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Tour 28: Zagreb - Athen (1829 km)


VG WORTAnfang Dezember an der Adria in Kroatien

Kroatien: an der Adria im Winter


Live-Ticker-Diary & Routen-Karte & Etappen-Übersicht
Zagreb - Athen (27.11.-10.12.2005)
Advent auf dem Balkan

Equipment: Bike & More
Equipment:
Bike & More
Von Zagreb zur Mittelmeerküste und an dieser entlang via Split und Dubrovnik durch Bosnien, Montenegro, Albanien nach Griechenland, an der Nordküste des Peleponnes via Korinth nach Athen. Ein kleine vorweihnachtliche Radltour durch eine gebirgige Küstenlandschaft mit nicht allzu viel Regen und bei halbwegs angenehmen Temperaturen. Foto Special: Buntes Tirana
Foto Special:
Buntes Tirana

Traumstädte Zadar, Trogir, Split und Dubrovnik
Gebirgige Adria-Magistrale in Kroatien mit 9.300 Metern Bosnien

Radln auf dem Autoput zur Bierhauptstadt
Sonntag, 1. Advent, 27. November 2005: Zagreb - Karlovac (64 km)
Am Nachmittag Landung in Zagreb bei 3-4 Grad. Ein paar Kilometer auf dem berüchtigten Autoput am Stadtrand von Zagreb. Hier ist er inzwischen eine richtige Autobahn samt Standstreifen und Autobahnschildern. Dann in die kroatische Bierhauptstadt Karlovac, für deren Karlovačko-Pils schon weit vorher allenthalben geworben wird. Soweit sich das im Nebel und in der Dunkelheit erkennen lässt. Weil hier - so wie in Madrid - die Mitteleuropäische Zeit (MEZ) gilt, die Sonne aber wesentlich früher als in Spanien untergeht, ist es ab 16 Uhr 30 stockfinster. In Karlovac überraschen dann Kneipen unter dem Label Heineken oder Stella Artois und der Preis des Hotels Carlstadt. Wie schreibt der Reiseführer: Die kroatische Währung Kuna gelte als "überbewertet".

Am Kapela-Pass (888 m) in KroatienÜber verschneite Pässe zum Strand
Montag, 28. November 2005: Karlovac - Kapela (888 m) - Vratnik (700 m) - Senj (115 km)
Später Start wegen Regens, dann Schneeregens. Um den Aufbruch weiter hinauszuzögern, besuche ich die Tourist-Info. Dort begrüßt mich eine begrenzt PR-taugliche Dame ("Why do you come to Croatia in this time of the year?" - "Oh, I thought Croatia is always nice.") und eine Reliefkarte von Kroatien, auf der sich die Höhenmeter sehen und fühlen lassen. Ich entscheide mich für den kürzesten Weg zum Mittelmeer, da die Strecke entlang der bosnischen Grenze durch verlassene serbische Dörfer etwas trist sein soll.
Zwei Pässe liegen vor dem Strand: Kapela mit 888 m und Vratnik mit 700 m direkt an der Küste. Beide verschneit, aber die Straße ist geräumt (Foto links). Am Nachmittag scheint entgegen der Touri-Info-Prognose die Sonne. Über den letzten Pass geht's in der Dunkelheit. Die Altstadt von Senj bietet massig Ambiente aber merkwürdigerweise keine Zimmer. Fahre ich ein paar Meter außerhalb zu einer Pension mit den allenthalben angebotenen "Apartmani".

Romanische Kathedrale von Zadar, Kroatien Auf und Ab der Adria-Magistrale im Gegenwind
Dienstag, 29. November 2005: Senj - Prizna - Fähre - Zigljen - Pag - Rtina Miletici (109 km)
In einem Punkt hatte die Touri-Info-Dame von Karlovac wohl recht: Senj sei eine Wind-Metropole. Am Wochenende habe es dort Windböen mit 200 km/h gegeben. Solange es sich um Rückenwind handle, sei mir das durchaus recht, hatte ich noch eingewendet. Nur - der kommt nicht aus Nord sondern aus Süd. Immerhin kann ich froh sein, dass es nicht mehr 200 km/h sind. Nur im Windschatten von Felsen lässt sich einigermaßen locker fahren.
Ein stetiges Auf und Ab der Adria-Magistrale (oder "Jadranska magistrala"), auf der ich den Großteil der nächsten Tage verbringen werde. Das Küstengebirge steigt vom Meer steil auf 1600 m, die Straße verläuft auf etwa 100 m Höhe. Gegen Mittag nehme ich die Fähre auf die Insel Pag, um dort auf der Parallelstraße zu fahren. Der Blick auf die Küste mit den schneebedeckten Gipfeln ist gigantisch, aber dem Wind bin ich viel ungeschützter ausgesetzt. Dann noch Regen, Dunkelheit. Kalt, müde und nass checke ich im nächsten Apartman ein. Tagesziel Zadar nicht erreicht.

