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VG WORTTour 91: Jerusalem - Dan - Eilat (1165 km)


SLOW: israelisches Verkehrsschild warnt vor Fahrrad-Fahrern in Hebräisch, Arabisch und Englisch
Entschleunigung: slow motion

Bike-Blog & Routen-Karte & Etappen-Übersicht
Jerusalem - Dan - Eilat (5.-26.11.2017)
Wüsten, Berge und Meere im unbefriedeten Land

Ausrüstung: Bike & More
Ausrüstung:
Bike & More
Jerusalem - hier haben wir beide ein Jahr lang studiert. Hier haben wir uns kennengelernt. Hier ist viel in unseren Leben passiert. Hier sind wir beide zwölf Jahre lang nicht mehr gewesen. Ich war hier als Student, als Journalist, als Menschenrechtsbeobachter - und als Fahrradfahrer. Beim ersten Mal reichte es 2001 von Jordanien her bis Jericho und ging weiter im Tal bis Eilat und durch den Sinai. Noch im selben Jahr fuhr ich von Tunesien durch Libyen, Ägypten, den Gaza-Streifen und schließlich nach Jerusalem. Am selben Tag lernte ich Miri kennen. Eine kleine Lücke blieb in meiner Mittelmeerumrundung: zwischen Jericho und Jerusalem.
Diesmal soll es eine Tour im Land werden. Mit seinen vielen sichtbaren und unsichtbaren Grenzen. Mehrere Rad-Trails, die es inzwischen gibt, sind wohl vor allem für Mountainbikes geschaffen. Mal sehen, wie weit sie uns tragen. Den Anfang wollen wir in Jerusalem machen.

Die Tour bei YouTube


Die besten Videos und Fotos unserer Tour zu Musik in 30 Minuten.


Fahhradkorb, Fahrradhelm, Lenkertasche und Faltradtasche voller Ortlieb-Taschen am Flughafen Ein "sündhaft billiger Flug" nach Israel
Sonntag, 5. November 2017: Mainz - Bus - Hahn - Flug - Tel Aviv - Bus - Jerusalem

Mittelstarker Regen ergießt sich über uns, als wir in Mainz auf die Räder steigen. Bis zum Hauptbahnhof legt er noch ein bisschen zu. Am Bahnhof lässt er nach. Wir sind ausreichend nass. Und bekommen Gepäck und Räder im Bus zum Flughafen Hahn unter. Seit einer Woche, dem Beginn des Winterflugplans, bietet RyanAir von dort Direktflüge nach Israel an. Eigentlich gehen sie nach "Eilat-Owda", etwa 60 Kilometer nördlich des Urlaubsortes am Roten Meer. Weil dieser Flughafen gerade gesperrt ist, landen wir heute in Tel Aviv. Noch besser. Zumal bei einem Preis von 16,99 Euro. Was Freund Christian K. zurecht einen "sündhaft billigen Flug" nennt. (Wie ich später lese, allerdings mit 45 Euro pro Fluggast von der israelischen Regierung subventioniert.)
Schon im Bus von Mainz zum Hahn hören wir die ersten hebräischen Wortfetzen. Während wir unsere Räder für den Flug einpacken, wird am Check-In-Schalter klar: viele Israelis nutzen diese neue Flugmöglichkeit. Für die Räder haben wir neue, dünne Plastiküberzüge (Foto unten), die hoffentlich halten. Für das Sammelsurium der Ortlieb-Fahrradtaschen eine große Hülle (Foto links). Für unsere Verhältnisse geben wir heuer rekordverdächtige 33 Kilogramm Gepäck auf. Darunter das gesammelte Camping-Equipment.
Die Destination Israel manifestiert sich auch in schwer bewaffneten Sicherheitskräften in allen Flughafen-Bereichen. Die Leibesvisitation ist sehr genau. Dann stockt es noch vor dem Gang aufs Rollfeld. Der ein oder andere orthodoxe Jude nutzt die Pause und legt noch Gebetsriemen an. Direkt neben uns betet einer mit Hilfe seines Smartphones. Während im Flugzeug eher das klassische Sidur-Gebetbuch genutzt wird - bis wenige Momente vor dem Abflug. Und danach.


Fahrrad-Verpackung am Flughafen: große Folie mit Fahrrad-Aufdruck
Miri als Verpackungskünstlerin


Tel Aviv Ben Gurion Airport: Fahrrad wird auf Flugzeug geladen Einige Deutsche werden bei der Passkontrolle zur Sonderbefragung ausgegliedert. Wir zum Glück nicht. Räder (Foto rechts), Korb und Fahrradtaschen sind in ganz ordentlichem Zustand eingetroffen. Da der RyanAir-Flug ursprünglich nach Eilat-Owda gebucht war, bietet die Fluggesellschaft einen Bustransfer nach Eilat an. Wir nehmen auch einen Bus. Den nach Jerusalem.
Für die Größe des Flughafens wirkt die düstere Bushaltestelle etwas mikrig. Egal. Wir können beide Räder kostenlos unten in die Gepäckfächer schieben (Foto unten). Und sind ein paar Staus später am Central Bus Stop in Jerusalem.
Jetzt erst machen wir die Räder fahrtüchtig. Bei Miris klappt das nicht ganz. Bei den Lowridern am Vorderrad fehlen Schrauben. Auch das Schutzblech ist nicht mehr richtig befestigt. Wir bringen die beiden Lowrider-Taschen anderweitig unter. Dennoch kann Miri nicht optimal fahren. Auch egal.
Es ist für uns eine bewegende Fahrt voller Erinnerungen die Jaffa-Street hinab auf der Trasse der neuen Straßenbahn. Noch ein kleiner Schlenker zur Ben Yehuda. Und mit der Tram dann am New Gate hinunter zum Damascus Gate. Hier auf dem Terrain der deutschen Schmidt-Schule für arabische Mädchen können wir dank Uschi und Georg übernachten. Und mit ihnen gleich am ersten Abend anstoßen. Und feststellen, dass noch weitere Freunde von uns in Jerusalem sind. Es ist so, wie es immer für uns war: jeder Tag hier hat 48 Stunden und steckt voller Überraschungen.


Fahrrad in Gepäckfach von israelischem Bus
Im Bus nach Jerusalem


Fahrrad-Reparatur mit Riesenzange in Jerusalem Ruhrgebietsabend im Fischrestaurant
Montag, 6. November 2017: Jerusalem

Zuallererst versuche ich, Miris Lowrider wieder in Form zu bringen. Die beiden fehlenden Schrauben sind schnell aus meinem Reservoir ersetzt. Nur die Verbindung zum Schutzblech ist gestern beim Transport oder bei der Fahrt in der Stadt abgebrochen. Die alte Schraube bekomme ich nur zum Teil rausgedreht. Auch Fadi, der Hausmeister der Schmidtschule, kommt mit normalem Werkzeug nicht zum Ziel. Er holt die Riesenzange aus seiner Werkstatt (Foto links). Und bricht damit den Widerstand der kleinen Schraube. Dann hat er noch die Idee, ein Loch in das Plastikende zu bohren. Und verbindet so das Schutzblech wieder per Kabelbinder und Draht mit dem Rahmen. Alle Probleme gelöst.
Zwei Freundinnen aus Bonn und Mainz kann ich auf dem Gelände der Schule überraschen. Martina arbeitet hier als Lehrerin, Ursula ist mit ihren deutschen Schülerinnen zum Austauschbesuch da. Ein sonniger Morgen in Holyland.
Jerusalem ist für uns beide so voller Erinnerungen, dass wir an jeder Ecke im Grunde in alle Richtungen laufen möchten. Die Altstadt ist so vertraut. Nur die asiatischen, osteuropäischen und afrikanischen Reisegruppen sind ungewohnt. Vor allem deren Gesamtmasse. Und die Ebikes, mit denen die Menschen durch die Gassen rasen. Echte Ebikes, keine Pedelecs, wie sie in Deutschland verbreitet sind. Sie fahren, ohne dass der Fahrer trampeln muss (Foto unten).
Zum Mittagsgebet sind wir in der deutschen Dormitio-Abtei. Hier, wo wir beide ein Jahr studiert haben. Und uns kennengelernt haben. Der Gebetskreis ist heute klein. Aber, trotz der Geräuschkulisse der Pilgermassen rings um die Kirche herum, fein.


Juden fahren zu zweit auf Elektro-Fahrrad zum Jaffa-Gate
Doppel beladenes E-Bike

Orthodoxer Jude wartet mit zwei Fahrrad-Felgen
Warten an der Tram-Haltestelle

In Jerusalems Tram
In der Tram


Himmelfahrtskapelle auf dem Ölberg in Jerusalem Nach einer Falafel-Pause am Jaffa-Gate setzen wir uns in die für uns noch neue Straßenbahn (Foto oben). Und fahren in den Osten. Durch uns kaum bekannte Viertel zur Endhaltestelle. Und zurück.
Ich steige am "Ammunition Hill" aus. Um an der Hebrew University auf dem Mount Scopus zum Augusta Victoria Hospital zu laufen. Dort war beim Lutherischen Weltbund das Sekretariat angesiedelt, das vor zwölf Jahren meinen Einsatz als Ökumenische Begleiter betreut hat. Es ist längst nicht mehr hier, wie ich jetzt erfahre, sondern in der Altstadt.
Ich laufe weiter an der Himmelfahrtskapelle (Foto rechts) über den Ölberg. Die Kulisse von Felsendom und Altstadt schwankt zwischen Sonne und Schatten (Foto unten). Kurz darauf bin ich in der Grabes- oder, noch besser, Auferstehungskirche. Der Kulminationspunkt der Pilgermassen. (Am Ende des Jahres 2017 zählt Israel 3,6 Mio. Besucher - ein Touristenrekord, ein Viertel mehr als im Vorjahr.) Rund um das vermeintliche Grab ist kaum ein Durchkommen. Die Geräuschkulisse enorm. Die Wartezeit am Eingang zum Grab endlos. Ich fliehe. Hinauf zu den Äthiopiern auf dem Dach der Grabeskirche. Mit ihren ärmlichen Behausungen und der schlichten Kirche. Obwohl auch hier der Lärm aus der Tiefe hinaufdringt, doch ein ruhiger und beruhigender Ort, wo ich endlich eine Kerze anzünden kann.
Zurück am Damascus Gate treffen wir uns am Abend mit Uschi, Georg und Philipp im Fischrestaurant. Ein Ruhrgebietsabend im Orient.


Blick vom Ölberg auf die Altstadt von Jerusalem mit Felsendom und Dormitio
Blick vom Ölberg auf Felsendom und Dormitio


Start zur Fahrrad-Tour im Schulhof der Schmidt-School in Jerusalem Endlich: Vollendung der Mittelmeer-Umrundung
Dienstag, 7. November 2017: Jerusalem - Ein Gedi (77 km)

Noch einmal bin ich Fahrgast der neuen Tram. Am Zentralen Busbahnhof will ich eine israelische SIM-Karte kaufen. In dem kleinen Shop im Bahnhofs-Einkaufszentrum werde ich zum Anbieter 019 überredet. Kostet 25 Euro. Die eine Hälfte für die Karte und die andere Hälfte für einen Monat Daten und Gespräche. Hatten wir noch nie, so eine lokale SIM-Card. Gibt unterwegs mehr Möglichkeiten. Hier ist der Kauf total unkompliziert. Ohne Ausweis. Einfach gegen Cash.
Hat alles in allem eine Stunde gedauert. Gegen kurz nach zehn können wir auf dem Schulhof der Schmidtschule starten (Foto links). Für Tage mit Sonnenaufgang um 6 Uhr und -untergang gegen 16:40 Uhr ist das schon recht spät. Also warm. Vor allem, wenn man in die Wüste fährt. Das geht in Jerusalem recht schnell. Einmal über die Hügelkette von Ölberg und Mount Scopus. Schon geht der Blick in die Wüste. Bei dem klaren Wetter sogar bis nach Jordanien.
Im Vorort Isawiya rät uns ein arabischer Passant davon ab, der von Google Maps vorgeschlagenen Route zur Nationalstraße 1 zu folgen. Wir glauben ihm und biegen früher ab. - Es könnte mit der unsäglichen Beton-Mauer zu tun haben, die sich auch hier durch die Landschaft zieht, um Palästinenser von Israelis fernzuhalten und den Landraub an den Palästinensern voranzutreiben (Foto rechts). Vor zwölf Jahren habe ich drei Monate hier gelebt, um vor allem gegen diese Mauer und ihren Verlauf zu kämpfen. Leider steht sie noch immer.
Auf der großen Straße fährt es sich ganz gut bergab. Auch wenn der Seitenstreifen nicht sehr zuverlässig breit oder eben ist. Mit gelegentlich fast 60 Stundenkilometern rollen wir ins Jordantal. Vorbei an jüdischen Siedlungen, an ärmlichen Behausungen von Beduinen mit herumlaufenden Hühnern, Eseln und Kindern.


