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Seidenstraße: Iran


VG WORTCaspian Sea

Am Kaspischen Meer


Teil 2
Iran (1463 km)
Nietzsche im schiitischen Sportladen
Mit Militäreskorte und Polizeicontainer nach Mashhad

Iran-Impressionen
Viele Menschen sind sehr interessiert an westlichen Ausländern. Auch ohne Englischkenntnisse reden sie freundlich und lachend auf uns ein. Schenken uns Kleinigkeiten. Das Islamische der Islamischen Republik manifestiert sich für uns in den Hinweisen im Hotelzimmer auf die Gebetsrichtung nach Mekka, den Hunderten Sammelstöcken der zentralen Hilfsorganisation und Verkehrsschildern, die die Entfernung zur nächsten Moschee angeben. Der Ramadan bringt keinerlei Probleme mit sich. Kleidungsvorschriften haben wir beachtet, auch wenn sie von einzelnen IranerInnen ignoriert werden. Die Straßen sind meist in sehr gutem Zustand, es gibt aber auch sehr viel Verkehr. In den Städten ist die Fahrweise häufig sehr brutal, aber um uns werden immer sehr große Bögen gefahren, sofern wir nicht gerade vom fahrenden Mofa aus angesprochen werden...

Mirjam@MalzbierSchwarzmarkt und Warenfülle im Gottesstaat
Mittwoch, 5. Oktober 2005: ... (Grenze Aserbaidschan/Iran) Astara - Talesh (67 km)
Auf der iranischen Seite der Grenzabfertigung empfangen uns im Bereich "Human Quarantine" drei Aids-Plakate. Auf den Fernsehmonitoren flimmern Schröder und Merkel im Reichstag. Leichte Vorzugsbehandlung: schnell bekommen wir unsere gestempelten Pässe zurück. Nach 50 Minuten Grenze sind wir durch. Stellen die Uhren anderthalb Stunden zurück.
Mirjam trägt Kopftuch und hat zur weiten Hose ein Shirt, das bis zu den Oberschenkeln reicht. Angenehm, denn die Sonne ist verhangen. Auch ich habe meine lange Hose angezogen.
Geldwechsler fallen über uns her. Mit so viel Schwarzmarkt haben wir nicht gerechnet. Wir sehen zu, dass wir aus dem Grenzbereich kommen, werden erst dann Rial-Millionäre und fahren weiter.
Im Gottesstaat überwältigt uns die Warenfülle. Der Unterschied zu Aserbaidschan ist gewaltig. Und der weiche schiitische Asphalt verleiht uns Flügel für weitere 75 km.
Einem Englisch-Lehrer gelingt es, uns im dritten Versuch zum Stehenbleiben zu bewegen. Zeigt uns sofort Fotos von einem deutschen Radler-Ehepaar. Die seien mehrere Tage bei ihm geblieben. Er bietet und bittet uns (um) das Gleiche. Wir enttäuschen ihn.
Im Halbdunkel rausche ich in ein Asphaltloch. Fahre schleifend weiter. Im Hotel zeigt sich: Seitenschlag behebbar, Höhenschlag nicht. Das neu gebaute Hotel im vier-Märtyrer-Ort Tajesh ist mit seiner Neonbeleuchtung etwas unromantisch, trotzdem vielfach angenehmer als seine aserbaidschanischen Counterparts. Da wir uns als Ehepaar präsentieren, bekommen wir ein Doppelzimmer. In dem Straßendorf geht's auch mit Kopftuch zum Abendessen, wo uns der persische Alkohol-Ersatz Malzbier positiv überrascht (Foto rechts).

AstanehRamadan alias Ramasan: Ignoranz
Donnerstag, 6. Oktober 2005: Talesh - Bandare Anzali - Astaneh (142 km)
Geschäfte geöffnet trotz Ramadan - alias "Ramasan", wie die Perser den Fastenmonat nennen. Wir bekommen trotzdem bei Tageslicht ein Frühstück. Auch eine Iranerin isst einen Apfel im Hotel. Sie klagt auf Englisch über den Kopftuch-Zwang. Ihr Mann, Geographie-Professor, spricht bei den Regierenden nur von "Fanatikern". Sie laden uns nach Teheran ein.
Das Straßendorf weitet sich übergangslos zur Stadt. Danach gibt die viel befahrene Küstenstraße recht selten den Blick aufs Meer frei. Als wir mal nah dran sind, machen wir Pause am Ufer auf dem schwarzen Sand (Foto oben).
Weiterhin Rückenwind. Von Beginn an Rückenwind. Und jetzt dreht der Wind mit, als die Straße dem Strand folgend nach Osten abknickt. Wunderbarer Wind. Ein bisschen Regen im regenreichsten Gebiet Irans. Überall abgeerntete Reisfelder.
Viele reagieren begeistert auf uns. Einer allerdings gibt vom Motorrad aus, die in den Ortschaften stetig und meist doppelt besetzt an uns vorbeirollen, Mirjam einen Klaps.
Wir ignorieren den Ramadan zunehmend offener. Den Rest des Tages können wir über eine Nebenstrecke bis Astaneh fahren. Markt und Moscheen sind auch am Abend im Scheinwerferlicht ein Erlebnis (Foto links).


