Tour 103: Malé - Dschidda (808 km) 2020
Saudi-Arabien 2020
Chris Tour 109: Istanbul - Bodrum (1263 km) 2021
Türkei 2021
on the Tour 114: Mongolei: Ulaanbaatar - Charchorin (582 km) 2022
Mongolei 2022
Bike Tour 117: Buenos Aires - Tacna (4005 km) 2023
Anden 2023

Home: Touren Bikes Karte Suche & Kontakt

VG WORTTour 114: Mongolei: Ulaanbaatar - Charchorin (582 km)


Mongolisches Paar beobachtet Rad und Radlerin
Cycling Mongolia

Mongol Altai Ger Camp an den Sanddünen von Elsen Tasarchai
Frühstück vor unserer Jurte an den Sanddünen von Elsen Tasarchai

Bike-Blog & Routen-Karte & Etappen-Übersicht
Mongolei: Ulaanbaatar - Charchorin (14.-28.9.2022)
Offroad und offline in der zentralasiatischen Steppe

Ausrüstung: Bike & More
Ausrüstung:
Bike & More
Im September machen wir selten Urlaub. In diesem Jahr bot sich die Gelegenheit. In der Mongolei ist da die Reisesaison fast vorbei. Aber nur fast. Es kann durchaus ein bisschen frisch werden. Nachtfrost möglich. Der Gedanke kam, als mir meine Schwiegermutter das Buch von Birte Papenhausen gab: 'Salz im Tee: Alltag auf Mongolisch - Begegnungen mit Menschen und Gott' aus dem Jahr 2020. Die Theatertherapeutin und Theologin schreibt sehr authentisch von Höhen und Tiefen ihres mehrjährigen Aufenthaltes in verschiedenen Gegenden der Mongolei. Mein Interesse war geweckt. Die Suche nach einer organisierten Tour oder zumindest Mieträdern vor Ort verlief leider im mongolischen Sand. So sollte es also eine klassische Tour mit Kochgeschirr, Zelt und eigenen Rädern werden.

Die Tour bei YouTube


Die besten Videos und Fotos unserer Tour zu Musik in 8:30 Minuten.
Hier direkt zu sehen.


Fahrradkartons von Fahrrad XXL: zu groß fürs Auto Stressfreier
Mittwoch, 14. September 2022: Flug Frankfurt - Ulaanbaatar

Es soll mal etwas stressfreier zugehen für uns am Flughafen. Wir wollen die Räder vorschriftsmäßig verpacken. Die Anschaffung eines Pedalschlüssels ist eine Voraussetzung. Auch wenn fürs erste Lockern die Werkstatt gebraucht wird. Bei Fahrrad Franz bekomme ich im Lager des alten Hauses Kartons. Die sprengen aber die Größe unseres Autos. Freund Jochen hilft und kommt in der Mittagspause kurz runter mit dem Wagen.
Im Hausflur komplimentieren wir die Räder in die Kartons. Wider Erwarten sprengen beide Lenker etwas die Pappe. Wird zugeklebt. Und noch ein Tipp von Jochen: Sommerfeld Transfer Service bietet günstige Transporte zum Flughafen - auch mit XXL-Kartons. Pünktlich ist der armenische Fahrer da. Und am Terminal 2 geht es alles ganz schnell und einfach. Obwohl es mir nicht gelungen ist, die Räder weder vorab anzumelden noch zu bezahlen.


Fahrrad in Fahrradkarton
Verpackung schon zu Hause

Fahrradkartons im Transporter
Startklar Richtung Flughafen

Mit Fahrradkartons und bunter Tasche am Flughafen Frankfurt
Karton und bunte Tasche: beides blieb in der Mongolei

Mongolian Airlines: Flugzeug am Frankfurter Flughafen
Ready for Take-Off


Monitorbild im Flugzeug: Flug über Moskau - September 2022 Aufgrund der Turbulenzen an den Flughäfen im wiederauflebenden Fluggeschäft nach Nachlassen der Corona-Infektionen sind drei Stunden Erscheinen vor Abflug das neue zwei Stunden. So gesehen sind wir trotz bester Vorbereitung so früh wie selten mit dem Check-In bei Mongolian Airlines (MIAT) fertig. An Terminal 2 kommen wir schnell zu unserem Abfluggate D5. Die Passkontrolle ist automatisiert, die Handgepäck-Kontrolle am Gate D5-D8 völlig leer. Unser Gate ist noch von einem Pegasus-Flug nach Istanbul belagert. Dann haben wir schöne Plätze mit Blick aufs Rollfeld. Vietnam Airlines steht da zum Beispiel rum.
Erste Unannehmlichkeit: wir müssen das Gate räumen, um es neu zu entern: mit Einbehalt der halben Bordkarte. Als wir uns gerade wieder niedergelassen haben die nächste Ansage. Unser Abflug ist von D5 nach D4 verlegt, obwohl die halbstündige Verspätung unseres Abflugs schon lange angezeigt wird. Eigentlich müssen wir nur auf die andere Seite der Glasscheibe zur Linken. Aber dafür geht's zurück aus dem kontrollierten Bereich und neu durch die Handgepäckkontrolle von D1-D4. Wo es richtig voll ist. Jetzt stoßen offenbar auch viele Umsteige-Passagiere dazu. So ist die Maschine doch recht voll, überwiegend mongolisch aussehend. Das Abendessen allerdings nicht. Masken trägt maximal das Personal. Mit meinem frisch erworbenen Genesenenstatus fühle ich mich relativ immun.
Überraschend ist die Route. Wir fliegen über Russland, Moskau. Trotz Kriegsboykott. Bei dem die Mongolei nicht dabei ist. Was will man machen, wenn man nur zwei mächtige Nachbarn hat: China und Russland.


Sonnenaufgang aus dem Flugzeug über der Mongolei
Sonnenaufgang über der Mongolei


Radlerin startet am New Ulaanbaatar International Airport - Chinggis Khaan International Chinggis Khaan International
Donnerstag, 15. September 2022: Ulaanbaatar-Airport - Zuunmod Road - Ulaanbaatar (56 km)

Die Mongolen nennen ihren neuen Flughafen wie den alten: Chinggis Khaan International. Auch wenn der neue international New Ulaanbaatar International Airport genannt wird. Jedenfalls hinkt auch der neue Flughafen mit seinen wenigen Gates und vier Gepäckbändern dem Reiche Dschinghis Khan an Monstrosität etwas hinterher. All unsere Taschen und Räder tauchen auf. Sogar die große Gaskartusche.
Was wird aus unseren Kartons? Es wäre ganz praktisch, da wir diesmal eine Rundtour machen, sie am Ende wieder für den Rückflug zu nutzen. Wir überlegen sogar, mit dem Shuttlebus samt Rädern und Kartons in die Stadt zu fahren. Ich quatsche ein bisschen mit den Shuttlebusleuten. Die bieten an, die Kartons für wenig Geld in ihrer Garage in der Stadt zwischenzulagern und rechtzeitig wieder zum Flughafen zu bringen. Was gibt’s besseres? So können wir direkt am Flughafen losradeln.
Sich nach einer durchflogenen Nacht aufs Rad zu setzen, erfordert schon ein bisschen Chuzpe. Andererseits: was soll man sonst an einem solchen Tag machen? Anfangs kommt eine zähe Steigung hinzu. Der von Google Maps im Fußgängermodus vorgeschlagene Weg verläuft bei genauerem Hinsehen vor Ort auf der Autobahn. Wir nehmen also die alternative Landstraße und schlagen dadurch einen Bogen nach Osten. Weite, Steppe, sanfte Hügel. Bilderbuch-Mongolei. Hier und da Jurten, Pferde, Kühe, kleine Anwesen.
Flächenmäßig ist die Mongolei mehr als vier mal so groß wie Deutschland. Im Land leben weniger Menschen als in Berlin.


