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Casablanca - Dakar
1. Teil: Marokko


VG WORTMittagspause in El Ouatia
30. November 2006: Mittagspause in El Ouatia
mit Meeresbad und Fisch-Menü


1. Teil: Marokko
Sex-Tourismus und Flitterwoche
Von Rick's Café zu Saint-Exupéry's Flughafen



Rick's Café in der Medina von CasablancaCasablanca: A Bike Is Just A Bike
Donnerstag, 23. November 2006: Flug Frankfurt - Casablanca
In einem nahezu leeren Flugzeug fliege ich samt Radl - eingewickelt in 150 m Frischhaltefolie - nach Casablanca, das hier "Casa" heißt oder auch "Dar-el-Beida". Die restlichen 35 km in die Stadt darf ich dann doch im Zug zurücklegen, nachdem es anfangs hieß, Fahrräder dürften nicht transportiert werden. Die Zahlung eines 1.-Klasse-Tickets schafft die Schwierigkeiten aus dem Weg. "You must remember this: a bike is just a bike."








Stretching nach dem Walking am Strand von Casablanca
Stretching nach dem Walking am Strand von Casablanca


Moschee Hassan II. in Casablanca (Dar-el-Beida)Die üblichen Verdächtigen und die Zisterne, die keine ist
Freitag, 24. November 2006: Casablanca - El Jadida (112 km)
Casablanca ist nicht das kleine Nest aus dem Film von 1942 sondern Marokkos größte Stadt mit etwa drei Millionen Einwohnern. Aber eine gemächliche. Zumal an einem Freitagmorgen. Auf dem Fischmarkt im Hafen bin ich der einzige Touri. Die Kähne schwimmen im Atlantik-Wasser, das mich 3000 km bis Dakar begleiten wird.
Ich komme noch an Rick's Café vorbei. Einst eine Filmerfindung, die später in einem überkandidelten Restaurant im Hyatt inkarnierte. Jetzt haben die "üblichen Verdächtigen" das Management selbst in die Hände genommen: "The Usual Suspects S.A." eröffneten 2004 in der Medina Rick's Café. Die üblichen Verdächtigen haben einen guten Schlaf: das Café öffnet erst um 12 Uhr. As time goes by.
Selbst an der großen neuen Moschee Hassan II. (Foto links) ist am frühen Morgen wenig los. An den Stränden spielen viele Fußball oder joggen. Zwei walkende Marokkanerinnen mit Kopftuch stretchen am Promenaden-Geländer (Foto oben).

Zisterne von El JadidaWie erwartet habe ich Westwind, Gegenwind. Der wird stetig stärker. Mühsam komme ich voran. Richtig schön wird es nach der Festung Azemmour. Die Nebenstrecke führt erst zum Strand und dann bestens asphaltiert und verkehrsarm durch die Dünen.
Einziger Haken: Mich ereilt ein Hungerast. Ich habe nix zu essen dabei. Miri, du fehlst mir. Absoluter Zuckermangel. Jeder Meter eine Qual.
Ohne letzte Kraft erreiche ich El Jadida. Am erstbesten Kiosk kaufe ich wahllos Riegel und einen Liter Pfirsich-Saft, sinke auf einen herum stehenden Stuhl, stopfe alles in mich hinein und schlafe ein. Etwa alle fünf Minuten wache ich auf, werfe einen kurzen Blick aufs Rad und bin schon wieder weg.
Nach einer halben Stunde kann's weiter gehen. Ich radle durch die alte portugiesische Festung, in der eine "Zisterne" zu besichtigen ist, die zwar ein bisschen unter Wasser steht, vermutlich aber nie eine Zisterne war. Das Kreuzrippengewölbe würde auch zu manch anderem Zweck passen (Foto rechts).
Im Hotel Oscar oute ich mich als Warmduscher. Um an heißes Wasser zu kommen, muss ich das Zimmer wechseln, in dem ich schon breitflächig meine Klamotten verteilt habe.

