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VG WORTTour 81: Bari - Vicenza (1003 km)


Miri & Chris am sechsten Hochzeitstag vor dem Markusplatz in Venedig
Happy in Venice

Bike-Blog & Routen-Karte & Etappen-Übersicht
Bari - Venedig - Vicenza (17.-25.9.2016)
Auf der Via Adriatica an der italienischen Mittelmeerküste

Von Bari nach Vicenza: zwischen den beiden Orten klafft in Italien noch eine Lücke in meinem Streckennetz. Außerdem ist da ein langes Stück Mittelmeer-Küste, das mir trotz Mittelmeer-Umrundung noch unbekannt ist. Warum also die beiden Städte nicht miteinander verbinden? Rund tausend Kilometer müssten in einer guten Woche zu schaffen sein. Rein theoretisch soll da auch die "Ciclovia Adriatica", die nationale Rad-Route "Bicitalia 6", entlanglaufen. Vielleicht entdecke ich ja Spuren davon.
Der Flugplan von RyanAir legt eine Route von Süd nach Nord nahe. So komme ich kurz vor Schluss durch Venedig, wo Miri mit einem Nachtzug am Wochenende mit dabei sein kann. Ein schöner, warmer, aber auch harter September-Ausflug.

Die Tour bei YouTube


Regen an der Adria: Gargano,
Termoli, Cupra Marittima (1:53 Min.)


Radwege bei und in Pesaro
sowie durch Rimini (2:49 Min.)


Gefährlicher Radl-Damm:
Pellestrina - Caroman (0:44 Min.)


Ponte della Libertà: Auf dem Damm
von Venedig nach Mestre (0:52 Min.)


Auf dem Damm und Radweg
des Fiume Bacchiglione (0:29 Min.)


Oder: die ganze Tour in einem Film


Die besten Videos und Fotos der Tour zu Musik in 10 Minuten.


Fahrrad-Gepäckträger als Wäschetrockner in Bari, Italien Der Heilige Nikolaus und die Rettung durch eiskalten Kirsch-Vanille-Trinkjoghurt
Samstag, 17. September 2016: Flug Hahn - Bari - Molfetta - Trani - Barletta (78 km)

Nach einiger Zeit mal wieder mit RyanAir: Eine Nacht zögern beim Buchen kostet mich 50 Euro: Der Hinflug ist 45 Euro teurer geworden, der Rückflug fünf.
An der Bushaltestelle am Mainzer Hauptbahnhof treffen sich in der Früh auch Ausflügler zu einer Busreise nach Thüringen. Ihr Bus ist pünktlich. Unser kommt später. Und der Fahrer ist unfreundlich. Dafür muss ich nix zahlen fürs Rad. Das ist mal so, mal so. Gezahlt wird diesmal sowieso erst am Flughafen.
Am Flughafen ("Frankfurt-")Hahn stelle ich fest, dass eine der beiden Wasserflaschen im Rucksack ausgelaufen ist. Der ganze Rucksackinhalt ist nass. Aber unterschiedlich nass. Ich teile alles auf in drei Plastiktüten: ganz nass, halb nass, halbwegs trocken.
Bei der Verpackungsarie habe ich alles mögliche, was sich zu Hause so angesammelt hat, mitgenommen. So kann ich diesmal zwei Schichten machen: Polster-Verpackung an den sensiblen Teilen. Darüber die Pseudo-Continental-Hülle aus Dubai. In dieser Hinsicht sind die Anforderungen von RyanAir zum Glück gering. In meiner unmittelbaren Nähe hat übrigens jemand einen pinken Rucksack zurückgelassen. Der Besitzer wird immer wieder ausgerufen. Sonst passiert nichts. Ich kann weiter einpacken.
Der Flug hat Verspätung. So komme ich am Gate mit einem Mann ins Gespräch, der zum ersten Mal mit RyanAir fliegt. Der Mann ist skeptisch. Ich erzähle ihm, was über die Jahre besser geworden ist: Beim Buchen wird man nicht mehr durch alle möglichen Menüs gequält. Die extra Gebühr fürs Bezahlen ist abgeschafft. Dank der EU? Statt wildem Boarding gibt es inzwischen eine Sitzplatz-Zuweisung. Dafür ist der Online-Check-In erst eine Woche vor Abflug möglich.
Die halbe Stunde Verspätung beim Abflug bleibt uns bei der Ankunft erhalten. Außerdem brauche ich eine Stunde, bis das Rad von der doppelten Verpackungsschicht befreit ist und die nasse Wäsche rund um den Fahrradkorb weht (Foto links). So wird aus dem um 13 Uhr geplanten Start am Flughafen 14 Uhr.


Kathedrale San Sabino, Bari, Italien
Kathedrale San Sabino in Bari


Innenraum der Basilica San Nicola in Bari Trotzdem entscheide ich mich für einen Abstecher nach Süden in die Stadt Bari. In meinem Reise-Führer (Gerda Rob: ADAC Reiseführer plus: Italienische Adria: Mit extra Karte zum Herausnehmen. Taschenbuch. Juli 2012. 356 g.) habe ich während des Flugs gelesen, dass die Reliquien des Heiligen Nikolaus von Myra gestohlen wurden und hier in einer Basilika verehrt werden.
Die Fassade der Kathedrale San Sabino (Foto oben) sieht der Fassade der Nikolaus-Kirche sehr ähnlich. Normannisches Vorbild. Beide Kirchen sind sehr sehenswert und liegen nur ein paar Meter auseinander. Während der Dom von Polizei und Militär bewacht wird, ist bei der Basilika San Nicola keine Security zu erkennen. Der Innenraum überrascht mit einer Holzdecke über den Querbögen (Foto rechts). In der Krypta dann die vermeintlichen Gebeine und ein paar Pilger.
Höchste Zeit für einen italienischen Imbiss. Mit Spinat, Pizza und Teigtasche. Höchste Zeit aber auch, richtig in die Pedalen zu gehen. Es ist heiß. 36 Grad auf dem Fahrradcomputer. Sehr heiß. Zu heiß?
Ich mache Tempo. Wie bei der letzten Etappe im Juli auf Usedom. Meist kann man direkt am Ufer fahren. Dafür muss man gelegentlich ein paar Meter Rückfahrt in Kauf nehmen, wenn es doch nicht weiter geht. Nur selten muss ich zunächst auf die SS 16, die Via Adriatica, die vom Süden rauf nach Padua führt (Foto vom Straßenschild ganz unten). Von der Adria-Radroute, der Ciclovia Adriatica, die auf Karten existiert, ist on the ground nichts zu sehen. Mal ein paar Meter Radweg. Das war's. Aber es gibt jede Menge Rennradler. Und viele Gurkenradler. Dazwischen nix.
In Molfetta steht die Kirche praktischer Weise direkt an der Route und am Hafen. In der Kirche Hochzeitsvorbereitungen und schöne Kapitelle (Fotos unten). Kräfte und Konzentration lassen nach. Ich bin die Strecke zu schnell angegangen. Es ist zu heiß. Und zu spät. Trotzdem: die Kathedrale San Nicola Pellegrino von Tarni ist einfach sehenswert (Foto unten). Schaffe ich es bis Manfredonia? Ich habe leichtfertig schon vor Wochen ein Einzelzimmer dort gebucht. Es war deutlich billiger als heute - aber Storno ist unmöglich.
Ich brauche was zu trinken. Was Kaltes. Bei Penny weckt ein Junge am Eingang meinen Argwohn. Ich radle weiter. Versuche mich an einem Automaten: Es gibt italienisches "Radler" für einen Euro. Aber von zwei 50-Cent-Münzen wird eine nicht gezählt. Ich bin sauer. Schlecht drauf.
Ein kleiner Supermarkt bringt die Wende. Zwei Flaschen eiskalter Kirsch-Vanille-Trinkjoghurt bringen mich wieder in die Spur. Später auch der Aprikosen-Mango-Nektar.
Ich erreiche immerhin Barletta. Es ist genug. 78 Kilometer sind genug für einen knappen halben Tag. Es geht nicht weiter. Die 55 Kilometer bis Manfredonia schaffe ich einfach nicht mehr. Es wird auch gerade dunkel. Das erste Hotel will 70 Euro haben. Ich buche erstmals online im Ausland mit Handy-Roaming. Nur 13 Cent kostet mich das später bei der Handy-Abrechnung. Auch dafür: Danke, EU! Bringt 20 Euro Ersparnis und das Hotel Itaca.
Ich frage noch nach dem Swimming-Pool. Das einzige, was ich bei der Buchung vom Hotel gesehen habe. Der ist leer. Die Schulferien seien doch schon vorbei, heißt es. Ich bin sowieso fix und fertig. Soll ich morgen die schöne Halbinsel Gargano einfach rechts liegen lasse, um den Weg abzukürzen?