Abendstimmung in Trogir, KroatienNasser als nass: eine Welle aus Wasser, Dreck und Steinen im Auge
Mittwoch, 30. November 2005: Rtina Miletici - Zadar - Šibenik - Trogir (167 km)
Wind, Sturm und Regen die ganze Nacht, direkt über mir und den Dachpfannen. Am Morgen hat zumindest der Wind nachgelassen. Über ein paar Hügel geht's nach Zadar. Ich friere kräftig. Die romanische Kathedrale (Foto rechts) ist chic, die ältere vorromanische daneben leider geschlossen, genauso wie der Kirchturm. Nette Halbinsel, alles Fußgängerzone in weißem Stein, wie in Italien. In einem Café versuche ich warm zu werden. Bin auch reichlich nass. Warm werde ich erst wieder auf dem Rad. Immerhin zeigt der Fahrradcomputer 10 Grad an. Trotzdem fühlen sich die Füße bald wie Eisstumpen an. Ich bin auf meine "Snow Gear" Handschuhe umgestiegen.
Die Landschaft wird hügelig, grün mit ein paar Herbstsprengseln drin, das Gebirge rückt ins Hinterland. Nach einer langen Ess- und Aufwärmpause im "Konzum" von Šibenik lässt irgendwann der Regen vorübergehend nach, und ich starte die alltägliche Dunkelfahrphase. Relativ flach, relativ nah am Wasser, vermutlich sehr schön. Viele Örtchen, Häfen, ein Riesen-Yachthafen ohne irgendwas drum herum. Längst regnet es wieder und dann kommt nur noch Wasser. Die Straße wird zum Fluss. Ich gegen den Strom. Ein Wagen schwemmt eine Welle über mich. Nasser als nass. Und ein Schwall aus Wasser, Dreck und Steinen trifft genau meine Augen. Die Brille hatte ich abgesetzt, um besser zu sehn. Kurze Pause, weiter. Schließlich stehe ich triefend in Trogir. Im Hotel Concordia ziehe ich eine lange Spur zu meinem Zimmer im dritten Geschoss. Hauptabendbeschäftigung in Trogir: Trocknen, Trocknen, Trocknen. Ein Nachtspaziergang in der Altstadt, eine mittelalterliche Insel (Foto links). Und hier ist, anders als in Senj, jede Gasse bis zum letzten Stein edel restauriert.

Palast von Diokletian, SplitDer rechte Augenblick für die Regenpause
Donnerstag, 1. Dezember 2005: Trogir - Split - Gradac (134 km)
Es gelingt mir in Trogir nicht, den Kairos zu finden, jenen "richtigen Augenblick", der hier als Mann in Stein zu bewundern ist. Im Museum ist er nicht, angeblich im Benediktinerkloster, aber das hat im Winter geschlossene Pforten, wie auch die meisten Kirchen am Wegesrand.
Wieder erreiche ich das Ziel von gestern erst am Mittag: Split mit dem riesigen genau 1.700 Jahre alten Palast von Diokletian, in dessen Ruinen heute die halbe Altstadt gebaut ist (Foto rechts). Sein Mausoleum, zur Kirche umgebaut, geschlossen. Vor der Diokletian-Fassade wechsle ich alle Bremsgummis. Leider längst überfällig. Schiebe die Weiterfahrt wegen Regens auf. Lerne so im Café eine Bulgarin mit Sohn kennen, deren Mann nach einigen Jahren im bosnischen Travnik jetzt die neue Familienheimstätte und landwirtschaftliche Projekte in Addis Abeba vorbereitet.
Endlich fahre ich weiter. Unterbreche immer für die kurzen Schauer. Nur beim letzten nicht. Der erwischt mich gerade auf der Höhe, an der die Adria-Magistrale schon fast den Pass rüber nach Mostar erklommen hat und das Thermometer auf 5,4 Grad gefallen ist. Nix zum Unterstellen. Insbesondere die Schuhe werden wieder komplett nass. Danach in traumhafter Landschaft mit Gebirge links und vorgelagerten Inseln rechts. Die untergehende Sonne bescheint die Wolken rötlich von unten und all das spiegelt sich im Meer. Für die anschließenden zwei Stunden Fahren in Dunkelheit belohnt mich im Fischerdörfchen Gradac ein Zimmer direkt am Hafen.