Radlerin mit Kühen in der Mongolei
Die ersten Kilometer, die ersten Tiere


Pause an der Polizeistation an der Zuunmod Road An der ersten Kreuzung mit festen Gebäuden im Umfeld steht eine Polizeistation. Wir fragen, ob wir uns an der Picnic-Area der Beamten niederlassen können. Das Klohäuschen benutzen wir gleich mit. Die karge Flora schafft wenig Sichtschutz an der Straße. Mit der neuen XXL-Gaskartusche produziert Miri das ein oder andere leckere Heißgetränk. In der Sonne ist es angenehm warm. Laut Wetterbericht der vorerst letzte Spätsommertag. Heute Nacht wird mit der Regenfront ein Temperatursturz von rund zehn Grad erwartet.
Nach der Mühsal der ersten Kilometer und einer weiteren Kuppe gleiten wir dann leichter zwischen den nun höheren Bergen dahin. Die Straße hat keinen Randstreifen mehr, und der Verkehr Richtung Hauptstadt nimmt zu. Vor allem LKW und SUV überholen uns. Nicht alle mit Wohlfühl-Abstand.
Die Straße unterquert die neue Flughafen-Autobahn und führt dann parallel zu ihr über die letzte Kuppe nach Ulaanbaatar. Hier steht am Straßenrand ein größerer, eingezäunter Owoo oder Obo: ein kultischer Steinhaufen mit Tuchstreifen. Sie sind auf vielen Passhöhen in der Mongolei und Tibet als schamanistisch-buddhistische Glaubenshoffnung auf eine guten Reiseverlauf zu finden.
Weit streckt sich vor uns die Hauptstadt Ulaanbaatar mit ihren Hochhäusern samt Dunstglocke von West nach Ost im Tal. Als sich die Straße mit der Autobahn vereinigt wird sie endlich mehrspurig. Viele Neubauten. Auch die Steppe Arena, ein Eishockey-Stadion. Das Wort Steppe wurde seit dem 18. Jahrhundert als Entlehnung aus dem Russischen genutzt. Der Verkehr wird dichter. An einer Kreuzung lässt ein Polizist mit rotem Zauberstab endlos den Linksabbiegern Vorfahrt, bis hinter uns gehupt wird und wir uns über die Kreuzung mogeln. Dann kreuzen wir die Gleise der südlichen Spange der transsibirischen Eisenbahn. Links geht’s nach Moskau, rechts nach Peking.
Rund zwölf Kilometer fahren wir auf der Hauptstraße in die Stadtmitte. Überwiegend auf der Busspur, wo sich Trolleybusse, Ecobus, Stadtbus und Reisebusse neben allem anderen rollenden Verkehr tummeln. Samt einigen wenigen jungen Radlern und einem E-Scooter-Fahrer. Großen Spaß macht das nicht. Im weitläufigen Zentrum finden wir ein Zimmer in einem angesagten Hostel. Das verdient sein Geld auch mit der Vermittlung von Touren ins riesige Land. Da sind wir mit unseren Rädern nicht die richtigen Kunden.
Wir machen noch trotz Müdigkeit einen Abendspaziergang, um nicht dem Jetlag zu erliegen. Den Transsib-Bahnhof finden wir nicht so richtig, auch wenn eine Armada ausrangierter Loks, teils mit Stalin-Konterfei, seine Nähe verheißt. Viele Läden und Restaurants sehen nicht sehr einladend aus. Richtung Sukhbaatar-Platz wird es besser. Dort sind viele junge Leute unterwegs an diesem wohl letzten lauen Sommerabend des Jahres.


Radler vor Owoo (kultischer Steinhaufen) an der Zuunmod Road
Owoo (kultischer Steinhaufen) an der Zuunmod Road

Radler bei Zufahrt auf Ulaanbaatar auf der Zuunmod Road
Zufahrt auf Ulaanbaatar

Straßenkreuzung mit Transsibirischer Eisenbahn in Ulaanbaatar
Wir kreuzen die Transsibirische Eisenbahn

Хархорин über der Peace Avenue in Ulaanbaatar
Unser Zielort Хархорин über der Peace Avenue


Radlerin mit Helm vor dem Tuvdenpeljeelen-Tempel Tempel
Freitag, 16. September 2022: Ulaanbaatar: Gandan-Kloster - Schwarzmarkt - Bahnhof (19 km)

Blitze gefolgt von heftigen Donnerschlägen geben in der Nacht einen Vorgeschmack auf das, was uns draußen erwarten könnte. Beim Frühstück im Hostel berichtet uns ein Paar aus Sankt Petersburg wenig enthusiastisch von fünf wilden Pferden, die sie in der Weite gesehen hätten in dem Nationalpark, der unser erstes größeres Ziel außerhalb der Stadt ist. Die beiden sind so gut wie auf dem Heimweg via Zug, Bus, Flug, Bus, Zug. In ihren zwei Wochen hier waren sie vor allem in der Wüste Gobi. Ein anderer Hostelgast kommt aus Izmir und macht eine Weltreise, die ihn demnächst nach Südkorea und Japan führen soll.
Über Sukhbaatar-Platz und am neuen Dschingis-Khan-Museum vorbei radeln wir zum großen Komplex des Gandan-Klosters. Eine Ansammlung buddhistischer Tempel und Lehreinrichtungen, die bis ins 18. Jahrhundert zurückgeht. Zu Zeiten des Kommunismus war es jahrzehntelang offiziell das einzige Kloster in der ganzen Mongolei. Wir können uns als einige der wenigen Touristen zwischen Mönchen und Gläubigen ungezwungen bewegen. Miri setzt zahlreiche Gebetsmühlen in Bewegung. Und erwirbt eine mittelgroße Kerze. Überall wird gebetet und rezitiert. Die Mönche wirken unterschiedlich konzentriert. Manche Kinder sind darunter.


Radlerin vor Gandan-Kloster
Radelnd zum Gandan-Kloster

Unterricht im Gandan-Kloster
Unterricht

26 Meter hohe Statue der Göttin Janraisig im Avalokitesvara-Tempel
26 Meter hohe Statue der Göttin Janraisig im Avalokitesvara-Tempel

Im Gandan-Kloster
Goldig

Gandan-Kloster: Kerzen
Miri lässt Kerzen brennen


Tschoidschin Lama-Tempel-Museum Kontrastprogramm auf dem großen, ganz legalen 'Schwarzmarkt'. Das riesige Areal bietet ziemlich viel Konsumangebote an überdachten Ständen und unter Planen. Wir lassen uns treiben. Auch Reit- und Jurtenzubehör ist zu haben, Instrumente werden uns vorgespielt, und in der äußersten Ecke gibt es Fahrräder. Die besten kosten knapp 200 Euro. Nirgendwo ein Gepäckträger zu sehen. Wäre nichts für uns gewesen.
Am Bahnhof schnuppern wir noch ein bisschen Transsib-Luft. Drei Uhren hängen im Warteraum: Moskau, Ulaanbaatar, Beijing. Der Mittagsregen bleibt weg und auch am Nachmittag setzt der angekündigte schwere Dauerregen einfach nicht ein. Wir spazieren noch zum nahen Tschoidschin-Tempel. Als Museum wirken Gebäude und Ausstattung vergleichsweise leblos. Die beiden heulenden Kinder eines mongolisch-schweizerischen Paars bringen noch am meisten Leben in den Ex-Tempel aus dem 19. Jahrhundert. Einige wertvolle Exponate gehen bis ins 17. Jahrhundert zurück.
Dann ist Schließung, und wir verlagern uns ins danebenliegende Restaurant Veranda. Laut unserem älteren Lonely-Planet eine Hauptattraktion, aber die Terrasse mit Blick auf die Museumstempelanlage ist angesichts des Wetters nicht sehr einladend. Crème Brûlée und Schokokuchen in italienischer Atmosphäre lohnen gleichwohl den Besuch.


German Cyclist on the Road in Ulaanbaatar
Leaving Ulaanbaatar


Radler auf der Landstraße südlich des Tuul bei Ulaanbaatar Ein Traum von Mongolei
Samstag, 17. September 2022: Ulaanbaatar - Altanbulag - 47°42'01.2"N 106°17'40.7"E (64 km)

Noch ein Anti-Jetlag-Tag erscheint mir angebracht. Den Vormittag über fühlt sich alles für mich wie tiefste Nacht an. Unser Hostel ist allerdings ausgebucht. Also los. Aber erst zur Checkout-Zeit um elf Uhr. Die Regenfront hat tatsächlich Kälte mit sich gebracht. Es ist nur ein paar Grad über Null. Aber trocken. Die höheren Regionen des Bogd Khan Uul (2261 m) im Süden von Ulaanbaatar könnten von Schnee gekrönt sein. Aber die Wolken lassen das nicht genau erkennen.
Wir wählen eine etwas südlichere Strecke um wieder Richtung Westen aus der Stadt zu kommen. Am Winterpalast von Bogd Khan geht’s rechts auf die Dschinghis-Avenue. Allerdings machen hier die Busse und der starke Samstagsverkehr das Fahren auch nicht leicht. Erst als die Straße über den Fluss Tuul Gol geführt wird, ist es besser. Jetzt passieren wir Hypermarkets, Malls und "Food City". Bei einem Supermarkt halten wir um nochmal Bargeld zu tanken. Schwer zu sagen, was wir in den nächsten Tagen ausgeben können. Die "Bakery" ist eine Enttäuschung: es gibt nichts wirklich Frisches. Wie überall. Und die Preise sind eben zu allermeist Importpreise.
Wir kreuzen unsere Strecke von vorgestern und rollen nun nördlich am alten Flughafen entlang aus der Stadt. Rund 15 Plattenbau-Kilometer liegen hinter uns. Wir wollen am Südufer des Flusses bis zum Nationalpark Chustain Nuruu mit seinen Przewalski-Wildpferden. Den Park wollen wir von seiner Südseite her vom Flusstal über eine Pistenroute, deren GPS-Daten ich im Netz gefunden habe, erreichen.