Obst-Markt von Safi im RegenDer Heiratsmarkt von Oualidia
Samstag, 25. November 2006: El Jadida - Safi (145 km)
Die drei jungen Frauen gingen ganz langsam, voller Ruhe über die Straße. In Gummilatschen. Ohne Strümpfe. So, als wäre es nicht elf Grad kalt. So, als gäbe es den Regen nicht. Der Regen, durch den ich schon fünf Stunden geradelt bin. Und der gerade wieder stärker geworden ist. Aber nicht so stark, als dass mein Gegenwind die Tropfen nicht noch dazu brächte, kurz vor dem Aufkommen ein paar Meter weiter nördlich zu treiben.
Trotz der Pause triefen meine Klamotten. Meine Füße machen einen permanenten Kneippgang. Mein Mittagessen, bestehend aus je einem halben Liter Pepsi und Joghurt, hat noch keine Wirkung entfaltet. 200 m links und rechts steht je ein Hotel. Soll ich?
Die drei jungen Frauen haben meine Straßenseite erreicht. Und mich bemerkt, wie ich an dem Getränke-Kühlschrank lehne. Sie kichern mehr als dass sie lächeln. Bevor sie in dem Geschäft drei Häuser weiter verschwinden, winkt mir eine zu. Was ihre Vermarktung auf dem Heiratsmarkt von Oualidia vielleicht erschwert, mich aber belebt. Oder ist es der Zucker? das Koffein? Ich schwinge mich aufs Rad und der Regen ist nichts als Rausch. They made my rain-day.
Nächste Pause in Has Harrara. Ein kleines Fisch-Restaurant. Die Fische werden vor dem Restaurant gegrillt. Der Junge am Grill taucht den Aluteller noch mal schnell in einen Eimer mit einer grässlichen aber sicher chemie-freien Brühe und schon landen zwei Fische darauf. Samt Brot ein 1-Euro-Menü.

Burg und Stadtmauer von Safi im RegenDie Regenfahrt begann am Morgen wieder mit einer Nebenstrecke, die weitgehend eine Strandpromenade ist. Ein Hirtenjunge nutzt die Verlassenheit der Strecke und versucht vergeblich, mein Fahrrad festzuhalten, bevor die Straße wieder auf die Hauptroute samt Raffinerie, Phosphatfabriken und Hafen stößt, die Fische und Strände erfolgreich verdrängt haben.
Für eine kurze Pause rolle ich von der Fahrbahn auf den Randstreifen - ohne vorher abzusteigen. Die Quittung beim Weiterfahren: das Vorderrad eiert. Loch durch einen winzigen spitzen Stein. Ich kann - das Gewicht nach hinten verlagernd - noch zur nächsten Tankstelle fahren, wo ich mit klammen Fingern den Schlauch tausche.
Als ich am Abend immer noch aufgeweicht aber in trockenen Klamotten die portugiesischen Bollwerke von Safi durchstreife (Fotos links und rechts), regnet es immer noch. Aus meiner kleinen Packung M&Ms (die nicht-schmelzenden Smarties) möchte ein Junge ein smartes M&M. Intuitiv öffnen viele Kinder die Hand, sobald ich irgendwo auftauche. Ältere Jungs erwarten häufig reflexartig eine Zigarette. Hier find ich's ok. Und als ich ihm ein M&M gegeben habe, informiert er gleich zwei andere über die Quelle.
Zu guter Letzt Warteschlange im Internet-Café, das fast zur Hälfte von Mädchen besetzt ist. Tendenziell werden sie gegen zwei Uhr morgens, wenn das Café schließt, weniger.

Schlechte Luft: Phosphat-Fabriken bei SafiTouri-Business in der kleinen Parallel-Straße
Sonntag, 26. November 2006: Safi - Essaouira (128 km)
Blauer Himmel über Safi. An den Dauerregen erinnern nur noch die nassen Klamotten, die auf dem Gepäckträger trocknen sollen, und der nunmehr von innen beschlagene Fahrrad-Computer. Sobald die Phosphat-Fabriken von Safi mit ihrer Giftwolke (Foto links) hinter mir liegen, wird's nett.
Ab und zu geht's aufwärts. Hinter Souirira hat die Straße lauter Schlaglöcher bzw. ist ein einziges Schlagloch und führt dann auch - anders als von den Michelinis dargestellt - nicht gradlinig an der Küste entlang sondern in großen Schlangenlinien gelegentlich weit durchs Hinterland.