Fahrt von Jerusalem in die jüdäische Wüste mit Mauer
Trennung der Wohngebiete durch die Mauer


Mit dem Fahrrad durch das Wadi Og Dann der Sea Level. Markiert von einem Stein und einem Denkmal. Und einem Kamel, das auf Touristen wartet. Für uns steht der Kameltreiber gar nicht erst auf. Wir sind auf dem Weg zum tiefsten Punkt der Erde: dem Toten Meer, rund 400 Meter unter dem Meeresspiegel.
Dann die Abzweigung ins offiziell palästinensisch selbst verwaltete Jericho. An dieser Kreuzung vollendet sich meine Mittelmeer-Umrundung mit dem Rad. Eigentlich habe ich sie schon vor 15 Jahren für vollendet erklärt. Aber genau genommen fehlten mir noch diese 20, 30 Kilometer: der Weg von Jerusalem nach Jericho. Der Weg des barmherzigen Samariters.
Wir biegen heute rechts ab. Wieder eine Google-Fußgänger-Empfehlung. Der Asphalt endet bei der Siedlung Almog. Es gibt mehrere Möglichkeiten, auf Pisten weiter zu fahren. Wir machen erst mal eine Pause. Im Schatten. Denn hier unten, unterm Meeresspiegel, ist es auch um diese Jahreszeit meist sehr heiß. Wir blicken auf das Wadi Og, das wir dann mit frischer Energie schnell durchqueren (Fotos links und rechts). Kurz vor Qumran kommen wir wieder auf Asphalt. Und spüren jetzt den Rückenwind: der hier recht zuverlässige Nordwind, der sich mindestens bis zur sudanesischen Küste des Roten Meeres hinzieht.

Mit dem Fahrrad durch das Wadi Og Richtung Totes Meer Das Tote Meer liegt vor uns. Wie jede andere offene Wasserfläche auch. Ein paar Kilometer vor Ein Gedi geht es mal kräftig bergauf. Aber alles in allem ist es halbwegs flach. Die Hitze setzt uns zu. Ich kippe mir mehrfach Wasser über den Kopf.
In Ein Gedi suchen wir zunächst einen offiziellen Strand vergeblich. Der Wasserspiegel ist stark gesunken und hat hier überall Löcher, "Sinkholes", hinterlassen. Der Typ von der Camp Lodge meint, wir könnten trotzdem da schwimmen. So fahren wir ohne Gepäck noch mal hinab. An den tiefsten Punkt der Erde. Wo zwei deutsche Mädels (Foto unten) und ein polnischer Mann sich nicht so recht ins Wasser trauen. Den Polen können wir überzeugen. Früher hatte man hier meist eine Tageszeitung in der Hand. Ich 1985 auf jordanischer Seite.
Die Stimmung in der Camp Lodge ist sehr relaxt. Während wir unser Zelt aufbauen, begleitet uns Gitarren-Musik. Leider wird der Wind aus dem Seitental Wadi Arugot stärker. Unsern Nachbarn ist heute das Zelt weggeweht. Wir beschweren unseres auf dem Betonboden mit Steinen und Taschen.


Schwimmen im Toten Meer mit Zuschauerinnen
Miri im Toten Meer

Wadi am Toten Meer
Wadi am Toten Meer

Salzformationen am Ufer des Toten Meeres
Salzformationen am Ufer des Toten Meeres

Yoga-Übung zum Sonnenaufgang am Toten Meer, Ein Gedi Camp Lodge
Yoga-Übung zum Sonnenaufgang am Toten Meer


Miri & Chris in den Wasserfällen von Ein Gedi Bikepacking in freier Wildbahn
Mittwoch, 8. November 2017: Ein Gedi - Jericho - Auja (75 km)

Fast der gesamte Campingplatz von Ein Gedi mit den ausgebuchten, fest installierten Zelten und der Handvoll mitgebrachter Zelte ist schon um sechs Uhr auf den Beinen. Im Grunde ist die ganze Anlage ausgerichtet auf das erste Highlight des Tages: Der Sonnenaufgang über den Bergen Jordaniens auf der andern Seite des Toten Meeres. Wenige Minuten nach sechs schiebt sich die Sonnenscheibe über den Horizont in den Himmel. Es ist angenehm warm. Und wer will, macht jetzt seine Yoga-Übungen (Foto oben).
Wir machen einen Spaziergang in den Kibbutz Ein Gedi. Eigentlich wollen wir in das Wadi Arugot. Aber das ist komplizierter als gedacht. Deshalb schaffen wir es erst später, im zweiten Versuch, mit den Rädern - nachdem Miri noch einmal im Toten Meer war und wir unser Zeltlager abgebaut haben. Am Eingang zum Wadi müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass die Wanderung aufwändiger wäre als gedacht. Also nutzen wir die Picnic-Area fürs Frühstück. Und wandern kurz darauf durch das Wadi David zu den obligatorischen Wasserfällen (Foto unten) von Ein Gedi.
Kleine und große Touristengruppen sind unterwegs. Der Weg ist eine Einbahnstraße: auf der rechten Seite des Tals hin, auf der andern zurück. Wir gehören zu den wenigen, die das für ein Bad nutzen (Foto links). Es ist immer noch Morgen - aber schon richtig heiß.
Wir fahren die Strecke am Toten Meer zurück, die wir gestern gekommen sind. Die Steigungen, die uns gestern am Ende der Etappe schwer fielen, sind mit frischer Kraft leichter zu bewältigen. Auch, wenn man sie sich wahrscheinlich mit der Dirt Road am Ufer ersparen könnte.
Kathi und Florian kommen uns entgegen (Foto rechts). Die beiden Deutschen folgen der "Holyland Bikepacking Challenge". Ich sehe zum ersten Mal "Bikepacking" in freier Wildbahn: Auf ihren Mountainbikes haben die beiden spezielle eng anliegende Fahrradtaschen, in denen das stark reduzierte Gepäck auch sehr raue Strecken übersteht. So sind sie gestern von Jerusalem ins Jordantal über den Sugartrail gefahren - voller Steine und Stufen, die maximal für Esel konzipiert sind.


Wasserfall von Ein Gedi
Ein Gedi


Chris mit Kathi und Florian Der Mittagshitze weichen wir für eine Stunde in den Schatten einer Bushaltestelle aus. Die pneumatisch betriebene Schranke des militärischen Checkpoints neben uns mit ihren messerscharfen Barrieren, die immer wieder aus dem Asphalt gefahren werden, geben dem eine eher unangenehme Geräuschkulisse.
Schließlich fahren wir nach Jericho rein (Foto unten) - Teil der palästinensischen Autonomiegebiete. Für israelische Staatsbürger ist das Gebiet "strictly forbidden" - wie eine rote Tafel an der Stadtgrenze warnt. Wir sind in einer andern Welt. Die Kinder jubeln uns begeistert zu. Fahren neben uns her, um mit uns zu reden. Jugendliche fahren mit Ebikes ohne Batterie. In der Stadt ist wieder sehr viel gebaut worden. Der Eingang zum viel bewanderten Wadi Qelt kaum noch in der Ferne zu erkennen. Bei den obligatorischen, frisch gepressten Säften am Straßenrand entscheiden wir uns für Granatapfel und Orange-Grapefruit.
Bei der Quartiersuche sind wir zunächst nicht so erfolgreich. Das "AubergInn" am Tell es Sultan ist ausgebucht. Bleibt nur der Ort Auja, zehn Kilometer nördlich von Jericho. In der Dunkelheit, die schon um 17 Uhr einsetzt, begegnet uns ein weiteres deutschsprachiges Paar: Sie suchen ebenfalls ein Quartier. Sind aber Richtung Süden unterwegs. Da können wir mit unseren Jericho-Recherche-Ergebnissen helfen. Jetzt erst dreht der Wind und macht uns aus Norden die Fahrt zusätzlich schwer.
Auja ist ein Zipfel der palästinensischen Autonomiegebiete, der über die Nationalstraße 90 hinausragt. Während also der israelische Verkehr durch die Stadt rollt und israelische Autobesitzer die preiswerten palästinensischen Autowerkstätten nutzen, steht vor den Seitenstraßen auch hier die Warnung für israelische Staatsbürger: "strictly forbidden".
Genau in einer dieser Nebenstraßen liegt unser Hotel: das Auja Eco Center. Mit US-amerikanischen Fördergeldern samt Solaranlage gebaut. Allerdings schon etwas in die Jahre gekommen. Heißwasser jedenfalls funktioniert nicht.


Einfahrt durch Betonbarrieren in Jericho
Einfahrt in Jericho


Ingrid und Miri Die Arche Noah auf dem Campingplatz
Donnerstag, 9. November 2017: Auja - Bet Schean - Ein Hugga (75 km)

Ich montiere Miris vorderes Schutzblech ab. Das gerade erst am Montag durch Hausmeister Fadi gerettet wurde. Gestern hat ein Schlagloch ihm den Rest gegeben. Ein palästinensischer Fahrradmonteur in Jericho hat es etwas lieblos und vor allem wirkungslos zusammengeklebt. Zuletzt ist das Schutzblech auch noch hinten rausgebrochen. Weg damit.
Beim Frühstück im dritten Stock des Auja Eco Center sind wir erwartungsgemäß allein. Das ganze Land steckt voller Touristen, aber dieses Hotel hat nichts davon.
Dreißig Kilometer fahren wir durch belebtes, begrüntes Land (Foto unten). Dort, wo in meiner Erinnerung vor dreißig Jahren nur Wüste war, haben sich riesige Dattelpalmen-Plantagen ausgedehnt. Und viele Ortschaften. Jüdische wie arabische. Danach verläuft die Straße durch wüsteres Gebiet, fast stetig direkt am Grenzzaun entlang (Foto unten). Der hat noch eine eigene einspurige asphaltierte Straße für Militärfahrzeuge. Da, wo sie ebener ist als die nun hügeligere Autostraße, ist man versucht, trotz Verbots dorthin zu wechseln.
Auf einer der Anhöhen radelt uns Ingrid entgegen (Foto links; ihr Foto von uns unten). Sie hat ein superschickes Bike. Gemietet. Ihr eigenes Rad musste sie am Flughafen Baden-Baden lassen. Weil sie keine Verpackung dabei hatte. Sie wollte in unserm Hotel in Auja übernachten. Doch obwohl es völlig leer ist, hat man ihr abgesagt. Strange. So muss sie heute von Tiberias bis Jericho. Mehr als hundert Kilometer. Ohne Kilometerzähler. Wir sagen ihr, bei welchem Kilometerstein sie mit Jericho rechnen kann.


Miri & Chris im Jordantal
Ingrids Blick auf uns

Palmenplantagen im Jordantal
Palmenplantagen im Jordantal

Rennradler-Gruppe im Jordantal
Rennradler-Gruppe im Jordantal

Israelisch-jordanische Grenze im Jordantal
Israelisch-jordanische Grenze im Jordantal


Gut ausgebauter Fahrradweg bei Bet Schean Heute dreht der Wind schon früh. Seit halb zehn kommt er aus Norden. Trotzdem sind wir gut vorangekommen. Aber als wir am Military Checkpoint, der hier genau auf der Grenze zur Westbank steht, nach einer langen Durststrecke endlich eine kleine Raststätte sehen und uns niederlassen, kommt bei mir die ganze Erschöpfung durch die Hitze durch. Apathisch hänge ich auf dem Stuhl. Zum Glück haben wir den längsten Teil der heutigen Strecke hinter uns.
Kurz darauf beginnt überraschend ein zweispuriger Fahrradweg, der uns ein paar Kilometer begleitet (Foto rechts). Bevor er genau so überraschend wieder aufhört. Da sind wir schon fast am Stadtrand von Bet Schean. Den Ort hat Ingrid als sehr sauber bezeichnet. Wir müssen ihr recht geben. Zumindest wirkt die Palmen gesäumte Hauptstraße so. Am Ende des Ortes ist ein neuer Busbahnhof, ein alter, geschlossener McDonald's und ein Falafel-Restaurant. Das brauchen wir. Sicherheitshalber nehmen wir auch noch fünf kleine Pita-Brote mit und füllen alle Wasserflaschen. Falls wir am Ende doch wild zelten.
Noch fünf Kilometer sind es bis zu unserm Ziel, dem Campingplatz auf dem Gelände des "Erlebnisbad" Ein Hugga. Nach der Abfahrt von den Höhen Bet Scheans, führt die kleine Straße noch einmal weiter hinab Richtung Jordan. Bevor wir vor einem geschlossenen Tor stehen (Foto unten). Die Saison ist offenbar vorbei. Was tun? Wir schieben uns unter dem Tor durch und entscheiden nach einer kleinen Inspektion: einen besseren Platz können wir kaum finden. Eine waldige Anlage mit Rasen und Picnic-Bänken.
Alle Gepäckstücke und Fahrräder heben wir nun über das Kettenschloss im Tor. Wenige Minuten später haben wir einen schönen, Wind geschützten Platz für das Zelt gefunden. Wir entdecken auf dem Gelände auch einen Käfig mit weißen Tauben, einem Pfau und anderen Tieren. Irgendjemand wird also hier ab und zu zum Füttern kommen. Einige Minuten später ist es so weit. Ein weißes Auto fährt auf der Straße in fünfzig Metern Entfernung an uns vorbei. Eine halbe Stunde später fährt es wieder weg. Da haben wir die knalligeren Kleidungsstücke beiseite geschafft. Das Zelt ist sowieso grün in grün mit der Umgebung. Jetzt begleiten uns nur noch ein paar Katzen. Und einige wenige Mücken. Über uns Pelikane im Schwarm. Und dann setzt, während ich diese Notizen schreibe, plötzlich ein wildes Geschrei, Pfeifen, Johlen ein, als wenn alle Tiere, die sich in der Nähe befinden, auf sich aufmerksam machen wollten. Und es wirkt, als wenn die ganze Arche Noah sich gleichzeitig Gute Nacht sagen würde. Oder vor einem gefährlichen Tier warnen wollte (Sound-Beispiel unten am 18. November). Wir verkriechen uns ins Zelt.


