Mit Japanern auf handschmalem Asphaltband Freitag, 12. September 2003: Oradea (Großwardein)
- Cluj Napoca (Klausenburg) (153 km) Deutsch im Ausland. Der
Prospekt des Parc-Hotel erzählt von einst strengen Sitten: "Parchen
mussten beweisen, das sie Mann und Frau waren." Es regnet immer noch.
Endless. In den Ausläufern der West-Karpaten ein erstes Pässchen, der
Prata Craiului (529 m). Danach wird das Tälchen der Schnellen Kreisch nett
bewaldet. Am Straßenrand der erste Fernradler. Bei der Reparatur
seines Vorderrads. Sieht japanisch aus. Ich halte, frage, ob ich helfen
kann, aber Verständigung kaum möglich. Als ich wenig später selbst halten
muss wegen der Gangschaltung, überholt er mich. Bald hole ich ihn wieder
ein. Als er es merkt, gibt er Vollgas. Eine Zeitlang kann ich mithalten.
Barfuß im Gummischuh tritt er immer in den schwersten Gang seines
Bianchi-Rads. Der Helm hängt hinten am alles andere als wasserdichten
Rucksack, eine Plastiktüte bedeckt den Schlafsack nur partiell. Zelten
kann er bei dem Regen heute vergessen. So wie ich fährt er, wenn eben
möglich, auf einem handschmalen Asphaltband zwischen Seitenmarkierung und
dem Schotterrand, auf dem der Straßenbelag eine Winzigkeit glatter ist als
die neue Schicht auf der Fahrbahn. Dann ist er weg. Ich hole ihn
wieder ein, als er bei einem Kollegen anhält, der einen Schlauch aufs
Hinterrad aufzieht. Ja, sie sind Japaner. Auf dem Weg von Frankfurt nach
Istanbul. Zweieinhalb Monaten lang. Ich fahre weiter, hole den nächsten
ein. Der kann besser Englisch. Jetzt frage ich, wie viele denn noch
kommen. Sechs sind sie insgesamt. Der Rest wartet in der nächsten Stadt.
Dann habe ich einen Platten. Ein drei Zentimeter langer Nagel hat sich ins
Hinterrad gebohrt. Loch einfach zu finden. Aber in der Nässe funktioniert
die Vulkanisierung nicht. Hinterrad raus, neuer Schlauch rein. Im Laufe
der Zeit überholen mich alle Japaner. Es regnet, regnet, regnet. Und ist
kälter als gestern. Ich jage den Japanern hinterher, überhole sie allesamt
bei einer Pause im nächsten Ort. Dann kommt kilometerlang provisorische
Fahrbahn mit Stau auf beiden Seiten. In halsbrecherischer Fahrt umkurve
ich die Autos mal rechts, mal links und Schlaglöcher aller Art. Die
Japaner tauchen schließlich im gleichen Hotel wieder auf. Es ist einfach
das erstbeste, in das wir uns vor dem unablässigen Regen flüchten. Sie
studieren in Kyoto, gehören dem Kyoto University Cycling Club an und sind
von Frankfurt über das unvermeidliche Neuschwanstein und den Großglockner
nach Dubrovnik runter und von dort rüber nach Budapest. Teils mit Bus und
Zug. Am schwierigsten sei die Entscheidungsfindung zu sechst. Am
angenehmsten die deutschen Radwege. Es regnet immer noch. |