Hafen von Essaouria bei NachtDanach kommt der schönste Teil des Tages: Die Straße zieht sich am Hang entlang und gibt den Blick frei aufs Meer und auf den schmalen fruchtbaren Küstenstreifen, auf dem sich hin und wieder Sandablagerungen bilden (Foto unten). Dazu Rückenwind. Durch den stetigen Nordwind sind viele Bäume schräg nach Süden gewachsen. Einmal geht's richtig steil bergab. Gelegenheit zur max.speed von 71,0 km/h. Alles in allem 800 Höhenmeter heute.
Essaouira (Foto rechts) ist nicht so sehr Touri-Stadt, als dass die Hauptstraße der Medina nicht den kleinen Läden für die Einheimischen gehörte. Das Touri-Business spielt in der kleineren Parallel-Straße. Sieht man von den permanenten Haschisch-Angeboten ab, lässt sich hier nett daherschlendern.
Bis hierher bin ich zufällig der vor etwa einer Woche an der Küste entlang führenden Tour du Maroc gefolgt, einem Rad-Rennen, an dem Profis aber auch deutsche Amateure wie Oliver Stock teilgenommen haben. Gelegentlich wurde ich gefragt, ob ich die Nachhut sei...


Marokkanische Küste mit Sanddünen
Blick auf Küste mit Sanddünen


Arganien-WälderDer Sex-Tourismus von Agadir
Montag, 27. November 2006: Essaouira - Agadir (175 km)
Treue Begleiterin heute: die Arganie. Gibt's nur in Marokko. Wächst mal als dichter Wald, mal nur als kleiner verstreuter Strauch. Die Ziegen klettern drauf rum, um dran zu knabbern. Aus den Früchten lässt sich das nussig schmeckende Arganien-Öl gewinnen. Als Lebensmittel oder Kosmetik einzusetzen, wie die Tafel einer "Coopérative Féminine" am Wegesrand verrät.
Es geht über die Ausläufer des Atlas-Gebirges. Auf 450 m hoch. Vor allem aber auf und ab. Macht 1500 Höhenmeter heute. Die letzten 50, 60 km sind wieder flache Küstenstraße. Mehr Verkehr als an den andern Tagen, aber immer noch angenehm wenig. Und alles bei strahlendem Sonnenschein inkl. eines auf der Steilküste radelnd genossenen Sonnenuntergangs.
Agadir ist wie jede Pauschali-Hochburg gewöhnungsbedürftig. Ein völlig anderes Marokko. In der Hotel-Lobby läuft der übliche Sex-Tourismus, von dem selten zu lesen ist: Dicke europäische Frauen, die mit ihrer Figur dem arabischen Schönheitsideal nahe kommen, reisen als Single nach Marokko, Tunesien oder Ägypten und lassen sich ein, zwei Wochen von einem arabischen Boy verwöhnen. Das entsprechende Pärchen auf dem Sofa in der Lobby hat sich denn auch entsprechend wenig zu sagen.
Auch die Preise von Agadir sind eine andere Welt: Kostet eine Stunde Internet allerorten umgerechnet knapp einen halben Euro, war es in Essaouira umgerechnet knapp ein Euro, hier muss man bis zu 3,50 Euro zahlen - nicht umgerechnet sondern direkt in Euro-Cash.