Kapitell im Duomo di San Corrado, Molfetta
Kapitell im Duomo di San Corrado von Molfetta

Chris vor dem Dom San Corrado in Molfetta
Vor dem Dom San Corrado in Molfetta

Hallenkrypta der normannischen Kathedrale San Nicola Pellegrino in Trani
Normannen-Architektur: Hallenkrypta der Kathedrale San Nicola Pellegrino in Trani


Salinen mit Radweg bei Margherita di Savoia Margherita, Manfred und ihre Ortschaften
Sonntag, 18. September 2016: Barletta - Manfredonia - Vieste - Rodi Garganico (163 km)

Auf der Promenade von Barletta stadtauswärts Richtung Nord-West tummeln sich am Sonntagmorgen Jogger und andere Freizeit-Aktivisten. Autos sind bald verbannt. Und so fährt es sich wunderbar in der Morgensonne. Überhaupt ist das Urteil meines Baedeker-Reiseführers völlig daneben: "Tatsächlich sind nur wenige Teile [der Küste] wirklich schön... Ein völliger Ausfall ist der Bereich zwischen Manfredonia und ... Bari." Mein ADAC-Reiseführer beginnt denn auch erst nördlich von Manfredonia. Doch ich finde auch die ersten Etappen meiner Tour landschaftlich sehr schön.
Nach fünf Kilometern naht Fiumara und damit zum ersten Mal einer der typischen, neuralgischen Punkte dieser Tour: Parallel zur Küste verläuft der Bergrücken der Appeninnen. Und die schicken reichlich Wasser in Form von Flüssen in die Adria. Und für jeden dieser Flüsse brauche ich eine Brücke. Nicht nur hier finde ich sie nicht direkt an der Küste, sondern nur landeinwärts. Standardmäßig eigentlich nur auf der Strada Statale (SS) 16, der Via Adriatica. Sie ist mit ihren tausend Kilometern seit ihrer Fertigstellung 1928 eine der wichtigsten und längsten Staatsstraßen von Italien. Weitgehend parallel verläuft inzwischen zum Glück die Autobahn A 14. Es bleibt immer noch genug Verkehr. Besonders in der Umgebung von Städten.
Hier allerdings gehört die Brücke über den Ofanto zu einer kleineren Straße, die anschließend zurück an die Küste, zum Ort "Margherita di Savoia" führt. Eigentlich im dritten Jahrhundert v. Chr. von den Römern als "Salinis Cannarum" gegründet. Bis heute lebt die Gegend von der offenen Salzgewinnung, wie ich sie den ganzen Vormittag über sehe (Foto oben). Erst 1879, ein Jahr nach der Thronbesteigung ihres Mannes Umberto I., wurde die Stadt nach der damaligen Königin umbenannt. Auch die minimalistische Pizza Margherita trägt ihren Namen. Später unterstützte die glühende Nationalistin den Aufstieg von Benito Mussolini. Kein Grund offenbar, den Namen der Stadt (oder der Pizza) erneut zu ändern.
Hinter den Salinen dreht sich die Strecke nach Norden. Insgesamt stelle ich fest, dass die Adria-Küste gar nicht so sehr von Süd nach Nord, sondern vor allem von Ost nach West verläuft. Und das ist bei West-Wind, wie er gerade heute besonders stark ist, gar nicht so angenehm.
Auch der nächste Ort trägt einen originellen Ortsnamen: Manfredonia, eigentlich mein gestriges Etappenziel. Klingt Deutsch. Und ist Deutsch. Manfred, der ("illegitime") Sohn des Staufer-Kaisers Friedrich II., legte im Jahr 1256 den Grundstein. Kurz darauf begann man mit dem Castello, das bis heute majestätisch am Meeresufer steht (Foto unten).
Nach der letzten Brücke vor der Stadt kann man auf der wunderbaren Viale dei Pini in die Stadt radeln. Sie führt mich auch nahezu direkt zu dem Hotel, das ich gestern gebucht hatte. Rechnung und Kreditkartenbeleg liegen an der Rezeption des Hotel Gabbiano bereit. Was für ein Service... Die Frühstückszeiten sind schon vorbei. Immerhin bekomme ich einen Cappuccino. Für 39 Euro gewissermaßen mein bisher teuerster. Aber dann bietet mir die Dame an der Rezeption an, doch die nächste Nacht zu bleiben. Das ist sehr nett. Ich habe auch schon drüber nachgedacht. Aber ich muss einfach weiter, wenn ich Freitag in Venedig sein möchte.
Bleibt also die Frage: Gargano oder doch? Die bergige Halbinsel ist einfach das landschaftliche Highlight an der ganzen Adria-Küste. Und über den Berg muss ich so oder so. Dazu kommt das für heute Abend längst vorgebuchte Hotel in Rodi Garganico. Also los.


Castello di Manfredonia
Kastell von Manfredonia in Apulien

Tunnel der SS89 zwischen Manfredonia und Mattinata
Tunnel der SS 89 zwischen Manfredonia und Mattinata

Eidechse auf einer Mauer am Straßenrand im Gargano
Eidechse auf einer Mauer am Straßenrand im Gargano


Chris mit Philipp aus Leipzig Bleibt die Frage: welche Route? Ich habe mir für die Südküste verschiedene Streckenvarianten ausgedruckt. Beim ersten Mal finde ich den Abzweig zur kleineren Nebenstrecke nicht. So bleibt mir nur der eigentlich für Radler verbotene Tunnel (Foto oben). Ist aber harmlos, weil trotz der zwei Kilometer Länge das Ende schon von Anfang an zu sehen ist. Jetzt verstehe ich aber erst die Karte so richtig: eine Welle von Tunnel-"Gallerien" zieht sich oben am Berg entlang. Parallel dazu die wellige Küstenstraße. Ab Mattinata ist sie auf 40 Kilometern meine Wahl bis Vieste.
Bald geht's rauf auf 180 Meter. Pause. Eine der vielen Eidechsen kann ich auf der Mauer am Straßenrand fotografieren (Foto oben). Als ich mit meinem Snack anfangen möchte, kommt aus der anderen Richtung Philipp aus Leipzig auf die kleine Anhöhe geradelt (Foto rechts). Können wir zusammen essen. Philipp trägt frisch gepflückte Feigen dazu bei. Er will zu einer Freundin nach Palermo, vielleicht auch noch zu einer Zugbekanntschaft aus Lecce. Und er genießt die Leichtigkeit des italienischen Lebens, will auch ein bisschen arbeiten hier. Erste Versuche haben ihm gezeigt, dass es easy ist, hier im Herbst Jobs in der (Öko-)Landwirtschaft zu bekommen. Buon viaggio!
Es geht weiter. Vor allem aufwärts. Bis rauf auf 400 m. Die Höhe spendiert Blicke in schöne Buchten und auf interessante Fels-Formationen (Fotos unten). Nach der steilen Abfahrt stimmt zum Glück das Höhenprofil nicht. Es geht weder auf 600, noch auf 200 Meter rauf. Es gibt nur ein leichtes Auf und Ab bis Vieste. Wo mich erstmals Regen einholt.
Die Pension, vor der ich Schutz suche, ist geschlossen. Obwohl die ganze Familie die Rezeption belebt. Angesichts von Regen und den bisherigen 120 Kilometern versuche ich, ein Zimmer in Vieste zu buchen. Alles voll. Im näheren Umfeld scheitert ein Buchungsversuch im letzten Schritt. Wie das so ist im Internet. Vielleicht ist das die Rettung der Tour-Planung. Denn ich entschließe mich, den Regen abzuwarten und die letzten 40 Kilometer zu dem vorgebuchten Hotel in Rodi Garganico zu fahren.
Erneut die Frage: Hauptstrecke oder Küstenstrecke? Ich frage einen alten Mann, der gerade ein Tor neu installiert. Er redet viel, ich verstehe wenig. Und schwenke auf die Küstestrecke. Aus einem Transporter mit deutschem Kennzeichen winkt ein Junge nicht zurück. Ich hätte es gebrauchen können. Es wird dunkel. Aber die Strecke ist zunächst sehr leicht zu fahren und sehr schön. Zu guter Letzt geht es doch auf 200 Meter hoch. Kurz vor Peschici [sprich: Päskitschi - mit Betonung auf der ersten Silbe]. Das ich nicht richtig zu sehen bekommen. Es ist auch dunkel. Und regnet wieder. Egal. Ich muss weiter.
Zwei leichte Hügelchen noch. Dann taucht eine Eisenbahnstrecke auf. Also ist es flach. Nur in Rodi selbst muss ich rauf. Denke ich. Ich bin schlecht vorbereitet und extrem müde. Über 1600 Höhenmeter und mehr als 160 Kilometer (so viele Kilometer bin ich über 50 überhaupt noch nicht an einem Tag gefahren) sind für meine derzeitige Konstitution und wohl für den Rest des Lebens einfach viel zu viel. Erst im dritten Anlauf finde ich das Quartier - zurück auf Meereshöhe. Das Hotel ist gut. Aber nicht ganz so gut, wie die Bewertung im Buchungsportal erwarten lässt. Typisch für meine italienischen Hotel-Nächte.