Lahijan


LahijanLahijanTodesstrafe für Schwule und amerikanische Vergnügungen
Freitag, 7. Oktober 2005: Astaneh - Lahijan - Ramsar - Tonekabon (103 km)
Trotz Zusage kein Frühstück im Hotel. Miri hat vorgesorgt: Gurken, Tomaten, Weintrauben, Käse im Hotelzimmer.
Regnerisch. Aber über 20 Grad.
Mausoleum in Lahijan. Ein Mann zeigt mir die ID-Card seines Sohnes. Der liegt unter einer neuen Grabplatte im Hof des Mausoleums. Sein Portrait ist in den schwarzen Marmor gemeißelt. Mit den Händen deutet der trauernde Vater an: Sein Sohn sei erhängt worden. Während der Mann die glänzende Platte noch einmal mit Wasser übergießt und weiterscheuert (Foto rechts) spricht er von Mashhad. Jener Ort, in dem in diesem Frühjahr zwei minderjährige Jungen wegen Homosexualität erhängt worden sind. Ist einer sein Sohn?
Am andern Ende von Lahijan kommen wir in Sichtweite der Seilbahn, mit der man sich in die Berge katapultieren kann, an einer Teefabrik vorbei. Eine überdimensionale Teekanne in der Stadt weist Touristen auf die Bedeutung von Teeproduktion für Lahijan hin. Wegen des Regens halten wir. Sofort kriegen wir den Produktionsablauf von der Einlieferung zum fertigen Tee gezeigt: Trocknen mit Gebläse, Fermentierung und mehrfaches Aussieben. Heute am Freitag ist nicht nur wenig Verkehr, sondern wir fahren auch über breite vierspurige Straße. Am Nachmittag wird's trockener.

RamsarRamsar ist die Metropole des iranischen Tourismus am Kaspischen Meer. Der Schah ließ sich auf der Anhöhe einen Palast bauen, heute als Hotel genutzt, von dem sich ein zwei Kilometer langer palmengesäumter Weg zum Strand zieht (Foto rechts), wo heute eine Vergnügungspark Vergnügen amerikanischer Art offeriert.
Vor dem Palast bittet mich ein junges Paar sie mit ihrem Kind zu knipsen. Canon Spiegelreflex mit 300er Objektiv. Der Mann ist Fotograf. Die Familie lebt in Teheran. Zum Abschluss gibt mir seine Frau demonstrativ die Hand, nachdem sie schon während des Gesprächs "versehentlich" das Kopftuch abnahm, um es wieder an seinen vermeintlich rechten Platz zu rücken.

Das unheimliche Duo und der gefährliche Flug über den Lenker
Samstag, 8. Oktober 2005: Tonekabon - Chalus - Nowshahr - Mahmud Abad (139 km)
Weststurm. Rückensturm. Zu gut für einen Ruhetag. Wir fliegen zwischen Meer und Bergen auf dem schmalen Küstenstreifen mit breiter Straße und wenig Verkehr dahin. Nur in den Städten immer Staus vor den zweispurigen Brücken. Wir schlängeln uns durch. Es ist regnerisch, aber wir werden nicht ganz so nass wie gestern.
Am Nachmittag macht Mirjam mich aufmerksam auf zwei Jungs auf einem Moped, das sich auffällig in unserer Nähe hält. Wir werden zwar ständig in den Ortschaften von Motorradfahrern begleitet, aber die beobachten uns nur und meiden den direkten Kontakt. Wir legen eine Extra-Pause ein, ölen die Ketten in einer Motorradwerkstatt. Aber fünf Kilometer weiter im nächsten Ort wartet das unheimliche Duo auf uns. Wie besprochen mache ich zur Abschreckung meine Kamera flott. Schon das ist während der Fahrt ein Risiko.
Als wir den Ort an einem neuen Hotel-Appartment-Hochhaus vorbei fast schon wieder verlassen haben, hinter uns Motorradgeräusch. Miri dreht sich um. Einen Moment zu lang. Ich sehe, wie sie versucht den Lenker wieder in den Griff zu kriegen. Zu spät. Das Rad wankt noch einmal von einer zur andern Seite, da fliegt Miri schon im hohen Bogen über den Lenker, Schloss, Rucksack und Lenkertasche fliegen in verschiedene Richtungen davon. Im Ausrollen rufe ich ihr zu: Ganz langsam aufstehen! Lege mein Fahrrad an den Fahrbahnrand. Es zu stellen ist bei diesem Wind undenkbar. Nehme Miri in den Arm. Auch wenn das allemal hierzulande ein Fauxpas ist.
Zwei Motorradfahrer, ein Autofahrer halten, fragen, ob sie helfen können. Miri setzt sich erst mal auf den Rucksack am Straßenrand, trinkt ein bisschen, isst eine Banane, steht ein wenig unter Schock. Ich sammle die herumliegenden Einzelteile ein, inspiziere das Rad. Die Klingel ist in mehrere Teile zerbrochen, ansonsten nur kleine Schutzblechschäden. Zum Glück sind die Click-Pedale beim Abflug aufgegangen.
Wir schleppen uns zurück zu dem Edel-Hotel-Komplex. Aber die Preisverhandlungen sind mühsam, Miri will weiter und so lassen wir uns vom Wind noch 25 km weitertreiben zu einem Strandbad-Motel, wo wir einen Bungalow mit Wohnzimmer und Küche ergattern. Eine Gruppe Italiener war kürzlich hier auf dem Weg nach China, 14 Deutsche ebenfalls.
Miri kann kaum noch absteigen vom Rad. Sie ist auf den Rücken gefallen, die Lendenwirbel schmerzen, der Helm ist hinten in der Mitte gespalten. Glück gehabt. Oder Schutzengel, wie Miri sagt.