Sackgasse in der Altstadt von TiznitMarokkanische Flitterwochen
Dienstag, 28. November 2006: Agadir - Tiznit - Sidi Ifni (171 km)
Das Hotelfrühstück fiel entsprechend aus: ein einziges Pain au Chocolat. Schnell weiter. Flach und verkehrsreich 90 km nach Tiznit (Foto links). Nur mein Aldi-Fahrrad-Computer muckt etwas, weil er immer noch Regenwasser intus hat. Dann schieben sich die Ausläufer des Anti-Atlas in den Weg. Auf der Hauptroute harrt ein eintausender Pass. Ich wähle die Ausweichroute am Meer über Sidi Ifni. Hügelig ist es auch hier.
Es geht bis auf 350 Meter, macht heute 1000 Höhenmeter. Mit einem lupenreinen Sonnenuntergang: die solare Scheibe, durch die kurz zuvor noch ein Franzose mit seinem Gleitschirm segelte, versinkt wolkenlos im Atlantik.
Ein Spanier hält und bietet mir Brot mit, wie er betont, "La vache qui rit"-Schmelzkäse. Er möchte mit seinem umgebauten Transporter über Mauretanien nach Mali, wie er mir gestern erzählte, als ich ihn bei einer Pause überholte. Müde sähe ich aus, meint er. Dieser Meinung schließen sich an diesem Abend noch einige an.
Sidi Ifni war mal eine spanische Enklave. Entsprechend die Architektur von Stadt und Häusern. Das Schwärmen, in das die alternativen Reiseführer ausbrechen, erschließt sich mir nicht sofort. Vielleicht aus Müdigkeit...
A propos Müdigkeit: Als ich kurz vor Mitternacht vom Internet-Café zum Hotel zurückschlender rollen grad Alenka und Matthias aus Schwerin in ihrem Mietwagen ein. Just married in ihrer marokkanischen Flitterwoche. Mit großem Aufwand haben sie mich noch eingeholt. Jetzt beginnt der Tag mit marokkanischem Rotwein und improvisierter Hochzeitstorte von vorn.

Christ on the Bike in Sidi IfniIm Prekariat der Unterkünfte
Mittwoch, 29. November 2006: Sidi Ifni - Guelmim - Ras Oumlil (128 km)
Gemütliches Frühstück mit dem Hochzeitspaar auf der Meeresblick-Dachterrasse im Hotel Bellevue. Matthias verbreitet mit seinem Ideen-Rausch mal wieder die Leichtigkeit des Seins. Sollte ich auf afrikanische Flüchtlinge bei ihren Manövern Richtung Kanarische Inseln stoßen, könne ich mich ja auch als Vorhut der deutschen Sicherheitskräfte ausgeben. Außerdem macht Matthias super Fotos, was er in einem kleinen Foto-Shooting (Foto rechts: weitere 18 Fotos hier) mal wieder unter Beweis stellt.
Dann geht's mit dem Radl weiter. Am liebsten würde ich weiter an der Küste, dem weißen Sandstrand ("Plage Blanche") entlang fahren, aber niemand kann mir genau erklären, wie's dort weitergeht. Die Straße ist zwar von Sidi Ifni schon ein wenig vorangetrieben, problematisch sind offenbar die Überquerungen der Oueds (Flusstäler) und die vielen verschiedenen Pisten, die nicht beschildert seien.
Fahre ich also durch schönste Berglandschaften wieder zurück zur Nationalstraße 1. Kurz hinter einem Bergdorf (Foto links) erreicht die Strecke mit 590 m ihren höchsten Punkt, bevor sie nach Guelmim abfällt.

Berg-Dorf in den Ausläufern des Anti-AtlasIch will ein paar Kilometer weiter, selbst wenn ich dabei in die Dunkelheit fahre. Der Mond leuchtet die Strecke gut aus, die LKW werden nicht weniger. In dem Örtchen Ras Oumlil mache ich eine kurze Pause. Vor mir liegt laut "Reise Know-How" eine "Passhöhe". Die sei 1200 m hoch, sagt Lahussein, der Café-Besitzer. Das kann eigentlich nicht sein, andererseits stimmt seine Antwort auf meine Kontrollfrage: Ras Oumlil liegt auf 200 m. Irgendwie reicht's mir auch. Er finde schon einen Platz zum Schlafen für mich, sagt er. Doch erst mal spielen seine beiden Söhne mit meinem Helm, bis Papa ihn auf den hohen Kühlschrank legt.
Nach geraumer Zeit ist Aufbruch zur Medizinstation des königlichen Gesundheitsministeriums. Dort kommt mein Rad unter. Ich darf im Nachbarhaus schlafen. Dort pennt auch einer seiner Angestellten. 2ZKB, in "meinem" Zimmer liegen eine dreckige flache Matratze und eine schmale Schaumstoff-Liege. Ansonsten noch ein paar Teppiche (Foto rechts).

