kommen irgendwie wieder auf Asphalt. Der mündet bald in jene Nationalstraße 71, die uns zu den nächsten Zielen führen soll.
Schon aus der Ferne ist klar: auf der Autobahn fahren die PKW, auf der Nationalstraße die LKW. Einer hinter dem andern. Mit ihren fürchterlichen Abgasen. Wir fügen uns alternativlos auf den meist recht komfortablen Seitenstreifen. Es geht durch felsiges, gerölliges Wüstengebiet. Hügeliger als gedacht. Einsam. Bis auf eine Polizeikontrolle, wo wir nach kurzer Befragung weiter fahren dürfen. Lange dauert es, bis endlich eine Trucker-Gaststätte kommt. Wir können noch ein bisschen Brot und Joghurt für die Nacht bunkern. Am nächsten Hügel, kurz nach der Abzweigung zu einer kleinen Schaffarm, die auf der Karte als Mohammad Ali Khan bezeichnet wird, schlagen wir uns ein paar Meter nach rechts. Sichtschutz vor den LKW aber nur wenig Lärmschutz. Es wird um 17 Uhr schnell kalt und dunkel. Mit der Dunkelheit wird plötzlich wieder Teheran erkennbar am Fuß des Elburs-Gebirge. Die verschneiten Gipfel von Damavand und Co haben wir den ganzen Nachmittag beim Blick zurück über dem Dunst gesehen. Jetzt ist wieder das ganze Panorama da. Eine Insel elektrischen Lichts.


Rumpelpiste am Imam-Khomeini-Flughafen neben Bahnstrecke
Rumpelpiste am Flughafen neben Bahnstrecke

Zeltplatz am Morgen bei Mohammad Ali Khan an der Nationalstraße zwischen Teheran und Ghom
Zeltplatz am Morgen


Chris on the Bike auf der Nationalstraße zwischen Teheran und GhomIm Heiligtum als Terroristen beschimpft
Donnerstag, 5. November 2015: Mohammad Ali Khan - Ghom (77 km)

Miri ist wieder die erste draußen in der Kälte. Erst als die Sonne über unsern Nachbarhügel steigt, wird es angenehmer. Und schließlich trocknet auch unser Zelt ganz gut. Weiter auf der LKW-Straße. Am Morgen sind es etwas weniger Trucks. Es geht noch kräftig bergauf. Bis zur Microwave-Station Aliabad. Dann runter (Foto rechts). Wir kreuzen die Autobahn. Jetzt geht es mit dem Rückenwind richtig zügig Richtung Ghom, der (zweit-)heiligsten Stadt des Iran. Mashad, das wichtigste Heiligtum der Schiiten - der hier beerdigte (achte) Imam Reza ist der einzige der zwölf schiitischen Imame, dessen Grabmal sich auf iranischem Boden befindet - haben wir vor zehn Jahren besucht.
Zuletzt ist es ziemlich lang ziemlich flach. Dunst all überall. Und die Einfahrt in die Stadt zieht sich. Zuletzt können wir im Stau gelegentlich auf der Busspur ein paar Meter gut machen. Wenige Meter gibt es sogar einen Radweg.

Chris on the Bike bei der Einfahrt in Ghom: Zufahrt auf den Fatima-al-Masumah-Schrein Die Straße führt direkt auf den Heiligen Schrein von Fatima al-Masumah, der Schwester des Imam Reza, zu, mit den verschiedenen Kuppeln und Türmen (Foto links). Bei inzwischen kräftiger Sonne und 24 Grad. Schnell ein Foto und dann erst mal die Biege. Direkt am Heiligtum wären auch zahlreiche Hotels, aber wir folgen unserm Reiseführer einen Kilometer weiter. Dort sind inzwischen drei größere Hotels. Eins hat ein gutes Zimmer für uns. Aber im Stil der konservativsten aller iranischen Städte ist das Zimmer verhüllt. Kein Blick soll nach drinnen oder draußen dringen. Obwohl Licht sowieso fast nur durch ein schmales Fensterband in zwei Metern Höhe kommen könnte. Eine Stadt in Schwarz.
Nach angemessener Pause begeben wir uns am Abend noch unter die Pilgerscharen. Pakistaner fallen uns besonders auf. Schon am Haus, in dem Khomeini vor seinem Pariser Exil lebte und lehrte. Zum Schrein dürfen nur Muslime. Allerdings bekommen wir wie einst in Mashad eine englisch-sprachige Betreuung. Erst ist es Ali, der die angemessene Mullah-Kleidung trägt, sich aber plötzlich verabschiedet, weil er noch dringend Schuhe vom Schuster holen müsse. Merhad führt uns dann statt seiner durch die verschiedenen Vorhöfe des Heiligtums und die schiitische Theologie.
Als er gerade gesagt hat, wir könnten auch beliebig fotografieren - was wir erst sehr viel später in bescheidenem Umfang tun - stürzt eine geifernde Frau auf ihn zu, weist voller Empörung auf uns und das entscheidende Wort ist auch für uns gut zu verstehen: "Terrorist" Merhad und wir tun das als religiös-psychiatrische Entgleisung ab. Merhad erklärt uns auch eine Art Krippenspiel, das wir vor dem Schrein-Komplex gesehen hatten. Ein totes Baby umgeben von Schlachtszenen erinnert an das Martyrium des dritten Imam, Al-Husain ibn 'Alī, in der Schlacht von Kerbela, das in diesem Monat, dem ersten im islamischen Kalender (2015: 14.10.-12.11.), von den Schiiten begangen wird. Als wir nach dem Konfliktpotential zwischen Schiiten und Sunniten fragen, bekommen wir zu hören, das sei nur von westlichen Medien so dargestellt, in Wirklichkeit seien alle Muslime gute Brüder.


Chris & Miri am Fatima-al-Masumah-Schrein von Ghom
Am Fatima-al-Masumah-Schrein von Ghom


Mullah & Miri auf dem Radweg von GhomRomantische Gemäuer
Freitag, 6. November 2015: Ghom - Kashan (101 km)

Freitag. Frei von Arbeit im Iran. Zumindest für die meisten. Schon auf der zehnspurigen Ausfallstraße gegen Süden himmlische Ruhe. Dazu ein acht Kilometer langer Fahrradweg (Foto rechts). Hier und da durch Querstraßen und Blockaden unpassierbar. Alles führt zu einer weiteren großen Pilger-Anlage im Süden der Stadt, der Jamkaran-Moschee. Sie geht zurück auf eine Erscheinung im Jahr 1917, wurde aber erst nach der iranischen Revolution als Pilger-Ziel etabliert, als die bedeutenderen schiitischen Pilgerorte im Irak wegen des Krieges nicht erreichbar waren. Zuletzt wurden unter Präsident Achmadinejad Millionen Euro ausgegeben, um den Pilgerort zu vergrößern und zu verschönern.
Kurz darauf sind wir wieder auf der Nationalstraße 71. Doch auch hier heute, wenn überhaupt, eher PKW (das LKW-Fahrverbot auf der Autobahn gilt offenbar nur bis Ghom, wie wir später hören).
Wir haben Rückenwind. Es geht oft ganz leicht bergab. Und so fährt es sich fast von selbst. Die Autobahn verläuft ganz in der Nähe. Und hat allen Restaurants an der Landstraße das Wasser abgegraben. Es sind nur Ruinen geblieben. So setzen wir uns zur ersten Pause an den Straßenrand. Zur zweiten Pause in einen Imbiss der Stadt Mashkat, wo Ehemänner für die ganze Familie im großen Stil Grillfleisch und Brot nach Hause abschleppen. Wir genießen auch hier die Wochenendstimmung. Es geht dann eine ganze Weile ganz leicht bergauf, der Wind will auch nicht mehr so richtig, die Kräfte lassen nach. Ein Familienvater hält mit seiner Familienkutsche, und wir werden mal wieder ausführlich fotografiert und befragt.