Ruhetag: Nietzsche, ADSL und der Stromausfall
Sonntag, 9. Oktober 2005: Mahmud Abad
Miri ist vergleichsweise leicht zu einem Ruhetag zu überreden. Obwohl der Wind verlockend weiter aus Westen weht. Am Nachmittag gehen wir ins Ortszentrum von Mahmud Abad.
Ein Verkäufer im Sportladen fragt, was wir von Nietzsche halten. Er hält Nietzsche für den Schlüssel zum Erfolg der westlichen Industrienationen. Leider lässt der geringe gemeinsame Sprachschatz keine tiefere Diskussion mit dem BWL-Studenten zu.
Wir finden ein Internet-Café, "Cafenet" wie sie im Iran heißen. Wieder lahme Leitung. Die Zensur erlaubt nur Internetverbindung via Telefonleitung. Demnächst soll in diesem Café immerhin ADSL kommen.
Kurz nachdem ich ein bisschen (Korrekturvorschlag von Miri: "lautstark") auf Deutsch über die slow motion rumgemosert habe, erscheint Omrid. Er hat einen Magister in Deutscher Sprache erworben und spricht Deutsch nahezu akzentfrei, ohne jemals in einem deutschsprachigen Land gewesen zu sein.
Als ich gerade einen Text für die Homepage fertig geschrieben habe, um ihn hochzuladen, fällt der Strom aus. Als wir nach zehn Minuten gehen wollen, ist der Strom plötzlich wieder da. Ich kann von vorn anfangen.
Das Fasten ist jetzt beendet durch den ersehnten Ruf des Muezzin. Alle sind nach Hause gegangen. Ein bisschen wie Heiligabend. Nur einer harrt unsretwegen im Café aus, bietet uns sehr leckere Datteln an.

Bei BabolsarMotorradbraut in Skandal-Jacke
Montag, 10. Oktober 2005: Mahmud Abad - Khazarabad - Neka - Beshahr (140 km)
Der Westwind hat nachgelassen. Bläst uns aber immer noch kräftig voran. Hinter Babolsar weisen die Karten, vor allem die gestern erworbene iranische, eine Straße direkt am Meer aus. Wir finden sie nicht, fragen einmal zu wenig und landen prompt auf einer Holperpiste. Als dann noch ein Motorradfahrer auf und ab fährt wird Miri unruhig. Dies ignorierend mache ich ein Foto von der Bambus gesäumten Piste (Foto links).
Irgendwie kommen wir zurück zum Meer. Machen eine Pause am weiten, breiten Sandstrand. Danach stimmen Karte und Wirklichkeit wieder nicht überein. Wir gurken kreuz und quer, kommen nicht voran. Aus der locker leichten Etappe wird ein tagesfüllendes Programm. Mein Fahrradcomputer setzt aus. So haben wir noch weniger Anhaltspunkte, wo wir uns befinden.
Eine Motorradbraut in Jeanshosen und einer Jacke, die gerade bis zur Gürtellinie reicht (das bedeutet hier - so viel ist uns klar: "Skandal") schenkt Miri spontan ein Stofftaschentuch. Ein Junge fotografiert uns mit seinem Handy aus dem fahrenden Wagen. Lässt den Fahrer dann anhalten, um ein Bild von uns mit ihm machen zu lassen.
Wir kommen wieder auf die breite Hauptstraße, hier mit komfortablem Seitenstreifen und brausen die letzte Stunde in der Dunkelheit nach Beshahr.

Straßenrand: Bäume, Felder, BergeSchock nach dem Fisch-Abendessen
Dienstag, 11. Oktober 2005: Beshahr - Gorgan - Nahar Khoran (93 km)
Vor dem Frühstück wandern wir durch den Stadtpark von Beshahr auf der vergeblichen Suche nach Palastresten. Frühstück gibt's überraschender Weise trotz Ramadan im Hotel. Auch die iranischen Gäste sind mit dabei. Von den beiden schweizer Ingenieuren ist einer froh heute zurückzufliegen. Der andere muss noch vier Wochen bleiben.
Es ist recht warm. Wolken bewahren uns vor Hitze. Geschenk des Tages sind zwei Granatäpfel, wieder von Motorradfahrern. Logistisch bedingt ist die heutige Etappe recht kurz. Zuletzt erwartet uns ein Zehn-Kilometer-Anstieg ins Nahar Khoran, in die Berge, die uns den ganzen Tag auf der rechten Seite begleitet haben.
Schock nach dem guten Fisch-Abendessen: der Mann an der Rezeption erklärt uns, unsere Route nach Mashhad sei nach einem Unwetter wegen eines Brückeneinsturzes unpassierbar.

Mausoleum Emamzadeh-ye Nur, GorganFasten verboten im Ramadan
Mittwoch, 12. Oktober 2005: Nahar Khoran - Gorgan - Gonbade Kavus - Minu Dasht (125 km)
Abfahrt nach Gorgan. Mausoleum Emamzadeh-ye Nur (Foto links), Moschee Jameh und eine Medresse. Unser letztlich vergebliches Fragen nach den Spuren des antiken "Alexanderwalls" verhelfen uns immerhin zu einem Kontakt mit dem jungen Kulturdezernenten, der für die Restaurierung der Ziegelbauten in der Altstadt verantwortlich ist. Er deckt mich mit Info-Material ein, will mich sogar mit einem englischen Team mitschicken zu einem andern Wall.
Wir haben keine Zeit und erstmals Gegenwind. Fahren weiter am Fuß des südlich liegenden Gebirgszugs. Alle paar Kilometer zählen Wegweiser auch auf Englisch die Attraktionen der einzelnen Seitentäler auf. Mit dem Blick in eines davon genießen wir unsere Mittagspause in der Sonne.
Ein Abstecher nach Gonbad führt uns zum Prototypen der iranischen Grabtürme aus dem elften Jahrhundert. Ein eleganter riesiger Bau, innen leer (Foto rechts). Englisch sprechende Studenten nehmen Kontakt mit uns auf. Turkmenen präsentieren uns ihre folkloristische Kleidung. Wir müssen weiter nach Minu Dasht, der letzten Hotel-Station vor 220 km Bergland. Eben jener Passstraße, die aufgrund der Überschwemmungen unpassierbar sein soll.
Im Hotel kann uns niemand konkretere Informationen zu diesem Nadelöhr unserer Reise geben. Wir versuchen es in einem Restaurant, dessen agiler Manager uns schon den Weg zum Hotel verraten hat. Er macht ein paar Anrufe, meint die Straße sei mit dem Rad trotz Brückeneinstürzen zu passieren, wir müssten dafür morgen früh nur eine Genehmigung der Militär-Straßen-Polizei im Ort einholen.