Felsformationen in der Baia delle Zagare, Gargano
Felsformationen in der Baia delle Zagare, Gargano

Fels-Grotten an der Ostküste des Gargano
Fels-Grotten an der Ostküste des Gargano

Tür in Rodi Garganico
Tür in Rodi Garganico


An der Küstenstraße bei Rodi Garganico Der regnerische Abschied vom Gargano
Montag, 19. September 2016: Rodi Garganico - Lesina - Termoli - Vasto (121 km)

Morgenspaziergang durch Rodi. Schöne Pforten (Foto oben), viele Kirchen. Überall wird Padre Pio verehrt. Er lebte hier ganz in der Nähe. War nicht nur ultra-fromm, mit den merkwürdigen Stigmatisations-Malen, sondern gründete auch Krankenstationen, Krankenhäuser. Gestern hätte ich eine Streckenvariante über San Giovanni Rotondo nehmen können. Da steht ihm zu Ehren eine riesige moderne Wallfahrtskirche. So bleibt mir nur später am Tag eine abgestützte mannshohe Figur des Heiligen am Straßenrand.
Die Strecke beginnt mit einer wunderbaren Passage direkt am Strand (Foto links). Die in der Ferne drohenden Wolken kommen unerwartet schnell näher. Ohne Vorwarnung taucht von hinten an meiner Seite ein schweizer Radler aus St. Gallen auf. Er verbringt hier einen Großteil des Jahres und macht immer wieder Rundtouren von seinem hiesigen Domizil aus. Erst sieht es so aus, als werde er mich trotz seines schnelles Rades eine Weile begleiten. Doch als die ersten Tropfen fallen, braust er im Eiltempo davon.
Innerhalb von wenigen Sekunden wird aus den Tropfen ein Sturzbach. Und nirgendwo ist ein Dach, unter das ich mich retten könnte. Ich suche Schutz unter einem Strauch. Die eine Regenjacke habe ich an, die andere Regenjacke halte ich über mich. Es nützt nicht viel. Alles wird nass. Das Wasser steht auf den Ortlieb-Taschen. Läuft in die Taschen, wie ich später feststellen muss. Ich hatte sie nicht für einen solchen Regen präpariert.
Als der Regen nachlässt, fahre ich ein paar Meter. Bald nimmt er wieder zu. Wird zum Sturm samt Gewitter. Ich hechte unter das Vordach eines Restaurants. Wo ich erst die Frau, dann den Sohn, schließlich den Mann der Familie zu sehen bekomme. Wasser bietet man mir an. Davon hab ich genug. Cappuccino. Sehr nett. Aber hab ich grad auch dafür keinen Bedarf. Bin froh, dass ich bleiben kann. Jetzt folgt auf den Blitz sofort ein Donner nach dem andern. Der Regen peitscht daher (Video unten).
In der nächsten Regenlücke fahre ich weiter. Die Schuhe sind nass. Für den ganzen Tag. So lange brennen auch meine Rücklichter (Foto unten). Es geht rund um einen kleinen Berg. Auch schön. Zurück zum Meer. An einer Abzweigung ein Café: Zwei Snickers, ein Bounty und viele Smarties. Das ist fast alles, was der Wirt anzubieten hat. Und die Information, dass es geradeaus nicht weiter geht. Die Brücke, die den Ausfluss der Lagune von Lesina überbrückt, gibt es nur noch bei Google Maps.
Dafür entdecke ich nach drei, vier Kilometern eine andere Nebenstrecke nach Lesina (Foto unten). Etwas unebener Asphalt. Aber sehr angenehm. Weil ohne Verkehr. Gegenwind halt. Was soll's. Solange es nicht regnet.



Regen an der Adria: Gargano, Termoli und Cupra Marittima

Rücklichter und Reflektoren am Panther Dominance Trekking Bike
Rücklicht-Reflektoren-Rallye

Fahrradschilder im Garganico nach Lesina und Apricena
Fahrradschilder im Garganico

Coca-Cola und Pizza in Lesina
Coca-Cola und Pizza in Lesina


Vasto: Kriegerdenkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs Lange Pause (trotz Trockenheit) in Lesina. Die Pizza Margherita ist viel zu groß, d.h. sie hat zu viele Teile (Foto oben). Cola-Cola brauche ich. In der lokalen Zeitung, La Gazzetta del Mezzogiorno, Fußball-Ergebnisse vom Wochenende. In den Orten, durch die ich gefahren bin.
Der Abstecher rund um Gargano hat sich gelohnt: eine sehr, sehr schöne Halbinsel mit wenig Verkehr. Kurz hinter Lesina kreuze ich die Autobahn. Die Strecke führt zurück zur SS16 Adritica. Die Neubaustrecke dorthin ist gesperrt. Offenbar ist die große Brücken-Stafette schon defekt. So ist es auch schöner. Die SS 16 ist dann ätzend. Viel Verkehr. Sehr viel Verkehr. Sehr, sehr viele LKW: Soll das so gehen bis Venedig???
Die Straße führt wieder zum Meer. Aber jetzt sind zwischen Straße und Strand die Zuggleise und reichlich Gebüsch. Einmal hätte ich rübergekonnt zum Schwimmen. Gerade scheint mal wieder die Sonne. Das Mediterrane lockt. Zum Glück, wie sich später zeigt, verzichte ich.
Denn beim Zwischencheck auf dem Smartphone entdecke ich: Ich hab gar nicht - wie gedacht - ein Zimmer in Termoli gebucht, sondern in Vasto. Kurz darauf ein Schild: Termoli 15 km, Vasto 30 km. Die 15 Kilometer schaffe ich auch noch. Oder hab ich mir die Zahlen nur eingebildet? Jedenfalls kommen mir in Termoli Zweifel. Ich messe nach: von wegen 15 Kilometer. Noch 32 Kilometer sagt Google.
Ok. Die dürften flach sein. Aber auch das entdecke ich: Der Zielort Vasto liegt auf dem Berg. Vorher gilt es aber erst mal einen weiteren Regenschauer, einen weiteren Gewittersturm abzuwarten. Ich rette mich unter die Unterführung des Zugangs zu einem Hochhaus. Wieder peitscht es an mir vorbei (Video oben). Ich warte etwas lang. Als ich aufbreche, sind ringherum schwarze fette Wolken ohne Ende. Und wenige lichte Lücken.
Als es schon halb dunkel ist, taucht am Fahrbahnrand ein Radweg auf: Anfangs asphaltiert. Der Asphalt ist schon zugewuchtert. Immerhin: die Radweg-Brücke parallel zur Straße ist wie neu. Danach hört der Asphalt auf. Das ist zunächst mal gut, weil die Strecke gleichmäßiger, ebener wird. Bis auf die Wasserstellen. Vor allem eine, bei der ich vor dem Durchrollen nicht abschätzen kann, wie tief sie ist. Ergebnis: beide Füße geraten unter Wasser. Ich wusste gar nicht, wie trocken Schuhe und Strümpfe schon waren. Das ist jetzt vorbei.
Das Ortschild von Vasto kommt unerwartet früh. Nützt aber nichts, weil einsetzender Regensturm mich zu einer weiteren, längeren Zwangspause unter ein Tankstellendach zwingt. Noch 6,3 Kilometer sagt der Routenplaner. Davon die letzten beiden Kilometer kräftig bergauf. Quasi drei Lerchenberge. Das B&B liegt auf 150 Metern überm Meer im Kern der Stadt (Foto rechts am nächsten Morgen: Kriegerdenkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs). Die Rezeption, das war klar, ist täglich nur von 17.30 bis 18.30 Uhr besetzt. Ich muss für den Check-In anrufen. Aber niemand hebt ab. Mir ist kalt, ich bin nass. Ich spreche auf den AB. Versuche es ein zweites Mal. Keine Reaktion. Kurz entschlossen buche ich ein weiteres Zimmer in einem Hotel in der Nähe. Im Gegensatz zur ersten Nacht muss ich aber diesmal nur eins zahlen. Und das ganze nasse Zeug waschen. Noch mehr Trübsal: ich beginne mit der literarischen Einstimmung auf den Lido di Venezia: "Gustav Aschenbach oder von Aschenbach, wie seit seinem fünfzigsten Geburtstag amtlich sein Name lautete..." Mal wieder: Tod in Venedig.