Prachtstraße Stradun, auch Placa, Dubrovnik Altstadt-Glück in der Nebensaison der Nebensaison und neun Kilometer Herzegowina
Freitag, 2. Dezember 2005: Gradac - Grenze Kroatien/(Bosnien-)Herzegowina - Neum - Grenze (Bosnien-)Herzegowina/Kroatien - Dubrovnik (114 km)
Beim Anstieg vom Hafen zur Adria-Magistrale Speichenbruch. Nicht ganz am Ende, wo sie sonst brechen, sondern zwei, drei Zentimeter von der Radnabe entfernt hinter den Ritzeln. Vermutlich als beim Schalten auf den ersten Gang die Kette zwischen Ritzel und Speichen gerutscht ist. (Daheim muss der Fahrradhändler später neun Speichen auswechseln).
Heute Sonne. Und Wolken. Zumindest kein Regen. Das Neretva-Delta und Süd-Dalmatien gelten als besonders sonnig. Dazwischen liegen 9.300 m (Bosnien-)Herzegowina. Die zweite Grenzkontrolle zur Wiedereinreise nach Kroatien kommt allerdings erst nach insgesamt 14 km. Ich werde dort nicht kontrolliert. Bei der Einreise nach Bosnien musste ich immerhin den Personalausweis zücken.
Und wieder geht es auf und ab. Auch dann noch, als Dubrovnik, die "Perle" der Adria, schon gut zu sehen ist. An der Altstadtmauer stelle ich das Fahrrad an einem bewachten Parkplatz ab und beginne das Treppensteigen. Eigentlich wollte ich noch zwei Stunden nach Montenegro weiterradeln, aber ich bleibe, auch, weil die Altstadt nach Zadar und Trogir noch einmal eine unglaubliche Steigerung bietet (Foto links). Und da jetzt die Nebensaison der Nebensaison ist, finde ich sogar ein Apartman in der Altstadt, was meine Reiseführer für so gut wie unmöglich halten.

Dubrovnik, Perle der Adria
Dubrovnik, Perle der Adria

Mit Rückenwind aus der Altstadt
Samstag, 3. Dezember 2005: Dubrovnik - Grenze Kroatien/(Serbien-)Montenegro - Bar (137 km)
Am Anfang stehen einige überflüssige Höhenmeter, weil das Sackgassenzeichen für die flach ansteigende Straße nicht für Räder gilt, wie sich erst herausstellt, als ich von oben an der mit Pfosten gesperrten Straße vorbeirolle (dafür schöner Blick auf die Stadt: Foto oben). Heftigster Gegenwind, nur gelegentlich abflauend, oder wie die Meteorologen gerne sagen "in Böen auffrischend", begleitet mich fast den ganzen Tag. Immerhin bleibt es bis auf wenige Tropfen trocken.

Montenegro: Zigeuner, Junkies und Euro-Cash

Auch bei der Einreise nach Montenegro reicht der Personalausweis. Einer der beiden Grenzer fragt mich, wie lange ich gedenke in Montenegro zu bleiben. Nachdem ich "one day" gesagt habe, möchte er wissen, wie viel Geld ich habe. Das lässt er sich sicherheitshalber zeigen. Zum Glück habe ich gestern abend meinen Cash-Vorrat im Portemonnaie aufgefrischt. Und schon bin ich in Montenegro, das völkerrechtlich noch mit Serbien vereint ist, de facto schon sehr eigenständig (und nach Volksentscheid und Parlamentsbeschluss am 3. Juni 2006 auch formell unabhängig wurde). Offizielles Zahlungsmittel ist der Euro, vermutlich ohne dass Montenegro irgendwelche Maastricht-Kriterien erfüllt. In Bosnien zeigten die Tankstellen gestern die Preise in D-Mark an, oder "Konvertibilni Marka", wie die Währung offiziell heißt. Sie ist zum D-Mark-Umtauschkurs von 1,95583 an den Euro gebunden.

Insel Sveti/Sankt Stefan, MontenegroDie Berge ziehen sich jetzt nicht mehr parallel zum Meer, sondern verlaufen kreuz und quer. Entsprechend die Straße. Am Wegesrand werden serbisch-orthodoxe Kirchen und Klöster angekündigt. Sie bereichern die heute rauere aber genauso faszinierende Landschaft. Und wieder ein Traumsonnenuntergang: diesmal hinter der zum Hotel umgebauten Insel St. (Sveti) Stefan (Foto rechts).
Zu guter Letzt fahre ich im Zielort "Bar" vergeblich zu der fünf Kilometer entfernten Altstadt. Nachdem mich eine Woche lang fast alle hundert Meter Hinweisschilder auf ein schönes Quartier in der Nähe begleitet haben, ist auf diesen Kilometern Fehlanzeige. Auf die Frage, ob es denn in der Altstadt Unterkünfte gebe, erhalte ich ausweichende Antworten. Bis mir endlich ein Mann mit zehnjähriger Schweiz-Erfahrung ("Wenn man kein Geld hat, kann man dort besser welches verdienen, aber wenn man Geld hat, lebt man besser hier, wo es warm ist." - und es ist tatsächlich gegen Abend hier rekordverdächtige 14 Grad warm geworden) sagt: Die Altstadt sei zwar nett, aber da lebten "nur Zigeuner und Junkies", von daher solle ich da nur bei Tageslicht hin. Also wieder zurück zur Neustadt und diese Meter endlich mit Rückenwind, von dem ich kaum noch weiß, wie er sich anfühlt.