Turmgrab in Gonbad, 11. Jh.Zurück im Hotel stoßen wir auf die Riesen einer Top-Volleyball-Mannschaft aus Teheran vor ihrem morgigen Ligaspiel in Gonbad. An Trainingstagen dürfen die Spieler im Ramadan fasten, morgen am Spieltag nicht, erklärt mir der iranische Trainer. Er hat jahrelang für Ottobrunn in der Bundesliga geblockt und erfüllt jetzt einen Zwei-Jahres-Vertrag im Iran. Während seine deutsche Frau und Tochter in Baden-Baden leben, wo die Frau für die Badische Zeitung schreibt. Er erzählt von seinem Leben als bekannter Volleyball-Spieler vor und während der Revolution, den Ausweg nach Deutschland, Spieler-Jahre in Benelux, Trainer-Dasein. Wirkt nicht wirklich glücklich.

Tag und Nacht gegen und mit Polizei-Eskorte
Donnerstag, 13. Oktober 2005: Minu Dasht - Kalaleh - Shahr Azad - Garmab (147 km)
Pünktlich zum Morgen-Appell treffen wir vor der Militär-Straßen-Polizei ein. 90 Minuten stehen wir hier. Ein Geduldsspiel. Um die Genehmigung zum Passieren der teils zerstörten aber mit Rädern gut zu meisternden Straße nach Bojnurd zu bekommen. Das sei zu gefährlich, wilde Tiere und ein neues Unwetter drohten.
Ein junger, akademisch gekleideter Mann will die gleiche Genehmigung für sich und seine Frau. Er hat keine Schwierigkeiten, weil er als Geomorphologe vor Ort Studien über die Flutschäden machen will. Während das Ehepaar wartet, kommen wir mit ihnen ins Gespräch. Sofort beginnt der Mann sich für uns einzusetzen. Ergebnis: Er soll uns eskortieren bis zum Abzweig der Alternativroute, die 80 km länger und wesentlich gebirgiger sein soll. Uns droht dadurch ein zusätzlicher Fahrtag. Das würde unseren Turkmenistan-Zeitplan gefährden. Die Argumente sind lächerlich. Der Soldat weiß es und zieht sich immer wieder zurück auf die Worte: "I am only a soldier."