Tor zum Campingplatz von Ein Hugga
Verschlossenes Tor zum Campingplatz von Ein Hugga


Unser Zeltaufbau in Ein Hugga im Zeitraffer
Im Original 5:42 Minuten inklusive Kuss


Unser Frühstückstisch in Ein Hugga Golf-Wägelchen auf dem Radweg
Freitag, 10. November 2017: Ein Hugga - Tiberias - Tabgha (55 km)

Um acht Uhr (nach einem schönen Frühstück: Foto links) wollen wir wieder alles über das Einfahrtstor von Ein Hugga bugsieren. Eine Auto, das davor parkt, macht uns etwas nervös. Umso schneller haben wir alles auf der andern Seite. Eine wunderbare Nacht liegt hinter uns.
Munter geht es jetzt wieder hinauf auf die Nationalstraße 90 zum Endspurt Richtung See Genesaret. Die Straße führt über das kleine Flüßlein, das hier so wichtig ist: der Jordan. Und bald beginnt ein Radweg auf den letzten Metern zum See. Auch von lokalen Radlern genutzt. Und von zwei Frauen in einem offenen Golf-Wägelchen. Pause direkt am See.
Auch heute treffen wir wieder zwei Deutsche. Andreas und Elias sind gerade in Tiberias gestartet. Die beiden Badener wollen bald rüber nach Jordanien und auf jener Seite der Grenze auf dem King's Highway und einer Piste vom Wadi Rum runter nach Akaba. Von da zurück zum Flughafen Ben Gurion. Auf den letzten Etappen könnten sich unsere Wege noch einmal kreuzen.
Die nächste Shopping- und Essenspause machen wir schon in Tiberias. Auch diese Stadt ist weiter gewachsen. Mit vielen Hotels. Archäologische Neuigkeit danach am Wegesrand: die Ausgrabungen des antiken Ortes Magdala. Prominenteste Mitbürgerin: Maria Magdalena. Vor wenigen Jahren hat man hier eine Synagoge aus dem ersten Jahrhundert freigelegt. Und darin einen großen Stein mit der womöglich ältesten Darstellung eines siebenarmigen Leuchters. Die "Legionäre Christi", die das Grundstück vor ein paar Jahren gekauft haben, haben auch eine Kirche gebaut, die nicht Kirche heißt, sondern "Duc in Altum". Die Vorhalle ist Frauen rund um Jesus gewidmet. Der Altar ist in Form eines Segelschiffs gebaut. Dahinter ist der Blick frei auf den See Genesaret (Fotos unten).


Spirituelles Zentrum von Magdala: Duc in Altum: Altar in Form eines Schiffs vor dem Panorama des See Genesaret
Altar in Form eines Schiffs vor dem Panorama des See Genesaret

Magdala: Siebenarmiger Leuchter in Stein gehauen (1. Jh. n. Chr.)
Siebenarmiger Leuchter aus der Synagoge von Magdala (1. Jh.)


Mosaik in Tabgha: Vier Brote und zwei Fische Jetzt sind es nur noch wenige Kilometer bis Tabgha. Ein paradiesischer Ort am Nordufer des See Genesaret. Die dortige Brotvermehrungskirche (Foto rechts) und die traumhafte Anlage drumherum gehören zur Dormitio-Abtei in Jerusalem, unserm einstigen Studienort. So sind wir schon oft hier gewesen. Miri hat den letzten Hügel, den wir nehmen müssen, genauer in Erinnerung als ich. Dann die kleine Abfahrt, wir biegen in die Einfahrt - und stehen vor verschlossenen Toren. Vorbereitungen für das morgige Brotvermehrungsfest mit arabischen Christen aus Galiläa sind der Grund.
Wir rollen eine Einfahrt zurück. Zum Pilgerhaus Tabgha. Das vom Deutschen Verein vom Heiligen Lande betrieben wird. Wir sind schon am frühen Nachmittag da (Foto unten). Und können so die Anlage, das Bad im See Genesaret, das Abendgebet genießen. Und am Abend, wie schon am Montag in Jerusalem, mit Georg und Philipp beisammen sitzen.


Chris & Miri am See Genesaret
Frisch eingetroffen am See Genesaret

Schwimmerin im See Genesaret bei Sonnenaufgang
Sonnenaufgangs-Schwimmerin Miri


Miri, Georg und Chris in Tabgha Brotvermehrungsfest in der Brotvermehrungskirche
Samstag, 11. November 2017: Tabgha

Ruhig zieht Miri ihre Bahnen durch den See Genesaret, während über den Golanhöhen die Sonne zum Vorschein kommt (Foto oben). Zum Morgengebet sind wir in der Kirche. Schon geprägt von dem heutigen Brotvermehrungsfest. Da der Sabbat auch für viele christliche Araber in Galiläa der freie Tag der Woche ist, wird das Fest am Samstag gefeiert. Auch das derzeitige Oberhaupt der Katholiken im Heiligen Land, der Apostolische Administrator, ist aus Jerusalem angereist. Der Gottesdienst wird in Arabisch, Englisch, Deutsch und Latein gefeiert. Riesige Brotkörbe visualisieren das Evangelium. Das Brot wird nachher zum Mittagessen geteilt.
Wir lernen Julia aus Köln kennen. Sie absolviert das derzeitige Theologische Studienjahr des Deutschen Akademischen Austauschdienstes in Jerusalem. Genau jenes Programm, das Miri und ich vor (unterschiedlich vielen) Jahren durchlaufen haben. Sie lebt hier momentan sogar ohne Handy oder Smartphone. Da ist sie unserer Zeit noch näher.
Georg (Foto links) reist wieder nach Jerusalem. Ihm verdanken wir den Hinweis auf das Brotvermehrungsfest, Magdala und vieles mehr. Vielleicht sehen wir uns im Laufe der Woche ein weiteres Mal.


Altar mit Kreuzen: Dalmanutha, Tabgha
Dalmanutha in Tabgha am See Genesaret


Jordan kurz vor der Mündung in den See Genesaret Jordan-Hopping Richtung Quellen
Sonntag, 12. November 2017: Tabgha - Dan (62 km)

Mit Morgengebet und Sonntagsgottesdienst bei den Benediktinern geben wir uns noch eine volle liturgische Dröhnung. Letzteres am Platz "Dalmanutha". Altar und Bänke unter Strohdach direkt am See Genesaret (Foto oben). Fünfzig, sechzig Menschen und ein sehr schöner Gottesdienst mit Pater Matthias. Der Miri nach dem Morgengebet angesprochen hat, da er sie noch aus der Zeit ihres Studienjahres 2001/2002 kennt. Damals trug er vorübergehend seinen Ordensnamen Stephan. Der gefiel ihm nicht, aber der Orden.
Am späten Vormittag radeln wir dann los. Im Grunde wollen wir am Jordan (Foto links), der durch den See Genesaret fließt, entlang zu seinen Quellen. Eben Richtung Dan. Trotzdem stehen fast tausend Höhenmeter auf dem Programm. Zunächst ein paar am See entlang, vorbei an Kapharnaum. Unmittelbar vor der Jordan-Brücke wird vor kreuzenden Radlern gewarnt. Aber bedeutet das einen Radweg für uns zur Quelle? Ich sehe kein Radwegzeichen, keine Hinweisschilder. Und bei der Online-Recherche habe ich auch nichts gefunden. Google Maps jedenfalls schickt uns, auch im Fußgänger-Modus, parallel zum Fluss, aber an der Höhe entlang. Auf den Golan. Der gehört nun völkerrechtlich zu Syrien, ist aber von Israel seit 1967 besetzt.

Schattige Straße am Jordan Had Nes ist die erste, eingezäunte, jüdische Siedlung, die wir mühevoll erklimmen. In der Mittagshitze. Ich kippe mir alle paar Kilometer Wasser über den Kopf und in den Mund. Es geht dreizehn Kilometer lang stetig bergauf. Mal etwas steiler, mal etwas flacher. Dann die erlösende Kreuzung. Kurz darauf das Denkmal Gadot - für israelische Soldaten, die in verschiedenen Kriegen gefallen sind. Wir nutzen die aufgestellten Steine für eine Pause. Ich bin geschafft - von 24 Kilometern.
Wir verlieren jetzt wieder Höhenmeter, die wir gerade gewonnen hatten: es geht über den Jordan, ein Stück bergauf und dann auf einer Nebenstraße parallel zum Jordan. Bald darauf wechselt die Straße aber wieder auf die linksjordanische Seite. An der Brücke entdecke ich auch ein kleines Fahradzeichen: Schwarz auf Dunkelblau ein Rad und die Nummer 1. Der dazu gehörige Weg sieht so kümmerlich aus, dass wir lieber auf der Straße bleiben. Erst jenseits des Jordans sehen wir, dass dort wohl ein frisch angelegter Fahrrad-Pisten-Weg rechtsjordanisch weiterführt. Die Straße ist aber zu verlockend: von Feigenbäumen und riesigen Eukalyptusbäumen gesäumt, fahren wir komplett im Schatten (Foto rechts). Tut gut.


Radlerin und Golan-Schild
Leaving die Golan-Höhen

Danger - Mines - Golan Heights
Minenwarnung auf den Golan-Höhen

SLOW: israelisches Verkehrsschild warnt vor Fahrrad-Fahrern in Hebräisch, Arabisch und Englisch
Immer wieder: Hinweis auf Fahrradfahrer

Zugvögel am Jordan
Zugvögel am Jordan


Romantischer Radweg am Jordan Bedauerlicherweise führt die Straße auf Dauer aber nicht nur vom Jordan weg sondern bei Gonen auch noch den Berg hinauf. Und wieder runter. Als sie den Jordan fast wieder erreicht hat, suchen wir erneut nach dem Radweg. Tatsächlich: auf der rechten Jordan-Seite lässt eine Piste hoffen. Nicht mehr in der luxuriösen Variante, wie wir sie zuvor in der Ferne sahen. Aber nicht völlig aussichtlos.
Die Sonne verliert sich langsam im Dunst und insgesamt geht es zügig dem Sonnenuntergang entgegen. Bei Kfar Blum geht es wieder über den Jordan. Und nun wird der Weg romantisch: manchmal als Tunnel unter der üppigen Vegetation (Foto rechts), manchmal direkt am Wasser, gesäumt von Rasen, vorbei an spektakulären Sprungmöglichkeiten in den Jordan führt der Radweg nun - immer von einem blauen Pfeil markiert. Der dann kurz rot wird, bevor der Weg unvermittelt an der Straße endet. Von Dan sind wir noch ein paar Kilometer entfernt. Wir wechseln zur Straße. Die bald von einem Betonplatten-Radweg begleitet wird.
An der nächsten Kreuzung ist ein kleiner Naturpark (Tal Nature Reserve), der uns als Zeltplatz dienen könnte. Leider geschlossen. Sechzehn Uhr ist auch schon durch. Vielleicht ist er auch den ganzen Winter geschlossen. Also weiter. Ein Fisch-Restaurant lädt dazu ein, unsere Wasserflaschen, die fast komplett leer sind, zu füllen. Rund sechs, sieben Liter. Jetzt können wir jederzeit und überall zelten. Am Eingang von Shear Yashuv ist in Hebräisch "Kemping" (Foto unten) zu lesen. Ich danke all meinen Hebräisch-Lehrern. Wir radeln in die eingezäunte Siedlung. Fragen trotz Hundegebell nach dem Campingplatz. Nach einem guten Kilometer haben wir ihn gefunden. Ruhig, weit ab von der Straße. Laufen tut hier nur ein gläserner Getränke-Kühlschrank.
Etwas unentschlossen wandeln wir über den Platz. Ein junger Mann, der auf der Straße vorbeiläuft, bietet an, bei ihm im Garten zu zelten. Sind wir nicht so scharf drauf. Er will den Campingchef anrufen. Hoffentlich tut er es nicht. Denn wir haben alles, was wir brauchen: Toiletten, Tische und Bänke, sogar Strom - dank des Getränke-Kühlschranks. Und vor allem: Ruhe. Zwei Kilometer von Dan und einen Kilometer vom Jordan entfernt.