Herbstlicher Laubwald, MontenegroHalbrunder Bar-Blick
Sonntag, 2. Advent, 4. Dezember 2005: Bar - Grenze (Serbien-)Montenegro/Albanien - Shkoder - Lezhe - Tirana (145 km)
Heute ein Tag, an dem es fast von allein läuft. Entgegen aller Ratschläge in Hotel, Stadt und Internet entscheide ich mich für die kürzeste Strecke zur Grenze, zu der letztlich nur die kürzeste Linie auf meiner Karte rät. 21 statt 38 km. Eine Nebenstrecke, die sofort auf die Höhen hinter Bar führt mit einem fantastischen Blick in das Halbrund, in dem die Hafenstadt liegt. Die schmale Straße hält sich auf der Höhe, führt durch herbstlichen Laubwald (Foto links) an einem albanischen Friedhof vorbei. Mit einem Grabstein von 1930, als Albanisch offenbar noch in arabischer Schrift geschrieben wurde.
Dann die lange Abfahrt zur Grenze. Alles bei minimalem Gegenwind und strahlendstem Sonnenschein - ein echter Sonn-Tag, Advents-Sonn-Tag.

Albanien: Buntes Tirana im Bauboom

An der Grenze 10 Euro Eintrittsgeld für Albanien. Bevorzugte Abfertigung für mich und eine Gruppe von der OSZE in einem Nissan Terrano (in dieser Reihenfolge). Auf dem Anstieg zur illyrischen Burg von Shkoder (Foto unten: Blick von der Burg auf die Stadt) komme ich mit John und Victoria ins Gespräch, zwei EU-Mitarbeiter, die sich als Stadtplaner und Soziologin für ein paar Monate hier aufhalten und sich sehr skeptisch zum albanischen "Wirtschaftsboom" äußern: "In diesem Land wird gar nichts mehr produziert."
Die Straße war schon von dem kleinen, noch recht neuen Grenzübergang Muiqan/Sukobin an völlig neu, mit bestem Asphalt und Markierung. So geht's weiter, flach und gradlinig auf Lezhe, den nächsten Burgberg zu, und dann nach Tirana. Die Strecken sind viel kürzer als auf meinen Karten. Im Umfeld der Hauptstadt wird die Straße schlechter. Als ich an dem ellenlangen Stau auf die Anhöhe vor der Stadt durch Schlaglöcher entlang fahre, sind zwei von drei Autos schwäbisch. Mercedes ist die absolute Lieblingsmarke. Unerwartet erreiche ich heute schon die albanische Hauptstadt und bin zur Halbzeit wieder voll im Plan. (Foto ganz unten: Tirana am Abend)

Blick von der illyrischen Burg auf Shkoder
Blick von der illyrischen Burg auf Shkoder

Mit Licht-Orgel nach Kolonia
Montag, 5. Dezember 2005: Tirana - Durres - Fier (124 km)
Morgenspaziergang durch Tirana. Edi Rama, seit 2000 Bürgermeister der Stadt, ist Maler und Kunstprofessor. Er hat der Stadt Farbe verordnet. Viel ist begrünt worden, vor allem sind viele Häuser bunt bemalt. Überall entdecke ich originelle Straßenzüge. (Foto Special: Buntes Tirana) Und das inzwischen nicht mehr nur in Tirana, sondern auch in vielen andern Orten des Landes, vor allem in Tiranas älterer Schwesterstadt am Meer: Durres. Die kilometerlange Strandpromenade im Süden der Stadt wirkt mit ihren vielen neuen Hotels universal mediterran. Es ist richtig warm. Das Maisgetränk Boze erfrischt gut. Ein Wächter öffnet für mich das römische Amphitheater mitten in der Stadt. In einer Kapelle unter den alten Zuschauerrängen sind byzantinische Mosaiken von Engeln und Heiligen zu sehen. Auch die universal mediterran.
Nach so vielen Besichtigungen bleibt wieder nur Fahrt in der Dunkelheit. 20 km Autobahn, die alternativlos auftaucht, ohne auf der Karte erkennbar zu sein. Auch ein Albaner radelt hier. Als der "we call it highway" in Lushnje endet, wird die Straße zum ersten Mal ganz schlecht. Früher als sonst muss ich zusätzlich zu meiner rot blinkenden Rück-Licht-Orgel den Dynamo samt Frontlicht einschalten, um mich zwischen den Schlaglöchern aufrecht halten zu können. Bis Kolonia ist viel Verkehr, die Straße eng, das Vergnügen begrenzt. Dann führt die Straße ohne ersichtlichen Grund am Hang entlang bis ins wieder flache Fier. Zwei Internet-Cafés haben heute abend keine Netz-Verbindung, gehe ich halt in die "Bar Deutschland". Außer den eisgekühlten Bitburger-Gläsern ist hier nichts deutsch. Das Pils "Tirana" ist gut. Der Wirt war in Philadelphia und schwärmt von der vor mir liegenden Küstenstrecke in den Süden, für die ich mich bis dahin noch nicht ganz entscheiden konnte.