Ortseinfahrt Altanbulag
Letzte Station auf Asphalt: Altanbulag

Radlerin und Pferde in der Mongolei
Auf der Piste nah bei den Pferden


Brücke über den Tuul bei AltanbulagDie Straße bleibt aber nicht unten am Ufer. Nach einem ersten kleinen Pass geht die für mongolische Verhältnisse intensive Besiedlung weiter. Sogar kleine Gemüsefelder und Gewächshäuser bekommen wir zu sehen.
Pause an einer Bushaltestelle. Jetzt macht sich die windige Kälte bemerkbar, die uns bisher als Rückenwind unterstützte. Ich verstärke meine Kleidung. Ziehe Sommer- und Winterhandschuhe übernander. In Bayartayn Hiid steht gar eine Fabrik. Dann geht es wieder in die Hügel hinauf. Kaum Verkehr. Entfernt glänzen einzelne weiße Jurten. Meist sind aber Kühe oder Pferde zu sehen, seltener Schafe und Ziegen. In Altinbulag endet überraschend der Asphalt. Wo auf Google Maps ein breiter gelber Strich unverändert weitergeht, ziehen sich nun verschiedene, gelegentlich sandige Pisten dahin. GPS hilft auch hier, den Kurs zu halten und den richtigen Abzweig zum Fluss zu finden. Im trockenen Bett eines Tuul-Zuflusses Pause Nummer zwei. Zwei Autos kämpfen sich über die Piste an uns vorbei.
Eine Brücke mit Holzplanken führt tatsächlich über den Fluss, den wir gemeinsam mit rund 30 Kühen überqueren. Wegen der Nähe zum Wasser zelten wir direkt danach. Ein himmlischer Platz. Auch der Wind hat nachgelassen. Ein mongolischer Reiter kommt zum Sonnenuntergang vorbei. Miri nimmt ein Flussbad. Dann wärmt das Lagerfeuer. Ein Traum von Mongolei.


Mongolischer Reiter in den Flussauen des Tuul
Ein Besucher

Zelt in den Auen des Tuul
Unser erster Zeltplatz

Lagerfeuer bei Sonnenuntergang
Lagerfeuer bei Sonnenuntergang

Morgen nach Zeltnacht
Vor dem Aufbruch


Brückengerippe an einem Seitenarm des Tuul Wunderbarer Mongolei-Morgen und die letzten Nudeln
Sonntag, 18. September 2022: 47°42'01.2"N 106°17'40.7"E - Ungut-Turk-Grab - 47°26'41.2"N 105°44'28.9"E (62 km)

Mit dem aufgehenden Halbmond ist die Milchstraße nicht mehr in ganzer Pracht zu sehen. Miri schleppt heiße Steine aus der Glut in die Schlafsäcke, die bei null Grad an ihre Grenzen kommen. Am Morgen lockt die Sonne aus dem Zelt. Wärmt und trocknet bald Zeltplane und Schlafsäcke. Die trockene Luft tut ihr übriges.
Vom Kartenstudium her weiß ich, dass wir noch weitere Flussarme überqueren müssen. Wir radeln auf die nächste Brücke zu. Doch sie ist nur noch ein Gerippe aus Holzstämmen. Ein Fahrrad bekommt man da nicht mehr sicher rüber. Miri zieht die Schuhe aus und krempelt die Hose hoch. Erst ein Testlauf durchs kniehohe Wasser, dann schiebt sie die beiden Räder hindurch. Ich darf über die Brücke klettern.
Kurz darauf eine breitere Furt mit reißenderem Wasser. Ein bisschen tiefer ist sie auch. Als wir gerade mit allem hindurchgekommen sind, treibt ein Hirte seine Pferdeherde mit dem Motorrad auf die Furt zu. Die Pferde haben wenig Lust auf das eiskalte Wasser, werden letztlich aber hineingetrieben. Als alle Pferde an uns vorbeigetrabt sind, startet der Motorradfahrer mit hochgekrempelter Hose ins Wasser. Die Maschine wankt, der Motor säuft ab. Ich helfe, die Maschine wieder aus dem Wasser zu schieben. Der Mongole ist relaxt und startet das Motorrad fast problemlos am Ufer wieder. Hier kriegste was geboten. Ein wunderbarer Mongolei-Morgen.


Radler watet mit Rad durch Seitenarm des Tuul
Hier ist Schieben besser

Pferde weiter durch Seitenarm des Tuul getrieben
Gefolgt von Pferden

Radlerin offroad in Flussauen
Offroad

Wellblech-Sandpiste
Wellblech-Sandpiste


Zufallsmeeting mit Anu, Tim und Badschaa Die Pfade durch die Wiesen sind nun unterschiedlich breit. Wir müssen sehen, dass wir die Richtung zur andern Talseite halten. Überall Viehherden und Jurten, denen wir aber eigenartiger Weise kaum nahekommen.
Mittagspause an der Biegung des Flusses. Die Lebensmittel werden langsam absehbar knapp. Wir kommen wegen der Flussquerungen nur langsam voran. Die vorerst letzte steht nun an. Fast schon Routine. Dann erklimmen wir die nördliche Piste. Auf der geht es nun meist besser gen Westen. Auf einem Motorrad kommt ein Mongole von seiner Jurte zu uns gefahren, um uns Tee und Joghurt anzubieten. Noch ist die Lage nicht so, dass wir dafür den weiten Weg zur Jurte auf uns nehmen.
Bei der nächsten Pause kommt eine Reihe SUVs vorbei, aus denen uns Touristen zuwinken. Kurz nachdem wir dann die ein oder andere Anhöhe als Ausläufer der seitlichen Berge genommen haben, hält ein SUV mit zwei Deutschen und ihrem Fahrer Badschaa. Anu aus Berlin unterrichtet ein Jahr an einer deutschen Schule in Ulaanbaatar. Tim hat als Heidelberger Geograph ein paar Wochen Permafrostböden im Norden des Landes untersucht. Alle drei sind extrem nett, und wir plaudern eine Weile kreuz und quer. Sie warnen uns noch vor Wölfen. Und Dachsen.
Mit neuem Elan geht es wieder auf die Strecke. Das Seitental mit den wieder angesiedelten Wildpferden im Nationalpark Chustain Nuuru (oder Hustai-Nationalpark) lassen wir rechts liegen. Für uns ist auch so alles wild genug. Die Berge sind nun zurückgetreten, der Fluss ist nun recht weit weg. Uns treibt der Wind über die Ebene. Nirgendwo gibt es einen kleinen Schutz fürs Zelt. Eine bizarre Steinreihe, der Ungut-Komplex, quert den Weg. An ihrem Ausgangspunkt sehen wir ein turkisches Gräberfeld aus dem 6. bis 8. Jahrhundert mit figürlichen Darstellungen.
Als die Sonne hinter den Bergrücken verschwunden ist und wir schon die nächste Wegbiegung an einer Bergspitze ins Visier genommen haben, taucht völlig überraschend rechts ein tieferes, ausgetrocknetes Flussbett auf. In dessen Schutz lassen wir uns mit dem Zelt nieder und essen die letzten Nudeln.


Ungut-Turk-Grab mit Stelenreihe
Ungut-Turk-Grab mit Stelenreihe

Schaf am Morgen nach Frostnacht
Unser Schaf am Morgen

Zeltnacht: Trocknen in der Sonne
Sonne trocknet

Eis auf Fahhradsattel
Minustemperaturen...


Chris on the Bike in der Mongolei Gute Reise
Montag, 19. September 2022: 47°26'41.2"N 105°44'28.9"E - Laden (47°19'14.7"N 105°17'57.2"E) - 47°19'45.7"N 105°13'02.2"E (64 km)

Die Nacht ist kalt. Zu kalt für meine dünne Thermarest-Matte. Die Kälte dringt vom Boden in die Knochen. Erst als ich eine Zeitschrift unterlege, ist es etwas besser. Dann geht die Sonne auf über dem eiskalten Morgen. Raureif auf Sattel und Zelt, Eis in den Wasserflaschen. Wir liegen auf den Breitengraden von Österreich - aber ohne den Golfstrom und mit freier Bahn für den eiskalten Wind aus Sibirien. Miri begrüßt das einsame Schaf, das in unserer Nähe die Nacht verbracht hat.
Wieder ist es fast halb elf, bis wir unseren Zeltplatz zurücklassen. Nach wenigen Kilometern führt meine auf Open Street Map zusammengebastelte Pistenroute aus dem Flusstal heraus in ein Seitental. Es geht kontinuierlich aufwärts. Auch hier Jurten und kleinere Viehherden. Plötzlich stelle ich fest, dass wir erheblich von der geplanten Route abgewichen sind. Auf GuruMap sehe ich eigentlich nur unsere Route und uns selbst als blauen Punkt bzw. Pfeil. Keine Wege, keine Berge. Wir hoffen noch zwei Kilometer lang, dass es einen Abzweig in die gewünschte Richtung gibt, aber die Bergrücken sind nicht sehr einladend. Also zwei Kilometer zurück. Genau dort gibt es überraschend den ersehnten Abzweig. Acht sehr einsame Kilometer sind es über eine kleine Passhöhe, bis wir wieder on the right track sind.
Pause. Miri pilgert mit leeren Flaschen zu einem von frischem Grün umgebenen Unterstand. Doch auch hier kein Wasser. Wir fragen uns immer mehr, wo das ganze Vieh mal an Wasser kommt. Ein Paar auf einem Motorrad kommt heran. Pro Stunde begegnete uns etwa ein Fahrzeug heute Morgen. Die Frau trägt eine Gesichtsmaske, die sie aber bald abnimmt. Es ist inzwischen angenehm warm in der Sonne. Die beiden inspizieren unsere Räder. Wir daraufhin ihr Motorrad mit improvisierter Musikanlage. Leider haben wir keine gemeinsamen Sprachkenntnisse.