Trabocco Punta Rocciosa
Fischer-Brücke ins Meer: Punta Rocciosa


Mountainbike-Fahrer im Schotter der ehemaligen Bahnstrecke bei Punta Rocciosa Der Radler von der italienischen Masochisten-Vereinigung
Dienstag, 20. September 2016: Vasto - Pescara - San Benedetto del Tronto (135 km)

Noch bevor ich losgefahren bin, hat es etwa viermal geregnet. Dunkle und weniger dunkle Wolken hängen über dem Bergort. Um den Start hinauszuzögern und den Anstieg gestern Abend zur Stadt zu rechtfertigen, schlender ich durch Vasto. Alles vast. Nur in den Kirchen ist was los. Davon gibt es einige. Morgenmessen.
Na ja, irgendwann muss ich los. Mehr oder weniger liegen drei Tage Krise hinter mir. Ich hadere mit der Tour. Mit der Planung. Immerhin habe ich ab heute keine gebuchten Hotels mehr. Mindestens 120 Kilometer muss ich trotzdem fahren.
Ok. Es geht los. Und es fängt an zu regnen. Ich ziehe wieder die Überschuhe an. Die Wind-Regen-Jacke habe ich eh an, weil es sonst zu kalt ist. Doch schon bald erscheint jenseits der Regenwolken wie ein Ozonloch eine große blau Fläche über der nordwestlichen Küste. Da, wo ich hin will. Als ich bei SS-16-Kilometer-Stein 500, die Hälfte der tausend Gesamt-Kilometer (wobei die Kilometer-Zählung beim Wechsel von Provinz zu Provinz schon mal ein paar Kapriolen schlägt), ein Foto von Stein und Schild mache, holen mich noch mal Wolken ein. Dann ist Sonne. Der traumhafte Resttag setzt ein. Es wird warm. Und flach. Zu den vielen überfahrenen Ratten gesellt sich heute auch ein kapitales Wildschwein. Die deutschen Autos haben nach Ende des Gargano erfreulich nachgelassen.
Die Bahnstrecke weicht etwas aus ins Hinterland, aber direkt an der Küste sind immer noch Reste der alten Gleisstrecke zu sehen. Auch, wenn sie anfänglich ins Meer abbröckeln: verlockend, hier einen richtigen Radweg anzulegen. Soll ich das mal testen? Die Fischerbrücke am Punta Rocciosa (Foto oben) erleichtert die Entscheidung. Während ich fotografiere, rumpelt ein Mountainbiker (Foto links) an mir vorbei. Er muss zur italienischen Masochisten-Vereinigung gehören: er kämpft sich durch übelsten Gleis-Schotter. (Wenige Wochen später lese ich von einem neuen Trend: Gravelbiking - unter dem Motto "ride everything".) Ich kämpfe mich hinter ihm her. Es hat aber keinen Sinn. Irgendwann weiß ich nicht mehr, ob ich vor oder zurück fahren soll, um wieder auf die Straße zu kommen. Zuletzt schieb ich einfach einen kleinen Pfad hinauf zur Straße und komm oben um die Leitplanke herum wieder auf die Fahrbahn.
In San Vito Chietino Mittagspause in einer Pizzabäckerei. Ich will wegen der Hitze schon im Schatten sitzen. Heute Morgen habe ich noch darüber sinniert, ob ich nicht besser einen Windstopper mitgenommen hätte. High noon: die ersten 40 Kilometer sind geschafft. Meine Wunsch-Einteilung, alle drei Stunden 40 Kilometer hinter mich zu bringen, klappt von Tag zu Tag besser. Nun gut, vor Jahren waren es noch 50 Kilometer.
Bei Ortona muss man ausnahmsweise mal richtig den Berg rauf. Sogar einen Tunnel haben sie hier gebaut. Das ist an der Küste extrem selten.
Vor Pescara geht's wieder ran ans Meer. Auf die schöne Art. Eine Art Radweg. Dann eine riesige Rad- und Fußgängerbrücke zwanzig Meter über der Mündung des Pescara-Flusses ins Mittelmeer . Und sie wird genutzt. Von Joggern, Spaziergängern und Radlern. Alltags- wie Renn-Radlern (Foto unten).


Pescara: Große Rad- und Fußgängerbrücke über Fluss und Hafen der Stadt
Pescara: Große Rad- und Fußgängerbrücke über Fluss und Hafen der Stadt


Torre di Cerrano - Torre del Cerrano an der SS Adriatica Nach der Brücke beginnt ein Strandpromenaden-Radweg. Ich lechze längst nach dem Zauberwort "lungomare": Küstenpromenade. Viele Kilometer. Dann plötzlich das Ende. Man muss landeinwärts über die Brücke. Direkt danach folge ich wieder dem Schild "mare", in der Hoffnung auf eine Fortsetzung von lungomare. Die erweist sich aber als Sackgasse. Wieder einen ganzen Kilometer zurück zur SS 16.
Dann das unglaubliche: 489 Kilometer nach dem Flughafen von Bari taucht unerwartet dieses Schild auf: "Ciclovia Adriatica - Bicitalia 6" (Foto unten). Der lang ersehnte, offizielle Adria-Radweg. Ich hatte Bilder gespeichert, auf denen Plan und Realität des nationalen italienischen Radweg-Netzes dargestellt sein sollten. Demnach hätte ich fast ständig auf diesem Adria-Radweg fahren können müssen. Allein: außer ein paar rudimentären Kilometern Radweg ist mir bis dato nichts begegnet. Schon gar nicht irgendein Hinweisschild auf die große Ciclovia an der Adria.
Den Weg will ich testen. Man muss unter der Bahn durch. Hier führt der Weg hundert Meter bis zu einem eingezäunten Turm-Museum (Foto rechts). Von 8.30 bis 19.30 Uhr ist das Tor auf. Und solange auch der Radweg. Dem man nicht ansieht, dass er einer ist. Er ist auch keiner. Am Ende des Turm-Areals geht er über in eine Pinien-Pflanzung. Man fährt weich auf einem Pinien-Nadel-Teppich. Ein Untergrund, der auch nur entfernt an einen Radweg ähneln würde? Fehlanzeige. Aber hier und jetzt ist immerhin ein idealer Strand, wenn auch nicht ein expliziter Nudista-Spiaggia. Endlich schwimme ich. Lege mich in die wunderbaren Wellen.
Den "Radweg" verlasse ich bald. Um einige Kilometer weiter eine sensationelle Holzbrücke zu sehen, wie sie über einen Fluss führt. Was ist das? Doch ein richtiger italienischer Radweg? Wieder ein Hinweis auf die Ciclovia Adritatica. Ich gebe ihr eine weitere Chance. Und siehe da, der Abruzzen-Küsten-Radweg (Foto unten) macht es möglich: rund um Giulianova radelt man wunderbar. Und wenn mal ein Fluss kommt, kommt eine richtige Radler-Brücke aus Holz zu Hilfe. Incredibile.
Aber auch diese Freude hat bald ein Ende: In Martinsicuro endet der Radweg im Kreisverkehr. Wieder ein Fluss. Man sieht schon mein Tagesziel San Benedetto der Tronto auf der andern Seite. Um dorthin zu kommen, muss man aber erst mal zwei Kilometer zurück zur Straße. Dann über die große Brücke, die in ein Hochstraßen-Konglomerat mündet, das zur Autobahn aber auch zur Stadt führt. Alles natürlich für Radler gesperrt. Aber anscheinend alternativlos. Immerhin bekomme ich so einen schönen Blick auf die erstaunlich große Stadt.
An der zweiten Ausfahrt geht's auf die via mare, die eben wieder zum Meer führt. Dort wieder ein Radweg. Da reiht sich Hotel an Hotel. Die allermeisten allerdings sind geschlossen. Also kann ich wieder mein neues Roaming-Hobby auf dem kleinen der beiden Handys beginnen. Etwas mühsam, aber effektiv. Nach fünf Minuten hab ich ein Strandhotel, 800 Meter von meiner Promenaden-Bank entfernt, gebucht.
Nach dem Check-In schnell noch zwischen Sonnenuntergang und Dunkelheit ein zweites Seebad heute. Die Krise ist überwunden. Ich bin sogar noch so fit, dass ich sogar abends meinen Blog schreibe. Und nicht wie in den letzten Tagen direkt ins Bett sinke. Nicht ganz ungewöhnlich: nach den ersten drei harten Tagen geht es ab dem vierten Tag meistens leichter. Ich liege genau im Plan. Kann es gut bis Venedig schaffen. Und komme vielleicht noch auf 99.000 Kilometer ganz am Ende dieser Tour. Andererseits könnte ich die 50-Kilometer-Strecke zwischen Rimini und Ravenna auch getrost mit dem Zug fahren: da sind wir ja schon 2008 langgeradelt.