Albanische Beton-Mini-BunkerRiesendoggen in der Erlkönig-Nacht
Dienstag, 6. Dezember 2005: Fier - Apollonia - Fier - Vlora - Llogara (1055 m) - Palase (110 km)
Ein wüster Wind pfeift aus Süd. Bevor ich den Kampf mit ihm aufnehme, mache ich einen Abstecher nach Apollonia, das vom Albanien-DuMont auf 16 Seiten befeiert wird. Auf der schmalen Asphaltstrecke dorthin passiere ich wieder einige der landestypischen 750.000 Beton-Mini-Bunker, die sich Enver Hoxha als Verteidigungsstrategie für das letztlich mit allen Ländern verfeindete Albanien hat bauen lassen (Foto rechts). Inzwischen sind sie meist zugewachsen, dienen als Unterschlupf oder verzieren bunt bemalt die Strände, die sie verteidigen sollten. Mit den ersten Gewittertropfen erreiche ich Apollonia. Odeion und ein paar andere Trümmer sind recht bescheiden (Foto links). Es ist noch kaum gegraben worden. Bei der mittelalterlichen Kirchen- und Klosteranlage (Foto rechts unten), die eigentlich als Museum dient, sind offenbar viele Exponate in den Wirren der 90er Jahre verschwunden.

Antikes Odeion et al. in Apollonia, AlbanienZurück in Fier dauert es Ewigkeiten, bis ich mich die drei Kilometer Anstieg nach Süden hinaufgequält habe. Im Wind bleibe ich fast stehen, mehrere Gewitterschauer zwingen immer wieder zu Pausen. Muss ich zu einem mentalen Trick mit Selbstüberlistung greifen: Ich nehme mir als Tagesziel zunächst nur die 55 km entfernte Stadt Vlora vor. Das funktioniert. Ich bin happy um 14 Uhr dort anzukommen. Dann also doch weiter. Dumm nur: Den Llogara-Pass mit seinen 1055 m kann ich nur in der Dunkelheit erreichen. 14 km kräftiger Anstieg, dazwischen geht's gelegentlich abwärts. Der Asphalt ist perfekt. Nur an einer Stelle hat ein frischer Erdrutsch die rechte Fahrbahn verschüttet. Immer noch kämpft der Wind frontal gegen mich. Und die Steigung. Und die Dunkelheit. Und die Feuchtigkeit.
Woran ich aber bei aller Kalorienzufuhr und sonstigen Planung gar nicht dachte: Hunde. In den kleinen Ortschaften wird fast jeder Hof per Hund bewacht. Und die meisten Köter haben freien Zugang zur Straße. Einige halte ich durch Schreie in Schach, einmal rettet mich ein Auto, das sich zwischen mich und das Tier schiebt, beim nächsten Hundedrama hält der Fahrer. Wieder mal ein Gespräch auf Italienisch, das in Albanien (vor allem durchs Fernsehen) die verbreitetste Fremdsprache ist. Sie wollen Rad und mich aufladen. Einen Moment schwanke ich. Aber ich habe den Eindruck, die letzten Hunde-Häuser vor dem Pass erreicht zu haben. Fahre weiter.