Ehsan Traditional Guest House, Kashan Dann sind wir schon praktisch in Kashan (Kaschan), zumindest suggerierten das die vorherigen Entfernungsschilder. Doch es geht noch zehn Kilometer bis in die Stadt hinein. Wieder auf einer sehr großzügigen, breiten Straße, vorbei an riesigen Anlagen von Industrie und Universität. In der Nacht habe ich in der Iran-App von Turkish Airlines eine einzige Unterkunft gefunden: Ehsan Traditional House. Das klingt vielversprechend. Und da zur App auch eine detaillierte iranische Straßenkarte gehört, ist es für uns leicht, die Unterkunft zu finden. Tatsächlich: es ist eine verträumte Anlage um einen Innenhof mit langem Wasserbecken, in dem Fische schwimmen. Wir bekommen ein einfaches Zimmerchen auf dem Dach (Foto links), Dusch-Toiletten gegenüber. Alte, romantische Gemäuer, wohl aus dem 19. Jahrhundert. Wie es sie viele in Kashan gibt. Nur wenige sind so restauriert wie unsere Unterkunft, in der sich Traveller aus allen Richtungen treffen. Unsere erste Begegnung mit Iran-Tourismus.
Auch in der Moschee und Medresse Agha Bozorg gegenüber mit seldschukischen Wurzeln tummelt sich eine italienische Touristengruppe. In einem Traditional House in der Nähe der winzigen Altstadt-Mauer essen wir zu Abend. Das tägliche Eier-Einerlei, dem wir als Vegetarier bei Frühstück und in Landstraßen-Restaurant ausgeliefert sind, verlangt dringend nach Abwechslung. Hier bekommen wir sie. Mit zwei leckeren Auberginen-Gerichten.


Fin Garden bei Kashan
Im Fin Garden bei Kashan (16.-19. Jh.)


Bazar von KashanDie Welt auf dem Computer- und Fernseh-Bildschirm
Samstag, 7. November 2015: Kashan

Hier ist es schön. Hier bleiben wir. Am Morgen streifen wir durch den endlosen und gänzlich untouristischen Basar. Mit seinen vielen Seiten-Gängen, -Bädern, -Höfen (Fotos rechts und links). Lassen uns zu den außerhalb gelegenen Fin-Gärten kutschieren (Fotos oben und unten). Die erweisen sich kleiner als gedacht, aber Wasser- und schließlich auch Sonnendurchflutet.
Erst als wir wieder in unserer Traumunterkunft sind, regnet es. Ich versuche mein Glück im Internet-Café. Nichts funktioniert so recht. Weder der Computer, noch die USB-Anschlüsse, schon gar nicht die Verbindung in die weite Welt. Vor allem der File-Transfer gelingt nicht mal im Ansatz. Auch das Wlan im Guest House ist sehr wählerisch und mehr Episode. Was auf keinen Fall funktioniert: Twitter und Facebook sind im Iran gesperrt. Wohl nur über Umwege zu erreichen. Auch die Spiegel-App ist dauergesperrt. Spiegel Online über den Web-Browser dagegen frei zugänglich.

Bazar von Kashan Während wir am Abend durch die Straßen laufen, läuft auf dem ein oder andern Bildschirm das Bundesliga-Spiel Bayern gegen Stuttgart. Live. Dann stürmen Schülerinnen aus einem Englisch-Abendkurs und stürzen sich gleich auf die beiden Englisch sprechenden Touristen. Das kommt uns sehr gelegen, weil wir unser Restaurant nicht finden. Sie wollen helfen. Eine nach der anderen verabschiedet sich, zuletzt führt uns Zeinab zu einem Restaurant. Mamnoun, Zeinab.
Am späten Abend ein zweiter Versuch im Internet-Café. Siehe da: Computer 1 ist sehr viel besser als Computer 2. In gewissem Rahmen funktioniert sogar der File-Transfer zu meiner Website. Auch wenn alles in der Transfer-Software File-Zilla auf Arabisch angezeigt wird. Auch die Passwort-Zahlen. Das einzige Problem: die Homepage ist nun weiß. Gibt gar nichts mehr von sich. Das ist blöd. Vor allem für die, die hoffen auf diesem Wege etwas über uns zu erfahren. Und dann zehn Minuten vor zehn der xste Versuch der Aktualisierung: der funktioniert. Good night, world.


Fin Garden bei Kashan
Im Fin Garden bei Kashan (16.-19. Jh.)

Fin Garden bei Kashan

Chris on the Bike auf der Nebenstrecke zwischen Kashan und Abyaneh


Chris on the Bike bei der Auffahrt nach AbyanehSie wissen, was sie tun
Sonntag, 8. November 2015: Kashan - Militär-Zwangstransport (10 km) - Abyaneh (70 km)

Erst der große Abzweig nach Yazd (das wir links liegen lassen müssen, weil der Umweg zu weit wäre), dann der Abzweig zur Amirkabir Industrial Town, dann der Abzweig zum "air pot" von Kashan. Das sind die ersten Stationen. Jedes Mal werden die Autos weniger. Bis wir fast allein durch die Landschaft ziehen (Foto oben). Es wird ein bisschen hügelig und dadurch noch schöner. Rollender Sonntags-Gottesdienst. Pause in der Felswüste.
Als es wieder übersichtlicher wird und wir gerade die Autobahn unterquert haben, rauscht plötzlich von hinten ein Militär-Pickup heran. Passport, keine Fotos, zehn Kilometer Zwangstransport. Mein Smartphone wird kontrolliert: welche Fotos habe ich gemacht? Zum Glück sind die letzten alle harmlos: Fin Garden und der Bazar von Kashan. Miris Apparat wird dagegen nicht angeworfen. Wir werden mit einer Filmkamera ausführlich dokumentiert. Unsere Pässe gescannt. Viel Federlesens machen die drei Soldaten nicht. Sie wissen, was sie tun bzw. zu tun haben. Ruckzuck landen die Räder samt Taschen auf der schmalen Ladefläche des Pickups.
Der Grund der Aktion: die Atomanlage Natanz zur Anreicherung von Uran, seinerzeit wohl entscheidend gelähmt durch den Computervirus Stuxnet. Abgesehen davon, dass sie unterirdisch liegt, kommt sie eigentlich erst jenseits der Kreuzung, an der wir nach Süden Richtung Abyaneh abbiegen. Vorher allerdings liegt rechter Hand ein größeres Industriegelände, das vermutlich irgendeine Bedeutung für die Atomanlage hat. Jedenfalls bekommen wir 170 Höhenmeter auf den maximal zehn Kilometern von der islamischen Republik geschenkt. Müssen noch einmal versprechen, die nächsten 30 Kilometer nicht zu fotografieren. Und so sind wir bald auf der Höhe des Abzweigs nach Abyaneh. Unser Tagesziel. Ein einst zoroastrisches Dorf in entlegenen Bergen. Und weil das in keinem Reiseführer steht: schon das Tal, das hinaufführt, ist allein die Fahrt wert (Foto rechts). Links und rechts türmen sich Felsformationen. In der Tiefe des Tals prägen herbstlich gefärbte Bäume das Bild. Auch viele Obstbäume. Granatäpfel hängen da, Khakis und hier und da noch eine vergessene Feige.

Chris on the Bike in Abyaneh Trotz der geschenkten Kilo- und Höhenmeter lassen die Kräfte nach. Bis wir vor der Pay Toll Station stehen. Einer Schranke mitten im Karkas-Gebirge auf über 2000 Metern Höhe. Touristen werden hier geschröpft. Fahrradfahrer nicht. Wir bekommen sogar einen kleinen Prospekt zum Ort. Samt Stadtplan. Alles sieht nach Sackgasse aus. Auch wenn Google-Maps und Reise-Know-how-Karte zusätzlich eine Zufahrt von Westen kennen. Die Leute hier kennen sie offenbar nicht. So die erste Auskunft.
Das Dorf am Hang mit seiner roten Lehmbau-Erscheinung ist nicht gerade verkehrstauglich gebaut. Bald müssen wir einen frommen Holy-Shrine-Complex mit dem Fahrrad durchqueren, um überhaupt voran zu kommen. Der Hauptweg ist mit Platten belegt. Mit einer 20 Zentimeter breiten Rinne (Foto links). Alles ist so glitschig, dass man weder in der Rinne noch am Rand halbwegs sicher fahren kann. Die alten Häuser und Gassen sind trotz einsetzender Dunkelheit und Kälte grandios. Am Ende geht's dann noch mal kräftig bergauf zu einem kleinen Guest House, wo heute aber niemand öffnet. Und zum zweiten Hotel am Platze. An der Rezeption habe ich Startschwierigkeiten. Obwohl der Eingangsbereich belebt ist, ignorieren mich alle. Insbesondere der Kellner, der stoisch seine Gerichte serviert. Erst als ich mich demonstrativ auf den Chefsessel hinterm Tresen setze, geht er auf mich ein und will mich von dort wegbewegen. Weil ich nicht weiche, holt er endlich den Rezeptionisten. Geht doch.