Bicitalia 6: Ciclovia Adriatica - Schild beim Torre di/del Cerrano
Erstes Hinweisschild nach 489 Kilometern: Adria-Radweg Ciclovia Adriatica

Bike to Coast Abruzzo bei Tortoreto Lido: 154 KM Küsten-Radstrecke bei Pescara
Abruzzen-Küsten-Radweg


Überflutete Bahn-Unterführung in Cupra Marittima Nazareth an der Adria
Mittwoch, 21. September 2016: San Benedetto del Tronto - Loreto - Ancona - Senigallia

Halb acht Frühstück. Auch heute Morgen ist es wieder reichlich, was früher in Italien alles andere als die Regel war. Wie das spürbare Bemühen um jeden Gast mag es mit der Bewertungsfunktion der Online-Buchungsportale zu tun haben. Ich halte mich vor allem an Käse. Der Rest ist Zucker. Sogar mir zu viel davon.
Um acht Uhr könnte ich losfahren. Stattdessen legt der Regen los. Ich bleibe und lese. Tod in Venedig. Kurz nach neun scheint sich der Regen gelegt zu haben. Eine gute halbe Stunde fahre ich auf dem Radweg an der Strandpromenade. Erst leichter Regen. Dann wird er immer heftiger (Video weiter oben). Über eine Stunde sitze ich in einer Strandbar mit Blick auf Rad, Regen und Meer. Und lese weiter.
Kurz nach Wiederaufnahme der Fahrt endet der Radweg wieder mal völlig willkürlich. Es gibt halt auch keinen Radführer für die italienische Adria-Küste. Und vor Ort keine Warnschilder, kaum Sackgassenschilder. Ich muss umkehren. Um komme nicht unter der Bahn her. Die Unterführungen stehen unter Wasser (Foto links). Bei einer versuche ich es trotzdem. Sie ist einerseits Fußgängerunterführung, andererseits ein Bach, der zum Meer fließt. Dessen Abfluss funktioniert nicht so ganz. Ich kann das Rad nicht schieben und nicht im Schlamm fahren. Bei der nächsten, der vierten oder fünften Unterfühung habe ich mehr Glück. Dann also wieder SS16.
Zwei, drei Mal fahre ich wieder vergeblich zum Strand. Sackgassen. Dann verpasse ich wohl den richtigen Abzweig zum Strandpromandenweg. Bekomme aber noch jede Menge Radweg-Kilometer mit. Bevor es vor Civitanova Marche wieder zur Flussüberquerung auf die Straße geht. Im Ort decke ich mich in einem Lidl ein.
In Porto Recanati kann man wieder näher am Strand fahren. Muss aber aufpassen, dass man nicht den Abzweig über die Bahn verpasst. Denn geradeaus auf der SP 1 kommt die wilde Küste des Conero-Bergmassivs. Den Gipfel mit seinen 572 Metern lasse ich lieber rechts liegen. In fünf Kilometern Entfernung von der Küste kann man den Berg zunächst umgehen.
Hier will ich sowieso einen Abstecher zum Wallfahrtsort Loreto (Fotos unten; ich dachte immer, der liegt in Spanien) machen. Die SS 16 führt am Fuß des Berges vorbei. Der Abstecher hinauf bedeutet zwei Kilometer Anstieg mit hundert Höhenmetern. Zwei Lerchenberge, sozusagen.
Am Ortseingang werden die Geschwisterstädte präsentiert: Altötting, Tschenstochau und Nazareth. Das ist die Liga, in der Loreto ganz oben mitspielt. Bemerkenswert ist auf der Liste vor allem Nazareth: wird doch in Loreto die Santa Casa, das heilige Wohnhaus der heiligen Familie aus Nazareth verehrt. Wie das? Nach der Niederlage der Kreuzfahrer im Heiligen Land sollen Engel drei der vier Wände Richtung Europa gebracht haben. Die hiesigen Wände sollen mit der letzten Wand in Nazareth nach wie vor zusammenpassen...
Heute führt ein Franziskaner eine beachtliche Pilgergruppe mit einer noch beachtlicheren Beschallung des ganzen Platzes vor der Basilika zu dem Heiligtum. Das Haus in der Kirche ist von außen mit Motiven der Heiligen Familie gestaltet (Fotos unten). Innen sind Fresken-Reste auf Backstein-Mauerwerk zu finden.


Santuario della Santa Casa di Loreto: Fassade
Fassade der Wallfahrtskirche Santa Casa

Santuario della Santa Casa di Loreto auf dem Berg
Santuario della Santa Casa di Loreto

Santuario della Santa Casa di Loreto: Die Heiligen Drei Könige: Detail des Außenschmucks
Die Heiligen Drei Könige: Detail des Außenschmucks an der Santa Casa


Ancona: monumentales Stadttor Porta Pia von Papst Pius VI., 18. Jahrhundert Jetzt hat der Wind mal wieder gedreht. Und bläst am Nachmittag im Rücken. So geht's leicht Richtung Ancona. Kurz vor der Stadt kommt allerdings so oder so ein Berg. Auch wenn die Strecke nie über 200 Meter hinausgeht, ist auf der Straße immer wieder die Winterreifenpflicht vom 15.11. bis 15.4. beschildert. Die SS 16 ist allerdings hier für Radler gesperrt. Der Verkehr ist in der Nähe der Großstadt sowieso heftig geworden. Auf meiner Karte entdecke ich eine Nebenstrecke. Die mir ein Rennradler auch bestätigt. Er - wie auch ein anderer Radler - meinen zwar, das Rad-Verbotsschild auf der Straße habe keine allzu große Bedeutung. Aber hier auf den kleinen Straßen sei es schon besser.
Es geht am Ikea vorbei noch einmal etwa auf die Höhe der Wallfahrtskirche von Loreto. Dann in die Hafenstadt Ancona bergab. Max. speed 69 km/h auf der Via Varano. Die Richtungen "Centro" und "Porto" (Ancona bietet jede Menge Fährverbindungen über die Adria nach Kroatien, Albanien, Griechenland) divergieren. Ich entscheide mich für "Porto", einfach, weil es da konsequenter bergab geht. Ganz unten muss ich entdecken, dass der Dom sowieso auf einem andern Berg steht (Foto unten). Das packe ich heut nicht mehr. Immerhin radle ich am monumentalen Stadttor "Porta Pia" von Papst Pius VI. vorbei (Foto rechts). Es ist schon fast 18 Uhr. Und deshalb höchste Zeit, das Tagesziel Senigallia anzupeilen.
Jetzt mit noch mehr Rückenwind und ganz, ganz flach am Meer entlang. Bei der Stadtausfahrt begegnet mir ein Radlerpaar. Vermutlich Deutsche. Der Verkehr ist so dicht, dass wir uns nur von fern grüßen. Schon eine Weile vor Senigallia kann man auf der Strandstraße fernab des Fernverkehrs radeln. Direkt am Strand. All die Tage mit ständiger Meerluft sind prächtig. In einem Hotel sind offenbar afrikanische Flüchtlinge untergebracht. Viele Hotels sind auch hier mit dem Ende der Hauptsaison geschlossen.
Die Anlage von Strand, Straße und Hotels haben nicht das schicke Flair wie noch gestern in und um San Benedetto. Heute frage ich einfach in einem Hotel, das einen guten Eindruck macht, nach einem Zimmer. Ganz ohne Internet. Die nachträgliche Gegenprobe ergibt: auch bei booking.com hätte ich mich vermutlich für genau dieses Hotel, Sirena, entschieden. Und den gleichen Preis hätte ich auch bekommen. Nur ein Zimmer mit Meerblick bekomme ich nicht. Ich vergesse einfach, danach zu fragen. Und vor Zimmer 509 angkeommen, hab ich keine Lust und Energie mehr, zurück zur Rezeption zu gehen.
Heute Abend bin ich fit genug für einen Absacker an der Strandpromenade. Mit Blick auf das schick beleuchtete Meereskunde-Museum, die Rotonda a Mare (Foto unten).