Militärbegleitung in GolestanDann geht's los. Der Geograph bekommt noch einen militärischen Aufpasser ins Auto gesetzt und tuckert mit Tempo 15, 20, 25 vor uns her. 15 km bis zur Abzweigung, an der angeblich die Entscheidung fallen soll, die die Soldaten längst getroffen haben: Wir müssen den Umweg fahren und werden zudem vom Militär begleitet.
Zunächst in einem mit fünf Soldaten besetzten Auto, dann von einem Motorradfahrer. Widerstand zwecklos. Ich verzweifle. Das lange zermürbende Warten völlig vergebens; schlimmer: wir haben wertvolle Stunden auf der schweren Strecke verloren.
An den Ortsgrenzen wechseln die Soldaten. Jetzt sind zwei Soldaten mit einem Pick Up vor, hinter oder neben uns (Foto links mit einem der beiden Soldaten). Nach anfänglichem gegenseitigem Abtasten versuchen sie unseren Ärger und Frust über die unfreiwillige Eskorte mit dem Kauf eines frisch gebackenen Brotes zu erweichen.
Auch das Tal, in dem wir jetzt emporstrampeln, entschädigt uns. Zunächst ein 100, 200 m breites karges Lehmtal, in das sich mit dem Unwetter Ende Juli / Anfang August der Bach ein tiefes neues Bett gegraben hat. Und dabei Häuser, Bäume und Strommasten mitriss. Wir hören, die offizielle Zahl der Toten liege bei 250, die wahre bei 6.000. Der Rote Halbmond hat Zelte aufgestellt, von Neubauten ist jetzt zu Beginn des Winters nichts zu sehen.
Wieder wechselt das Begleit-Team. Das neue Duo ist sehr viel mürrischer, will uns samt Räder am liebsten gleich auf den Pick-Up laden, was wir dankend ablehnen. Sie fahren nicht in unserem unmittelbaren Windschatten sondern warten meist alle paar hundert Meter auf uns.
Eskortiert zu werden, hatte ich mir schlimmer vorgestellt. Wir fahren dadurch zügiger, konquenter, schneller. Jetzt geht's richtig aufwärts zur Passhöhe. Mit jeder Haarnadelkurve steigt die Achtung unserer Begleiter, die beginnen uns gelegentlich anzufeuern. Auch mit dem Versprechen, die nächste Anhöhe sei die letzte, was sich immer wieder als Lüge erweist, versuchen sie uns Mut zu machen.
Miri meistert die Höhe brilliant. Wir sind sicher über 1.000 m. Dann sind wir tatsächlich ganz oben und rauschen auf ein Hochplateau hinab. Max. speed 64 km/h. Der Militärjeep setzt sich vor uns, um unsere Fahrt zu bremsen. Bis auf 14 Grad ist das Thermometer gefallen, dann wird es unter einer Wolkendecke wärmer. Aber auch dunkler, dunkel.
Wir haben keine Ahnung, wo wir sind, was kommt, wo wir übernachten können. Geben uns ganz der Fürsorge der Militärs hin. Ein kleiner Ort mit lauter Lehmhäusern taucht auf. Die Soldaten halten erst, als wir am Ortsende auf einen Zwei-Container-Stützpunkt ihrer Kollegen stoßen.
Sie fragen uns, wo wir denn unser Zelt aufstellen wollten. Äh, wir haben weder Zelt, noch Isomatte, noch Schlafsack. Spekulieren eigentlich auf einen Homestay oder eine Moschee. Die Sonne ist weg, vor den Häusern brennt eine Glühbirne. Die Soldaten meinen: Weiterfahren. Den einzigen Ort, den wir laut Karte erwarten, haben wir offenbar weiträumig umfahren.
Wir jagen trotz Dynamo-Einsatz zügig mit Rückenwind über die Hochebene, stetig umgeben vom Militärjeep. Bis sich die beiden Soldaten völlig überraschend verabschieden und mit Fingern andeuten, in 15 km komme schon irgendetwas.
Wir stehen im Dunkel. Da dieser Weg auch der offzielle Umweg für Fahrzeuge aller Art zur "unpassierbaren" Straße durch Golestan ist, herrscht reger Verkehr. Als nach einer Stunde Nachtradeln immer noch kein Dorf aufgetaucht ist, pausieren wir. Ganz in der Nähe eines einsamen Wohnhauses mit verbarrikadierten Fensterläden und einer einsam leuchtenden Glühbirne vor der Haustür. Zu wenig einladend, um um ein Nachtquartier zu bitten. Außerdem ist es weiterhin angenehm warm.
Das Mondlicht dringt durch die Wolkendecke. Um im Notfall jederzeit die Räder aufgeben zu können, stecken wir Pass und Taschenlampe in unsere Radkleidung. Ganz geheuer ist uns die Umgebung nicht. Überall war zu lesen, dass hier im Grenzgebiet zu Turkmenistan und nicht allzu weit von Afghanistan eine Lebensader des Opium-Handels nach Europa verläuft, wo Kuriere nachts die heiße Ware nach Westen schaffen.
Wir fahren weiter. Schon nach kurzer Zeit überholt uns ein weißes Auto mit Warnblinklicht. Es hält. Ein paar hundert Meter vor uns. Wir halten an. Versuchen unsere Standlicht-Beleuchtung zu verdunkeln. Zwei Männer steigen aus dem Wagen. In der klaren Bergluft können wir ein paar Worte hören. Da vorbeifahren wollen wir nicht. Also zurück. Zurück zu unserem Pausenplatz. Vielleicht doch dort klopfen.
Dynamo aus. Los. Wir sind ein paar Meter gefahren und schon startet der immer noch blinkende Wagen. Wendet. Kommt hinter uns die Straße hoch. Wir wenden. Wollen bergab vorbeifahren. Versuchen ein anderes Fahrzeug anzuhalten. Vergeblich. Jetzt ist das Auto mit den Männern auf unserer Höhe. Miri startet durch. Ich hinterher. Höre im Vorbeifahrn noch die Worte: "Warten Sie. Hier ist die Polizei." Auf Deutsch.
Wir bleiben stehen, das Auto hat gewendet. Ich sperre mit meinem Fahrrad die Gegenfahrbahn und zwinge so einen kleinen Pick-Up zum Anhalten. Aus dem unverändert blinkenden Wagen sind vier Männer ausgestiegen. Einer davon mit Uniform und Maschinengewehr.
Der älteste Herr kommt auf uns zu: "Sind Sie die deutschen Radler?" Er hat viele Jahre in Hamburg gearbeitet und wurde wohl angerufen, um sich um uns zu kümmern. Erleichterung. Der blinkende Wagen eskortiert uns ein paar Kilometer bis zum Ortseingang von Garmab, wo Kollegen der uns inzwischen wohl bekannten Militär-Straßen-Polizei einen Checkpoint mitten in der Bergwelt von Golestan bemannen. Wir werden hineingebeten in die Dienststube links vom Eingang - rechts davon erspähen wir sehnsuchtsvoll ein frisch bezogenes zweistöckiges Etagenbett.
Eine absurde Zeremonie beginnt. Obwohl bereits die Soldaten in Minu Dasht unsere Ausweis kopiert haben, trägt jetzt der Ex-Hamburger, der sich wie seine Mitfahrer als Kurde bezeichnet, aus unseren Reisepässen Daten vor, die ein junger Soldat in ein dickes Buch einträgt. Diese Informationen übermittelt dieser Soldat offensichtlich in einem Nachbarraum telefonisch weiter. Als Anfänger fehlen ihm jedoch Mal um Mal entscheidende Daten: Passnummer, Geburtsdatum, Gültigkeitsdatum... So dass die Zeremonie immer wieder von vorn beginnt.
Dann wird endlich die Frage nach unserer Übernachtung gestellt. Uns wird ein Quartier in der Militärstation angeboten oder eine Eskorte ins 60 km entfernte Ashkhane über eine - wie uns mehrfach versichert wird - einfache, flache Strecke, um im dortigen Hotel, geführt von einem guten Freund des Ex-Hamburgers, zu nächtigen.
Wir wollen uns erst mal das Militärquartier anschaun. Leider werden wir nicht zu dem Jugendherbergs-Etagenbett geführt, sondern zu einem Container auf der andern Straßenseite, vor dem Soldaten die Wagen in beide Richtungen kontrollieren. Kurz bevor wir diesen Container in Fußball-Mannschafts-Stärke mit Kurden- und Militärtross erreichen, tauchen neue Probleme auf. Urplötzlich sollen wir, statt im Container zu schlafen, nach einem Quartier im Dorf Ausschau halten. Daraufhin entscheiden wir uns zum Weiterfahrn. Wir starten - allerdings ohne die versprochene Eskorte.