Kemping-Schild in Shear Yashuv
Hinweis auf Camping nur in Hebräisch

Pelikane am Morgen im Teich, Golan-Höhen
Pelikane am Morgen

Banyas menschenleer
Banyas: menschenleer am Morgen

Banyas: Kultnischen im Fels
Kultnischen im Fels

Wasserfälle bei Banyas
Wasserfälle bei Banyas


Spektakulärer Steg an den Wasserfällen bei Banyas Platten dank Nagel
Montag, 13. November 2017: Dan - Banyas - Kirjat Schmona - Baram (65 km)

Die Nacht ist stürmisch. Windstärke 5. Aber unser Zelt bleibt verschont. Nur eine Katze nutzt den Lärm, um unsere Keksdose zu leeren. Und Miris Sitzkissen ist davongeflogen.
Wir sitzen schon um Viertel nach sechs auf den Rädern. Ohne Gepäck. Um zur Quelle nach Banyas hinauf zu fahren. Vorbei an einer Hundertschaft Pelikane, die in einem Teich ein Päuschen eingelegt haben (Foto oben). Um sieben Uhr haben wir uns gegen den Wind auf die Höhe von Banyas gekämpft. Sind aber die einzigen vor Ort. Erst um acht werden die Quelle, die Ausgrabungen, die Trails geöffnet. Zum Glück ist das Einfahrtstor so gebaut, dass es geradezu zum Drüberklettern einlädt. So haben wir den antiken Pan-Tempel ganz für uns allein (Foto oben).
Hier sind wir auf syrischem Staatsgebiet, wie fast der ganze Golan-Höhenzug. Seit dem Sechs-Tage-Krieg von 1967 ist er von Israel besetzt. Wir radeln an abgezäunten Minenfelder und alten Grenzanlagen vorbei. Erreichen den Zugang zu den Wasserfällen von Banyas. Hier kommt uns um halb acht ein Angestellter um wenige Momente zuvor. Wir müssen warten bis zur regulären Öffnung. Im Windschatten eines Gebäudes vertilgen wir ein paar Plätzchen. Dann beginnt die kleine Wanderung. Auf einem für uns neuen Steg können wir neben den tosenden Wassern entlang gehen. Dann sind wir an den höchsten Wasserfällen des Landes (Fotos links und oben). Rund zehn Meter stürzen die Wassermassen hinab. Recht kalt, wie Miri mit einem Handtest feststellt. Baden verboten.
Um neun sind wir zurück im Moschaw Shear Yashuv. Wie ich in der Nacht gelesen habe mit einer sehr wechselhaften Geschichte - vor allem zwischen 1949 und 1967 als er direkt an der Grenze in Schussweite der syrischen Soldaten lag. Jetzt wirkt alles etwas heruntergekommen, oder einfach lässig. Auch der Laden, in dem wir unsere Vorräte perfekt aufstocken können. Während unseres Frühstücks kommen junge Männer, um den riesigen Sonnenschirm über der Mitte des Platzes abzubauen. Nicht ganz einfach bei dem Sturm.


Fahrrad: Nagel steckt im Mantel
Einziger Platten auf 2 x 1165 KM

Fahrrad-Reifen-Flicken an der Schnellstraße bei Kirjat Schemona
Reifen-Flicken an der Schnellstraße


Stop! Border in front of you! - Israelisch-libanesische Grenze Richtung Kirjat Schmona geht es häufiger unerwartet bergauf. Dort erreichen wir wieder die Nationalstraße 90, der wir diesmal für ein paar Kilometer Richtung Süden folgen. Zunächst bis zu dem Moment, wo Miri Alarm schlägt: ihr Hinterrad ist platt. Wie sich zeigt: ein Nagel ist nicht nur in Mantel (Foto oben) und Schlauch eingedrungen, sondern hat den Schlauch auf der Felge ein zweites Mal durchstochen. Nie erlebt, wenn ich mich richtig erinnere. Kann man auch nur nacheinander flicken. Beim Einsetzen geht uns der Schlauch am Ventil kaputt. Der Ersatzschlauch muss ran. Jetzt gibt es keinen Ersatzschlauch mehr für Miris 26er Mantel.
Es geht hinauf zur Höhenstraße entlang der israelisch-libanesischen Grenze. Das sind rund 800 Höhenmeter. Bei relativ viel Verkehr. Das alte, kleine Sträßlein, das ich vor 32 Jahren mal entlanggetrampt bin, gibt es nicht mehr: es heißt jetzt Old Northern Road und ist zum Teil völlig verdrängt von der gut ausgebauten Straße 899.
Immer wieder bieten beide Straßen einen Blick über die Grenzanlagen hinüber auf die libanesische Seite (Foto rechts). Wo auch viel gebaut wird.
An der Straße gibt es zwar Siedlungen, viel Landwirtschaft, vor allem Weinanbau, aber uns fehlt der direkte Zugang zu Wasser. Wir brauchen noch ein paar Liter für die Nacht. Als ich mich mit einer leeren Flasche an den Straßenrand stelle, hält schon der erste Wagen. Der Fahrer schenkt uns zwei Flaschen Wasser. Später können wir doch noch an einer Farm direkt neben der Straße unsere Vorräte vervollkommnen.
Baram heißt unser Tagesziel. Auf der Karte habe ich die davor liegende, neue jüdische Siedlung mit gleichem Namen angesteuert. So sind es am Ende noch ein paar Kilometer mehr als erwartet. Auf der Rückseite des Ruinendorfes, in dem bis 1948 libanesische, maronitische Christen lebten, finden wir einen guten Platz, um unser Zelt aufzustellen.


Sonnenuntergang im Dunst von Nord-Galiläa bei Baram
Sonnenuntergang im Grenzgebiet zum Libanon


Antike Synagoge von Baram Herbergssuche bei der Heiligen Mirjam
Dienstag, 14. November 2017: Baram - Rosch Hanikra - Akko - Ibillin (89 km)

Das christliche Dorf Baram (Biram) wurde erst zu einer Ruinenstadt, als die israelische Armee die Gebäude in den 50er Jahren sprengte, um eine Rückkehr der Einwohner zu verhindern. Die Flüchtlinge hatten vor dem Obersten Gericht in Israel ein Rückkehrrecht erzwungen, was die israelische Armee aber ignorierte. Jetzt zahlt man Eintritt für einen "Nationalpark Bar'am", in dessen Mittelpunkt eine Synagoge aus dem 4./5. Jahrhundert (Foto links) steht. Beeindruckend, aber nicht die ganze Geschichte.
Wir radeln weiter durch die, zumindest auf israelischer Seite, sehr waldige Gegend (Fotos oben und unten). Bleiben jetzt nur noch auf der 899. Hier und heute ist sie viel weniger befahren als gestern. Nach ein paar Aufstiegen fällt die Straße dann zum Mittelmeer hin ab. Wir steuern Richtung Rosch Hanikra (Foto unten). Sehen Felsen und Seilbahn an der für Normalbürger geschlossenen Grenzstation mitsamt einiger Touristenbusse. Andere Touristen kommen uns in offenen E-Wägelchen entgegen. Toy train genannt.
Nach einer Essenspause in Sichtweite der Grenze, folgt kurz darauf eine Schwimmpause am Strand von Naharija. Wir sind keineswegs die einzigen. Für die meisten Israelis endet die Schwimmsaison im Mittelmeer mit dem Feiertagsreigen im Oktober. Offenbar nicht für die Russen um uns herum. Dann eine Restaurant-Pause in Akko (Foto rechts), die auch dem Aufladen verschiedener Geräte dient. Nach zwei Campingnächten ohne Strom ist das dringend notwendig.


Straße 899 zwischen Baram und Rosch Hanikra
Straße 899 zwischen Baram und Rosch Hanikra

Straße 899 mit Blick auf Fassuta
Blick auf Fassuta

Chris on the Bike bei Rosch Hanikra
Bei den Felsen von Rosch Hanikra


Radeln in der Altstadt von Akko Wir wissen nicht, wo wir heute Abend übernachten werden. Wollen wir vor Haifa noch einen Abstecher in den Bergort Ibillin machen? Heimat der Seligen - und seit zwei Jahren Heiligen - "Mirjam Bawardi" oder eben "Mirjam von Abellin". Nach der ich Miri alljährlich am 26.8. eine Art Namenstagsfeier ausrichte. Ja, wir wollen.
Auf dem Weg dorthin ist noch der ein oder andere Stau auf den großen Straßen vor Haifa auf dem schmalen Seitenstreifen zu umfahren. Dann der erwartet heftige Anstieg nach Ibillin, bzw. in Ibillin. An vielen Stellen des arabischen Ortes hängt ein Foto der Heiligen Mirjam (Foto links). Die kleine Kirche im alten Ortskern finden wir trotz vielfachen Fragens nur mit Mühe. Sie konkurriert mit einer großen, neuen Kirche auf der andern Seite eines Tals, neben der noch größeren Mar Elias Schule. Die kleine Kirche ist mit einigen Gebäuden von einer riesigen Mauer umgeben. Alles dunkel. Das Tor kann man überraschend öffnen, und auch die Kirche ist offen. Der Kirchhof ist eigentlich ideal für eine weitere Zeltnacht. Ich würde sofort das Zelt aufbauen, Miri schlägt vor zu warten.

Haputstraße in Ibillin: Poster von Mirjam von Abellin am Strommast Siehe da, eine Frau mit Rollator erscheint. Wenig begeistert von uns. Noch weniger von unserer Idee, hier zu übernachten. Wir sollen bis 19 Uhr warten. Um 18 Uhr laufen vom Band Kirchenglocken und ein Gesang, der dem Muezzin nicht unähnlich ist. Und stetig füllt sich der Kirchhof mit einzelnen Jugendlichen und Erwachsenen. Ein Student hat es dank Schulpartnerschaft schon bis zu einem Bayern-Spiel in die Münchener Allianz-Arena geschafft. Bis auch der Pfarrer auftaucht. Er fragt, wo wir übernachten wollen. Wir fragen erst mal nach der Heiligen. Die hier Mitte des 19. Jahrhunderts ihre ersten sechs Lebensjahre verbracht hat.
Der Pfarrer versucht, irgendein Guest House für uns anzuleiern. Wir schauen Kirche, Kapelle und Wohnhaus und einen kitschigen Weihnachts-Deko-Laden an. Als wir zurückkommen, formiert sich rund um einen jungen Priester eine neokatechumenale Gruppe zum Bibelgespräch mit Gitarre. Und gerade als wir angesichts der Unübersichtlichkeit der Situation schon die letzten 20 Kilometer nach Haifa in Angriff nehmen wollen, taucht jemand auf, der uns zum Guest House bringt. Mit dem Auto fährt er vor uns her ins Tal und auf der andern Seite hinauf. Eine Strecke mit mindestens fünfzehn Prozent Steigung. Nur mit Mühe können wir die Räder hier schieben. Auf das Gelände der Mar Elias Schule. Wo im obersten Stockwerk einige Zimmer mit Küche, Esssaal und Wlan auf uns warten. Für 60 Euro. Großartig.


Bilder der Heiligen Mirjam von Abellin im Kirchhof, Ibillin
Bilder der Heiligen Mirjam von Abellin im Kirchhof

Blick auf den Stadtkern von Ibillin am Morgen
Stadtkern von Ibillin am Morgen

Kirche von Ibillin mit Bild der Heiligen Mirjam von Abellin am Morgen
Kirche und Heilige


Cycling to the Bahai-Shrine in Haifa Beach-Cycling
Mittwoch, 15. November 2017: Ibillin - Haifa - Netanya (99 km)

Wir haben Maßgabe, vor den ersten Schülern die Schule zu verlassen. Als wir uns um sieben Uhr auf den Weg machen, tauchen gerade die allerersten Jungs auf dem Schulhof auf. Vor der Stadt ist schon Stau. Richtung Haifa. Manche versuchen, ihn über den parallelen Feldweg zu umgehen.
Zwei Stunden brauchen wir bis in die frühere deutsche Kolonie von Haifa. Im Stadtverkehr geht es nicht so schnell voran. Das wäre gestern Abend noch hart geworden, wenn wir in Ibillin keine Unterkunft bekommen hätten. Im Aroma-Café beobachten wir den Morgenbetrieb. Fahren dann auf der Ben-Gurion-Straße Richtung Bahai-Schrein. Und landen wieder auf der Schnellstraße 4. Die ist aber sehr viel angenehmer als gestern. Wenig Verkehr und nur zweispurig. Zumindest bis Zichron Jaakow.
Kurz darauf wollen wir sowieso ab. Von Jisr-az-Zarqa an soll der nationale Wanderweg "Israel Trail" mehr oder weniger direkt am Meer entlang bis Tel Aviv führen. Das wär doch was. Im Ort gibt es ein paar Wanderzeichen, wir finden auch zum Meer, wo wir einen grandiosen Pausenplatz finden. Aber danach bleibt im Grunde nur das Fahren auf der Naht zwischen Wasser und Sand, da wo das Wasser gerade abgelaufen ist. Wunderschön. Aber mühsam (Foto unten).