Blick auf Ancona mit Kathedrale des Stadtpatrons Judas Cyriacus und die Chiesa dei SS. Pellegrino e Teresa
Blick auf Ancona

Rotonda a Mare in Senigallia bei Nacht
Rotonda a Mare in Senigallia bei Nacht


Strand bei Senigallia Luca, Gianluca und das Po-Delta
Donnerstag, 22. September 2016: Senigallia - Rimini - Lido di Dante - Ravenna (147 km)

Sonne über dem Hotel Sirena (Foto links). Morgens Gegenwind, abends Rückenwind. Dieser Rhythmus hält an. Frühstück gibt es erst um acht Uhr. So bin ich wieder erst kurz nach neun auf der Strecke. Mache noch einen lohnenswerten Schlenker durchs Städtle Senigallia.
Mittags um zwölf bin ich nach 42 Kilometern in Pesaro. Der 40-80-120-Kilometer-Rhythmus läuft immer besser. Die Stadt bietet drei Bike-"Linea". Nummer 2 beginnt schon reichlich vor Pesaro. Führt häufig direkt am Strand entlang (Foto unten; Video unten). Ist auch gut frequentiert. Im Ort hinter der Brücke über die Foglia beginnt Rad-Linea 3 - die mit dem warnenden Titel "Baia Flaminia" versehen ist. Sie führt tatsächlich nur in die sehr schöne Bucht. Wo ich Strandcafé-Besitzer Filippo kennenlerne. Er bringt mir schonend bei, dass ich zurück muss, um dann um den einzigen Berg des Tages weitgehend herumzufahren. Es gebe auch die "bellissima" Panorama-Route über den Monte San Bartolo, aber er empfehle die SS 16 Adriatica.
Die ist hier auch angenehm zu fahren. Weitgehend vierspurig führt die Straße auf schließlich hundert Meter überm Meer. Um dann nach "Cattolica" (Wikipedia: "Der Name Cattolica wurde in einer Auseinandersetzung zwischen katholischen Bischöfen und Anhängern des Arianismus in der Zeit um das Konzil von Rimini, 359 n. Chr., dem Gebiet südlich von Rimini gegeben.") hinunterzuführen.
Jetzt beginnt der Rimini-Strip. DIE Destination für Camping- und sonstigen Sommer-Urlaub an der italienischen Adria. Nicht, dass ich nicht schon reichlich schöne Strandabschnitte gesehen hätte. Aber jetzt schließen die Orte fast lückenlos aneinander an. Die Hotels werden größer und höher.
Die Altstadt von Rimini erweist sich als äußerst sehenswert. Triumphbogen und Brücke aus dem ersten Jahrhundert. Auch aus späteren Jahrhunderten ist einiges zu sehen (Fotos unten; Video Fahrt durch die Stadt und über die Brücke unten).


Radweg vor Pesaro
Radweg direkt am Strand bei Pesaro


Radwege bei und in Pesaro, sowie durch Rimini

Chiesa Cattolica del Suffragio 'San Francesco Saverio' in Rimini
Rimini: Kirche del Suffragio 'San Francesco Saverio' (17. Jh)

Ponte Tiberio (Tiberiusbrücke) in Rimini
Tiberiusbrücke in Rimini (erbaut von den Kaisern Augustus und Tiberius 14-21 n.Chr.)

Papstfigur vor Palast an der Piazza Cavour in Rimini
Papstfigur vor Palast an der Piazza Cavour in Rimini


Parco Regionale del Delta del Po: Fischerhütte auf Stelzen bei Lido di Classe Bei Tages-Kilometer 100 gönne ich mir ein Bad im Meer. Das ist erfrischend, angenehm. Die Strecke zwischen von Cervia landeinwärts nach Ravenna zur Umgehung des Naturparks Delta del Po, die wir 2007 auf der SS 16 hinter uns gebracht haben, habe ich horrormäßig in Erinnerung. Deshalb zögere ich den Schwenk auf die Hauptstraße möglichst lang hinaus. Nehme sogar in Kauf, dass ich einen Umweg fahren muss.
Auf den Straßen durch die Hausreihen in den Pinienwäldern sehe ich schließlich gegenüber zwei junge Radler mit Gepäck. Ich grüße zunächst nur, fahre weiter, kehre kurz danach aber zu ihnen zurück. Welchen Weg haben sie nach Ravenna genommen? Siehe da: Luca und Gianluca sind durch den Nationalpark des Po-Deltas gefahren. Es gebe da überall Brücken (die auf Google-Maps nicht zu finden waren) und sogar Hinweisschilder. Grandios.
Ich bleibe also nah am Strand und stoße sogar auf eine Karte mit drei Rad-Routen durch diesen ersten Teil des Po-Deltas: Nummer 2 ist genau mein Ding: sie soll zum Lido di Dante führen. Das ist genau die Strecke, die ich heute noch locker schaffen kann. Als die Route dann von der Straße ab auf Feldwege abzweigt, ist alles von jetzt auf gleich wie ausgewechselt: Stille, Vogelgezwitscher, traumhaftes Abendlicht. Die Kanäle bestimmen den Weg (Foto unten). Hier und da hängen Reihen von Fischerhütten vom Ufer übers Wasser (Foto rechts). Einzelne Angler, wenige Radler und Jogger begegnen mir. Dann ein Pinien-Wald. Es ist deutlich kühler hier als ringsum. Der schmale Weg allerdings windet sich - auf der Karte war er ganz gerade. Und: Mein Weg Nummer 2 ist - im Gegensatz zu Nummer 3 - nicht der, der besonders intensiv ausgeschildert wäre. Gut, dass ich die Karte fotografiert habe, denke ich. Und folge dem dort eingezeichneten Weg. Bis eine Schranke kommt und hundert Meter weiter ein verschlossener Zaun. Zum Glück kommt grad ein Fischerpaar von der letzten Hütte. Ja, ja, man könne dem kleinen Seiten-Pfad folgen und komme so zum Lido di Dante. Einfach am hohen Turm orientieren.
Ich sehe keinen hohen Turm, aber den Pfad. Schon nach wenigen Metern liegen ein paar Bäume quer. Mit Mühe schiebe ich das Rad unten durch. Dann werden die Brombeersträucher immer dreister und verteilen ihre Äste überall auf dem Pfad. Ich trage das Rad mehr, als dass ich es schiebe. Immer mehr Hindernisse blockieren den Weg. Dann zweigen Minitrampelpfade rechts ab. Es wird langsam dunkel. Ich lasse das Rad stehen. Und erkunde die verschiedenen Optionen. Nirgendwo geht es richtig weiter.
Ich trete den Rückzug an. Zurück über all die Hindernisse und Brombeerzweige. Zurück bei den Fischerhütten taste ich erst mal Vorder- und Hintermantel ab. Scheint kein Dorn drin zu stecken. Und weiter zurück. Bis zum nächsten Abzweig. Ein Pfad zwischen Feldern. Merkwürdigerweise auch hier Brombeerdornen auf dem Weg, obwohl ringsum keine Sträucher zu entdecken sind.
Ich erreiche die nächste Abzweigung. Kann gerade noch einen andern Radler zum Anhalten bewegen. Er meint, der Hauptweg zum Lido di Dante sei durch einen Sturm gestern mit umgefallenen Bäumen versperrt. Ich solle weiter auf dem Dornen-Feldweg bleiben. Mach ich. Erreiche irgendwann wieder Asphalt und den Lido. Wo es nur Campingplätze und keine Hotels gibt.
Weiter in der Dunkelheit. Mein Vorderlicht bringt seit ein paar Tagen kein Licht mehr hervor. Also Stirnlampe und Batterie-Rücklicht an. Windjacke an. Noch ein schnelles Schoko-Eis aus einem Café. Und schließlich ein beleuchtetes Hotelschild. Dem folge ich. Einige Gäste laufen umher. Aber alles ausgebucht. Ich kann das Hotel-Wlan nutzen. Und direkt ein Hotel 1.900 Meter weiter in Fahrtrichtung buchen. Hotel Regina in Punta Marina. Gehört irgendwie noch zu Ravenna, wovon ich diesmal leider sonst nichts mitbekomme. Miri sitzt unterdessen schon im Zug nach München, resp. Venedig. Morgen wollen wir uns am Lido di Venezia treffen.