Mittelalterliche Klosteranlage in Apollonia, AlbanienEs nebelt. Nur noch Nacht, Nebel und das Rauschen der Bäume. Das sind Momente, für die der Erlkönig geschrieben ist. Am linken Straßenrand trippelt mir ein schwarzer Schatten entgegen. Ein Hund. Er will unbeachtet bleiben, schiebt sich still vorbei bergab.
Ab und zu wird die Straße jetzt flach, hat ein bisschen Gefälle. Doch die Hoffnung, den Pass erreicht zu haben, trügt jedes Mal. Als ich rechts einen Stein sehe, der die Gipfelmarkierung sein könnte, ist es wieder nur ein (Grab-?)Stein für ein Verkehrsopfer. Dann Licht links. Es ist das angekündigte Motel, hat aber kein Bett. Endlich geht's bergab. Zehn Prozent Gefälle steht auf dem Schild, aber die selbe Zahl steht auf all diesen Schildern. Es geht steiler bergab als bergauf. Die Nebelwolken regnen mich wieder herab auf Strecke mit Sicht. Der Halbmond spiegelt sein Licht in einer riesigen Meeresfläche. Tief unter mir Autos auf Serpentinen. Ich muss halten, um die Bremsen abzukühlen. Werde selbst kalt. Bin froh als die Strecke ganz schlecht wird und wieder ein Stück bergan führt. Wieder Licht, auch hier bellt eine Riesendogge. Ein Hotel. Nach 90 Minuten ist das Duschwasser warm, die Zimmertemperatur bleibt konstant bei 14,3 Grad.

Küstenstraße bei Dhermi und Himara, Süd-AlbanienSchlammschlacht bei den USA-Fans
Mittwoch, 7. Dezember 2005: Palase - Dermhi - Sandara - Butrint - Konispol - Grenze Albanien/Griechenland - Igoumenitsa (139 km)
Der höchste Pass liegt zwar hinter mir, aber unerwartet folgen heute einige mittelhohe. Die Straße schlecht, teilweise sehr schlecht. Das macht die Fahrt noch romantischer, atemraubender. Endlos bergan. Bergab (Fotos links und auf der Equipment-Seite). Nach Dhermi und Himara, wo auch viele Griechen leben. Lange Zeit Durchschnittsgeschwindigkeit 11 km/h. Die 75 km bis Saranda ziehen sich endlos hin und sind unendlich schön. Jeder Meter Genuss.
In Saranda angekommen bleibt mir noch eine Stunde Tageslicht. Ich starte durch. Fahre parallel zur Insel Kerkyra alias Korfu. Sehe die Sonne zwischen Wolken und Inselbergen versinken (Foto rechts). Genieße die ebene Strecke mit Vollgas. In einem Dorf nimmt ein Junge bei über 30 km/h die Verfolgung auf, liegt knapp vorn, verliert meine Sympathie als er vor mir mit großer Akrobatik das Rad herumwirft und neben mir zum Stehen kommt. Weiter. Mit dem letzten Tageslicht erreiche ich Butrint (17 km von Saranda). Die Ausgrabungsstätte ist schon geschlossen. Keine Unterkunft. Ich nehme die Mini-Autofähre, ein paar Holzplanken an Stahlseilen über den Meeresarm. Bin einziger Fahrgast, beglücke die Fährjungen mit Twix.

Sonnenuntergang hinter Korfu alias KerkyraAm andern Ufer verabschiedet Indri grad seinen Bruder. Er begleitet mich 21 km auf seinem Moped zu seinem Heimatort Konispol, bei dem ein neuer Grenzübergang nach Griechenland eröffnet worden ist. Nach einem Kilometer Holperstrecke beginnt eine neue Asphaltstrecke. Doch die zweite Weghälfte ist wie der Anfang der Strecke. Ein unsäglicher Ackerweg. Durch den Regen der letzten Tage und Stunden wird die Fahrt zur Schlammschlacht. Indri, Schüler der Abschlussklasse, erzählt von seinen Plänen für ein Computer-Studium in Tirana, dem Ramadan, seinem Vater einem Küchenchef auf Korfu und seinem vielsprachigen Bruder auf der amerikanischen Schule. Die Begeisterung für die USA ist so allgegenwärtig wie das Sternenbanner. Die Albaner haben zwar die Aufnahme in die EU beantragt, aber noch lieber würden sie vermutlich Mitglied der USA. Der Euro wird als Zweitwährung akzeptiert, der Dollar ist den Geldwechslern lieber, von denen hundert allein am Skanderbeg-Platz in Tirana beisammen stehn und doch keinen besseren Kurs als die Bank bieten. Das Land fasziniert mit seinem Bau- und Wirtschaftsboom, mit Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft. Es bleibt viel Fremdes - so wie das Kopfschütteln, mit dem ein Albaner üblicher Weise Zustimmung signalisiert.
Bis zum letzten albanischen Meter Rumpelschlammpiste. Der Schlagbaum heruntergelassen, alles wie meist in Albanien ganz dürftig beleuchtet. Wieder begeistern sich zwei Jugendliche für mich und meine Radtour und bringen mich zu dem einzigen Schalter, den ich zu absolvieren habe.