Radlerin und Pferdeherde
Kleine Pferdeherde

Begegnung mit mongolischem Paar
Begegnung mit mongolischem Paar


Kleiner Lebensmittelladen (47.320750, 105.299222)Ich schmiere einige kleine runde Pumpernickelscheiben mit Butter aus der Bordverpflegung im Flugzeug. Unsere Lebensmittelvorräte reichen absehbar nicht, das Wasser auch nicht. Obwohl wir inzwischen sparsamst mit allen umgehen. Hinter der nächsten Passhöhe erfreut uns eine lange Abfahrt auf passabler Piste. Drei SUVs begegnen uns. In einem sprechen wir mit drei militaristisch gekleideten Russen aus Moskau und Sotchi. Einer hat eine Kamera mit Riesenobjektiv dabei. Schastlivogo puti! Gute Reise!
Die Abfahrt endet in einem sehr breiten Tal, in dem wir in der Ferne wieder einen Fluss sehen. Es ist der Tuul, der weiter südlich einen Bogen gemacht. Letztlich fließt sein Wasser in das Arktische Meer. Unsere Route bleibt zunächst auf dieser Talseite. Wieder Pause. Wieder sparsame Nahrungsaufnahme. Langsam führt die Piste nun in die Talmitte. Völlig untypisch: wir steuern plötzlich auf eine Art Gehöft zu. Das erste auf unserer Tour. Kleine Gebäude und Bretterbuden bilden einen Hof, in dem eine Jurte steht. Trotz der vielen Jurten in der Weite, sind wir noch an keiner direkt vorbeigekommen. Wir haben Hoffnung, hier zumindest Wasser oder Joghurt zu bekommen. Eine Frau taucht auf und reagiert nicht gerade euphorisch auf mein Stichwort Joghurt. Ich rufe Miri zur Verstärkung mit zwei leeren Wasserflaschen herbei. Erst als ich demonstrativ meine Geldbörse zücke, kommt Bewegung in die mongolische Dame. Zu unserer Überraschung öffnet sie einen kleinen Lebensmittelladen. Wir können unser Glück kaum fassen. Völlig unerwartet können wir unsere Vorräte aufstocken für ein bis zwei weitere Tage. Und plötzlich hab ich mit 9,5 Litern Wasser 30 Kilogramm Gepäck auf dem Rad.
Jetzt führt eine riesig breite Kiespiste direkt auf den Fluss zu. Neben der Betonbrücke über den Tuul stehen noch Pfähle der früheren Holzbrücke. Auf der anderen Seite erwartet uns eine kräftezehrende sandige Strecke. Immer häufiger steige ich ab und schiebe. Ein Minitruck mit Familie hält bei Miri. Der Fahrer bettelt schließlich um Wasser. An einer Anhöhe entdecken wir hinter einer Kuppe mit Steinhaufen einen sichtgeschützten Zeltplatz fast direkt an der Straße. Immerhin kann ich im sandigen Untergrund gut die Heringe in den Boden bringen.
In London ist heute eine Königin beigesetzt worden. Wahrscheinlich. Wir sind seit drei Tagen offline. Teilweise ganz ohne Mobilnetz. Nur GPS verbindet uns mit der globalen Kommunikationstechnik.


Tuul bei Undurshireet
Der Tuul bei Undurshireet

Radler auf Sandpiste
Spuren im Sand

Zelt in der Weite
Anhöhe schützt Zeltplatz vor Blicken von der Straße


Owoo Viel Sand, wenig Autos
Dienstag, 20. September 2022: 47°19'45.7"N 105°13'02.2"E - Undurshireet - 47°21'07.8"N 104°50'28.4"E (45 km)

Keine Frostnacht. Trotzdem kalt. Miri geht’s nicht so gut heute Morgen. Irgendetwas ist ihr nicht so gut bekommen. Möglicherweise die superscharfe chinesische Suppe mit den Instantnudeln. Sie isst trocken Brot zum Frühstück. Fürs Radeln reicht‘s. Selbst auf dieser Piste. Gobi, die fünftgrößte Wüstenregion der Welt, liegt nicht allzu weit südlich, aber hier ist eigentlich Steppe. Doch immer wieder sinken die Räder in den Sand. Wir müssen immer ganz genau gucken, wo der Untergrund am stabilsten aussieht und zugleich am wenigsten wellblechig. Oft gibt es mehrere Fahrspuren nebeneinander. Miri wählt mal eine näher am Fluss. Ich sehe sie enteilen. Offenbar hat sie die richtige Wahl getroffen.
Dann sehe ich sie gar nicht mehr. Ich gurke weiter. Von einem etwas besseren Aussichtspunkt aus schaue ich die ganze Gegend ab. Ganz in der Ferne entdecke ich sie, deren Weg gerade von einer Schaf-Ziegen-Herde gekreuzt wurde. Hoffentlich führen unsere Spuren wieder zusammen. Am Horizont sieht man schon eine Weile einen kleinen Ort. Auf Karten hatte ich ihn nicht entdeckt. In der Nacht sahen wir die Lichter. Jetzt haben wir die zwanzig Kilometer fast geschafft. An der Zusammenführung der Wege entdecke ich Miri wieder kurz voraus.


Pferde
Ständige Begleiter

Schwein an Rad bei der Wasserstelle von Undurshireet
Schwein erschnüffelt Rad

Wasserstelle von Undurshireet
Wasserstelle von Undurshireet


Schlange auf Feldweg Die rund 50 Gebäude des Ortes sind großzügig in der Fläche verteilt, viele sind von einem Bretterzaun umgeben. Eine Hauptstraße ist nicht zu erkennen. Ein Motorradfahrer führt uns zu einem Lebensmittelladen. Wir haben schon wieder Shoppingbedarf. Viele deutsche Waren sind im Angebot. Die Nuss-Nougat-Creme ist seit einem Jahr abgelaufen.
In der Mitte eines Platzes steht die Wasserstation. Die Wirtin aus dem gegenüberliegenden kleinen Restaurant, das wir dem Ort gar nicht zugetraut hätten, holt extra Wasser um uns als Gäste zu gewinnen. Sie hält eine Keycard an ein Lesegerät und kann dann den Wasser-Marsch-Knopf drücken. Möglicherweise ist es die einzige Wasserquelle im Ort. Die davorstehende Bank ist ideal für unsere Mittagspause. Vögel nutzen die kleine Pfütze, die die Wasserholer zurückgelassen haben, Schweine tauchen auf und suhlen sich darin. Hier und da werden wir mit Hi gegrüßt. Aber damit scheinen die Englischkenntnisse erschöpft.
Das GPS weist uns zwischen den vielen Spuren aus dem Ort auf die richtige Piste. Weniger sandig, dafür ansteigend bei heftigstem Gegenwind. Der bleibt uns bis zum Abend erhalten. Tagesdurchschnittsgeschwindigkeit: acht Stundenkilometer. Trotzdem fährt sich angenehmer als am Morgen. Die Piste ist viel fester. Eine Schlange sonnt sich darauf. Extrem wenig Verkehr hier. Miri geht es besser. Am Talrand steht hier und da in der Ferne noch eine Jurte.
Plötzlich sind wir etwas abgekommen von der GPS-Route. Wir machen eine Pause. Und könnten über Nacht hierbleiben, wenn wir einen Zeltplatz fänden. Nach vielen Kilometern auf freier Ebene ist hier überhaupt erstmals die Aussicht auf einen wind- und/oder sichtgeschützten Platz. Wir fahren ein paar hundert Meter zurück zur letzten Kreuzung. Doch auch die andere Strecke weicht von der GPS-Route ab. Möglicherweise stört die Stromleitung entlang der Strecke das Signal. Wir folgen der Piste an der Stromleitung und entscheiden uns dann doch noch für einen Zeltplatz hier. Praktisch ungeschützt. Und genießen weitere Stunden ohne Auto aber mit ein paar Pferden in der Nähe.


Radlerin auf Feldweg (47.357414, 105.533569)
Jenseits des Autoverkehrs

Regenwolken über Zelt in der Mongolei
Düstere Wolken am Morgen...