Parco Regionale del Delta del Po
Mein Schatten am Abend im Naturpark Po-Delta


Ehemalige Benediktiner-AbteiPomposa (Abbatia Sanctae Mariae Pomposae) Pompöse Abtei, schwankender Radweg und eine geniale Anfahrt auf Venedig
Freitag, 23. September 2016: Ravenna (Punta Marina) - Marina di Ravenna - Fähre - Marina Romea - Chioggia - Fähre - Pellestrina - Santa Maria del Mare - Fähre - Alberoni - Lido di Venezia (130 km)

Frühstück um sieben macht Abfahrt um halb acht möglich. Ein bisschen Wartezeit kostet nach den ersten sechs Kilometern die kleine Pendel-Autofähre von Marina di Ravenna nach Marina Romea. Die großen Tanker, die hier durchstoßen, haben Vorfahrt.
Es gibt eine Radweg-Beschilderung. Die Qualität des Weges ist wechselnd. Dann kommt die Entscheidung. Als ich hinter Casalborsetti die Staatsstraße SS 309 erreiche, die jetzt die SS 16 (die eigenartigerweise zu ihrem Startpunkt Padua abschwenkt) ersetzt, steht dort eine große Rad-Info-Tafel. Die handelt von einer Route namens "adriabike" (hier im Italienischen "Percorso Cicloturistico Adriabike"), die aus den slowenischen Alpen runter durchs Po-Delta führt. (Erst im Nachhinein stelle ich fest, dass es dazu im Stile des Bikeline-Radführers einen exzellenten, detaillierten Fahrradführer, u.a. auf Deutsch, gibt, den man sich kostenlos hier herunterladen kann (konnte): www.adriabike.eu - er hätte mir - auch mit seinem Abstecher nach Padua - auf den letzten beiden Etappen sehr geholfen.)
An dieser Stelle führt der Weg in einem Riesenbogen um die berühmte Lagunenlandschaft Valli di Comacchio herum. Ganz oben rechts steht auf der Tafel noch (kaum erkennbar aufgeklebt), dass die Fähre, die man dabei braucht, im Januar und Februar gar nicht fährt... Für diesen Umweg habe ich leider keine Zeit und halte mich also an die Hauptstraße. Auch wenn hier reichlich (LKW-)Verkehr an mir vorbeidonnert. Die Auffahrt zum Zubringer der A 13, die lange ausgeschildert ist, erweist sich als vergebliche Hoffnung: die Auffahrt ist gesperrt, irgendwas an der Fernstraße scheint nicht zu funktionieren. So wie das Wlan an der Tankstelle, das mir mehr über Alternativen zur Hauptstraße hätte verraten sollen.
Bleibt meine Google-Karte. Ich könnte etwas abseitig fahren, aber dann käme ich nicht zur Abtei von Pomposa. Für die man zunächst mal einen pompösen Schlenker fahren muss, um überhaupt von der Straße an das ehemalige Kloster ranzukommen. Das belohnt mit antiken Kapitellen, romanischen Mauern, Mosaiken aus dem 11. Jahrhundert, Wandmalereien aus dem 14. Jahrhundert (Foto links). Jede Menge los hier gewesen.


Kanal, Boote und Häuser in Chioggia
Vorgeschmack auf Venedig in Chioggia


Auf dem Damm zwischen Pellestrina und Villagio Caroman Kurz nach Pomposa kann ich auf eine kleinere Parallelstraße wechseln. In einer netten Bäckerei bekomme ich für 1,50 Euro ein kräftiges Stück Pizza. Am Ende der Strecke allerdings muss ich auf einen der hohen Fluss-Dämme, um einzusehen, dass ich auf die noch höhere Brücke über den Fluss nur komme, wenn ich zurück fahre.
Dann wieder zehn Kilometer Nebenstrecke: diesmal direkt an dem Canale di Valle entlang. Äußerst pittoresk. Über große Brücken führt dann die Hauptstraße hinein nach Chioggia. Eine Art Klein-Venedig (Foto oben). Mit einigen Kanälen und einer hervorragenden "Carpediem"-Gelateria.
Die Personen- und Fahrrad-Fähre fährt von Chioggia fast wie im Internet-Fahrplan angekündigt. Das geniale an dieser Anfahrt auf Venedig ist, dass man den Verkehr rund um die Stadt meidet, indem man sich dem Markusdom über die beiden langgestreckten, vorgelagerten Inseln Pellestrina und Lido di Venezia nähert.
Auf Pellestrina darf man mit dem Fahrrad leider nicht am ersten Halt, Caroman, aussteigen. Die Fahrt auf dem zwei Kilometer langen schmalen Steinstreifen entlang der hohen Sturmmauer (Foto rechts) sei zu gefährlich. Muss ich sie eben von Pellestrina aus in Angriff nehmen - und somit doppelt fahren. Tatsächlich ist sie nicht ganz ohne, vor allem ohne Absicherung zum Wasser hin. Aber Jogger und Radler weichen flexibel aus (Video ganz oben).
Dann schwankt der Radweg zwischen schöner Westseite und asphaltierter Straße auf der Ostseite der Insel. Ich schwanke noch mehr. Zum Glück intuitiv so, dass ich Miri in die Arme fahre. Sie hat die Nacht im Schlafwagen verbracht, schon im Hotel am Lido di Venezia eingecheckt und ist mir bis hierher entgegengekommen. Fahren wir also mit der Autofähre (Foto unten) auf die Insel Lido di Venezia. Auch hier schwankt der Radweg. Ein großer Radweg "E5" ist plötzlich beschildert. Die große EuroVelo-Route 8 "Mediterranean Route" vom spanischen Cádiz bis Athen und Zypern soll hier eigentlich herführen. Beschildert ist sie hier nicht. (Mehr von mir zu allen EuroVelo-Routen hier.)
Uns führt der Radweg (Foto unten) jetzt zum legendären Grand Hotel des Bains. Doch die Tod-in-Venedig-Location ist seit 2010 geschlossen und umschlossen von einem Bauzaun. Ob sich dahinter was tut, ist nicht genau zu erkennen. Schade. Auf einen Cappuccino wär ich da gern reingegangen. Gestern Abend hab ich die 105 Jahre alte Novelle, die hier spielt, mal wieder ausgelesen.
Am Ende des Tages sind auch die heutigen 130 Kilometer ein bisschen viel gewesen. Ich bin fertig. Es bleibt beim Vorsatz: keine Etappen mehr über hundert Kilometer planen. Leider ist es auch ein bisschen kühler geworden. Für ein Glas Wein draußen an der Granviale Santa Maria Elisabetta reicht es noch.



Gefährliche Radl-Fahrt von Pellestrina nach Caroman

Auf der Fähre von Pellestrina nach Lido di Venezia
Auf der Fähre von Pellestrina nach Lido di Venezia

Radeln auf dem Lido di Venezia vor der Sykline von Venedig
Venedig: auf dem Lido di Venezia


Chiesa di San Geremia und Palazzo Labia - Salone del Tiepolo in Venedig Leben in Venedig
Samstag, 24. September 2016: Venedig

Ein genialer, sonniger Tag in der Lagunenstadt. Der auch für manche Qual der Tour entschädigt. Unfassbar die Menge an Kunst und Kultur, die hier versammelt ist. In dieser traumhaften Umgebung.


Sonnenuntergang in Venedig
Sonnenuntergang in Venedig

Rose auf der Fähre zwischen Lido di Venezia San Nicolo: Tronchetto Ferry Lido
Rose am Hochzeitstag


Miri vor dem Panorama von Venedig mit der Chiesa di San Giorgio Maggiore Dämme, Kanäle, der Fahrradkorb und Touren-Kilometer 99.000
Sonntag, 25. September 2016: Lido di Venezia - Venedig - Padua - Vicenza (99 km)

Miri beginnt den Tag auch heute mit einem ausgiebigen Bad im Meer. Trotzdem können wir um 8.13 Uhr los. Um 8.20 Uhr legt unsere Fähre von San Nicolo ab. Die Linie 17 zu Venezia-Tronchetto. Mit einer Panorama-Fahrt an einer der schönsten Städte der Welt (Foto links, oben und ganz oben). Gekreuzt wird die Strecke von majestätisch dahin schwebenden, riesigen Kreuzfahrtschiffen. Auf die auch das ein oder andere Protestplakat in der Stadt Bezug nimmt.
Vom Hafen führt scheinbar der ideale Radweg am sechs Kilometer langen Damm von Venedig zum Festland. Südlich von Bahn und Straße ist ein breiter nagelneuer Holzweg (Foto unten) angelegt. Das Fahrrad-Sackgassen-Schild irritiert uns zwar ein wenig. Ist aber auch nicht eindeutig. Vor allem: was wäre die Alternative?
Der Top-Radweg wird bald abgelöst durch einen schmaleren, traditionelleren, asphaltierten Radweg (Video unten). Nach fünf, sechs Kilometern dann die böse Überraschung: der Radweg endet im Nichts. Tatsächlich Sackgasse. Für Radler, die nach Venedig wollen, ist es ideal: sie können hier von der Straße auf den abgetrennten Radweg wechseln. In der Gegenrichtung aber ist die Autofahrspur unerreichbar. Man könnte sich in den gefährlichen Gegenverkehr stürzen. Wir schlagen uns stattdessen durch das Grünzeug diesseits der Leitplanke (Foto unten). Bis es gar nicht mehr weiter geht. Wir heben Gepäck und Räder über die Leitplanke an einer Stelle, wo die Fahrbahn einen U-Turn ermöglicht. So kommen wir auf die Straßenseite, die in unsere Richtung führt.