Fahrrad-Fahren auf dem Strand zwischen Jisr-az-Zarqa und Caesarea Maritima
Strand-Radln zwischen Jisr-az-Zarqa und Caesarea Maritima


Jisr-az-Zarqa: Fahrräder am Strand So treffen wir am Strand noch eine Israelin, die in Bremen Psychologie studiert hat. Und stehen bald am römischen Aquädukt, das die Stadt Caesarea Maritima mit Süßwasser versorgt hat. Ein bisschen antike Keramik findet sich zwischen den Muscheln am Strand. Jetzt kommt kurzfristig auch mal ein sehr schöner Radweg. Und noch einer. Der führt schon nach wenigen Metern zu einem Blumen gesäumten Platz auf einer Anhöhe mit Fahrradständern. Nur geht es nirgendwohin weiter. Auch die Straße, die auf Google Maps als "Israel National Trail" bezeichnet wird, lässt keine Trail-Fortsetzung erkennen. Es bleibt nur die Fahrt auf die Autobahn oder wieder auf die Schnellstraße 4. Die nehmen wir. Bis zum Abzweig nach Netanja.
Hier zieht es uns wieder ans Meer. Und endlich einmal sind wir so früh am Ziel, dass wir den Sonnenuntergang bei einem Bad im Meer entspannt genießen können. Umgeben von einigen Kite-Surfern (Foto unten).


Netanja: Kite-Surfen im Sonnenuntergang
Kite-Surfen am Strand von Netanja


Miris Rad in der Orangen-Plantage Auf getrennten Wegen voller Hürden
Donnerstag, 16. November 2017: Netanja - Jayyous - Tel Aviv (87 km)

Wir fahren heute nach Tel Aviv. Allerdings erstmals auf unterschiedlichen Wegen. Miri kämpft sich an der Küste entlang. Sie versucht, dem großen, nationalen Wanderweg "Israel Trail" zu folgen. Der will kein Fahrradweg sein. Ist es auch nicht. So endet die Tour immer wieder im Sand und Miri muss schließlich Gepäck und Fahrrad einzeln eine enge Schlucht hinauf und über einen Stacheldrahtzaun befördern (Fotos links und unten).


Fahrrad-Manufaktur-Rad an der mediterranen Steilküste bei Netanja
Rad auf der Höhe

Sandbucht mit Steilküste, Mittelmeer, Israel
Sandbucht mit Steilküste

Wadi an der israelischen Mittelmeerküste
Enges Tal kurz vor der Mündung ins Mittelmeer

Irrer Radweg in Israel: Ende im Gras
Fortsetzung folgt


No Enty for Israelis: Tulkarm, Westbank Ich möchte nach Jayyous: ein Ort in der Westbank, in dem ich vor zwölf Jahren drei Monate lang gelebt habe. Er wird durch den damals noch neuen Zaun der israelischen Regierung von seinen landwirtschaftlichen Flächen weitgehend abgeschnitten. Ich bin gespannt, wie es heute dort aussieht.
Die Fahrt endet zunächst vor besagtem Zaun - in dem Fall eine Mauer (Foto links). Von Netanja aus ist der palästinensische Ort Tulkarem zwar stetig ausgeschildert, aber das Tor im Zaun ist dauerhaft geschlossen. Ich muss zurück. Fahre durch die israelische Siedlung Shaar Efraim. Die ist umzäunt, aber es ist so viel Verkehr durch die Tore an beiden Enden, dass ich einfach mitfahre, wenn ein Auto sich per Fernbedienung das Tor öffnet.
So erreiche ich den Checkpoint, genauer: "Crossing Point Teenim". Die Durchfahrt in die Westbank ist praktisch unkontrolliert. Ich will auch ein paar Meter weiter rechts auf die Straße Richtung Jayyous. Die Straße für Palästinenser verläuft allerdings unter der Straße für die israelischen Siedler. Kein direkter Übergang möglich. Ich fahre zurück. Bin aber dank meines zweiminütigen Aufenthaltes nun ein Ausreisender. Und mit meinem Reiseziel, einem palästinensischen Ort, natürlich verdächtig. Also müssen alle meine Fahrradtaschen durchleuchtet werden. Danach weiß ich immer noch nicht, wie ich nun nach Jayyous komme. Die vielen israelischen Soldatinnen und Soldaten wollen oder können mir nicht helfen. Insbesondere irritiert sie, dass ich eine Straßenkarte aus Papier nutze und keine elektronische. Doch Google Maps ist hier nicht zu gebrauchen: die rein palästinensischen Straßen sind für Google nicht existent. Es lassen sich keine Routen berechnen. Der Zugang zu Orten wie Jayyous ist zwar einerseits Israelis verboten, andererseits sind fast täglich israelische Soldaten zu Einsätzen im Ort, wie mir Einwohner später erzählen.
Durch hartnäckiges Fragen erreiche ich schließlich die gewünschte Auskunft: Eines der vier, fünf Tore ringsherum führt in die richtige Richtung: Khirbet Jubara. Da werde ich schließlich durchgelassen. Palästinenser müssen, wie ich später erfahre, einen sehr viel längeren Umweg nehmen.
Jetzt bin ich weg von der Küstenebene und muss kräftig strampeln. Gegen Mittag erreiche ich Jayyous. Neuste Attraktion: ein Skatepark. Initiator ist Mohammed, vor zwölf Jahren einer der großen Unterstützer und Freunde unseres Teams in Jayyous (Fotos unten).


Skate-Park, Jayyous, Westbank
Skatepark mit Fahne

Mohammed & Chris im Skate-Park, Jayyous, Westbank
Mit Mohammed

Graffiti am Skate-Park, Jayyous, Westbank
Vielfalt der Motive

Skater im Skate-Park, Jayyous, Westbank
Skaten mit Aussicht

Wandmalereien: Palästina: Land und Fahne mit Herz, Jayyous, Westbank
Fahne mit Herz


Israelischer Checkpoint (Eliyahu crossing point) bei Qalqilja Die Kinder nutzen den Skatepark begeistert. Mohammed lädt mich zu sich nach Hause ein. Ein bewegendes Wiedersehen. Die Perspektiven vor Ort haben sich nicht verbessert. Dennoch wächst der Ort. In alle Richtungen hat er sich ausgedehnt. Wege sind asphaltiert worden. Gerade heute wird die Hauptstraße neu geteert.
Ein paar Kilometer weiter in Azzun ist der Wechsel auf die Siedlerstraße heute problemlos möglich. Solange die Tore offen stehen. So komme ich bei Qalqilja zum Checkpoint, dem "Eliyahu crossing point" (Foto links). Meine zweite "Ausreise" heute. Diesmal soll ich nicht nur alle Taschen durchleuchten lassen (Foto rechts), sondern auch das Fahrrad. Auch wenn das - physikalisch betrachtet - nicht möglich ist, weil es zu groß ist. Also hebe ich mit einem Soldaten zusammen das Rad auf das Band. Nur um definitiv festzustellen, dass es zu groß ist für das Gerät. Was tun? Als ich 2001 einmal von Jordanien und einmal von Libyen und Ägypten kommend eingeradelt bin, musste ich das Rad auseinander nehmen, damit es durch das Gerät passt. Das wird heute nicht verlangt.

Ortlieb-Taschen bei der X-Ray-Kontrolle am israelischen Checkpoint bei Qalqilja Jedenfalls telefoniert eine Soldatin mit meinem Pass in der Hand auf ihrem Smartphone etwa zehn Minuten mit irgendjemand. Bevor sie schließlich meint: "You cannot cycle between the borders". Das könnte nun der Auftakt für ein längeres Gespräch über völkerrechtliche Grenzen und vieles mehr sein. Ich nicke nur. Bekomme meinen Pass. Und kann weiter fahren. Richtung Tel Aviv.
Der Blick zurück nach Qalqilja geht an Wachtürmen vorbei über die Mauer. Nach vorn zeichnet sich die Skyline der Küstenstädte in der untergehenden Sonne ab (Fotos unten).
Unerwartet fahre ich noch an einer historischen Stätte vorbei: Antipatris, eine Gründung von Herodes dem Großen. Die Festung, die ich von der Straße aus sehe, wurde von den Osmanen gebaut. So fahren wir jeden Tag an vielen Sehenswürdigkeiten vorbei, die einen Besuch lohnen würden. Jetzt muss ich sehen, dass ich in der Dunkelheit durch den Großstadtverkehr von Petach Tikwa und Bnei Berak nach Tel Aviv komme. Viele Radler um mich herum, vor allem auf den typischen, kleinen Ebikes. Oft ist für uns kein Durchkommen zwischen all den Autos. Schließlich kreuze ich die Dizzengoff-Straße, komme zum komfortablen Radweg am Meer und treffe fast zeitgleich mit Miri an einem wunderbaren Guesthouse ein.


Blick auf Wachturm, Mauer und Qalqilja in der Abendsonne
Wachturm, Mauer, Qalqilja

Silhouette der Hochhäuser am Mittelmeer bei Tel Aviv in der untergehenden Sonne
Hochhaus-Silhouette bei Tel Aviv

Treppe im Peer Guesthouse, Tel Aviv
Treppe in unserm Guesthouse-Appartment


Miri & Avi Getunete Ebikes
Freitag, 17. November 2017: Tel Aviv - Jaffo - Tel Aviv

Unser wunderbares Guesthouse ist sehr nah am Strand. Da bleibt ein Morgenmeeresbad vor der Skyline (Fotos unten) nicht aus. Leider ist das Guesthouse so wunderbar, dass es für eine weitere Nacht, die wir nun noch bleiben wollen, ausgebucht ist. Aber der Manager kennt jemand, der uns ein Appartment in der Nähe vermietet. In dem wir nach umfangreicher Renovierung die allerersten Gäste sind. Bis wir da rein können, gehen wir über den nahe gelegenen Markt (Fotos unten) mit Freund Avi (Foto links), der im Frühjahr vier Monate in Deutschland war, und mit Kollege Alon, der mir verrät, dass die Ebikes, die gerade in Tel Aviv um uns herum schwirren, alle getuned sind: eigentlich dürfen sie, wie in Deutschland die Pedelecs, nur die eigenen Anstrengungen unterstützen. Aber mit einem kleinen Trick werden sie zu selbst fahrenden Ebikes. The Israeli way of life.
Am Abend radeln wir noch nach Jaffa. Den Gottesdienst, den wir ansteuern, gibt es leider nicht. Bleibt ein Spaziergang durch Altstadt (Foto unten) und Hafen. Unverändert geprägt von Arabern, die hier leben.


Strand in Tel Aviv am Morgen
Strand in Tel Aviv am Morgen

Balkone im Strand-Hochhaus, Tel Aviv
Balkone im Strand-Hochhaus

Oliven-Stand auf dem Carmel-Market in Tel Aviv
Oliven-Stand auf dem Carmel-Market

Gedränge kurz vor Sabbat-Beginn auf dem Carmel-Market in Tel Aviv
Gedränge kurz vor Sabbat-Beginn

Süßes auf dem Carmel-Market in Tel Aviv
Reichlich Süßes

Jaffa by Night
Jaffa by Night


Leere Hauptverkehrsstraße in Tel Aviv am Sabbat Sabbat-Radeln
Samstag, 18. November 2017: Tel Aviv - Rechovot - Burma-Road (49 km)

Sabbatmorgen in Tel Aviv. Es ist tatsächlich sehr ruhig. Praktisch kein Autoverkehr (Foto links). Vermutlich weniger, weil die Stadt sich der Sabbatruhe verpflichtet fühlt, sondern: weil sie sich vom Rausch der Wochenendnacht erholt. Auf diese Ruhe haben wir spekuliert bei unserer Fahrt durch Cholon und Rischon LeZion nach Rechovot. Selbst die breitesten Ausfallstraßen sind bis zum späten Vormittag leer.
Im Arcaffé, einem der wenigen am Sabbat geöffneten Lokale von Rechovot, sind wir verabredet mit Efrat (Foto unten). Die ich vor fast dreißig Jahren während meines Studienaufenthaltes für meine Magisterarbeit über das "Filmwesen in Israel" kennengelernt habe. Damals lebte sie noch im Kibbutz Bror Hail, in dem sie aufgewachsen war. Anfangs noch in der damals üblichen Trennung der Kinder von ihrem Elternhaus. Über verschiedene Stationen, wie das Studium in Jerusalem und Arbeit in den USA, lebt sie jetzt in der Stadt des Weizmann-Instituts.
In Mazkeret Batya machen wir eine weitere Pause. In dem kleinen Park haben sich zwei mittelgroße Sabbat-Gesellschaften niedergelassen. Kinder versuchen einen Drachen mit und gegen den Wind steigen zu lassen. Gegen den Wind funktioniert es sogar. Obwohl auch der sehr lau ist.