Schönwetterwolken über Feldweg in der Mongolei
...die sich bald auflösen


Zaun schützt Getreidefelder Der Despot von der Bauruine
Mittwoch, 21. September 2022: 47°21'07.8"N 104°50'28.4"E - Erdenesant - 47°21'50.0"N 104°03'57.4"E (65 km)

Leise tröpfelt es aufs Zeltdach. Ein Blick nach draußen lässt uns bisher hier Sonnenverwöhnte schaudern: düstere Wolken allüberall. Schlafen wir weiter. Als es aufgehört hat, beginnt die Morgenzeltroutine. Alles etwas langsamer, schließlich soll alles halbwegs trocken werden vor dem Einpacken. Die trockene Luft und der leichte Wind helfen. Und die ganze Zeit kein einziges Fahrzeug, das vorbeikommt.
So gut wie keine Autospuren begleiten uns dann bergauf und bergab. Wir kommen immer wieder über 1400 Meter. Ich entdecke, dass die Gegenschraube vom Lenker locker oder weg ist. Vor dem Abflug hab ich sie nicht losbekommen, jetzt hat sie sich möglicherweise verselbstständigt. Jedenfalls wackelt der Lenker.
Wieder ein Blick in ein Tal: Riesige Felder überraschen uns. Noch nicht abgeerntet, obwohl die Kälte schon eingesetzt hat. Wir müssen den Zaun öffnen, der sehr konsequent befestigt ist, bevor wir zwischen den Feldern hindurchradeln. Hinter dem Ausgangstor liegt ein Gehöft mit riesiger Scheune. Die Wolken werden wieder düsterer. Schließlich machen wir alles regenfertig, obwohl wir dann doch kaum nass werden.
Da sehen wir Erdenesant. Unsere erste "Stadt" und das vorläufige Ende der Pistenfahrt. An dem Ort führt die Fernstraße von Ulaanbaatar entlang. Im Ort heißt es erst, der Supermarkt sei geschlossen. Immerhin ist er auf. Und bald kommt Leben in den Laden. Eine Englisch sprechende junge Frau wird aus der anliegenden Wohnung herbeigerufen. Wir werden in der Küche hinterm Laden zum mongolischen Nationalgericht eingeladen: Buuz - mittelgroße Teigtaschen mit Fleischfüllung. Dazu Salat. Und es ist warm hier drin. Kein Wunder: hinter der Küche kommt eine kleine Backstube. Das frische Brot hatten wir schon vorne im Laden begeistert entdeckt.


Radler auf Feldweg
Kaum noch Autospuren

Lebensmittelgeschäft in Erdenesant
Vor dem Lebensmittelgeschäft in Erdenesant

Lebensmittelgeschäft in Erdenesant: Küche
In der Küche

Lebensmittelgeschäft in Erdenesant: Teigtaschen
Leckere Teigtaschen

Lebensmittelgeschäft in Erdenesant: Bäckerin
Hefeteig


Radler auf Straße in Erdenesant An den Zufahrten der Fernstraße rein nach Erdenesant haben sich Tankstellen, Läden, Restaurants und sogar ein (nicht sehr einladend aussehendes) Hotel angesiedelt. Auf der zweispurigen Strecke herrscht viel Verkehr. Schlimmer für uns: uns fegt ein grimmiger Westwind entgegen. Obwohl wir endlich wieder auf Asphalt sind, kommen wir nur im Schneckentempo voran.
Pause im Windschatten der ganz wenigen Felsen. Wir sind ein paar Meter hochgeklettert, während unten der Verkehr vorbeirauscht. Der Fahrtwind eines Sattelschleppers mit Container, Rückenwind und hoher Geschwindigkeit reißt mein auf der Gegenseite relativ stabil stehendes Rad um. Das vordere Schutzblech ist gespalten.
In der Weite taucht ein Rohbau auf. Kilometermarkierung 191/240, also 240 Kilometer von Ulaanbaatar entfernt. Das erste Gebäude direkt an der Straße seit Erdenesant. Scheinbar verlassen. Tauben kreisen über der Bauruine. Ein provisorisches Dachblech scheppert beständig im Wind. Daneben stehen ein Bauwagen und zwei Jurten. Der Schutz im Rohbau vor dem Wind ist eine große Erleichterung. Der Wind zehrt beständig an Kräften und Nerven.
Plötzlich taucht ein stämmiger älterer Mongole auf. Im dritten Versuch schafft er es, die Wasserpumpe hinterm Haus anzuwerfen. Das Wasser strömt in eine Tränke, während sich die Pferde nolens volens nähern. Ich mache das Zeichen zum Schlafen und er weist zur Jurte. Eine Nacht in der Jurte ist eigentlich ein mongolischer Reisetraum, aber die hier ist mehr ein Notbehelf für uns. Ein schmales dreckiges Bett, Tisch, Stühle, vergammelte Lebensmittel über die die ein oder andere Maus klettert. Noch bevor wir die Räder in die Jurte schieben können, braust ein deutlich jüngerer Mongole auf seinem Motorrad heran, wild gestikulierend: wir dürften da nicht übernachten, das sei seine, so wie die ganze Bauruine. Wir hatten uns mit dem älteren Mann längst auf einen kleinen, gleichwohl überbezahlten Obulus geeinigt. Ok, sollte sein Scherz sein. Ungefragt dringt er in die Jurte ein. Raucht hier. Legt sich samt seiner hohen Lederstiefel aufs Bett. Unangenehm. Ich spreche zu Miri von einem "Despoten". Irgendwann sind wir ihn erstmal los. Immerhin öffnet er auf Nachfrage das Schloss, sodass wir überhaupt die Jurtentür von innen verriegeln können.
Aus Wärme- und Hygienegründen besorgen wir aus der Bauruine Styroporplatten. Als wir uns niedergelassen haben und der Windsturm heftiger denn je am Jurtendach zerrt, nähert sich in der Dunkelheit ein Motorrad. Seine bekannte Stimme verlangt Einlass. Schließlich öffne ich einen Spalt. Ich bin machtlos gegen seine Kraft, die in den Raum drängt. Er lässt sich in der Mitte der Jurte nieder. Es ist etwa 22 Uhr. Das Rund wird nur von unsern beiden Handys erleuchtet. Manchmal blendet er mich. Es ist nicht ganz klar, was er will. Aber irgendwie hat er es auf Miri abgesehen, die im Schlafsack auf dem Boden liegt. Wir schwanken zwischen Deeskalationsversuchen und dem Versuch Dominanz zu demonstrieren. Ich versuche meine minimal höhere Körpergröße zu betonen. Immerhin können Miri und ich uns verständigen. Wir reden, reden, reden, ohne dass er etwas versteht. Irgendwann steht Miri auf. Das ist der Wendepunkt. Wir haben die Initiative ergriffen und packen unsere Sachen zusammen. Zunächst in der Hoffnung, dass er verschwindet. Er geht kurz aus der Tür, durch die die Kälte die ganze Zeit über hereindringt, uns aber auch eine gewisse Fluchtmöglichkeit lässt. Dann sind die Räder so gut wie fahrbereit. Mit dieser Entschlossenheit scheint er nicht gerechnet zu haben. Er wirft sich auf seine Maschine und fährt los. Wir umarmen uns. Ich gehe aus der Jurte mit ausgeschaltetem Handy. Die ganze Zeit über hab ich den Finger am Alarm gehalten, von dem ich nur weiß, dass er ein unangenehmes Geräusch von sich gibt, wenn er ausgelöst würde. Da sehe ich in der Dunkelheit das Glimmen einer Zigarette, die er sich noch in der Jurte angesteckt hatte. Dann leuchte ich plötzlich mit dem kleinen Scheinwerfer rund um die Jurte und sehe ihn. Er schreckt zurück. Wir schieben die Räder hinaus ins freie Dunkel. Wir checken halbwegs, ob wir alles haben. Dann rollen wir los auf die unverändert viel befahrene Fernstraße. Es fühlt sich großartig an. Wir sind davongekommen. Wie durch ein Wunder ist der Windsturm verschwunden. Wir kommen wunderbar voran. Nach neun Kilometern sehe ich einen Feldweg nach rechts abführen. Wir fahren noch ein paar hundert Meter. Um 23:58 Uhr ist das Zelt aufgebaut.


Raststätten-Bauruine an der A0301 bei 47.355378, 104.187156
Raststätten-Bauruine an der A0301

Pferde an der Tränke
Pferde an der Tränke

Rad in der Jurte
Mit Rad in der Jurte

Mongolisches Paar auf Motorrad und Fahrräder
Besuch am Morgen


Mongolisches Paar auf Motorrad
Donnerstag, 22. September 2022: 47°21'50.0"N 104°03'57.4"E - Ulaanshiveet - Khaan Urtuu - Elsen Tasarchai (31 km)

Der Schlaf bis neun tut gut. Es ist unsere bisher kälteste Zeltnacht. Mich retten zwei Wärmepflaster von Miri. Mein Test mit ihrer aufblasbaren Matratze ist kältetechnisch keine Verbesserung. Jetzt scheint die Sonne seit zwei Stunden aufs Zelt. Das Eis verschwindet. Ein älteres Paar kommt auf einem Motorrad vorbei. Sie wollen nur mal sehen, wer so da ist. Und kehren wieder um. Das passiert uns immer wieder mal bei Pausen.
Der Nachbar von der anderen Seite des Feldes neben uns kommt mit seinem Auto vorbei. Er gibt uns zu verstehen, dass seine Hunde unsere nächtliche Ankunft mit längerem Bellen begleitet haben. Als ich später eine Packung Kekse als kleine Wiedergutmachung vorbeibringen will, bellen sie mich an, lassen mich aber die Kekse mit einer Visitenkarte ins Auto legen. Der Bauer hat den Bauwagen mit darum gruppierten Heuballenpyramiden offenbar zu Fuß verlassen.
Neun Kilometer weiter auf der A0301 entdecken wir am Morgen am Rande von Ulaanshiveet im Distrikt Rashaant ein Hotel. Es hätte sich also möglicherweise gelohnt, in der Nacht noch bis hierhin zu radeln. Noch überraschender ist nach weiteren elf Kilometern die anscheinend sehr neue Raststätte Khaan Urtuu - Elsen tasarkhai. Wir sind plötzlich in der heimischen Konsumwelt: Fast Food, Service, Massen. Was für ein Kontrast. Wir genießen auf der Terrasse koreanische Gerichte. Hinter der Raststätte stehen Jurten und kleine Holzhäuser als Unterkünfte. Die sehen sehr gut aus.