Ponte della Libertà: Anfang der Fahrt auf dem Damm von Venedig nach Mestre

Schicker Radweg von Venedig zum Festland
Schicker Radweg von Venedig zum Festland...

Sackgasse: Radweg von Venedig zum Festland
...endet als Sackgasse.

Schilder am Kanal-Brenta-Radweg
Schilder am Kanal-Brenta-Radweg


Radeln an der Villa Pisani (18. Jh.) am Kanal del Brenta in Stra Jetzt also Schnellstraße. Und manchmal Hochstraße zugleich. Gar kein Vergnügen. Und null Beschilderung, die hilfreich wäre. Wir wechseln mal auf obskure Randwege. Müssen zurück auf die Straße. Dreck. Lärm. Trotz Sonntag. Hafengegend. Selten ein Vergnügen.
Endlich die Strada Regionale (SR) 11 Richtung Süden. Am Canale Industriale Ovest entlang führt sie zum Canale di Brenta. Und der hat auch einen oder sogar mehrere beschilderte Fahrradwege: die Itinerari del Brenta (Foto oben). Der Kanal gilt wegen seiner venezianischen Bürgerhäuser, Villen und Schlösser als kulturelles Highlight (Foto rechts). Leider sind viele davon in Privatbesitz und somit eher aus der Ferne zu betrachten. Trotzdem könnte die Beschilderung etwas detaillierter sein.
Hier und heute ist reichlich Freizeitverkehr. Zu Wasser und zu Land. Die Beschilderung der Fahrradwege hält sich eher an asphaltierte Strecken. So könnte die Einfahrt nach Padua an den Wasserwegen vermutlich schöner sein. Stattdessen werden wir bis zum nördlichen Hauptbahnhof geführt. Was weder schön, noch notwendig ist.
Von hier aus wirkt Padua heute fast ein wenig leblos, verlassen. Das ändert sich völlig, als wir in die Gegend rund um den Palazzo della Ragione kommen. Hier ist ein Multi-Kulti-Fest, zu dem auch eine Blaskapelle durch die Straßen zieht. Obwohl die Strecke bisher recht leicht zu fahren war, macht sich nach den ersten 50 Kilometern des Tages bei mir plötzlich Erschöpfung bemerkbar. Dom und Baptisterium bilden wieder einen eher verlassenen Kontrast zur belebten Basilika des Heiligen Antonius. Hier ziehen Pilgergruppen umher. Am Altar weht eine ukrainische Fahne. In orthodoxem Ritus wird zur Mittagszeit ein großer Gottesdienst gefeiert.
Wir suchen im Süden der Stadt den Einstieg zum Radweg nach Vicenza. Am Fluss Bacchiglione soll er entlang führen. Wir finden ihn fast blind. Und er ist eine Offenbarung: Der kleine Fluss mäandert. Aber sein Damm nicht. Und auf dem verläuft der Radweg. Meist gut befestigt. Perfekt beschildert. Und kaum befahren. In den Ortschafen sind (Kürbis-)Feste. Und schöne Bauwerke gibt es auch noch (Foto unten).
Wir erreichen Vicenza, schließen den Kreis zu unserer Tour vor zwei Jahren. Tour-Kilometer 999 bedeutet Touren-Kilometer 99.000. Since 1981. Mit Sonnenmilch male ich die runde Zahl auf meine Gepäcktasche auf der wunderschönen Piazza dei Signori (Foto unten). Wie vor zwei Jahren fahren wir mit dem Zug nach Treviso und radeln die letzten fünf Kilometer zum Flughafen. Und wie vor zwei Jahren macht das Flughafen-Personal keinerlei Probleme bei den Rädern und deren Verpackung, aber bei meinem Fahrradkorb als Handgepäck. Diesmal ist es richtig ernst. Ich muss im diplomatischen Pendelverkehr zwischen Gepäckabgabe, Handgepäckkontrolle und Generalmanagerin versuchen, den Korb aus dem Fadenkreuz zu bekommen. So richtig klar wird nicht, wo das Problem liegt. Die Sicherheit scheint es nicht zu sein. Jedenfalls soll ich plötzlich den Korb nachträglich für 35 Euro aufgeben. Das ist er gar nicht wert. Aber er sei ein Gepäckstück zu viel. Das Argument können wir schließlich widerlegen. So wird alles gut. Und im Gegensatz zum Rückflug vor zwei Jahren muss der Bus am Flughafen Hahn auch nicht auf verspätete Flieger warten. Um kurz nach zwei sind wir in der Nacht daheim.

Egal ob Kopf-, Knie-, Schulter- und Halsschmerzen oder Erschöpfung: wenn die Tour vorbei ist, möchte ich keinen einzigen Meter mehr missen. Verbinde ich mit jedem Tag so viele schöne und prägnante Erinnerungen. Auch durch den Schmerz hindurch. Und ich sehe die Fotos und die Karte und denke: Wow. Klasse. Danke. Das ist genau der Ausgleich, der im Urlaub gut tut.


Mit dem Fahrrad am Castello San Martino Della Vaneza bei Cervarese Santa Croce
Miri am Castello San Martino Della Vaneza bei Cervarese Santa Croce


Auf dem Damm und Radweg des Fiume Bacchiglione

Chris on the Bike: Touren-Kilometer 99.000 in Vicenza
Happy Chris: Touren-Kilometer 99.000 in Vicenza


Route Bari - Venedig - Vicenza



Blaue Linie = Touren-Route; Buchstaben = Start und Ziel der Etappen

Etappen Bari - Venedig - Vicenza (17.-25.9.2016)

Details mit Geschwindigkeiten, Höhenmetern etc. als Excel-Tabelle

Tag Datum Start Zwischenstationen Ziel km
1. 17.9.2016 Bari Molfetta - Trani Barletta 78
2. 18.9.2016 Barletta Manfredonia - Vieste Rodi Garganico 163
3. 19.9.2016 Rodi Garganico Lesina - Termoli Vasto 121
4. 20.9.2016 Vasto Pescara San Benedetto d.T. 135
5. 21.9.2016 San Benedetto d.T. Loreto - Ancona Senigallia 130
6. 22.9.2016 Senigallia Rimini - Lido di Dante Ravenna 147
7. 23.9.2016 Ravenna Chioggia - Fähre - Pellestrina - Fähre - Lido di Venezia Lido di Venezia 130
8. 24.9.2016 Venedig
9. 25.9.2016 Lido di Venezia Venedig - Padua Vicenza 99
Summe 1003

Via Adriatica: Straßenschild zur Strada statale 16 in Torrette
Treue Begleiterin: die Via Adriatica - Staatsstraße SS 16


Anschluss Tour 68: Strasbourg - Vicenza (1275 km) April/Mai 2014

Anschluss Tour 38: Malta - Bari (922 km) Jan./Feb. 2008

Anschluss Tour 35: Feldkirch - Nizza (1457 km) April 2007


Nächste Tour: Karibik: Barbados - Haiti (902 km) Okt./Nov. 2016

Vorherige Tour: Berlin - Greifswald (500 km) Juli 2016


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Tour 82: Karibik: Barbados - Haiti (902 km) 2016
Karibik 2016
Chris Tour 91: Jerusalem - Dan - Eilat (1165 km) 2017
Negev 2017
on the Tour 96: Karibik II: Havanna - Miami (1560 km) 2018
Kuba 2018
Bike Tour 97: Kigali - Kampala - Nairobi (1136 km) 2019
Uganda 2019
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