Chris & Efrat in Rechovot
Mit Efrat in Rechovot

Magisterarbeit am Institut für Publizistik der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz von Christoph Gocke aus dem Jahr 1989: Filmwesen in Israel. Seine Entwicklung von den Anfängen bis zur Gegenwart
Cover meiner Magisterarbeit


Wander- und Radweg Markierung (Bike-Trail Tel Aviv - Jerusalem) auf Fels, Israel Wir wollen nun auf den Bike-Trail Tel Aviv - Jerusalem. Ursprünglich wollten wir ihn in ganzer Länge fahren: von der Mündung des Flusses Yarkon ins Mittelmeer, dann am Fuß der Berge entlang und schließlich im engen Tal hinauf nach Jerusalem. Nach den eher ernüchternden Erfahrungen, die wir bisher mit israelischen Trails gemacht haben, sparen wir uns mindestens die erste Hälfte davon. Und zielen jetzt darauf, bei Beqoa auf den Trail zu stoßen. Also runter von der Schnellstraße, rauf auf den Ackerweg. Der führt tatsächlich zum Trail. Der im Wesentlichen mit weiß-rot-weißen Zeichen markiert ist. Gelegentlich auch mal mit einem Fahrradlogo (Foto rechts). Er ist allerdings anfangs genauso mühsam zu fahren, wie der Ackerweg. Die Räder sinken in dem Lehm und Schotter tief ein. Oft muss ich schieben. Mehr ein Schiebradweg als ein Fahrradweg.
Natürlich geht es auch rauf. Deshalb geht es auch nicht schneller voran, als der Weg besser wird. Dann aber verkündet ein Wegweiser den Beginn der "Burma-Road". Sie gehört zu den Gründungsmythen Israels. Im ersten Krieg mit den arabischen Staaten wurde sie in Windeseile behelfsweise im Mai/Juni 1948 gebaut, damit die jüdischen Kräfte das belagerte Jerusalem erreichen konnten. Heute ist der Weg weitgehend frisch asphaltiert. Für uns eine Wohltat. Und es reihen sich Gedenk- und Picknick-Plätze aneinander. An einem lassen wir uns unter Bäumen nieder (Fotos unten). Wollen bleiben. Die Wasser-Kollekte bei den letzten Gästen ringsherum reicht aus. Nachdem das kurze allabendliche Kollektiv-Geheule (diesmal gelingt mir eine Ton-Aufnahme: siehe unten) der hier lebenden Tiere verstummt ist, haben wir himmlische Ruhe. Keinen Wind, keinen Regen, keine Mücken, keine Kälte. Nahezu Reinraum-Bedingungen zum Zelten. Während Israel von der Sabbat-Ruhe erwacht, schlafen wir - wie meist - sehr früh ein.


Kollektiv-Geheule: nächtlicher Arche-Noah-Sound


Schefela: Radeln zwischen Plantagen
Radeln zwischen Plantagen

Cycling the Burma-Road
Miri auf der Burma-Road

Wander- und Radweg-Markierung: Derech Burma, Bike-Trail Tel Aviv - Jerusalem
Derech Burma: Wegweiser in Hebräisch

Zelt am Picknick-Platz neben der Burma-Road
Unser Zelt am Picknick-Platz neben der Burma-Road


Schefela: Cycling the Bike-Trail Tel Aviv - Jerusalem near Eshtaol Sesshafte Nomaden
Sonntag, 19. November 2017: Burma-Road - Bet Schemesch - Bet Guvrin - Rahat - Givot Bar (82 km)

Wir fahren weiter auf dem "Tel Aviv - Jerusalem" Bike-Trail. Durch Wälder, die durch ihr junges Alter, den großen Abstand zwischen den Bäumen und den felsigen Untergrund zerbrechlich wirken. Auch heute ist es mühsam (Foto links). Obwohl es auf- wie abwärts geht, kommen wir nur auf eine Durchschnittsgeschwindigkeit von sieben Stundenkilometern. So müssten wir uns den ganzen Tag bis Jerusalem durchkämpfen. Auch die Tücken der Alternative, der Straße hinauf von Bet Schemesch, habe ich 2001 kennengelernt. So entscheiden wir uns auf der Straße direkt weiter in den Süden zu fahren - und auf einen weiteren Besuch in Jerusalem bei dieser Tour zu verzichten.
Hügelig geht es weiter nach Bet Guvrin. Wo wir nach einem Umweg über Tel Marescha die unvergesslichen riesigen Höhlen ansteuern können (Fotos unten). Leider nicht mit den Fahrrädern, die ein paar Meter zurückbleiben müssen. Nur Rollies sind erlaubt.


Bell-Cave, Bet Guvrin
Bell-Cave, Bet Guvrin

Bell-Cave, Bet Guvrin

Bell-Cave, Bet Guvrin


Ausfahrt Rahat - Netivot, Autobahn 6 Bis Tel Lachisch können wir auf Asphalt bleiben. Der riesige Ruinenhügel dominiert das Tal. Neben Jerusalem einst wohl die wichtigste judäische Stadt. Vielfach erobert. Und wieder aufgebaut. Von hier an wollen wir dem "Israel National Trail" eine neue Chance geben. Der Umweg, den die Straße über Kirjat Gat macht, ist uns zu weit.
Wir haben Glück: Hier verläuft der Trail auf einem festen Feldweg. Zunächst einige Zeit zwischen Weinplantagen. Dann entlang eines riesigen Feldes, das gepflügt ist. Hier treffen wir auch mehrere Gruppen, die auf dem Israel Trail wandern. Ein junges Paar ist schon einen Monat unterwegs und hat die Hälfte der tausend Kilometer hinter sich (Foto unten). Die beiden Israelis sind erstaunt, als sie von mir hören, dass für die nächsten Tage Regenfälle auch hier unten in der Negev-Wüste angekündigt sind.
Nach rund zehn Kilometern erreichen wir wieder die Schnellstraße. Doch während auf meiner alten Israel-Karte Pläne zu erkennen sind, die Autobahn parallel zur Schnellstraße zu bauen, ist die Realität eine andere: die beiden Straßen werden zusammengeführt. Zum Glück zunächst nicht als Autobahn. So fahren wir zwar legal, aber die Menge an Autos und LKW um uns herum und ihr Tempo sind nicht das Angenehmste.
Völlig unvermittelt wird dann die Straße wieder zur Autobahn. Ohne, dass wir die Fahrbahn verlassen könnten. Das tun wir dann an der ersten Ausfahrt (Foto rechts). Von hier gibt es eine gute Alternative zur Fahrt nach Beerscheba, der größten Stadt im Negev. Auf halber Strecke entdecke ich aber auf dem Smartphone noch ein Hotel. Versuchen wir es doch mal damit.
Der Verkehr auf der Parallelstrecke ist auch beeindruckend. Die größere Stadt in der Nähe, Rahat, erweist sich durch die riesigen Minarette als muslimisch geprägt. Wir fahren auf den großzügigen Boulevards hinein. Später lesen wir, dass die Stadt - so wie Miri ab morgen - erst 45 Jahre alt ist. Eine Gründung, mit der Israel die Beduinen im Negev sesshaft machen wollte. Rund 65.000 (jetzt wohl ehemalige?) Nomaden leben inzwischen hier. Die größte Beduinen-Stadt soll sich genau zwischen mehreren Clans aufgliedern. Für uns ist wieder der Stimmungswechsel auffallend: hier werden wir von Alt und vor allem Jung wahrgenommen, angefeuert, gefeiert.
Ein paar Kilometer hinter der Stadt erreichen wir das Hotel, indem wir die Öffnung der Eingangstore der eingezäunten Siedlung für ein Auto nutzen und einfach reinradeln. Einat und Yinon, die das kleine Hotel mit Blick in die Wüste betreiben, sind sehr nett, zuvor- und entgegenkommend. So bleiben wir.


Wanderer auf dem Israel National Trail bei Lachisch
Wanderer auf dem Israel National Trail bei Lachisch


Super frisches Frühstück bei Einot Bar in Givot Bar Zelt mit Elektroanschluss
Montag, 20. November 2017: Givot Bar - Beerscheba - Dimona - Mamshit (66 km)

Auch das Frühstück von Einat und Yinon ist fantastisch (Foto links). Samt Beduinen-Chiasamen-Zitronen-Saft. Ein passendes Geburtstags-Frühstück für Miri - nach ihrem Bad im 36-Grad-Therapie-Pool. Die Ausfahrt aus dem Dorf führt uns am Kindergarten vorbei, dann in die Irre und schließlich wieder durch das Tor, als es gerade offen steht. Auch die Piste um das Dorf herum zur Hauptstraße finden wir nicht direkt. Nehmen wir die Straße, die wir gestern gekommen sind.
So sind es ein paar Kilometer mehr auf der leider auch hier viel befahrenen Schnellstraße. Beerscheba turnt nicht wirklich zum Halten an. Aber wir müssen uns entscheiden: Direkt nach Sede Boker und Mitzpe Ramon, oder den Umweg über die alte Nabatäer-Stadt Mamschit. Wir lassen den Wind entscheiden: der weht aus Westen Wolken vom Mittelmeer heran und uns auf die Höhen von Dimona. Bei deutlich weniger Verkehr. Treu begleitet von der Eisenbahnstrecke zur Linken und von vielen, vielen Beduinen-Siedlungen mit viel Sonnenenergie-Nutzung links und rechts der Straße (Foto unten).


Beduinen-Siedlung mit Solaranlagen
Beduinen-Siedlung mit Solaranlagen


Silouhette von einem Stadtteil Dimonas Die Stadt Dimona (Foto rechts) steht für die nahe gelegenen israelischen Nuklear-Anlagen. Wir nutzen das große Einkaufszentrum direkt an der Straße für kleine Besorgungen. Und radeln die restlichen Kilometer bis zur Ausgrabungsstätte von Mamshit. Die dritte große Nabatäerstadt im Negev neben Awdat und Shivta. Rundherum ist ein kleiner Nationalpark samt Campinggelegenheit. Leider beschränkt sich der Empfang auf das Kassieren von rund 25 Euro. Wir sind zunächst die einzigen Gäste in dieser Nacht. Und hätten uns über einen Hinweis auf Duschen, Toiletten, Küche gefreut. Offen bleibt auch, was für die Nutzung der Rundzelte mit Matratzen oder die kleinen Container-Kabinen verlangt wird. In der untergehenden Sonne schlendern wir noch durch die Ausgrabungsstätte mit ihren nabatäischen Häusern, römischen Bädern und byzantinischen Kirchen (Foto unten).
Statt Zeltaufbau lassen wir dann doch an den Beduinenzelten (Foto unten) die Planen herunter. Und sind samt Rädern dann bald drinnen. Obwohl anfangs noch Unruhe durch Platzbetreuer und eintreffende Gäste entsteht, sind wir - wie meist bei unseren Zeltnächten - sehr früh in der Horizontalen. Ich muss gut haushalten mit den Ressourcen: Strom, Internet, Buch - je nachdem, was grad wie verfügbar ist. Die Zelte haben sogar einen Stromanschluss. Und unser Nachbar lässt bei offener Zeltplane damit die Elektroheizung laufen.