Bach bei Abyaneh
Bach bei Abyaneh


Motorradfahrer fährt durch Bach bei AbyanehSchlamm-Schlacht im Karkas-Gebirge
Montag, 9. November 2015: Abyaneh - Pass (2850 m) - Kamoo (33 km)

Wir sind die einzigen Frühstücksgäste. Gibt es nun die Google-Straße Abyaneh-Ghohrud nach Westen, oder nicht? Alle streiten das ab, bis auf einen. Der wohnt direkt am Einstieg. Ok, es ist eine Piste. Aber scheinbar nicht schlecht. Bald müssen wir die Räder über Wasserläufe hinweg tragen. Gegenverkehr: ein Mopedfahrer begegnet uns. Der einzige auf der Strecke, sieht man davon ab, dass er bei der zweiten Bach-Überquerung wieder auftaucht (Foto rechts). Er warnt uns vor wilden Tieren, denen man - legt man seine Gestik zugrunde - besser nur mit Schusswaffen begegnet. Und wenn mal eine Abzweigung komme: rechts halten, signalisiert er ebenfalls mit seinen Händen. Nach einer Stunde haben wir fast die Hälfte der 22 Kilometer Strecke bis zur Asphaltstraße hinter uns. Es läuft super. Sonne (Fotos oben, links und unten). Wir machen eine Pause (Foto unten).

Miri auf der Gebirgspiste bei Abyaneh Die Wolken ziehen etwas zu. Auf einer langer Geraden plötzlich Schlamm. In null Komma nix blockieren die Räder: Schutzbleche, Bremsen, alles dicht (Foto unten). Wir laden Gepäck ab. Tragen alles etappenweise weiter. Immer wieder den Schlamm beseitigend. Die letzten Meter zum Pass. Kein Schlamm mehr, aber stärker steigend. Miri, wie stets schneller an die Höhe von 2800 Metern gewöhnt, übernimmt den schweren Zelt-Rucksack. Schiebt mich.
Dann sind wir auf unserm ersten Pass im Karkas-Gebirge. Im Schnee. Kalt, windig. Das Höhenprofil sagt: wir bleiben zunächst weitgehend auf dieser Höhe. Das hilft bei der ersten Abzweigung. Außerdem gilt eben grundsätzlich: rechts halten. Jetzt Schneefall. Donner. Schnee und Schlamm. Wieder ein Abzweig. Miri schaut voraus. Die beiden Wege vereinigen sich bald wieder. An einer Ziegenstation ohne Ziegen auf 2800 Metern stehen Gatter, Tränke und eine offene Steinhütte. Wir versuchen, Feuer zu machen. Gegen die Eiseskälte. Vergeblich. Das Holz ist zu feucht. Weiter.
Im Wesentlichen nun runter. Immer wieder Schlammpassagen. Manchmal fliegt der Schlamm durchs Runterfahren weg. Nach fünf Stunden für 22 Kilometer erreichen wir völlig verschlammt Asphalt. Reinigen eine Stunde lang die Räder soweit nötig und möglich mit Wasser aus zwei Pfützen. Immer wieder unsere Wasserflaschen nachfüllend. Hier und da ein Auto. Hupen. Ein junger Mann hält und schenkt uns Brot. Und holt dann noch eine Plastiktüte voller Plätzchen und einem großen Glas selbst gemachten Joghurt aus dem Kofferraum. Unglaublich. Die Plätzchen stärken uns für die letzten zehn Tages-Kilometer. Es ist dunkel und kalt. Auf 2600 Metern Höhe entdecken wir einen Rohbau am Rande eines Dorfes. Um 18 Uhr liegen wir im Zelt. Mir ist es zu kalt von unten. Die Thermarest-Matte ist zu dünn, zu wenig aufgeblasen. Das ändere ich und breite die Überlebens-Decke darunter aus. So geht es halbwegs.


Gebirgspiste bei Abyaneh

Gebirgspiste bei Abyaneh
Noch ist die Welt in Ordnung: erste Pause

Gebirgspiste bei Abyaneh
Schnee & Schlamm

Gebirgspiste bei Abyaneh
Auf dem ersten von drei Passhöhen

Gebirgspiste bei Abyaneh
Schneematsch auf der Strecke

Gebirgspiste bei Abyaneh

Völlig verschlammtes Fahrrad
Am Ende: verschlammte Räder


Frühstück: Brot mit Frischkäse und Karotten-MarmeladeKetten-Öl von der Rosenfabrik
Dienstag, 10. November 2015: Kamoo - Meymeh - Isfahan (137 km)

Ich habe auf dem gefrorenen Boden sehr schlecht geschlafen. Miri ging es auf ihrer Luftmatratze besser. Ein sonniger Morgen. Es wird schnell warm. Kaum Feuchtigkeit im Zelt wegen Rohbau und Wüste (Foto links). Niemand aus dem Dorf scheint uns bemerkt zu haben. Ein brillantes Frühstück dank des Brotes vom jungen Autofahrer (Foto rechts).
Unsere Ketten rattern. Kein Milligramm Fett ist nach der Schlammschlacht von gestern mehr drauf. Da kommt die Rosenfabrik von Kamoo, wo wohl die Rosen von Ghamsar (Qamsar) verarbeitet werden, gerade recht. Maschinen-Feinöl ist genau das Richtige. Jetzt läuft's wieder. Wolken ziehen auf. Kälte beim Abwärts-Fahren. Nach Schlenker um die Militärstation von Jowsheqan (Josheqaneqali) Rückenwind. Fast den ganzen Tag.
Aufwärmen bei zwei Spiegeleiern in Meymeh. Die Einheits-Nahrung geht uns allerdings langsam etwas auf die Nerven. Der Vorteil: wir fühlen uns nie richtig überfressen.

Zeltplatz im Rohbau bei Kamoo, Isfahan, Iran Jetzt pustet uns der Wind Richtung Isfahan. Wir sind wieder auf einer Schnellstraße. Weitgehend mit Standstreifen. Und mit Sonne. Jetzt wird es knall warm. Nur rund um die Autobahn-Überquerung kein Standstreifen - sehr unangenehm. Es gibt eine Nebenstrecke nach Isfahan auf der Karte. Aber in der Realität finden wir sie nicht. Da wird unsere Straße auch schon dreispurig. Alles gut.
Als es dann nach dem letzten Abzweig in die Stadt geht, nimmt der Verkehr schlagartig zu. Kurzer Stau wegen einer Baustelle. Elf Kilometer geht es nun stadteinwärts. Die meiste Zeit überdacht durch eine Hochstraße. Rund 30 Meter lang sieht es sogar so aus, als sei ein Radweg im Bau.
Wir suchen ein Hotel, von dem uns unser junger Autofahrer gestern eine Visitenkarte gegeben hat. Niemand kennt es. Die Straßen-Skizze auf der Visitenkarte ist definitiv falsch. Wir versuchen es trotzdem. Brechen es ab. Fahren durch ein erstaunlich ruhiges Viertel. Null Verkehr. Im Gegensatz zu außen rum. Wir finden die Lonely-Planet-Empfehlung Hotel Totia. Bekommen ein Zimmer zur Straße hin. Sind froh, 137 km geschafft zu haben. Machen sogar einen Abendspaziergang. Völlig neue Shopping-Möglichkeiten. Wir finden Camping-Gas-Kartuschen. Der erste Verkäufer hat allerdings anscheinend null Interesse an einem Verkauf. Er telefoniert unentwegt. Im zweiten Geschäft ist das anders. Dazwischen sind wir auf dem riesigen Naqsh-e-Jahan-Platz (Imam-Khomeini-Platz). So riesig, dass er auch angesichts der vergleichsweise flachen Umbauung nicht so kompakt als Platz wirkt.