Unterkunft in Ras OumlilUm mich zu akklimatisieren, lese ich in meinem Flughafen-Spiegel. Nach angemessener Zeit sehe ich in den Augenwinkeln, wie eine etwa sechs Zentimeter lange Kakerlake sich gemächlich auf den Weg Richtung Rucksack macht. Dass das Zimmer hell erleuchtet ist, lässt auf einen größeren Vorrat an diesen Geschöpfen schließen. Jedenfalls töte ich sie. Bei der nächsten, die sich von der anderen Seite heranmacht, habe ich den Eindruck, ich würde sie zertreten, aber der vermeintliche Kadaver hat sich später irgendwie selbstständig gemacht und ist verschwunden.
Gegen ein Uhr fühle ich mich genötigt, mit dem Schlafen zu beginnen. Verschließe meinen Rucksack bestmöglich, nutze den Spiegel als Kopfkissen-Auflage und schlafe tatsächlich irgendwie ein.


Elfmeter beim Beach-Football in El Ouatia (Tan-Tan Plage)
Elfmeter beim Beach-Football in El Ouatia (Tan-Tan Plage)


Steilküste zum Atlantik in der marokkanischen SaharaDie Mäuse von Paul Italiano
Donnerstag, 30. November 2006: Ras Oumlil - Tan-Tan - El Ouatia - Akhfenir (179 km)
Irgendwie wird Lahussein, mein Gastgeber, am Morgen genötigt, der königlichen Gendarmerie noch Geld in die Hand zu drücken. Meinetwegen? Ich kann jedenfalls unbehelligt weiterfahren. Statt eines 1200-m-Passes bleibt die Strecke zwölf km lang auf der Ausgangs-Höhe von 200 m. Dann geht es drei km leicht bergan, um dann auf dem letzten km mit sieben, acht Prozent Steigung bis auf 360 m zu führen. Läppisch.
Bergab bekomme ich richtig Schwung. Am Oued Draa, der Grenze zur Provinz Tan Tan, werden zum ersten Mal meine Personalien erfasst. Formlos aber endlos auf einem karierten Block: Name der Mutter, Name des Vaters... Tan-Tan nutze ich nur kurz zum Shoppen. Nicht mal für ein kunstvoll kreiertes deutsches Auto-Kennzeichen werfe ich meine Kamera an.
El Ouatia, früher "Tan-Tan Plage" wird dagegen zu einem Highlight. Eigentlich will ich im Korea House essen, aber das steht inzwischen zum Verkauf. Das Restaurant ist an der Abzweigung von der Nationalstraße zum Ort neu entstanden. Und an diesem Mittag jedenfalls geschlossen. Am Strand liegen weitere Restaurants, eine schöne Promenade (Foto ganz oben), an der ich nach einem Bad im Meer ein Fischmenü serviert bekomme. Als ich weiterziehe haben Jungs Tore aufgestellt und spielen Beach-Fußball (Foto oben).
Die Küstenstraße führt jetzt auf der "Steilküste" entlang (Foto rechts). Die Landschaft schon sehr karg. Ärmliche Fischerhütten stehen am Felsrand. Ich fahre in die untergehende Sonne. Durch meine Süd-West-Fahrtrichtung geht sie jeden Tag einige Minuten später unter.