Reste einer byzantinischen Kirche in Mamschit
Reste einer byzantinischen Kirche in Mamschit

Rund-Zelte auf dem Campingplatz von Mamschit bei Nacht
Auf dem Campingplatz von Mamschit


Miri vor Schildern: Yeroham, Elat, Dimona, Large Makhtesh (Crater) Regensturm in der Negev-Wüste
Dienstag, 21. November 2017: Mamshit - Jerocham - Sede Boker - Midreshet Boker - Awdat (66 km)

Statt des vorhergesagten Regens strahlender Sonnenschein über Mamshit. Noch vor der morgendlichen Öffnung des Nationalparks machen wir uns aus dem Staub. Sehen den Kernreaktor von Dimona in der Nähe und dann das Wadi Mamshit, über dem in der Ferne die Spitze der Ausgrabungsstätte zu sehen ist. Kurz darauf: ein futuristisches Fluggerät (Foto unten). Möglicherweise zu militärischen Zwecken. So wie der Negev heute vor allem militärisches Sperrgebiet ist. Links und rechts der Straße wird vor Schießübungen gewarnt. Und bisher flogen an keinem Tag so viele Kampfflugzeuge über uns wie heute.
So wie wir uns gestern vom Wind nach Osten treiben ließen, müssen wir uns heute gegen den Wind zu unserer Route Richtung Süden zurück kämpfen. Anfangs hält sich der Widerstand des Windes noch in Grenzen. Wir biegen ein in den "Großen Krater" und erreichen den Erosionskrater bequem durch seinen natürlichen Ausgang, den Ausflusscanyon Nahal Hatira. Nicht die beeindruckenden Ausmaße - etwa fünf mal zehn Kilometer - machen uns zu schaffen, sondern die Steigung auf der nördlichen Seite (Fotos unten) kombiniert mit Gegenwind. Am härtesten ist es immer dann, wenn ein Laster entgegenkommt: in dem Moment, in dem wir in seinen Windschatten kommen, müssen wir uns in eine andere Richtung werfen. Wenn der Laster Sekundenbruchteile später vorübergefahren ist, schaffen wir es nie, uns schnell genug wieder an den Wind anzupassen und fahren unweigerlich auf die Fahrbahnmitte zu. Bei dem wenigen Verkehr kein Problem.
Von der Höhe des Kraterrandes geht es ein wenig bergab nach Jerocham. Ein 9.000-Einwohner-Ort, der in den fünfziger Jahren gegründet wurde. Mit vielen Palmen und Rasenflächen mitten in der Wüste. Am Ortsausgang ist ein See für Zugvögel mit einem Wald drumherum angelegt - idealer Pausenplatz.


Ufo in der Negev-Wüste
Ufo in der Negev-Wüste

Zufahrt Richtung Großer Krater, Negev
Fahrt Richtung Großer Krater, Negev

Radeln im Großen Negev-Krater
Im Großen Negev-Krater

Fahrt auf Serpentinen aus dem Großen Negev-Krater
Fahrt aus dem Großen Negev-Krater

Miri blickt Unwetter entgegen
Dunkle Wolken ziehen auf


Warten in der Bushaltestelle: Regen im Negev Langsam ziehen Wolken am Horizont auf (Foto oben). Mehr zu schaffen macht uns der damit verbundene Wind. Obwohl er nur so im 45-Grad-Winkel von vorne kommt, tut er das mit solcher Wucht, dass wir kaum vorankommen. Liebe deine Gegenwinde! Das ist nicht immer leicht. Macht aber das Fahren leichter.
Dann der erste Tropfen. Jetzt wirkt die Kombination aus Wind und Wolken bedrohlich. Im Militärstützpunkt, an dem wir gerade vorbeifahren, rennen die Soldaten in die Container. Wir nutzen ihre Busstation am Straßenrand: ziehen bei allen Ortlieb-Taschen noch mal die Verschlüsse nach. Vertrauen uns dann dem löchrigen Blech der Haltestelle an (Foto rechts). Der Regensturm bricht los. Das Getose von Wind und Wasser hat eine beängstigende Lautstärke. Durch den Wind kommt der Regen mehr von hinten als von oben. Den größten Schutz haben wir durch die ein mal ein Meter große Fahrplantafel. "Wir fliegen weg, denn wir leben hoch" - höre ich auf dem Smartphone. Minuten später ist das Heftigste überstanden. Wind und Restregen lassen uns noch ein bisschen verweilen. Der Rest des Weges nach Sede Boker ist nun leichter. Dort sind wir zurück auf der Hauptstraße 40 und ihrem Verkehr. Hinter der Abfahrt zum Kibbutz kommt bald die Abfahrt zum Grab von Staatsgründer David Ben-Gurion und seiner Frau Paula. Zuletzt gesäumt von einem Heer von Steinböcken (Foto unten). Die Aussicht hier ist atemberaubend: Wadi Zim (Foto unten) und Wadi Awdat bilden einen wüsten Edelblick oder einen edlen Wüstenblick. Dann hat uns der Regen wieder. Wir verkriechen uns in die Infostation am Eingang. Wo wir auch exzellente Informationen mit Plänen für die Umgebung finden. Ruckzuck kommt der Sonnenuntergang näher. Mit dem letzten Tageslicht schaffen wir es noch ein paar Kilometer zu einer Farm mit Weinanbau und Gästezimmern. Hanna, die Chefin, spricht vom ersten Regentag seit einem Jahr.


Blick ins Wadi Zim bei Midreshet Boker
Blick ins Wadi Zim bei Midreshet Boker

Steinbock in Midreshet Boker
Steinbock in Midreshet Boker


Mini-Pool vor unserm Gartenhäuschen auf der Carmey Avdat Farm Keine Topform
Mittwoch, 22. November 2017: Awdat - Mitzpe Ramon (29 km)

In der Morgendämmerung ergießen sich noch zwei Schauer über unser Weinberghäuschen im Weinbauernhof. Dann stapfe ich durch den Schlamm zum kleinen Shop-Zelt (während Miri im Mini-Pool (Foto links) badet). Dort ist ein bisschen Wlan-Empfang. Das Frühstück wird im Weinberghäuschen serviert. Viele tolle Kleinigkeiten. Ich kann allerdings nicht allzu viel essen. Irgendwie bin ich nicht in Topform.
Miri braust denn auch davon. Es geht im Wesentlichen bergauf. 30 Kilometer lang. Und da ist sie bei der gegenwärtigen Fahrrad- und Gepäck-Ausstattung sowieso meist vorn.
Als wir vor dem großen Grocery-Shop in Mitzpe Ramon anhalten, herrscht Ungewissheit, ob ich weiter fahren kann. Mein Besuch im Shop, in dem sich viele Beduinen-Großfamilien-Mütter tummeln, bringt Klarheit. Ich bin zu wackelig auf den Beinen. Wir müssen nach einem Quartier suchen. Bleiben.
Am späten Nachmittag kann ich mich noch zu einem Spaziergang aufraffen. Der Blick in den Ramon-Krater zum Sonnenuntergang vor Steinböcken lässt hoffen für morgen. Ich versuche noch in Touri-Info, Touri-Läden und Rezeption des Hotels Bereshit etwas über die hier beginnende Etappe des Israel-Bike-Trail von Mitzpe Ramon nach Beerot zu erfahren. Am Ende entdecke ich ihn auf ein paar Karten. Er führt am Krater entlang und im Osten dann hinunter, später an der Pipeline entlang. Wohl eher nichts für uns.


Ramon-Krater
Sprung in den Ramon-Krater

Mittelpunkt des Silent Arrow Hostel in Mitzpe Ramon
Mittelpunkt des Silent Arrow Hostel in Mitzpe Ramon

Silent Arrow Hostel, Mitzpe Ramon: You can check out anytime you like, but you can never leave
Hotel California...


Radfahrt in den Ramon-Krater, Negev Bewunderung bei der Rekordfahrt
Donnerstag, 23. November 2017: Mitzpe Ramon - Timna (130 km)

Steckdosen gibt es in unserem Zelt-Hostel Silent Arrow (Fotos oben) nicht. Das gehört zur Romantik am Rande der Stadt. So kann ich meine Geräte nicht laden. Der Solarstrom speist nur ein paar Birnen. Das Wasser fürs Frühstück mache ich auf dem Gasherd warm. Es dauert. Die Düsen sind ein bisschen defekt.
Die Entscheidung fällt endgültig: wir folgen der Straße und nicht dem Trail. In den Krater Ramon. Durch den Krater. Die Beschaffenheit des Trails ist zu ungewiss, unsere Restzeit zu knapp. So stürzen wir uns die Haarnadelkurven in den Krater (Foto links), der größer als der "Große Krater" von vorgestern ist: etwa zehn mal 40 Kilometer.
Insgesamt wollen wir heute von 800 Metern auf Meereshöhe runter. Trotzdem gibt es reichlich Steigungen. Aber wir kommen super voran. Besser als an jedem andern Tag zuvor. Doch gerade heute, hier, mitten in der Wüste, überschlagen sich die Autoinsassen mit Begeisterung für uns. Klatschen mit den Händen, Hupen, Jubeln uns zu. Die karge Felslandschaft, jetzt wirklich ohne Besiedlung, weckt Bewunderung, die wir kaum verdienen. Zumal bei den Temperaturen. Vorhergesagt sind heute 6 bis 16 Grad - in Mainz 5 bis 15 Grad. Ideale Temperaturen zum Fahrradfahren. Ein wunderbarer Wüstentag (Fotos unten).
Erst nach 90 Kilometern kommt die erste Shopping-Möglichkeit. Die haben wir dringend nötig. Der nahe gelegene Kibbutz Neot Semadar bietet Edel-Bio-Waren. Die Straße teilt sich nun: Rechtsherum führt sie über unsern Heimflug-Flughafen Owda nach Eilat, linksherum durch die Arava, die Senke vom Toten Meer bis zum Golf von Akaba, in der die Grenze zwischen Israel und Jordanien verläuft.


Chris radelt im Ramon-Krater
Im Ramon-Krater

Chris on the Bike mit Drei-Wochen-Bart
Drei-Wochen-Bart

Chris und Wolken über dem Negev
Gutes Radl-Wetter: Wolken über dem Negev


Rad und Ramon-Krater, Negev Bei Tages-Kilometer 99 ist ein Abzweig, der ideal wäre für eine Camping-Nacht. Miri ist schon zu weit voraus gefahren. So sind wir denn unten im Tal. Erst nach dem letzten Felsdurchbruch wandeln sich die winterlichen Temperaturen zum Roten-Meer-Wohlfühlbereich. Obwohl die Sonne jetzt zügig ihrem Untergang entgegensinkt.
Bei Yotvata ist ein weiterer Edel-Supermarkt, in dem wir uns gut eindecken. Acht Kilometer weiter ist linker Hand der zum Ort gehörende Campingplatz Chai Bar Yotvata. Wegen all der Leitplanken, die die Straße inzwischen zu einer Schnellstraße machen, müssen wir aber zunächst zwei Kilometer weiter fahren. Da der Campingplatz aber nicht allzu verheißungsvoll aussah, entscheiden wir uns, noch einmal sechs Kilometer auf der Schnellstraße hinzulegen. Bis zum Abzweig nach Timna. Dem alten, riesigen Talkessel, im dem Jahrtausende lang Kupferminen ausgebeutet wurden. Jetzt ein Nationalpark.
Anders als in meiner Erinnerung geht es bis zur Einfahrt gut zwei Kilometer bergauf. Bis ein trotz der Dunkelheit hell erleuchtetes Visitor's Center uns begrüßt. Für eine größere Gruppe ist ein Imbiss unter freiem Himmel vorbereitet. Der Ticket-Schalter ist noch geöffnet. Das gab es um 18 Uhr an keinem der Natur- und sonstigen Parks, die wir bisher besichtigt haben. Auf der Preistafel entdecke ich auch Campen. Doch das kann ich nicht buchen. Wegen der Veranstaltung rundherum. Ein Ticket für das mehrere Quadrat-Kilometer große Gebiet bekomme ich nicht angeboten. So radeln wir einfach hinein. Von Schranke und Videoüberwachung unbehindert.
Schon nach ein paar hundert Metern bietet eine Seitenlehmwand an der Straße guten Sichtschutz, um dahinter unser Zelt aufzubauen (Foto unten). Kaum haben wir damit in der Dunkelheit angefangen, wird der nahegelegene Spiral Hill angeleuchtet. Die Mondsichel ist ganz klein. So sehen wir trotz ein paar Schönwetterwolken einen grandiosen Sternenhimmel. Dort, wo schon die Ägypter Bodenschätze hoben. Und wir nun die absolute Rekordstrecke der Tour mit 130 Kilometern hinter uns haben.


Arava: Palmen-Plantage an der israelisch-jordanischen Grenze
Palmen-Plantage in der Arava vor den jordanischen Bergen

Sonnenaufgang über Zelt und Fahrrad in Timna, Negev
Sonnenaufgang über unserm Zelt in Timna


Unser Radel- und Wander-Morgen in Timna


Frühstück in der Wüste von Timna Bei messianischen Juden im Shelter Hostel
Freitag, 24. November 2017: Timna - Eilat (59 km)

Die Ausmaße von Timna überraschen uns, obwohl wir beide schon hier waren. Einige Stunden radeln und wandern wir durch die Felsenwüste. Allein auf den Rädern legen wir 25 Kilometer im Park zurück. Spiral Hill, Mushroom, Ancient Mines, Arches, Streitwagen-Gravuren, Säulen Salomos und schließlich der künstlich angelegte See von Timna (Fotos unten). Hier stehen Zelte zum Übernachten. Die offenbar gestern andern Zwecken dienten.
Dann strampeln wir zurück zur Einfahrt. Eine Gruppe von Rolli- und Liegeradfahrern mit Begleitwagen begegnet uns. Dann kommt die lange Abfahrt (Foto ganz unten) zurück zur Hauptstraße. Auf der sind wir wieder weitgehend eingezwängt zwischen Leitplanken. Aber es ist deutlich weniger Verkehr als gestern Abend. Das jüdisch-israelische Wochenende macht sich vielleicht bemerkbar. Vorbei am neuen Flughafen Timna, der im Winter eröffnet werden soll. Dann wird der Stadtflughafen in Eilat geschlossen, und die Zivilflüge von Eilat-Owda werden dorthin verlegt.