Innenansicht Imam-Moschee, Isfahan
Imam-Moschee, Isfahan


Detail Imam-Moschee, IsfahanSchlaflos in Isfahan
Mittwoch, 11. November 2015: Isfahan

Ich hab sehr schlecht geschlafen. Der Verkehr vor dem Hotel lässt nicht nach. Und damit auch der Lärm. Wir könnten eventuell das Zimmer wechseln. Aber so sehr gefällt uns das Hotel nicht. Während Miri wäscht, mache ich mich auf die Suche nach einem besseren Quartier. Die Kette springt ab. Ich finde schließlich das Traditional Hotel, das wir mit der Visitenkarte gestern gesucht haben. Sehr schöner Innenhof. Sie wollen 80 Dollar, dann 70. Immer noch ein bisschen viel. Ich bin unausgeschlafen, missmutig, den ganzen Tag sehr gereizt, schlecht in Form. Kann nicht recht verhandeln.
Das Nachbarhotel, viel schlechter, will 50 Dollar. Ich radle weiter, will zurück zum Hotel, verfahre mich, lande wieder am großen Naqsh-e-Jahan-Platz. Da will ich wenigstens Postkarten kaufen. Gestern Abend war der Chef nicht da, jetzt ist der Laden noch nicht auf. Frage hier noch mal direkt am Platz beiläufig in zwei Hotels nach Zimmern. Im zweiten bekommen wir eine Riesen-Suite: zwei Bäder, zwei Schlafzimmer, Riesen-Küche. Und mit direktem Blick auf die Imam-Moschee. Für 45 Dollar. Wir wechseln. Zehn Kilometer bin ich durch die Stadt gegurkt.

Weibliche Schaufenster-Puppen mit korrekter iranischer Bekleidung im Bazar von Isfahan Ich versuche zu schlafen. Aber der starke Frühstücks-Tee verhindert auch das. Trotzdem Besichtigung der Imam-Moschee am Nachmittag. Kalter Wind trotz Sonne. Viele italienische Touristen-Gruppen. Während Miri noch den Bazar unsicher macht, schleppe ich mich zurück ins Hotel. Auch die Müdigkeit nach anstrengenden Radtagen macht sich bemerkbar. Ich kann im dritten Versuch endlich Postkarten kaufen in dem Nachbarladen. Hier kostet das Porto nur 20.000 Rial. Bei der Post in Kashan waren es in der ersten Etage noch 25.000. Später am Abend als ich noch nachkaufe, will der gleiche Mann mir plötzlich Porto für 40.000 Rial (rund ein Euro) pro Postkarte verkaufen.


Zwei iranische Frauen vor dem Ali Kapu Palast am Imam Khomeini Platz, Isfahan
Früher Morgen vor dem Ali Kapu Palast am Imam Khomeini Platz in Isfahan


Chris on the Bike mit einer Schülerinnengruppe am Imam-Khomeini-Platz in IsfahanGemischtes Volleyball und unarmenische Bilderwelt
Donnerstag, 12. November 2015: Isfahan

Da wir direkt am Naqsh-e-Jahan-Platz wohnen, können wir vor dem Frühstück in unserm Riesen-Apartment einen kleinen Morgenspaziergang machen. Ganz leer ist er noch. Später wollen wir im Post-Office am Platz unsere Postkarten einwerfen. Und sind gespannt, wie viel Porto hier erwartet wird. Dem Postmenschen ist das egal. Wir sollen einfach einwerfen. (Die mit 20.000 Rial frankierten Postkarten nach Deutschland und in die Schweiz kommen alle an.) Viele Mädchen-Klassen sind im Kollektiv auf dem Platz unterwegs. Mobina fragt offensiv, woher wir kommen. Ihre Englisch-Lehrerin ist begeistert (Foto rechts).
Während ich Geld wechsle, nimmt Miri Persisch-Unterricht auf dem Platz und bekommt einen Wespenstich ab. Davon erzählt sie allerdings erst Stunden später. Im Bazar (Foto links) bekomme ich Gas für mein leeres Feuerzeug. Falafel in einem Imbiss. Die Jameh-Moschee finden wir nicht so bewegend. Der Eintritt, wenn er denn außerhalb der Mittagspause kassiert worden wäre, hätte sich nicht gelohnt. Miri erfreut sich an Granatapfel- und Karottensaft mit Safraneis.

Doppelstöckiger Innenhof im Bazar von Isfahan Heute ist wieder alles in Balance. Normale Ruhetags-Müdigkeit. Mittagspause. Nachmittags um 16 Uhr ist es dann zu spät für Palast und Moschee am Platz. Auch der nächstbeste Palast ist geschlossen. Der Fahrer eines Großraum-Taxis bietet uns einen Trip zur armenischen Kathedrale von Jolfa an (Foto unten: Glockenturm). Mit Museum, samt Genozid-Ausstellung. Die unislamische Bilderwelt der Kirche wirkt in ihrer unarmenischen 19.-Jahrhundert-Italien-Stilistik doppelt fremd. Drumherum ist das armenische Viertel gestylter als unsere bisherigen Stadterfahrungen im Iran. Wir spazieren am Ufer des Zayandeh-Flusses. Junge Männer und Frauen spielen gemeinsam Volleyball. Die Sio-Se-Pol-Brücke ist wundervoll beleuchtet. Mit dem Taxi geht es zurück zum Hotel.


Blaue Stunde am Glockenturm an der armenischen Vank-Kathedrale von Jolfa, Isfahan
Am Glockenturm der armenischen Kathedrale von Jolfa


Chris on the Bike vor der Chubi-Brücke in IsfahanGeschenkt: Bohnenbrei, Muffins, Plätzchen...
Freitag, 13. November 2015: Isfahan - Pir Bakran - Pass (2410 m) - Boroujen (107 km)

Selfmade Frühstück in unserem Riesen-Apartment. Mit Gerstenflocken. Milch. Brombeermarmelade. Freitagmorgen am Ufer des Zayandeh-Flusses. Jogger. Sonne. Schöne Uferwege. Gut zum Radfahren. Wochenendstimmung am frühen Morgen. Wir klappern vier der fünf historischen Brücken von Isfahan ab (Fotos rechts und ganz oben). Aus dem 17. Jahrhundert. Überall junge Leute. Auch alte. Viele wollen mit uns in Kontakt kommen. Sprechen uns an.
Dann ab auf die Schnellstraße. Wesentlich mehr Verkehr als vor einer Woche bei der Ausfahrt aus Ghom. An einer Stelle weiß ich nicht weiter. Schaue lange auf Karten, Höhenprofile und Umgebung. Ein städtischer Müllsammler am Straßenrand meint, wir sollten geradeaus fahren. Ich meine nicht. Noch während ich überlege, hält ein Mann und beglückt uns mit einem tiefen Plastikteller voller Bohnenbrei. Einfach so. Er hat uns vermutlich schon einige Zeit beobachtet und dann gezielt damit beglückt. Vielleicht auch ganz spontan. Toll. Hebt die Stimmung.
Wir fahren rechts. Wieder hilft das Höhenprofil am meisten. Weil die Auffahrt kurz auf 1700 Meter führt.
Bei Abrisham geht's schon wieder von der Schnellstraße runter. Am Stadtrand von Pir Bakran lockt uns ein kleines Heiligtum (Foto links) zur ersten Pause. Die Bohnenpaste schmeckt super. Ist immer noch ein bisschen warm. Ein oder zwei Familien scheinen am Heiligtum zu wohnen. Einer der Männer hat in Deutschland gearbeitet. In Essen und Hannover. Kann aber praktisch kein Deutsch.