miri-in-the-containerDie Straße hat es in sich. Alles andere als leicht und flach. Lang gezogene Anstiege, mit Dynamo noch etwas härter. Dann überholt uns der Kurden-Hamburger mit seinem Team ohne anzuhalten. Wenig später taucht ein Militärjeep auf, setzt sich hinter uns. Wir können dadurch das Lichtausschalten.
Unermüdlich kämpfen wir uns einen Hügel nach dem nächsten hinauf. Ich biete Miri an, dass wir jederzeit auf den Wagen wechseln könnten. Schließlich beginnt es zu regnen. Ich winke die Soldaten zur Seite. Absteigen, aufladen. Zu viert quetschen wir uns ins Führerhaus. Sitzen bedröppelt vor den Tropfen auf der Scheibe.
Auf meine Bitte fährt der Fahrer den Rädern auf der Ladefläche zu Liebe sogar langsamer. Eher scherzhaft frage ich Miri, ob wir uns zum Checkpoint zurückbringen lassen sollen. Plötzlich fragen die Soldaten von sich aus, wohin sie uns eigentlich bringen sollen. Ashkhane sei ihnen übrigens zu weit. Bleibt also nur die Fahrt zurück nach Garmab zum Polizei-Container, den wir ja bisher nur von außen kennen.
Als wir wieder dort sind, offenbart sich das Problem: Der Schlüssel für das Vorhängeschloss ist verschwunden. Nehmen die Soldaten halt die Brechstange. Dadurch können wir die Tür in der Nacht nur noch mit Klebeband symbolisch schließen. Die untere Hälfte der Tür ist sowieso kaum noch befestigt. Im Container liegen tatsächlich ein paar Decken, die halbwegs sauber aussehn (Foto rechts).
Zwei Soldaten versuchen jetzt die Stromleitung zum Container wieder herzustellen. Ich gehe mit allen verfügbaren Flaschen zum Wasserhahn vor der Station. Als ich zurückkomme, liegt plötzlich die gesamte Station im Dunkeln. Die Jungs am Container haben einen Kurzschluss produziert. Irgendwann ist auch der behoben. Und wir haben Licht im Container. Wo wir die kleinen und großen Brummis hören, die sich stetig durch die Bergwelt quälen und vor unsern Augen eine recht oberflächliche Kontrolle durch zwei Soldaten erleben. Ohne Drogenspürhunde oder sonstiges Spezialequipment.


chris-on-the-bike in Golestan

Am Morgen danach


miri-on-the-bike in GolestanZerbrochene Sonnenbrille: in die Enge getrieben
Freitag, 14. Oktober 2005: Garmab - Ashkhaneh - Bojnurd (109 km)
Das wäre noch eine lange Nacht geworden. Wir fahren die ersten 15 km die gleiche Strecke wie gestern abend, als wir die grandiose Schönheit nur erahnen konnten. Ein Hochplateau mit Aufs und Abs gesäumt auf beiden Seiten von rotbräunlichen Bergketten, häufig mit vorgelagerten sanften Hügeln, hier und da ein Beduinenlager.
Eine Frau, die in einem Steinloch Brot bäckt, schenkt uns einen Laib. Den wir zügig und mit Begeisterung verschlingen, da unsere Lebensmittelvorräte gegen Null tendieren. Als wir gegen Mittag Ashkhane erreichen, plündern wir einen Lebensmittelladen, müssen uns Ramadan-mäßig aber mit dem Konsum gedulden, zumal sich gerade nach Ende des Freitags-Gottesdienstes die Schar der Frommen in die Straße ergießt.
Als wir zum lang ersehnten Picnic aus der Stadt radeln folgt uns - diesmal ohne Begrüßung - mal wieder ein Polizeiwagen. Schon im Ort wollten Militärpolizisten uns dirigieren. Als wir uns an einem schattigen Plätzchen niederlassen, dreht der Polizeiwagen ab und ward nicht mehr gesehen.
Unerwartet taucht vor dem Zielort Bojnurd eine weitere nicht enden wollende Passstraße auf. Wir radeln wieder auf der Autostraße 22, der wir schon einige Tage gefolgt sind und kommen nicht recht vom Fleck. Hier ein Foto, da ein gefundenes Geldstück, der Geomorphologe und seine Frau tauchen plötzlich auf. Ein begeistertes Wiedersehen. Ihre Forschungsarbeit ist gelungen, sie beschenken uns mit Nüssen, getrockneten Feigen und einer Einladung in Mashhad.
Kurz darauf schenkt mir ein LKW-Fahrer ein paar Trauben. Da will ein Traubenhändler nicht nachstehen, folgt uns auf dem Moped samt Frau und übergibt mir in halsbrecherischer Manier weitere Trauben.
Dann hält ein Pick-Up. Der Fahrer bietet uns samt Rädern einen Lift am immer steiler werdenden Berg an. Beim zweiten Versuch fühle ich mich zum Halten gezwungen. Komme zwischen Pick-Up auf dem Standstreifen und der wenige Zentimeter höheren Fahrbahndecke zum Stehen um dankend abzulehnen. In der Enge zerbreche ich meine verspiegelte Sonnenbrille, die ich für Gespräche immer abnehme. Ich kann sie zwar am nächsten Morgen für den Rest der Tour notdürftig zusammenkleben, aber erst mal bin ich sauer auf mich und alle und nehm jetzt konsequent den Berg in Angriff. Auch Miri kommt locker auf die Passhöhe. In die anbrechende Dunkelheit radeln wir in das recht große Bojnurd. Wo uns das Zentrum entgeht, sollte es eins geben, nicht aber das spröde Guest House.