Durchfahrt durch Ulaanshiveet/Rashaant
Durchfahrt durch Ulaanshiveet/Rashaant

Auf der A0301 bei KM-Markierung 191/240
Auf der A0301 bei KM-Markierung 191/240


Raststätte Khaan Urtuu an der A0301 Vom Nachbartisch spricht uns Cedric an. Der Franzose ist mit der Agrar-NGO Agronomes & Vétérinaires Sans Frontières unterwegs und hat lange hier gearbeitet. Bis Mitte Oktober hätten sie damals Radtouren im Land gemacht. Dann seien die Flussdurchquerungen so kalt geworden, dass man nach der ersten nie mehr warm geworden sei. Zuguterletzt ist er dann mit dem Rad von Ulaanbaatar in seine derzeitige Heimat Tbilissi gefahren.
Wir wollen noch ein kleines Stück weiter. Wir nähern uns zwei konkurrierenden Attraktionen: dem Gebirge Khugnu Tarna mit Klöstern und den Wanderdünen Elsen Tasarchai, vulgo Mini-Gobi genannt - obwohl die Wüste Gobi nicht primär eine Sandwüste ist. Das Gebirge würde einige Kilometer Piste bedeuten. Wir können uns nicht so recht entscheiden. Dann meine ich am Rand der Wanderdünen, die sich in einem kilometerbreiten Riegel vor uns erheben, ein Touristencamp und Kamele zu entdecken.
Tatsächlich. Wir bekommen (als einzige Gäste) im Ger-Camp Mongol Altai am frühen Nachmittag die Jurte, die dem Sand am nächsten ist. Ger, sprich Gihr, hat im Mongolischen eine doppelte Bedeutung: Jurte und Heim, Haus, Familie. Barfuß können wir direkt aus unserer Ger heraus auf die Sandberge steigen. Ein weiteres ungeplantes Highlight. Ich treffe eine Gruppe Koreaner*innen. Sie versuchen mit Plastikschlitten die steilen Sandhänge herunterzurutschen.


Ger Camp Mongol Altai an den Sanddünen von Elsen Tasarchai
Einfahrt zu unserem Jurten-Camp

Räder vor Jurte an Sanddünen von Elsen Tasarchai
Unsere Jurte direkt an den Dünen

Kamele in den Dünen von Elsen Tasarchai
Kamele in den Dünen

Elsen Tasarchai: Käfer im Sand
Käfer mit Spuren im Sand

Miri und Chris beim Frühstück vor den Sanddünen von Elsen Tasarchai
Frühstück

Picnicstation in den Dünen von Elsen Tasarchai
Picnic-Station


Pushbikegirl: durch den Sand der Dünen Elsen Tasarchai Türkise Kloster-Dame
Freitag, 23. September 2022: Elsen Tasarchai - Khugnu Tarna - Khaan Urtuu - Elsen Tasarchai (40 km)

Nach fünf Zeltnächten hintereinander, tut die erste Bettnacht gut. Wir schlafen nicht mehr auf dem Boden und in dem Ofen wärmt anfangs das Holzfeuer, das allerdings mehr ein Strohfeuer ist. Was wohl nicht zuletzt an unseren mangelnden Jurten-Ofenkenntnissen liegt.
Wir bleiben. Die Sonne scheint, die Lage an den Dünen ist so schön. Und es gibt ja noch das nahe gelegene Gebirge mit Klöstern. Mittags radeln wir mit Minimalgepäck los. Schneller als sonst kommen wir nicht voran. Im sandigen Vorland der Dünen stecken wir immer wieder fest, müssen schieben. Es ist mühsam aber rundherum alles großartig. Sanddünen, Berge, flache Wasserstellen mit Vögeln, Kamele.


Kamele mit Hirte
Kamele mit Hirte

Radlerin im Gebirge Khugnu Tarna
Im Gebirge Khugnu Tarna

Erdene Khamba Monastery: Gebetsmühlen
Miri an den Gebetsmühlen

Erdene Khamba Monastery: inside a temple
Im Tempel

Erdene Khamba Monastery: Temple
Kleinerer Tempel

Erdene Khamba Monastery: Golden Horse
Goldenes Pferd

Erdene Khamba Monastery: View to the dunes
Blick vom Kloster Richtung Dünen


Erdene Khamba Monastery: Lady entzündet Weihrauch im TempelWir kämpfen uns bis zum Gebirge Khugnu Tarna im Khogno Khan National Park. Die gelbe, auf Googlemaps nicht richtig platzierte Route am Fuß der Berge ist besser als die Sandpisten. Ein grandioses Felspanorama begleitet nun die Strecke. Dann führt eine Stichstraße hinein in die Berge. Am Talende verteilen sich die verstreuten Gebäude des buddhistischen Klosters Övgön Khiid malerisch am Hang. Der zentrale Tempel ist geöffnet. Eine türkis gekleidete Dame entzündet für uns eine Art Weihrauch. Sie scheint die ganze Anlage allein zu betreuen. Sehr schön sind zwei ältere, kleinere Tempel. Miri dreht mal wieder Gebetsmühlen.
Auf mehr oder weniger direktem Weg radeln wir dann zur Fernstraße. Rund vier Kilometer Anstieg nehmen wir dort nochmal in Kauf um zur Raststätte Khaan Urtuu - Elsen tasarkhai zu kommen, wo wir schon gestern Mittag pausiert haben. Fürs Abendessen gehen wir diesmal zur mongolischen Fastfood-Kette Khaan Buuz (Хаан Бууз). Das Bestellen ist wegen Sprachproblemen schwieriger, das Bestellte bestens.
Dann geht's noch einmal zehn Kilometer bergab zu unserer Jurte. Die Anlage ist plötzlich belebt durch eine mongolisch-koreanische Gruppe, die gerade von einem Pferdeausritt zurückkommt. Nach unserm Radler-Sundowner in den Dünen, werden wir von denen noch zu koreanischem Bier eingeladen.


Ger Camp Mongol Altai an den Sanddünen von Elsen Tasarchai: Jurten-Dach von innen
Jurten-Dach von innen

Ger Camp Mongol Altai an den Sanddünen von Elsen Tasarchai: Morgenstimmung
Morgenstimmung

Ger Camp Mongol Altai an den Sanddünen von Elsen Tasarchai: Jurtenbett
Jurtenbett


Pause im Windschatten der Kharkhorin-Road Gegenwindlärm
Samstag, 24. September 2022: Elsen Tasarchai - Pass (1579 m) - Charchorin (81 km)

Nordwestwind weht uns heute entgegen. Nach wenigen Kilometern auf der Straße durch die Sanddünen und dem Abzweig nach Charchorin bläst er uns mit voller Wucht ins Gesicht. Wir fahren konsequent im gegenseitigen Windschatten, wechseln immer wieder. Es ist mühsam, anstrengend, kräftezehrend. Wir sehnen jede minimale Neigung der Strecke aus der Windrichtung heraus herbei. Aber auch bei Seitenwind ist die Mühsal kaum geringer. Herankommende Fahrzeuge von hinten hört man kaum. Der Windlärm nervt.
Nirgendwo gibt es einen Windschutz, nicht mal für eine Pause. Wir versuchen es im Straßengraben. Dann kündigt Googlemaps ein Hotel an, das nicht wirklich existiert. Pause zwei und drei dann im Windschatten der bis dahin einzigen Gebäude am Straßenrand. Dazwischen geht es mit gemächlicher Steigung auf den höchsten Pass der Tour: 1579 Meter hoch.


Externe Toilette
Externe Toilette


Passhöhe: 1579 m NN an der Kharkhorin-Road vor Charchorin Schließlich noch einmal frontal gegen den Wind auf den letzten zwölf Kilometern nach Charchorin. Die weitläufige Stadt, die ein beliebtes Touristenziel ist, ist bei booking.com bisher nur mit Gaya's Guesthouse vertreten. Dank Googlemaps finden wir es etwas abseits der Straße. Gayas Mutter spricht kein Englisch, reicht mir das Telefon, um mit ihrer Tochter zu sprechen. Wir haben die Wahl in der Jurte oder in einem einfachen Zimmer zu übernachten. Zum gleichen Preis. Die Treppen zum ersten Stock zur Zimmerbesichtigung sind völlig ungewohnt.
Wir entscheiden uns für die Jurte. Zwischen den eng beieinanderstehenden Rundzelten sitzt eine flämische Familie mit zwei Mädchen. Sie starten gerade eine neunmonatige Weltreise, die sie quer durch Asien und Australien/Neuseeland führen soll. Auch ein französisches Paar taucht auf, das bereits den Pamir-Highway geradelt ist und in wenigen Tagen den Radweg von Seoul nach Busan absolvieren will. Und: auf dem ganzen Gelände gibt es Wlan. Eine ganze Woche waren wir offline. Auch das war großartig.