Kleines Heiligtum am Stadtrand von Pir Bakran Bei Mobarakeh lockt uns die Beschilderung zu einem Umweg an der Universität vorbei. Der direkte Weg führt womöglich über das Stahlwerk weit im Süden der Stadt. Das wir am Ende unseres 'Umwegs' in der Ferne sehen. Der wärmste Tag bisher. 22 Grad. Vom Stahlwerk aus führt ein gerader Weg direkt auf ein Bergmassiv zu. 15 Kilometer immer geradeaus. Man sieht das ansteigende Ende und es kommt einfach nicht näher. Miri macht die Führungsarbeit.
Wir bekommen eine weitere Einladung zur Übernachtung. Ein Typ hält mit seinem Auto und erzählt, dass er vor einem Jahr drei Polen aufgenommen hat. Wir sind schon jetzt zu müde für Konversation. Miri spricht mit ihm. Schon am Vormittag hat ein Herr mit SUV angehalten und erzählt von einem Holländer, den er samt Rad vor einer Woche aufgenommen habe. Und ihm seine Fabrik gezeigt habe. Auch wir seien herzlich eingeladen. Oft schwingt die Sorge nach dem Bild Irans im Ausland mit. Ohne dass damit die Regierung infrage gestellt wird. Und immer sehr respektvoll bei der ersten Kontaktaufnahme, distanziert, höflich.
Endlich, endlich ist der lange Weg durch den Bergzug am höchsten Punkt. Rundum schöne, flache Hügel (Foto unten). Lange flache Abfahrt nach Boroujen. Ruckzuck wird es kalt - schon während die Sonne noch zu sehen ist. 13, elf Grad. Bevor wir zum Vier-Sterne-Hotel außerhalb der Stadt fahren, erfahren wir noch vom Drei-Sterne-Hotel Fajr direkt am Stadtpark. Man spricht Persisch und alles ist recht einfach, aber ok. Und wie stets sind die Handtücher in Plastik eingeschweißt. Wie in den Restaurants das Besteck. Wir bleiben. Zu müde, zu kalt, um noch das Vier-Sterne-Experiment in Angriff zu nehmen. So können wir gegenüber Falafel essen. Und mit einer kleinen Familie mit ihren zwei kleinen Kindern quatschen. Beim Konditor bekommen wir zehn Muffins, die wir kaufen wollen, geschenkt. Als wir das nicht annehmen wollen, kriegen wir noch ein paar Plätzchen obenauf. Zahlen unmöglich.


Hügel an der Passhöhe (2410 m) vor Boroujen, Iran
An der Passhöhe (2410 m) vor Boroujen

Chris on the Bike bei Gonduman
Wieder weiße Berge


Ein Mann, der sich als Polizist ausgibt, fotografiert uns gegen unseren WillenHomestay bei 25 Grad statt eisige Zeltnacht
Samstag, 14. November 2015: Boroujen - Pass (2350 m) - Pass (2265 m) - Pass (2265 m) - Qara (107 km)

Beim Frühstück zeigt sich, dass doch ein bisschen Leben im Hotel steckt. Gegenwind aus Westen. Schon der erste Pass ist sehr, sehr mühsam. Auch wenn er nicht, wie auf der Karte vermerkt, 2750 Meter hoch ist, sondern nur 2350. Schnee in Sichtweite (Foto oben und links). Selbst runter nach Gandoman, wo vor allem Walnüsse säckeweise angeboten werden, ist es mühsam. Auch viel Verkehr. Aber sehr schöne Berg-Wüsten-Landschaft. Die Straße ist vierspurig - zumindest im Ausbau.
Dann versucht uns ein Auto zum Halten zu bringen. Der erste Versuch ist zu knapp kalkuliert, beim zweiten ist mir das nicht geheuer, beim dritten behaupten sie von der Polizei zu sein. Sie halten direkt am engen Straßenrand. Ausnahmsweise gibt es kaum Seitenstreifen. Sie fotografieren primär mich, gefühlte 50 Mal. Ich protestiere. Will einen Ausweis sehen. Sie nicht. Schließlich zeigen sie mir einen Ausweis, auf dem ich nichts lesen kann. Ich fotografiere sie (Foto rechts). Da haben sie nichts gegen. Alles sehr unangenehm, weil verunsichernd.
Miris linkes Pedal macht seit gestern Krach. Heute noch mehr. Nach einem weiteren Pass zweigt überraschend der Hauptverkehr ab Richtung Lordegan. Wir fahren auf einer kleineren Straße weiter im Gegenwind. Eine Umgehung kürzen wir ab auf der Dorfstraße. Im Laden können wir einiges kaufen, aber kein Brot. Schon ist die Frau von Gegenüber da und bringt gleich drei große selbst gebackene Fladen. Unglaublich.
Der persische Prospekt samt Straßenkarte, den man uns in letzter Minute heute Morgen noch im Hotel gegeben hat, ist eine ganz gute Orientierung. Unser provisorisches Tagesziel, generiert aus Google Maps, Sileh, vor Ort als Seeleh angeschrieben, ist ein bisschen klein geraten. Zwei Jungs warten in einem dicken Jeep am Ortsrand. Sie laden uns spontan nach Hause ein, wohl zu ihren Eltern. Aber so ganz profund scheint dieses Angebot nicht zu sein. Sie raten von der Nebenstrecke ab, die ich auf der Karte entdeckt habe. Und meinen, in 30 Kilometern Entfernung gebe es ein Hotel. Das klingt überzeugend. Müssten wir eigentlich noch schaffen, auch wenn die Sonne langsam untergeht und die Kälte zügig zunimmt.

Landschaft bei Gonduman Vor dem vermeintlichen Hotel allerdings kommt der letzte Pass des Tages. Eine gute Stunde brauchen wir für 300 Höhenmeter. Der Wind hat endlich nachgelassen. Oben angekommen wird's dunkel. Wir installieren Lichter. Vergessen unsere Stirnlampen. Fahren los. Mein Vorderlicht verreckt wohl bei 66 km/h. Dafür brennt mein Rücklicht wieder, von dem ich schon lang nichts mehr gesehen habe. Plötzlich Wald, Bäume. Es ist eiskalt.
Wir ziehen uns noch was über. Werden aber nicht mehr warm, weil es nur noch bergab geht. So richtig. Unten angekommen fragen wir nach einem Hotel. Bekommen widersprüchliche Antworten. Die Moschee in Mal-e-Khalifeh / Kalvart Olya wird empfohlen. Wir brausen weiter. Sehen fast nichts mehr. Verkehr und Gegenverkehr beleuchten die Fahrbahn. Schließlich heißt es wieder aus einem Auto heraus, in 500 Metern sei ein Hotel. Wir starten einen letzten Versuch, obwohl man gerade hier gut zum Zelten abbiegen könnte. Wir können kein Hotel entdecken. Wir fragen in einem Laden. Die kennen kein Hotel. Miri kauft noch eine Wasserflasche für die Zelt-Nacht. Plötzlich taucht die Ehefrau des Ladenbesitzers auf. Die beiden laden uns spontan zu sich nach Hause ein. Überreden uns, zumindest mal ihr Haus hinterm Geschäft anzuschauen.
Ich geh hin. Berichte Miri von 25 Grad Wohnungstemperatur. Wir schlagen zu. Draußen ist es einfach wahnsinnig kalt. Zwei Kinder haben die beiden: Hussein und Leila. Die Mutter ist clever, managt alles ganz schnell. Und zeigt auch beiläufig Miri ihre Haare, indem sie ihr Kopftuch neu bindet.
Es wird noch schnell gekocht. Ein Hähnchen für uns gegrillt. Das Klo vor dem Haus für uns geputzt. Frische Bettwäsche. Wir bekommen das Kinderzimmer. Alle Zimmer sind riesig. Nur mit Teppichen ausgelegt. Der Gasofen wärmt alles super.
Die Verwandtschaft wird herbeitelefoniert. Der Bruder der Frau erscheint mit seiner Frau und zwei älteren Söhnen. Vorher erscheint noch Ramasan, der Opa. Mit 55 Jahren hat man ihm gerade ein Bein amputiert wegen Diabetes. Alles ist sehr herzlich. Wir spielen Memory mit den Kindern. Und der Fernseher läuft. Vor der Hauptnachrichtensendung wird der Kriegsgefallenen gedacht. Die Moderatorin ist wie stets besonders streng verschleiert. Syriens Präsident Assad kommt ausführlich zu Wort. Im Sportblock ist das Foto einer Schwimmerin im Ganzkörperkondom auf dem Startblock zu sehen.
Dann Switch auf einen anderen Sender. Die Terror-Attentate von Paris sind plötzlich das Thema. Von Daesh, also ISIS. Es gibt kaum Bilder, einige Fotos, aber wir verstehen nicht, was passiert ist. Einer der Jungs zeigt mir das Foto seiner Verlobten. Auf einem anderen Foto posiert er in Daesh-Pose: ein schwarz verhüllter Kopf. Faszination des Terrors - auch bei der schiitischen Jugend.
Die Kommunikation ist schwer. Nur rudimentäre Englisch-Kenntnisse bei den Männern. Wir wollen in unseren Schlafsäcken liegen. Geht nicht. Bettzeug ist angesagt. Unsere separate Ausgangstür zum Hof mit Klo erweist sich in der Nacht als blockiert. Muss auch nicht sein.