Schaf-Herde

Schafherde im Anstieg


Wie eine Karawanserei
Samstag, 15. Oktober 2005: Bojnurd - Shirvan - Quchan (125 km)
Mit großem Schwung und Rückenwind geht's ein bisschen bergan, dann durch einen Tunnel und plötzlich kommt der Wind von vorn. Es wird ein langsamer Tag. Parallel zur Strecke entsteht eine neue Trasse, die teils schon asphaltiert aber noch nicht freigegeben ist. Ein idealer Fahrradweg, auf dem wir auch mal nebeneinander fahren können.
In Shirvan spekuliere ich auf ein Restaurant, in dem wir trotz Ramadan mal ein richtiges Mittagessen bekommen. Und siehe: hinter einem Vorhang ist beachtlicher Betrieb.
In Quchan frage ich an der Tankstelle nach Hotels und werde gleich mit Brot- und Tee-Angeboten überhäuft. Ein Junge unterbricht das Fastenbrechen und radelt mit uns zu einem Hotel, unser erstes ganz einfaches. Wie eine Karawanserei um einen Innenhof gebaut, mit schlichtem halbwegs sauberem Zimmer. Nur die Toilette im Hof ist etwas stinkig und richtig waschen kann man, vor allem frau, sich nirgendwo so richtig.
Machen wir also den Stadtrundgang in Radklamotten. Es ist kalt geworden. Wir wärmen uns mit einer 50-Cent-Suppe. Zurück im Hotel werden die Zimmer gerade mit Gasöfen für den Winter gerüstet. Im Nu wird unser Zimmer warm und bleibt es die Nacht über.

Fahrrad-Reparateur Ebrahim VatankhahAchsenbruch vor dem Grab von Imam Reza
Sonntag, 16. Oktober 2005: Quchan - Radkan (Achsenbruch; ca. 90 km Transport nach) - Mashhad - 81 km)
Früh kommen wir los und entscheiden uns auf halber Strecke für einen Umweg zu den Grabtürmen von Radkan und Tus.
Radkan liegt mit seinem Turm kilometerlang zum Greifen nahe vor uns. Wir kommen nur schleppend voran. Dann stockt mein Fahrrad ein paar Mal und wenige Meter später blockiert es völlig. Nach wenigen Sekunden die Diagnose: Achsenbruch hinten. Das Rad lässt sich nicht mal mehr schieben.
Good-Bye Grabtürme! Welcome Pick-Up! Der bringt uns zurück zur Hauptstrecke nach Cenaran. Ohne einen Anflug von Geschäftstüchtigkeit versuchen uns einige Männer dort zu helfen. Meinen, wir könnten die Achse auch in diesem kleinen Ort reparieren lassen, die Busse hätten keinen Laderaum dafür. Ein Junge, den ich anspreche, nimmt uns mit seinem Pick-Up mit nach Mashhad, wohin er sowieso mit seinem Freund zurück muss. Strikt lehnen sie jede Kostenbeteiligung ab. Suchen für uns erfolgreich einen Fahrradladen am Stadtrand von Mashhad.

Christoph Gocke und Mirjam Müller am Haram, dem Tempelbezirk von MashhadDas ist das Reich von Ebrahim Vatankhah Foshani (Foto rechts). 20 Jahre mag er alt sein. Er verkauft keine Räder, dafür ist sein Laden zu klein. Er repariert nur und dazu hat er ein paar Fahrradreste im und vor dem Laden stehen.
Er schätzt den Schaden ab, ein bis zwei Stunden werde die Reparatur dauern. In knapp einer Stunde ist er fertig und lehnt jede Bezahlung ab, schließlich seien wir ja Gäste.
Wir haben längst Nachbarn und Freunde kennengelernt, von denen uns zwei zurück zur Einfallstraße eskortieren. So erleben wir doch noch zehn Kilometer Reinradeln nach Mashhad, direkt auf das Heiligtum der schiitischen Heiligtümer zu, den Haram, den heiligen Bezirk um das Grab des Imam Reza unter seiner großen goldenen Kuppel.
Eine grandiose Skyline von Minaretten, Kuppeln, Mauern und Türmchen eröffnet sich uns. Eine ganz schüchterner Student bittet darum, ein Foto von uns schießen zu dürfen und macht dann auch eins für uns (Foto links). Beim Abendspaziergang werden wir aber als Ungläubige nicht auf den Haram gelassen. Gehen wir ins Internet-Café "Cafee-Net".