Griechenland: Blau und Weiß, wie lieb ich dich

Dann der Europa-Sternkranz mit "Hellas" im Zentrum. Statt Schlammpiste breite bestens asphaltierte Straße, für die en masse Felsen weggesprengt wurden. 29 km sind es bis zur ersten größeren Stadt Igoumenitsa. Ich radle in den Regen, der mir heute so oft zuvorgekommen ist. Als es mir zu nass wird, halte ich unter einem Terassendach an einer geschlossenen Taverne. Zehn Meter entfernt bezieht ein Hund Position. Er beginnt zu bellen. Bellt und bellt. Als er sich ein Stück weiter vorwagt, schreie ich ihn sofort an. Er schreckt zurück und die gesamte Dorf-Hundebande beginnt ein Bell-Konzert. Dann bellt wieder nur mein Gegenüber. 10, 15, 20 Minuten. Als der Regen nachlässt, schwinge ich mich aufs Rad. Ein Gendarmerie-Streife, die offenbar wegen des Bellens alarmiert wurde, kann ich nach dem Weg fragen. Um zehn bin ich schließlich in der Hafenstadt Igoumenitsa.

Mittelmeer-Bucht an der West-Küste von GriechenlandFunradeln mit Schafen und der Tunnelservice von Prevesa
Donnerstag, 8. Dezember 2005: Igoumenitsa - Prevesa - Vonitsa - Mitikas (142 km)
Der Himmel strahlt in den griechischen Nationalfarben. Blau und Weiß wie lieb ich dich! Und Rückenwind! Mit teilweise mehr als 30 km/h bläst er mich die Berge rauf. Die westgriechische Küste liegt abseits des Massentourismus. Ist alles andere als hässlich. Rockige Buchten wechseln sich ab (Foto rechts). Kurz vor Prevesa führt eine Nebenstrecke direkt am flachen Sandstrand entlang. Ein Mann schwimmt.
Dann der Tunnel unter der Meerenge, die Verbindung von Prevesa nach Süden. Unter dem Fahrverbot für Träcker wirkt das Fahrrad-Fahrverbots-Schild etwas improvisiert aufgeklebt. 1600 m ist der Tunnel lang. Am andern Ende die Zahlstation. Kein Hinweis auf eine Alternative. Ich versuch's mal. Sekunden nachdem ich in den Blickwinkel der Überwachungskameras gefahren bin, schalten alle Ampeln auf Rot, der Tunnel ist gesperrt, eine Frauenstimme spricht auf Griechisch über verschiedene Lautsprecher, und auf dem Laufband über dem Tunneleingang erkenne ich irgendetwas von "biciclette". Ich trete den Rückzug an. Frage einen Autofahrer. Eine Fähre gibt es nicht mehr, nur noch den Tunnel. Ein Taxifahrer würde mich für 15 Euro rüberbringen, hat aber nur einen normalen Kofferraum. Ich warte auf einen Pick-Up. Schon nach wenigen Minuten steuern zwei warnblinkende Off-Road-Wagen aus dem Tunnel auf mich zu. Auf dem Pick-Up landet mein Fahrrad, ein offizieller Service. Selbst meine fünf Euro Trinkgeld werden strikt verweigert.
Sunradeln, Funradeln. In einer Innenkurve umrunde ich eine Schafherde, bemerke erst in letzter Sekunde ein verlorenes Schaf, das sich von der Außenseite unter der Leitplanke versucht auf die Fahrbahn zu zwängen. Glück. Nach Vonitsa mit seiner malerisch über Wasser und Sumpf gelegenen venezianischen Burg führt eine Nebenstrecke wieder direkt am Meer entlang. Unmarkiert, links der Felsen, rechts das Wasser und die Inseln mit der dahinter untergehenden Sonne. Traum. Mit dem letzten Tageslicht finde ich in Mitikas ein Zimmer mit Loggia direkt am Meer (Foto Equipment-Seite).

Größte Schrägkabelbrücke der Welt von Antirio nach Rio bei Patras, Golf von KorinthEuropas Ende: über die größte Schrägkabelbrücke der Welt nach Rio
Freitag, 9. Dezember 2005: Mitikas - Antirio - Rio - Egio (153 km)
Ich treffe nach 1500 km den ersten Radler. Alexander aus Wien. Seit dem 2. Juni ist er unterwegs. Auch über Zagreb, aber dann in großem Bogen bis Moldawien und Kappadokien, jetzt auf dem Rückweg. Will Heiligabend wieder in Wien sein. Als er mit der Ecotopia Biketour versuchte, in Moldawien gegen die Republik Transnistrien zu demonstrieren, wurden sie dort erst gar nicht reingelassen. An ein paar kalten Tagen hat er sich die Finger so verfroren, dass sie jetzt noch Frostbeulen haben. Inzwischen besitzt er aber auch Snow Gear Handschuhe. Er erzählt mir von Christoph Nolte, der mit seiner Biosphere-Tour offenbar nur wenige Tage voraus durch Albanien radelte und heute in Athen ankam.
Dann ist Europa zu Ende. Zumindest das Festland. Und die neue "größte Schrägkabelbrücke der Welt" (Foto links) führt (Radler kostenlos) von Antirio nach Rio über das Ende des Golfes von Korinth auf den Peleponnes. Es ist reichlich windig. Und ich bin froh, auf der andern Seite anzukommen. Um an der Nordküste bis auf 180 km an Athen ranzufahren.