Abfahrt im Zagros-Gebirge
Nach jedem Pass eine Abfahrt

Felsen im Sonnenuntergang bei Sileh/Seeleh
Felsen im Sonnenuntergang bei Sileh/Seeleh

Pause hinter Tunnel 11 bei Meymand, Iran
Pause hinter Tunnel 11


Miri mit unseren Gasteltern samt Sohn Hussein in QaraFrisch gekochter Kaffee von der Ladefläche
Sonntag, 15. November 2015: Qara - Yasuj (97 km)

Eigentlich sollen wir uns erst um acht Uhr melden. Aber dann werden wir doch schon eine halbe Stunde früher mobil gemacht. Und dürfen auf Toilette. Die noch mal extra für uns geputzt ist. Draußen säubert Ramasan mit seinen 55 Jahren sein Gebiss. Frühstück mit Sahne, Honig und Eiern (Foto rechts und ganz unten). So viel Gastfreundschaft. Wir können uns nicht mal richtig bedanken.
Die Straße führt bald noch ein bisschen tiefer. In ein wunderbares Tal. Wieder mit Bäumen. Die uns fast den ganzen Tag begleiten. Auf der andern Talseite geht es kräftig bergan. Schneekettenschilder oder Fasten-Seatbelt-Schilder sind sehr beliebt, um Steigungen aller Art anzukündigen.
Am ersten von zwölf Tunneln, der Nummerierung nach der zwölfte von zwölf Tunneln, wartet ein Polizei-Militär-Fahrzeug mit vier Insassen auf uns. Nach der gestrigen Begegnung sind wir verunsichert. Aber sie warten nur, um uns mitzuteilen, dass wir die alte Umgehungsstraße um den Tunnel herum nehmen sollen. Der Tunnel ist 210 Meter lang. Das Ende gut einsehbar. Alles bequem zu fahren. Dennoch folgen wir brav der Anweisung. Ist nur ein Höhenmeter mehr und vielleicht 20 Meter weiter. Der Polizei-Militär-Wagen braust zurück und überlässt uns unserem Schicksal in den nächsten elf Tunneln. Nur ein Kilometer weiter müssen wir durch einen fast einen Kilometer langen Tunnel... Direkt dahinter ein schöner Pausenplatz (Foto oben).
Dummerweise geht es trotz der Tunnel immer wieder auf und ab. Auch, als wir auf der Südseite des Zagros-Hauptkamms sind. Immer einige der 40 verschneiten 4000er Gipfel des Dena-Massivs im Blick. Große Pause in Pataveh. Wir sehen den Hinweis auf eine antike Brücke. Sind aber zu, erschöpft um ihm zu folgen. Vor allem, weil das Schild nicht mitteilt, wie weit es denn zu der Brücke ist. So genießen wir das Chaos-Panorama der Ansammlung von Straßen-Restaurants und Geschäften vor dem Berg-Panorama in Pataveh. Dem Tal mit seinem großen Fluss Khersaan folgen wir im Prinzip. Aber die Straße führt nicht im Talgrund entlang, sondern auf immer neue Anhöhen der Nordseite. Eine tolle Szenerie (Fotos unten).

Mehdi aus Kazerun und seine Frau mit Hochzeitsfoto Auch heute hält ein Mann mit seinem Pickup. Mehdi lässt uns wählen, ob wir Kaffee oder Tee haben wollen, den seine Frau dann auf der Ladefläche für uns kocht. Richtig arabischer Kaffee. Er lädt uns auch in sein Zweithaus nach Kaserun ein. Das schaffen wir wahrscheinlich nicht. Er sehe immer wieder Fernradler auf dieser Strecke, die er dann gern bewirte. Uns will er sein Hochzeitsfoto schenken. Wir können das grad noch abbiegen, indem wir das Foto mit ihnen fotografieren (Foto links).
Die Einfahrt in den heutigen Zielort Yasuj zieht sich. Ich pinkle noch im Blickfeld des Wachtturms eines Militärlagers. Worauf dort wilde Bewegungen einsetzen. Es ist der wärmste Tag bisher. Ich musste viel trinken.
Stau in der Stadt. Auf der sechsspurigen Straße. Wir lotsen uns am rechten Rand entlang durch. Nach einem Hotel fragend. Zuletzt bringt uns ein Polizist bis vor die Tür. Es ist nur mit arabischen Buchstaben beschildert. Einfach. Aber gut geheizt, wie stets. Mit Wlan. Eine Riesen-Kakerlake trottet vor dem Bett rum.
Wir finden schnell einen Pizzaladen um die Ecke. Eine Hebamme übersetzt, dass wir kein Fleisch haben wollen. Es ist am Ende wohl auch kaum was drin. Es dauert allerdings eine halbe Stunde, bis die Pizza fertig ist. Auch bei denen, die sie schnell mitnehmen wollen. Ich esse abends alles, was geht. Um überhaupt zu Kalorien zu kommen. Am Nachmittag war es mit 25 Grad schon zu warm für meine Nahrungsaufnahme. Bin etwas am Ende nach drei sehr anstrengenden Tagen.


Im Khersaan-Tal bei Pataveh, Iran
Im Khersaan-Tal bei Pataveh

Baumplantage und Erosion im Khersaan-Tal
Baumplantage und Erosion

Terassenfelder im Khersaan-Tal
Terassenfelder


Miri und Apfelverkäuferin an der Landstraße, IranDer Traumzeltplatz an der Nebenstrecke
Montag, 16. November 2015: Yasuj - Pass (2450 m) - Molabaloot (62 km)

Schon um sieben Uhr bietet das Hotel Frühstück. Kurz nach acht sind wir so on the Road. Die erstmal lange durch Yasuj führt. Und runter. Google Maps weist eine unter Umständen nicht-asphaltierte Nebenstrecke über die Berge. Der Busfahrer rät ab. Wir nehmen vorerst die wenig befahrene Hauptstraße. Auch hier geht's bald bergauf. Ich fahre vor allem mit dem rechten Bein um das linke Knie zu schonen. Nur der rechte Fuß steckt in der Pedal-Schlaufe. Da ich mit dem Höhenprofil der gebirgigeren Nebenstrecke ausgestattet bin, überrascht uns die Passhöhe erfreulicher Weise schon bei 2450 Metern mit dem Scheitelpunkt. Wieder hält ein Fahrer. Beschenkt uns mit Äpfeln. Abfahrt ins Forellental. Forellenbecken all überall. Vor einem Laden schwimmen sie zum Direktverkauf in einem Becken mit Wasserfontänen.
Nach der Kreuzung mit der Nebenstrecke das nächste Tal. Wieder ganz anders. Wieder ganz schön. Apfelbäume. Überall Verkauf (Foto rechts) und reife Rest-Früchte. Und auch dieser Tag bringt einen neuen Hitze-Rekord: 26 Grad. Wir kommen immer weiter Richtung Persischer Golf.

Chris on the Bike im Herbstlaub Dann entscheiden wir uns bewusst für eine Nebenstrecke. Die alte Hauptstrecke nach Sepidan-Ardekan. vermutlich. Jetzt stimmt das Höhenprofil. Mal schiebt der eine, mal die andere. Dann wähle ich den short cut. Schiebe durch Dornen steilst bergauf. Aber es ist kürzer. Miri kommt mir zu Hilfe und schiebt mein Rad von hinten an. Zum Glück kein Platten. Kein einziger bisher auf dieser Tour. (Bis zum Ende kein einziger.) Wir sehen viele schöne potentielle wilde Zeltplätze. Kurz vor der Passhöhe rollen wir bergab zu einem Sommer-Weide-Platz in einem Tal mit kleinem Bach. Absolut ruhig. Absolut uneinsehbar von der Straße. Auf 2500 Metern Höhe. Ein Traum (Fotos unten). Und das schon nach Etappenende um 15 Uhr.
Mühsam (ihr Korrekturvorschlag: "Mit viel Spaß") hat Miri in der kargen Umgebung Holzreste gesammelt. Daraus machen wir ein kleines Lagerfeuer (Foto unten). Mit Bratapfel. Das volle Programm. Eine Stunde halten wir die Flammen am Köcheln. Dann geht's schnell ins Zelt.