Miri mit TschadorDeutschland-Fahne über weißen Erdbeeren
Montag, 17. Oktober 2005: Mashhad
Ruhetag in Mashhad. In den Haram werden wir auch heute nicht so richtig gelassen. Der offizielle Besuch besteht in einer Unterrichtsstunde über den Islam als besseres Christentum durch einen gut geschulten Guide. Beiläufig erwähne ich, dass es nicht besonders christlich sei, sich als besserer Christ zu bezeichnen.
Dank Tschador und mit Unterstützung Einheimischer gelingt es Miri, trotz blauer Augen in das Mausoleum zu gelangen. Dann gibt's Auto-Sightseeing in der sich weit ausdehnenden Stadt vor allem über den riesigen Uni-Campus, wo die Studenten, überwiegend Frauen, anscheinend weitgehend abgeschottet von der Stadt studieren.
Als der Muezzin das Fastenbrechen ankündigt, erreichen wir ein kleines Tal voller Restaurants in der Nähe von Mashhad. Wir liegen zu Tische, beginnen mit Datteln und getrockneten weißen Erdbeeren ein iranisches Abendessen. Zu unserer Ehre wird die deutsche Fahne in unserem Essens-Abteil aufgestellt.

Dusche auf halber Pass-HöheHitze- und Nervenschlacht auf der längsten Etappe
Dienstag, 18. Oktober 2005: Mashhad - Sarakhs (190 km)
Frühstart. 5 Uhr 30 Wecken. 6 Uhr 55 Rolling. Sonnig. Erst kalt, dann heiß. Dank Rückenwind superschnell. Wüstenlandschaft eingerahmt von Wüstenbergen.
Über die Ausläufer des Mozduran-Gebirges müssen wir drüber. Mit drei Pausen, vor allem zum Kühlen von Kopf und Körper gelingt das locker (Foto links und unten).
Eine weitere Pause wird etwas ungemütlich. Zunächst starrt uns ein Pakistani in Bin-Laden-Look aus einem grünen Auto an. Ich spreche ihn an, er spricht nur Arabisch und rollt bald davon.
Bald darauf halten zwei unangenehme Motorradgesellen, die relativ schnell und deutlich artikulieren, was sie von uns haben wollen: Brille, Getränke. Wir räumen eilends unsern Kram zusammen, halten ein Auto an, damit sich der Fahrer ein bisschen mit ihnen beschäftigt.
Unsere Gelassenheit ist im Eimer. Zumal die beiden uns bald darauf wieder überholen. Dann wirft unmittelbar vor mir ein Beifahrer Prospekte aus dem Fenster, die mir um die Ohren fliegen. Obwohl auch heute wieder so viele Menschen grüßen, winken, fragen, einladen, helfen wollen und begeistert sind, ist die Stimmung dahin.
Die Besichtigung einer etwas abgelegenen Karawanserei canceln wir. Ein Fahrer hält kurz darauf extra an, um uns auf diese Attraktion hinzuweisen. Wir sehen zu, dass wir mit kräftigem Rückenwind zum Einbruch der Dunkelheit den Grenzort Sarakhs erreichen. Wo wir wider alle Reiseführer ein angenehmes, neues Hotel finden, nicht ohne dass Miri noch einmal belästigt wird. Die Hitze- und Nervenschlacht der 190 km langen, längsten Etappe ist geschlagen.

Finale auf der Stahlplattenbrücke
Mittwoch, 19. Oktober 2005: Sarakhs - (Grenze Iran/Turkmenistan) - ... (2 km)
Pünktlich zur Grenzöffnung wollen wir um acht Uhr am Schlagbaum sein. Das verhindert der lahme, lustlose Geselle von der Rezeption, der unsere Pässe erst von der Polizei zurückbeordert als wir längst losfahren wollen.
Im Sarakhs Border Terminal werden wir zur Passenger Hall geleitet. Eine halbe Stunde warten wir auf unsere Pässe. Über eine Stahlplattenbrücke, auf deren Mitte die Fahnen von Iran und Turkmenistan flattern, rollen wir ins Abenteuer turkmenische Grenzabfertigung... (Teil 3: Turkmenistan (477 km) Merw und die Wüste Karakum: Fünf Transit-Tage im Reich des Turkmenbaschi)


Route Baku - Samarkand



Blaue Linie = Touren-Route; Buchstaben = Start und Ziel der Etappen

Seidenstraße-Etappen Iran (5.-19.10.2005)

Details mit Geschwindigkeiten etc. als Excel-Tabelle

Tag Datum Start Zwischenstationen Ziel km
... ... ... ... ... ...
5. 05.10.2005 ... Astara (Grenze Aserbaidschan/Iran) Talesh 67
6. 06.10.2005 Talesh Bandare Anzali Astaneh 142
7. 07.10.2005 Astaneh Lahijan - Ramsar Tonekabon 103
8. 08.10.2005 Tonekabon Chalus - Nowshahr Mahmud Abad 139
9. 09.10.2005 Mahmud Abad
10. 10.10.2005 Mahmud Abad Khazarabad - Neka Beshahr 140
11. 11.10.2005 Beshahr Gorgan Nahar Khoran 93
12. 12.10.2005 Nahar Khoran Gorgan - Gonbade Kavus Minu Dasht 125
13. 13.10.2005 Minu Dasht Kalaleh - Shahr Azad Garmab 147
14. 14.10.2005 Garmab Ashkhaneh Bojnurd 109
15. 15.10.2005 Bojnurd Shirvan Quchan 125
16. 16.10.2005 Quchan Radkan (Achsenbruch; ca. 90 km Transport nach) Mashhad 81
17. 17.10.2005 Mashhad
18. 18.10.2005 Mashhad Sarakhs 190
19. 19.10.2005 Sarakhs (Grenze Iran/Turkmenistan) ... 2
... ... ... ... ... ...
Summe Iran 1463

miri-on-the-bike auf dem Weg zur turkmenischen Grenze

Auf dem Weg zur turkmenischen Grenze


Teil 3
Turkmenistan (477 km)
Merw und die Wüste Karakum
Fünf Transit-Tage im Reich des Turkmenbaschi

Zur ganzen Tour 27: Baku - Samarkand (2707 km) Okt. 2005


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