Windschnittiges Radeln in der Mongolei
Kampf gegen den Gegenwind

Gaya's Guesthouse in Kharkhorin/Charchorin
Unser Guesthouse


Blick ins Orkhon-Tal vom National Monument in Charchorin Alte Hauptstadt und altes Kloster
Sonntag, 25. September 2022: Charchorin: National Monument - Orkhon - Karakorum - Erdene Dsuu (20 km)

Die Sonne scheint in den kleinen Frühstücksraum von Gaya's Guesthouse. Zum ersten und einzigen Mal in der Mongolei entdecke ich Postkarten. Miri entdeckt ein paar Räume weiter ein paar Souvenirs: Gewänder, Filzschuhe. Mal sehen. Beim Frühstück tauschen wir uns weiter aus mit der Travellerszene.
Ursprünglich wollten wir morgen noch rund 80 Kilometer nach Norden zum Ögii-See radeln. Doch nach der kräftezehrenden Windschlacht von gestern planen wir die Rückfahrt mit dem Bus für morgen und haben so noch einen Tag in der Hauptstadt.
Bleibt heute ein Ausflug in und um Charchorin. Wir radeln zum Nationalmonument von 2004, das deutlich älter wirkt. Riesige Betonflächen mit den Karten der drei Weltreiche, die von der Mongolei ausgingen, stehen auf dem Hügel. Toll ist der Blick in das Orkhon-Tal. Auch dieser Fluss, der längste der Mongolei, schlängelt sich in mehreren Armen durchs Tal Richtung Baikalsee. In den Auen liegen mehrere schöne Jurten-Camps.


Orkhon bei Charchorin
Am Orkhon

Ausgrabung: Steinerne Schildkröte in Karakorum (Charchorin)
Steinerne Schildkröte


Kinder in traditioneller Kleidung vor dem Kloster Erdene DsuuIm Ort ist Sonntagsstimmung. Wenig Verkehr, die meisten Läden sind geschlossen. Das King Restaurant, die beste Adresse, ist okkupiert durch ein sehenswertes Seniorentreffen in Festtagskleidung. Gayas Mutter ist dort und wird erst um ein Uhr nachts zurückkehren. Ein paar Meter weiter finden wir ein anderes mongolisches Restaurant. Dort schmeckt auch die (ungarische - mit "deutscher Produktionstechnologie" hergestellte) Xixo Cola ok.
Dann das eigentliche Highlight von Charchorin. Als Karakorum war es kurz nach dem Tod von Dschingis Khan (gestorben 1227) Hauptstadt des flächenmäßig größten Weltreichs der Geschichte. Der Franziskaner Wilhelm von Rubruk reiste 1253 hierhin und berichtet ausführlich von seiner Audienz beim Großkhan und seinen Diskussionen mit Buddhisten, Moslems und Nestorianern. Das Ausgrabungsfeld bietet uns nicht viel, aber direkt daneben ist ein riesiges Klosterarreal. Erdene Dsuu knüpfte 1586 an die Tradition von Karakorum an und wird seit 1990 wiederbelebt wird. Früher lebten hier rund tausend Mönche. In dem von einer Mauer umgebenen rund 400 mal 400 Meter großen Platz gibt es immer noch Tempel aus verschiedenen Epochen sowie ein aktives Kloster mit Mönchen und Jungen. Zuguterletzt schaffen wir es auch noch zu einem Felsen in Phallusform, der am Ortsrand in einer kleinen Senke verehrt wird.
Den Sonnenuntergang kann ich heute alleine in Gaya's Guesthouse-Ger-Camp genießen. Alle sind weg. Ich soll Jurten vermieten, falls Gäste auftauchen. Als Miri vom Shoppen zurückkommt, feiern wir noch mit Radler in den Geschmacksrichtungen Lime sowie Mango-Peach. Hochzeitstag.


Erdene Dsuu: Pagodendach
Pagodendach

Erdene Dsuu: Klosterhof
Hof im Kloster Erdene Dsuu

Erdene Dsuu: inside a temple
In einem Tempel

Erdene Dsuu: Stupa
Stupa

Erdene Dsuu: Gebetsfahnen
Gebetsfahnen


Busstation Kharkhorin: Rad kommt in den Bus Überfüllte Hostels
Montag, 26. September 2022: Charchorin - Bus - Ulaanbaatar (12 km)

Die letzte Nacht in der Jurte ist kalt. Das Feuer im Ofen brennt nicht so gleichmäßig ab wie in der ersten Nacht. Vor allem das Kohle-Brikett versagt. Aber mit dem Sonnenaufgang wird es schnell warm. Heute werden es um die zwanzig Grad. Morgen wird's noch wärmer.
Gastgeberin Gaya hat uns zwei Tickets für den einzigen Bus am Tag nach Ulaanbaatar besorgt und auch unsere Räder telefonisch angemeldet. Um 10 Uhr soll er losfahren. Wir sind eine halbe Stunde früher da. Der Busfahrer und sein Gepäckhelfer haben sehr genaue Vorstellungen, wie der Radtransport zu laufen hat. Leider haben wir auch hier zur Verständigung nur die Zeichensprache. Ich denke, sie wollen die Räder aufs Dach nehmen. Doch sie bestehen hartnäckig darauf, dass die Vorderräder abmontiert werden, um die Räder vor die Rückbank zu stellen. Der Gepäckraum ist nämlich sehr begehrt, während einzelne Sitzplätze frei bleiben.
Sechs Stunden dauert die 350-Kilometer-Fahrt. Nach zwei Stunden Pause bei Erdenesant. In einem kleinen Restaurant gibt’s heiße Milch zum Essen. Salz und Tee sind wohl auch drin und so bekommen wir endlich den Titel des Buches, das maßgeblich für unsere Reise war, zu schmecken: Salz im Tee. Warum es so wenige Milchprodukte in den Geschäften gibt, ist nach wie vor rätselhaft für uns. Nach zwei weiteren Stunden wird noch eine Pinkelpause auf offener Strecke eingelegt. Zwischendurch sehen wir aus dem Bus heraus die einzigen Fernradler der Tour: ein Paar, das mit dem Wind Richtung Ulaanbaatar radelt.


Senioren warten an Bushaltestelle
Wartebank

Im Bus Charchorin - Ulaanbaatar
Räder vor der Rückbank

Radlerpaar auf der A0601 in der Mongolei
Aus dem Bus gefilmt...


Bus Charchorin - Ulaanbaatar an der Pausenstation in Erdenesant Der Dragon Bus Stop liegt am westlichen Stadtrand von Ulaanbaatar, obwohl die Stadt längst weiter über ihn hinausgewachsen ist. Auch bei der Gepäckrückgabe hat der Busfahrer seine eigenen Vorstellungen. Taschen und Räder aus dem Innenraum dürfen erst später raus. Das dauert. Beim Installieren meines Fahrradkorbs fehlt eine Schraube. Auf Nachfrage rückt sie der Busfahrer heraus, der immer noch mit der Gepäckverteilung beschäftigt ist.
Wieder radeln wir - wie schon am ersten Tag vom Flughafen aus - auf der Peace Avenue zehn Kilometer lang ins Zentrum. Bald versuchen wir auf den Bürgersteigen voranzukommen, weil die Fahrt auf der Busspur relativ gefährlich scheint. Die Überquerung mancher Kreuzung dauert ewig, weil Ampelschaltung oder Verkehrspolizisten nur sehr selten die Freigabe wechseln.
Der Verkehr ist eine Katastrophe. Auf halber Strecke wechseln wir auf die Seoul-Straße. So kommen wir durch das Viertel unseres ersten Quartiers, dem Vision Tours Hostel. Kurz bevor wir es erreichen, ruft plötzlich jemand in dieser riesigen Millionenstadt: "Christoph! Miri!" Unglaublich: es ist Nyam, mit dem ich vor drei Monaten über Warmshowers mal Kontakt aufgenommen hatte, um mehr über Radverleihmöglichkeiten in der Stadt in Erfahrung zu bringen.
Im Vision Tours Hostel haben wir kein Zimmer mehr bekommen, aber ich will nach meiner Stirnlampe fragen, die ich hier meine verloren zu haben. Fehlanzeige. Überwiegend junge russische Männer füllen das Hostel bis zum letzten Platz. Die am vergangenen Mittwoch verkündete Teilmobilisierung der russischen Streitkräfte für ihren Krieg in der Ukraine hat zu einer weiteren Flüchtlingswelle in die Nachbarländer geführt. Vor allem die mongolisch-stämmigen Burjaten fliehen nach Ulaanbaatar. Deshalb war bei booking.com die Hostelszene fast komplett ausgebucht. So kommen wir zu einem besseren Hotelzimmer ohne Hostelatmosphäre aber mit besserem Preis-Leistungs-Verhältnis im Platinum Hotel. Ich bin völlig im Eimer, während Miri noch einen Abendspaziergang macht.