Kanal von Korinth, PeleponnesMit nasskalten Füßen zur Akropolis
Samstag, 10. Dezember 2005: Egio - Korinth - Athen (176 km)
Regen, Regen, Regen. Um elf Uhr bleibt mir nichts übrig, als loszufahren. Nach etwa zwei Stunden lässt der Regen nach, aber alles ist durch und durch nass. Kurz vor Korinth wird die Straße trocken und bei Tages-km 99 am tiefen Kanal von Korinth, der Ende des 19. Jahrhunderts den Peleponnes zu einer Insel machte (Foto rechts), stecke ich meine nasskalten Füße aus den Fahrradschuhen in die Laufschuhe. In der Hoffnung, dass es nicht wieder zu regnen beginnt.
Unter dem wolkenverhangenen Himmel wird es noch früher dunkel. Aber es wird stetig wärmer und 50, 40, 30 km vor Athen lohnt es nicht so recht, ein Quartier zu suchen. Also durch. Etwa 25 km leider auf der Autobahn. Die Landstraße mündet einfach in sie. Ein letzter langer Anstieg und hinter der Kuppel taucht auf gleicher Höhe die beleuchtete Akropolis auf. Advent.


Route Zagreb - Athen



Blaue Linie = Touren-Route; Buchstaben = Start und Ziel der Etappen

Etappen Zagreb - Tirana - Athen (27.11.-10.12.2005)

Details mit Geschwindigkeiten etc. als Excel-Tabelle

Tag Datum Start Zwischenstationen Ziel km
1. 27.11.2005 Zagreb Karlovac 64
2. 28.11.2005 Karlovac Kapela (888 m) - Vratnik (700 m) Senj 115
3. 29.11.2005 Senj Prizna - Fähre - Zigljen - Pag Rtina Miletici 109
4. 30.11.2005 Rtina Miletici Zadar - Šibenik Trogir 167
5. 1.12.2005 Trogir Split Gradac 134
6. 2.12.2005 Gradac Grenze Kroatien/(Bosnien-)Herzegowina - Neum - Grenze (Bosnien-)Herzegowina/Kroatien Dubrovnik 114
7. 3.12.2005 Dubrovnik Grenze Kroatien/(Serbien-)Montenegro Bar 137
8. 4.12.2005 Bar Grenze (Serbien-)Montenegro/Albanien - Shkoder - Lezhe Tirana 145
9. 5.12.2005 Tirana Durres Fier 124
10. 6.12.2005 Fier Apollonia - Fier - Vlora - Llogara (1055 m) Palase 110
11. 7.12.2005 Palase Dermhi - Sandara - Butrint - Konispol - Grenze Albanien/Griechenland Igoumenitsa 139
12. 8.12.2005 Igoumenitsa Prevesa - Vonitsa Mitikas 142
13. 9.12.2005 Mitikas Antirio - Rio Egio 153
14. 10.12.2005 Egio Korinth Athen 176
Summe 1829

Skanderbeg-Platz in Tirana

Skanderbeg-Platz in Tirana am zweiten Advent


Mittelmeer-Umrundung
Die mediterrane Mega-Tour


Anschluss Tour 29: Athen - Adana (1521 km) Feb./März 2006

Anschluss Tour 19: Ravensburg - Zagreb (943 km) Aug./Sept. 2002

Anschluss Tour 3: Essen - Zagreb (1680 km) März/April 1983


Nächste Tour: Athen - Adana (1521 km) Feb./März 2006

Vorherige Tour: Seidenstraße: Baku - Samarkand (2707 km) Okt. 2005


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Tour 82: Karibik: Barbados - Haiti (902 km) 2016
Karibik 2016
Chris Tour 91: Jerusalem - Dan - Eilat (1165 km) 2017
Negev 2017
on the Tour 96: Karibik II: Havanna - Miami (1560 km) 2018
Kuba 2018
Bike Tour 97: Kigali - Kampala - Nairobi (1136 km) 2019
Uganda 2019
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