Wilder Zeltplatz bei Molabaloot, Sepidan-Ardekan, Iran
Traumzeltplatz

Meterhohes Lagerfeuer beim Zelten im Iran
Bratapfel-Lagerfeuer

Miri schiebt ihr Rad zurück zur Straße, bei Molabaloot, Sepidan-Ardekan, Iran
Miri schiebt zurück zur Straße

Distel an der Passhöhe (2590 m) bei Molabaloot, Sepidan-Ardekan, Iran
Distel an der Passhöhe


Crash auf der Gegenfahrbahn
Dienstag, 17. November 2015: Molabaloot - Pass (2590/2550 m) - Sepidan-Ardekan - Schiras (109 km)

Campen unter Reinraum-Bedingungen: keine Geräusche, kein Wind, keine Tiere, keine Menschen, kein Regen, keine Wolken, Sternenhimmel: erst mit Mondsichel, dann ohne. Eine Traumnacht. Langsam kommen wir morgens in die Gänge. Verabschieden uns ungern von dem Platz unter dem Himmel.
Back on the road geht es die letzten Meter hinauf auf 2600 m (Passhöhe mit Disteln: Foto oben). Dann runter mit max. speed 71,5 km/h. Klingt gefährlich, ist aber harmlos, weil eine lange smoothe Gerade hinabführt, weit und breit kein Verkehr. Noch ein Gipfelchen und dann runter in ein schmales Tal, dessen Mündung von der Stadt Sepidan alias Ardekan beherrscht wird.
Sack-Apfel-Geschenk für Chris on the Bike im IranHier können wir in einem gut sortierten Laden unsere Vorräte aufstocken. Wie dankbar wir geworden sind für jede kleine Abwechslung auf dem Speiseplan, in diesem Fall fetter leckerer Honig-Joghurt. Bevor wir den essen, werden wir aber reichlich beschenkt. Heute im Wesentlichen mit Äpfeln. Immer wieder halten Autofahrer und wollen uns damit beglücken. Meist halten sie beim ersten Mal so kurzfristig, dass ich schon aus Sicherheitsgründen weiter fahren muss. Sie versuchen es erneut - meist mit mehr Abstand und besserer Parkmöglichkeit. Auch wenn wir immer wieder ablehnen, am Ende habe ich einen Drei-Kilo-Sack mit Äpfeln zusätzlich hinten im Fahrradkorb (Foto rechts).
Heute bekommen wir auch das Mittagessen geschenkt. Das bekannte Tomaten-Omelette (Foto unten), hier in einer besonders leckeren Version in einem Imbiss. Dann ein allerletzter Pass. Noch einmal 300 Höhenmeter. Noch einmal über 2000 Meter über dem Meer - wie so oft in den vergangenen 17 Tagen. Langsam, mühsam. Sehr schöne Landschaft, die wir noch am ersten Tag vielfach fotografiert hätten. Nach all den Tälern, Bergen, Bäumen machen wir kein einziges Foto. Es folgen 60 Kilometer Abfahrt am Stück bis ins Zentrum von Schiras (Shiraz). Die ersten zehn davon rasen dahin. Dann wird's flacher, der Verkehr zunehmend stärker.
Während wir zügig dahin rollen, kracht es plötzlich auf der Gegenfahrbahn. Wir hören's erst und sehen gerade noch wie ein PKW auf einen Pickup mit vollgeladener Ladefläche fährt. Und zwar wirklich auf: das Auto wird auf die Ladefläche und das Führerhaus katapultiert. Wie das? Wir haben es gesehen und doch nicht genau erkennen können.
Möglicherweise waren wir sogar mit ein Anlass für den Unfall: vielleicht war einer der Fahrer oder beide durch uns abgelenkt. Selbst von der Gegenfahrbahn werden wir immer wieder gegrüßt, angehupt. Auch, wenn an dieser Stelle die vierspurige Straße durch eine Barriere getrennt war. Wir versuchen viel, um Gefahren für Kinder oder andere Fahrer durch Reaktion auf uns zu minimieren. Indem wir frühzeitig reagieren, im Zweifelsfall Warnhinweise geben, wenn sinnvoll auch ignorieren, Sicherheitsabstand zu Fahrzeugen vergrößern, die bei laufender Fahrt Kontakt mit uns aufnehmen wollen.
Wir halten an und eilen zur Unfallstelle. Das tun fast alle Fahrer auf beiden Seiten der Straße. Der PKW-Fahrer scheint unverletzt, der andere Fahrer krümmt sich am Boden, hat äußerlich keine erkennbaren Verletzungen obwohl die Scheiben zersplittert sind. Einer telefoniert. Möglich auch, dass von dem Sammelsurium auf der Ladefläche etwas runtergefallen ist und als Katapult gewirkt hat. Es ist immer wieder bedrohlich, was und wie alles auf den Fahrzeugen verstaut wird. Mehrfach haben wir Sachen gesehen, die über die ganze Fahrbahn verteilt runtergesegelt waren. Auch kleinere Blechschäden-Unfälle haben wir erlebt, wo Fahrer aus Unachtsamkeit auf dem Randstreifen oder vor der Ampel ineinander fahren.

Chris on the Bike: Einfahrt in Schiras/Shiraz zur blauen Stunde, Iran Wir fahren bedröppelt weiter. Wenig später kommt uns ein Krankenwagen entgegen. Alle paar Kilometer ist an den Überlandstraßen eine Rote-Halbmond-Station.
Schon 30 Kilometer vor Schiras sind wir von Autos umzingelt. Bald die ersten Staus. Wir weichen aus auf die Busspur, einige Kilometer auf Bürgersteigen. Es gibt keine klaren Spuren, jeder drängelt in die nächste Lücke. Dabei kommen wir teilweise überhaupt nicht mehr weiter am rechten Fahrbahnrand. Mangelware sind in Schiras im Gegensatz zu den bisherigen Städten City-Center-Schilder. Es sind nur Boulevards ausgeschildert. Aber nicht der große Zand-Boulevard, der unser Ziel ist.
Ein älterer Herr, der gut Englisch spricht, hält von sich aus an, nur, um uns zu helfen. Verhindert so, dass wir in die falsche Richtung fahren. Einmal sind wir offenbar dabei, in eine für Fahrräder völlig ungeeignete Straße zu brettern. Auch hier hält jemand, um uns zu warnen.
Jetzt ist es schon dunkel (Foto links) und beide Vorderlichter gehen nicht. Miris wurde beim Flug zerstört, bei mir sind beide Birnen im Eimer. Egal, es geht eh nur noch langsam voran. Wir erreichen das erstbeste Hotel und sind - auch nach der Beobachtung des Unfalls heute - heilfroh, das Ziel von Teil 1 der Tour erreicht zu haben: Schiras.


Typisch iranisches Omelette mit Kräutern
Typisch iranisches Omelette mit Kräutern


Chris und Ausländer-Betreuerin Fatima am Schāh Tscherāgh , Schiras, IranFatima führt
Mittwoch, 18. November 2015: Schiras

Wir wechseln noch mal schnell das Hotel und checken in einem traditionellen Haus in der Altstadt ein. Allgemeine Ruhetags-Müdigkeit breitet sich aus. Trotzdem raffen wir uns auf zu einem Spaziergang durch die Altstadt. Wir sind ja mittendrin. Bei der armenischen Kirche öffnet niemand.

Am Schāh Tscherāgh, Schiras, Iran Durch den Schah Tscheragh (Foto links und unten), das drittwichtigste Heiligtum der Schiiten im Iran (Nummer 1 Mashad [Grab von Imam Reza] und Nummer 2 Ghom [Grab von Fatima, Schwester von Imam Reza] kennen wir schon; hier jetzt die Gräber zweier Brüder von Imam Reza) werden wir von Fatima (Foto rechts) geführt. Eine Englisch-Studentin, die als Volontärin einmal in der Woche fünf Stunden im Schrein-Heiligtum nicht-muslimische Ausländer durch die Anlage führt. Was sie super macht.