Cyclist approaching Spiral Hill, Timna
Fahrt Richtung Spiral Hill in Timna

Timna: Mushroom in the morning
Timna: Mushroom in the morning

Miri cycling in Timna
Cycling in Timna

Arches, Timna
In den Arches von Timna

Fahrt Richtung Ancient Mines in Tima
Fahrt Richtung Ancient Mines

Miri & Chris in Timna (Foto: Thomas Klein)
Bei den Streitwagen-Gravuren

Säulen Salomos, Timna
Die Säulen Salomos in Timna

Pisten-Radeln in Timna
Pisten-Radeln mit Panorama


Fahrrad-Lenker am Nordstrand von Eilat Schließlich gibt es sogar einen Radweg. Meist ohne Auf- oder Abfahrt. Dann fährt man noch am Stadtflughafen entlang. Das ein oder andere Arkia-Heck ragt über die Mauer. Die Bettenburgen der Luxushotels direkt an der Strandpromenade grüßen. Und auf der andern Seite ebenfalls enorm gewachsen: die jordanische Stadt Akaba (Foto rechts). In der Ferne die Berge von Saudi-Arabien und Ägypten. Wenn die politischen Verhältnisse andere wären, könnte man auch hier auf 60 Kilometern eine Vier-Länder-Tagesetappe hinlegen - so wie ich es im Oktober von Belgien durch Luxemburg und Frankreich nach Deutschland gemacht habe.
Wir sind am Ziel. Der Wechsel aus der Wüste in die Entertainment-Metropole Eilat ist ein bisschen heftig. Wir ziehen uns erst mal ins Hotel zurück. Als wir dann noch zum Sonnenuntergang im Roten Meer schwimmen, wird es erstaunlich kalt. Und windig.
Ich gehe noch zu einem Shabbat-Shalom-Gottesdienst von messianischen Juden. Wobei die jüdischen Christen dort nur eine kleine Minderheit sind. Der holländische Chef lädt in sein Shelter-Hostel jeden Freitagabend ein. Heute sind vor allem Finninnen, Kanadier, Russen (die sind überall in Israel), Spanier da. Die Predigt wird simultan übersetzt. Nachdem wir Lieder in allen entsprechenden Sprachen gesungen haben. Thomas hat uns auf den Gottesdienst aufmerksam gemacht. Der Schwabe hatte von uns heute Mittag ein Foto in Timna (s.o.) gemacht und ist zum wiederholten Mal im Shelter-Hostel.


Sonnenuntergang am Nordstrand von Eilat mit Blick auf Akaba, Jordanien
Letzte Sonnenstrahlen auf den jordanischen Bergen über Akaba

Abendstimmung an einer Strandbar in Eilat
Abendstimmung an einer Strandbar in Eilat


Versteckte 'Flugextras' für den Fahrrad-Transport auf der Ryanair-Homepage Christkönigsfest am Sabbat
Samstag, 25. November 2017: Eilat

Miri schwimmt wie eine Weltmeisterin im Roten Meer und Hotelpool. Ich schleppe mich so durch den Tag. Die ganz normale Erschöpfung, wenn das Ziel erreicht ist. Dazu verbringe ich eine Stunde damit, den Link zur Fahrrad-Gepäckbuchung auf der RyanAir-Homepage oder -App zu finden. Dank eines Chats mit dem Chatcenter der Firma weiß ich schließlich wieder: es geht nur über den Link "Flugextras" zwischen "Mietwagen, Transfers und Parken" auf der einen und "RyanAir Rooms" auf der andern Seite.
Ein bisschen Shopping bekomme ich am Nachmittag noch hin. Viele Läden, auch in den Malls, haben hier am Sabbat geöffnet. Zum Beispiel: die omnipräsente israelische Optiker-Marke "Carolina Lemke Berlin" (Video unten). Manche öffnen gegen Sabbat-Ende. Ich entdecke auf einer Leuchttafel, dass zu den Partnerstädten von Eilat neben Los Angeles, Antibes, Durban und ähnlichen Städten auch das deutsche Städtchen Kamen gehört. Strange world.



Optiker: Die israelische Marke "Carolina Lemke Berlin" in der Hayam-Mall von Eilat


Römisch-Katholische Vorabendmesse am Christkönigsfest 2017 in Eilat Zur Vorabendmesse steuern wir ein kleines Reihenhaus in der Nähe unseres Hotels an. Weil die Gottesdienst-Zeiten im Internet leider nicht aktualisiert sind, platzen wir mitten in die Predigt. Rund 60 Menschen, überwiegend Asiatinnen - vermutlich Philippininnen und Koreanerinnen - haben sich in dem niedrigen Raum im Erdgeschoss zum Christkönigsfest versammelt (Foto links). Der Priester predigt im Dialog mit den Gläubigen, weiß, wer um seine Mutter trauert, wer um seinen Onkel. Seine zentrale Frage: "Who is your King?" In den Fürbitten wird offenbar für die Familien von fast allen anwesenden Gastarbeiterinnen gebetet. Der Priester wechselt vom Englischen ins Spanische, Lieder in Englisch und asiatischen Sprachen werden von einer Gitarrenspielerin begleitet. Mich erinnert das an die Gottesdienste, die ich vor zwei Jahren am Persischen Golf in Dubai, Doha, Bahrain und Kuwait erlebt habe.
Ganz in der Nähe ist das ruhige Restaurant Pedro (Foto unten). Wo wir die Tour ausklingen lassen.


Restaurant Pedro, Eilat
Letztes Abendessen im Pedro


Schweizer Radler in Israel: Brigitta mit Partner Chaos und Kontrolle
Sonntag, 26. November 2017: Eilat - Bus - Owda - Flug - Hahn - Bus - Mainz

Abschied von Eilat. Von der Tour. Von dem irren Land. Miri geht noch mal kräftig schwimmen. Ich treffe beim Morgenspaziergang noch ein Paar aus der Schweiz: Brigitta und ihren Partner (Foto links). Mit wenig Gepäck. Teils waren wir auf den gleichen Routen unterwegs.
Der kleine Militärflughafen Owda liegt rund 60 Kilometer von Eilat entfernt. RyanAir fliegt seit Ende Oktober hierhin. Die Busgesellschaft Egged bietet Linienfahrten - passend zu jedem einzelnen Flug - vom zentralen Busbahnhof von Eilat. Unsere cleverste Entscheidung des Tages: wir nehmen den Bus eine Stunde früher. Die Fahrt geht durch die karge Wüstenlandschaft, teilweise direkt an der mehrfach gesicherten israelisch-ägyptischen Grenze zum Sinai entlang (Foto unten).


Israelisch-ägyptischer Grenzzaun zum Sinai
Israelisch-ägyptischer Grenzzaun zum Sinai

Uvda Red Sea Airport von außen
Arrival: Eilat-Owda


Warteschlange Eilat-Uvda Red Sea Airport In Owda (Uvda) spielt sich alles auf engstem Raum ab - viel weniger Raum als auf dem kleinen Flughafen Hahn. Die erste halbe Stunde verbringen wir in der ersten Warteschlange (Foto unten). Der gesamte Departure-Bereich ist in einem großen Zelt untergebracht. Dann die erste, übliche Befragung durch die Security. Die bekannten Fragen: woher wir gerade kommen, wer das Gepäck gepackt hat, ob wir die Räder immer unter Beobachtung hatten. Weil wir offenbar als leicht kritisch eingestuft werden, kommt die Chefin des ersten Befragers noch mit weiteren Fragen zum Zuge.
Im Verhältnis zu der detaillierten Befragung erscheinen die nächsten Schritte dagegen unlogisch chaotisch: das Gepäck, das wir aufgeben wollen, wird gescannt. Sofern dabei Unklarheiten auftauchen, wird das Gepäck in unserer Gegenwart durchwühlt. Danach folgt das Einchecken des Gepäcks. Wobei dabei reichlich Gelegenheit besteht, Gepäck aus dem bis dahin nicht kontrollierten Handgepäck in das kontrollierte, aufzugebende Gepäck umzupacken. Insbesondere in unserem Fall: wo wir erst nach diesen Kontrollen die Fahrräder verpacken können und danach das entsprechende Werkzeug zurück in die bereits "kontrollierten" Taschen packen. Fahrradtransport ist hier offensichtlich auch alles andere als Routine.
Guaven-Saft und Wasserflasche sind dann bei der Handgepäck-Kontrolle kein Problem. Dank biometrischer Pässe können wir die Ausreise am Automaten selbst regeln. Nach regulären RyanAir-Standards sind wir am Ende eigentlich zu spät zum Einchecken. Alles in allem brauchen wir für die rund zwanzig Meter zwischen Flughafen-Zelteingang und Abflug-Gate knapp drei Stunden. Und viele Nerven und Kraft.
Ein bisschen Schlaf bekomme ich erst auf dem Flughafen Hahn, wo wir drei Stunden auf den Bus nach Mainz warten müssen. Und dann kurz vor Mitternacht wieder daheim sind.

Fazit: Wir haben drei sehr abwechslungsreiche Wochen mit hervorragendem Wetter erlebt. Ein Land zum Radfahren ist es eigentlich nicht. Die Trails sind uns zu beschwerlich gewesen. Komfortable, sichere Radwege gibt es erst ansatzweise auf ganz kurzen Strecken. Die großen Straßen haben zwar meist breite Randstreifen, aber der Verkehr ist heftig. Die ständige Präsenz des Militärs, die Kontrollen, der Mechanismus der Besatzung und der Unterdrückung, der Landraub - all das macht einen unbeschwerten Urlaub kaum möglich. Für uns ist das Land trotzdem mit sehr vielen schönen Erinnerungen verbunden. Andererseits ist es uns so gut bekannt, dass ich wenig wirklich Neues entdecken konnte. - Miris Kommentar: "Ich fand's suuuperschön!"


Uvda Red Sea Airport: preparing bicycles for departure
Finale: die Räder bekommen die letzten Aufkleber


Route Jerusalem - Dan - Eilat



Blaue Linie = Touren-Route; Buchstaben = Start und Ziel der Etappen

Etappen Jerusalem - Dan - Eilat (5.-26.11.2017)

Details mit Geschwindigkeiten, Höhenmetern etc. als Excel-Tabelle

Tag Datum Start Zwischenstationen Ziel km
1. 7.11.2017 Jerusalem Ein Gedi 77
2. 8.11.2017 Ein Gedi Jericho Auja 75
3. 9.11.2017 Auja Bet Schean Ein Hugga 75
4. 10.11.2017 Ein Hugga Tiberias Tabgha 55
5. 11.11.2017 Tabgha
6. 12.11.2017 Tabgha Dan 62
7. 13.11.2017 Dan Banyas - Kirjat Schmona Baram 65
8. 14.11.2017 Baram Rosch Hanikra - Akko Ibillin 89
9. 15.11.2017 Ibillin Haifa Netanja 99
10. 16.11.2017 Netanja Jayyous Tel Aviv 87
11. 17.11.2017 Tel Aviv - Jaffa
12. 18.11.2017 Tel Aviv Rechovot Burma-Road 49
13. 19.11.2017 Burma-Road Bet Schemesch - Bet Guvrin - Rahat Givot Bar 82
14. 20.11.2017 Givot Bar Beerscheba - Dimona Mamshit 66
15. 21.11.2017 Mamshit Jerocham - Sede Boker - Midreshet Boker Awdat 66
16. 22.11.2017 Awdat Mitzpe Ramon 29
17. 23.11.2017 Mitzpe Ramon Timna 130
18. 24.11.2017 Timna Eilat 59
Summe 1165

Cycling from Timna down to the Arava
Von Timna in die Arava


Anschluss Tour 15: Jerba - Jerusalem (3300 km) Okt./Nov. 2001

Anschluss Tour 12: Belen - Assuan (1750 km) Jan. 2001


Nächste Tour: Maas: Neufchâteau - Rotterdam (951 km) April 2018

Vorherige Tour: Hamburg - Rügen (508 km) Okt./Nov. 2017


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Tour 82: Karibik: Barbados - Haiti (902 km) 2016
Karibik 2016
Chris Tour 91: Jerusalem - Dan - Eilat (1165 km) 2017
Negev 2017
on the Tour 96: Karibik II: Havanna - Miami (1560 km) 2018
Kuba 2018
Bike Tour 97: Kigali - Kampala - Nairobi (1136 km) 2019
Uganda 2019
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