Nyam & Chris
Mit Nyam in Ulaanbaatar

Skulptur vor dem Winterpalast des Bogd Khan
Skulptur vor dem Winterpalast des Bogd Khan


Winterpalast des Bogd Khan Zwischen den Welten
Dienstag, 27. September 2022: Ulaanbaatar: Winterpalast des Bogd Khan - Kathedrale St. Peter und Paul (23 km)

Die junge Frau an der Rezeption ist der Meinung, wir bräuchten zwei Taxis, um morgen samt der beiden Räder zum Flughafen zu kommen. Sie macht extra ein Foto von den Rädern für die Taxileute. Also bestellt sie uns zwei für 5:30 Uhr. 
Bleibt der Winterpalast des Bogd Khan, den wir zu Beginn der Tour nur im Vorbeiradeln sahen. Ein schönes Ensemble von Tempeln aus den Jahren 1893 bis 1906. Miris Aufmerksamkeit zieht besonders die Göttin Tara auf sich. Am Rande steht ein russisch-europäischer zweistöckiger Bau von der Jahrhundertwende, der eigentliche Winterpalast. In dem Museum sind auf einer Kartendarstellung vom Anfang des 20. Jahrhunderts auch zwei Radler dargestellt.
Heute ist Welttag des Tourismus. Gegenüber des großen Dschinghis-Khan-Throns am Sukhbaatar-Platz ist eine Bühne aufgebaut für allerlei folkloristische Darstellungen. Die jungen Musiker*innen und Tänzer*innen posieren gern für ein paar Fotos. Drumherum sind Stände verschiedener touristischer Anbieter gruppiert. Auch der Radtourismus spielt eine gewisse Rolle. Ich gehe nicht mehr der Frage nach, ob wir nicht doch hätten Räder leihen können.


Folkloregruppe
Folkloregruppe mit Nomin

Folkloregruppe

Folkloregruppe

Folkloregruppe
Folkloregruppe mit Nomin und uns


Plattenbau in UlaanbaatarMittagessen in einem Restaurant der Kette (Modern) Nomads. Auch hier trinken wir Salz im Tee.
Nyam treffe ich noch am Nachmittag. Er hat lange in Deutschland gelebt und studiert. Er kann wunderbar viele unserer Beobachtungen einordnen und erklären. Ein angenehmer Nachmittag im Halbschatten auf der Terrasse bei deutlich über zwanzig Grad.
Zur Abendmesse radeln wir zwischen Plattenbauten, Jurten und Hochhaus-Baustellen raus zur Kathedrale St. Peter und Paul. Die große Kirche ist in Form einer Jurte gebaut. Von der Fassade grüßt der vor wenigen Wochen zum derzeit mit Abstand jüngsten Kardinal gekürte italienische Orts- (und Landes-)Bischof Giorgio Marengo. Erst seit 30 Jahren existiert die römisch-katholische Kirche in der Mongolei offiziell. Überwiegend bestehen Gemeinde und Klerus aus Ausländern. Die Abendmesse zelebrieren zwei Priester vor ein paar koreanischen Ordensschwestern. Mit langer Werktagspredigt in Mongolisch.
Zum Abendessen sind wir mit Anu verabredet. Die deutsch-mongolische Sozialarbeiterin erzählt von ihrem faszinierenden Leben zwischen den Welten, angefangen von ihrem Vater, der aus der DDR einst nach Ulaanbaatar geschickt wurde.


Ulaanbaatar: In der Kathedrale St. Peter und Paul
Kirchbau in Jurtenform

Ulaanbaatar: Kathedrale St. Peter und Paul: Giorgio Marengo ist Kardinal
Kathedrale St. Peter und Paul: mit dem neuen Kardinal Giorgio Marengo


zwei auseinandergebaute Räder in PKW Wrapping-Service
Mittwoch, 28. September 2022: Ulaanbaatar - Taxi - Ulaanbaatar-Airport - Flug - Frankfurt - Taxi - Mainz

Die Taxifahrer warten schon, als ich kurz vor halb sechs mit der ersten Gepäckhälfte im Lift hinuntersause. Drei Leute sind gekommen. Ich montiere wieder beide Vorderräder aus, und schon passen die Räder gemeinsam in ein Auto.
Wir sitzen im anderen Auto. Wie bei den allermeisten Wagen hier, ist das Steuer auf der rechten Seite - trotz Rechtsverkehr. Nyam hat mir erzählt, dass es sich um japanische Gebrauchtwagen handelt. Weil es eine zeitlang subventioniert wurde, sind darunter viele mit Hybrid-Antrieb. Auch hier im Cockpit ist alles auf Japanisch. Der junge Fahrer hat einen anderen Musikgeschmack als der Busfahrer vorgestern.
Im Morgengrauen erreichen wir den Flughafen zu dem eine dreispurige Autobahn führt. Die spannende Frage: Sind unsere Radkartons und die Riesenplastiktasche wie vereinbart da? Nein! Der ganze Taxischalter ist tot. Er wird erst um halb elf aufgemacht, wie mir der Nachbar verrät. Sie haben uns komplett verarscht.
Was tun? Wir schieben die Räder zum Wrapping Service, wo viele Fluggäste ihre Koffer oder Pakete meist ohne erkennbaren Sinn vielfach drehend in Zellophan einwickeln (lassen). Jetzt sind wir auf sie angewiesen. Und sie sind wahnsinnig engagiert. Aus unerfindlichen Gründen wollen sie die Vorderräder zurückklappen. Sei‘s drum. Meine Erfahrung aus dem Jahr 2006 am Flughafen von Antalya, dass die Wrappingmaschinen nicht taugen für die Verpackung von Rädern, wird eindrucksvoll widerlegt. Beim Check-In müssen wir nur mal wieder unterschreiben, dass der Transport auf unser eigenes Risiko geht. Das müssen wir auch sonst meist, wenn wir mit Frischhaltefolie unseren eigenen Wrapping-Weg durchziehen. Die Folie vom Wrapping Service ist sehr viel stärker.


Bike-Wrapping-Service at New Ulaanbaatar Airport
Bike-Wrapping-Service


New Ulaanbaatar Airport Neun lange Stunden dauert der Direktflug von Ulaanbaatar nach Frankfurt. Wir kommen gut nach Hause. Die Räder auch. Letztlich hat alles wunderbar geklappt. Wir hatten keinen einzigen Plattfuß auf all den Pisten und Wüstenstrecken in der Steppe. Hatten bestes Wetter. Und sind bereichert durch die Weite, die verschiedenen Landschaften, die Einsamkeit der Strecken jenseits des Asphalts, die Ferne des Internets, die Herden, die ohne Zaun und Hirte so natürlich dahintraben. Wir haben ein Gefühl für ein Land entwickelt, das man durch noch so viele Worte und Bilder nicht wiedergeben kann.


Security Check: Chinggis Khaan Airport and a Brooks bicycle saddle
Chinggis Khaan checked Brooks


Route Mongolei: Ulaanbaatar - Charchorin



Blaue Linie = Touren-Route; Grüne Markierung = Start und Ziel der Etappen

Etappen Mongolei: Ulaanbaatar - Charchorin (15.-27.9.2022)

Details mit Geschwindigkeiten, Höhenmetern etc. als Excel-Tabelle

Tag Datum Start Zwischenstationen Ziel km
1. 15.9.2022 Ulaanbaatar-Airport Zuunmod Road Ulaanbaatar 56
2. 16.9.2022 Ulaanbaatar 19
3. 17.9.2022 Ulaanbaatar Altanbulag 47°42'01.2"N 106°17'40.7"E 64
4. 18.9.2022 47°42'01.2"N 106°17'40.7"E Ungut-Turk-Grab 47°26'41.2"N 105°44'28.9"E 62
5. 19.9.2022 47°26'41.2"N 105°44'28.9"E Laden (47°19'14.7"N 105°17'57.2"E) 47°19'45.7"N 105°13'02.2"E 64
6. 20.9.2022 47°19'45.7"N 105°13'02.2"E Undurshireet 47°21'07.8"N 104°50'28.4"E 45
7. 21.9.2022 47°21'07.8"N 104°50'28.4"E Erdenesant 47°21'50.0"N 104°03'57.4"E 65
8. 22.9.2022 47°21'50.0"N 104°03'57.4"E Ulaanshiveet - Khaan Urtuu Elsen Tasarchai 31
9. 23.9.2022 Elsen Tasarchai Khugnu Tarna - Khaan Urtuu Elsen Tasarchai 40
10. 24.9.2022 Elsen Tasarchai Pass (1579 m) Charchorin 81
11. 25.9.2022 Charchorin 20
12. 26.9.2022 Charchorin Bus Ulaanbaatar 12
13. 27.9.2022 Ulaanbaatar 23
Summe 582

Dschingis Khan thront über dem Sukhbaatar-Platz
Dschingis Khan thront über dem Sukhbaatar-Platz

Radlerpaar-Schatten
Wo Sonne ist, ist auch Schatten


Keine Anschluss-Touren


Nächste Tour: Alpe-Adria: Salzburg - Grado (421 km) Okt./Nov. 2022

Vorherige Tour: Alsenborn - Odenwald - Heidelberg (356 km) Juli 2022


Home: Touren Bikes Karte Suche & Kontakt

Tour 82: Karibik: Barbados - Haiti (902 km) 2016
Karibik 2016
Chris Tour 91: Jerusalem - Dan - Eilat (1165 km) 2017
Negev 2017
on the Tour 96: Karibik II: Havanna - Miami (1560 km) 2018
Kuba 2018
Bike Tour 97: Kigali - Kampala - Nairobi (1136 km) 2019
Uganda 2019
© Copyright 2000-2024 Christoph Gocke. Alle Rechte vorbehalten.