Spiegel-Ensemble im Heiligtum Schāh Tscherāgh
Heiligtum Schah Tscheragh: Spiegel, die nicht spiegeln


Xerxes' Gateway - Gateway of all Nations, PersepolisAgentur-Ausflug mit Persern
Donnerstag, 19. November 2015: Persepolis

Ein Ausflug mit einer Reiseagentur zum Top-Highlight Persepolis (Fotos rechts und unten). Von Darius I. 518 v.Chr. gebaut, von Alexander dem Großen 330 v.Chr. geschleift. Dabei niedergebrannt. Trotzdem jede Menge zu sehen.

Reiseleiterin an den Achämeniden-Felsgräbern von Darius I. et al., Naqsh-e Rostam bei Persepolis Mit an Bord ein Münchener Ex-Farsi-Student, drei holländische Boys, die einen gemeinsamen Lachkrampf bekommen, ein älterer Holländer, der die Tour gar nicht gebucht hat, zwei Medizin-Mikrobiologie-Studentinnen aus Teheran, die ein paar Stunden Kongress in Schiras schwänzen und ein Iraner, der sich permanent mit Selfi-Stick im Gegenlicht fotografiert.
Als Zugabe bringt die Reiseleiterin (Foto links) uns noch zu den Achämeniden-Felsgräbern von Darius I. et al. in Naqsh-e Rostam.


Relief Apadana Palace, Persepolis
Apadana Palace

Widder, Persepolis

Relief in Persepolis

Tomb of Hafez, Shiraz
Grab des Dichters Hafez in Schiras


Imamzadeh-ye Ali Ebn-e Hamze Schrein  ( 19. Jh.) in SchirasStadt der Gärten
Freitag, 20. November 2015: Schiras - Gärten - Flughafen Schiras - Schiras (49 km)

Miris Geburts- und Abreisetag. Freitag. Freier Tag. Mit den Fahrrädern touren wir durch die Stadt. Erst zur Anglikanischen Kirche, wo der Gottesdienst allerdings sonntags ist. Zwischen den meisten geschlossenen Geschäften ein offenes: dort, wo ich gestern einen jüdischen Verkäufer schicker Anzüge gesehen habe, wie er in der hebräischen Bibel Psalmen las. Bis kurz vor Sabbat-Beginn wird er noch arbeiten.
Wir fahren weiter zu einigen der berühmten Gärten der Stadt. Allen voran am Imamzadeh-ye Ali Ebn-e Hamze Schrein (Foto rechts) vorbei zum Hafez-Mausoleum (Foto oben). Wo wir ein älteres Freiburger Ehepaar treffen. Sie haben nur den Flug gebucht. Und viele private Kontakte geknüpft.
Ein Familienvater hält an. Will Fotos mit uns machen an der Tankstelle. Dort haben sie kein Öl für meine Kette. Er leitet mich zu einer Werkstatt in der Nähe. Ich greife dort zu einem leeren Auto-Öl-Kanister, um die Reste auf die Kette zu kippen. Die Qualität sei nicht gut genug, meint der Werkstatt-Chef. Ich bekomm was aus der Spezial-Flasche. Natürlich umsonst.

Fahrräder am Airport Shiraz, International Departures Der nächste Garten ist das Quran-Gate (Foto unten). Wasserfälle stürzen 30 Meter herab. Gestern bei der Vorbeifahrt nach Persepolis stürzte hier nichts. Auch heute hört's plötzlich mittags auf. Mädels posieren für Fotos. Obwohl eine einen Verband trägt, womöglich von einer Schönheitsoperation.
Fahrt zum Eram-Garden. Der wird gerade für eine späte Mittagspause geschlossen. Fahren wir weiter. Kommen dabei an einer Station der neuen Metro vorbei. Die läuft aber freitags nicht. Sie wird unterirdisch von den Chinesen weiter vorangetrieben und soll in zwei Jahren durch die Stadtmitte bis zum Flughafen führen. Hier und da sieht man Baustellen weiterer Stationen.
Pause im Azadi-Park. Das ist eigentlich der schönste Garten. Weil ganz locker, ganz groß, ganz beliebt. Picknick ohne Ende. Volleyball spielen sie auch gemischt. Riesenrad. Achterbahn. Clubauto. Vor allem Rasen. Und wir bleiben unbehelligt. Miri schläft.
Dann doch noch Eram Garden. Die Sonne steht nicht mehr richtig auf der Hauptfassade. Wir sind der Sehenswürdigkeiten müde. Teil 1 geht definitiv zu Ende. Wir haben so viel gesehen, erlebt.
Am späten Abend fahren wir zum Flughafen. Miri verpackt ihr Rad (Foto links). Ich fahre zurück zum Hotel. Gegen Mitternacht hat Miri dann noch die üblichen Fahrrad-Mühen mit Durchleuchtung, Verpackung, Bezahlung. Am Ende klappt's, und Miri kommt via Istanbul gut zurück nach Mainz.


Miri & Chris im Quran-Gate-Park in Schiras, Iran
An den Wasserfällen des Quran-Gate-Park in Schiras


Teil 2
Schiras - Bandar Abbas + Emirate + Bahrain + Katar + Kuwait
Rocking the Gulf States



Gesamt-Route Iran - Persischer Golf



Blaue Linie = Touren-Route; Buchstaben = Start und Ziel der Etappen

Route Iran: Tschalus - Schiras



Blaue Linie = Touren-Route; Buchstaben = Start und Ziel der Etappen

Etappen Iran - Persischer Golf (1.11.-12.12.2015)

Details mit Geschwindigkeiten, Höhenmetern etc. als Excel-Tabelle

Tag Datum Start Zwischenstationen Ziel km
1. 1.11.2015 Teheran Airport Karaj 61
2. 2.11.2015 Karaj Gachsar 67
3. 3.11.2015 Gachsar Kandovan-Tunnel (2670 m) Tschalus 92
4. 4.11.2015 Teheran Airport Mohammad Ali Khan 35
5. 5.11.2015 Mohammad Ali Khan Ghom 77
6. 6.11.2015 Ghom Kashan 101
7. 7.11.2015 Kashan
8. 8.11.2015 Kashan Militär-Zwangstransport (10 km) Abyaneh 70
9. 9.11.2015 Abyaneh Pass (2850 m) Kamoo 33
10. 10.11.2015 Kamoo Meymeh Isfahan 137
11. 11.11.2015 Isfahan
12. 12.11.2015 Isfahan
13. 13.11.2015 Isfahan Pir Bakran - Pass (2410 m) Boroujen 107
14. 14.11.2015 Boroujen Pass (2350 m) - Pass (2265 m) - Pass (2265 m) Qara 108
15. 15.11.2015 Qara Yasuj 97
16. 16.11.2015 Yasuj Pass (2450 m) Molabaloot 62
17. 17.11.2015 Molabaloot Pass (2590/2550 m) - Sepidan-Ardekan Schiras 109
18. 18.11.2015 Schiras
19. 19.11.2015 Persepolis
20. 20.11.2015 Schiras Gärten - Flughafen Schiras Schiras 49
21. ...
22. ... Fortsetzung Teil 2
Summe Teil 1 1205

Miri & Chris beim Frühstück am Gasofen: Homestay in Qara, Iran
Frühstück am Gasofen: Homestay in Qara


Anschluss Tour 48: Karakorum-Highway (1010 km) Juni/Juli 2009

Anschluss Tour 37: Dubai - Salalah (1750 km) Nov. 2007

Anschluss Tour 27: Baku - Samarkand (2707 km) Sept. 2005


Nächste Tour: Genfer See - Stuttgart (792 km) März 2016

Vorherige Tour: Rheinhessen - Donnersberg (300 km) Aug./Sept. 2015


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Tour 82: Karibik: Barbados - Haiti (902 km) 2016
Karibik 2016
Chris Tour 91: Jerusalem - Dan - Eilat (1165 km) 2017
Negev 2017
on the Tour 96: Karibik II: Havanna - Miami (1560 km) 2018
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Bike Tour 97: Kigali - Kampala - Nairobi (1136 km) 2019
Uganda 2019
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