Hotel von Paul Italiano in AkhfenirVor zwei Tagen habe ich im Internet einen Hinweis auf "Paul Italiano" gefunden, der bei Akhfenir (Akhfennir) ein Hotel mit Camping betreibe. Die kleine Anlage kommt tatsächlich etwa einen Kilometer hinter dem Ort (Foto links am nächsten Morgen). Habfinale und Thorsten Frings hin oder her: La Courbine d'Argent liegt einfach ideal auf meiner Strecke. Die Zimmer um einen Innenhof sind liebevoll eingerichtet. Klassische französische Literatur steht im Regal. Nach der Kakerlaken-Absteige von gestern bin ich glücklich und wasche kräftig.
Als ich schlafen gehen will, kruschpelt es unerwartet hinter dem Schrank. Ich will Paul Italiano informieren, doch der hat seine Handy-Nummer weiträumig gestreut und telefoniert dauernd. Endlich zieht er mit dem Nachtwächter und einem Spürhund, der auch gegenüber den Gästen nicht nur lieb ist, durch mein Zimmer. Als die Maus längst durch die Zimmertür entwischt ist, scharrt der Hund unermüdlich hinter meinem Schrank. Er soll sie dann einige Zimmer weiter erlegt haben.
Leider meldet sich um 3:03 Uhr die nächste Maus hinterm Schrank. Sie verhilft mir zu einem kleinen Spaziergang unter dem Sternenhimmel und schweigt nachdem ich kräftig am Schrank gerüttelt habe. Dann doch lieber Wüsten-Springmäuse, die gelegentlich vor mir über die Straße hüpfen.

Wrack am Strand bei TarfayaSaint-Exupéry: Wind, Sand und Sterne
Freitag, 1. Dezember 2006: Akhfenir - Sebkha Naila - Tarfaya (105 km)
Beim Frühstück sitze ich mit vier französischen Fischern zusammen. "Ich fang heut den Größten." verkündet der Dickste. Männer eben. Vom Dach aus entdecke ich im Campingbereich ein Radlerpaar. Lydie und Laurent sind auf einem Tandem von ihrer Heimat Rennes aus neun Monate mit unbekanntem Ziel aufgebrochen. Supernett. Sie wollen in vier Wochen in Dakar sein, ich in zwei. Sie wissen noch von einem Tschechen und einem andern französischen Paar, die kurz vor uns seien. Heute haben wir den gleichen Weg. Ich sehe sie aber nicht mehr, weil bei meinem Hinterradschlauch nach wochenlangem Mini-Schleichplatten heute endlich die Luft komplett raus ist. Am Ventil hat sich der Schlauch gelöst.
Der Wind bläst wild von der Seite. Wenige Zentimeter über dem Boden treibt der Sand über den Asphalt. Eigentlich harmlos. Doch jeder LKW wirbelt mehr Sand auf, als zu sehen ist, und mit tausend Stichen peitscht er die Sandkörner auf die Haut und in die winzigsten Lücken.
Ich mache einen Abstecher zu der hoch gepriesenen Lagune Sebkha Naila. Drei km ab von der Straße Richtung Meer. Leider sind auch hier alle versprochenen Flamingos nicht zu Hause. Ein paar Boote liegen im Wasser. Ernüchtert trete ich den Rückweg mit stärkstem Gegenwind an. Die Strecke dreht irgendwann wieder nordwärts zur Steilküste, und schon liegt der Wind wieder im Rücken. Sobald die Straße zurück zum Ufer führt, sind ein paar Schiff-Wracks am Strand zu sehen (Foto rechts).
Tarfaya am Cap Juby ist den Kanarischen Inseln mit 90 km am nächsten. Von den Versuchen, Flüchtlinge mit selbst gebastelten Booten auf die Inseln zu bringen, werden am Strand von Tarfaya schon mal Leichen angespült.

Denkmal für Antoine de Saint-Exupéry in TarfayaIm "Maison de l'Initiative" ist eine Ausstellung über Antoine de Saint-Exupéry und die Bedeutung des Cap Juby für die legendäre Aéropostale mit ihrem Luftpost-Verkehr von Frankreich nach Südamerika. Der Schriftsteller-Pilot soll, als er von 1927 bis 1929 hier lebte, zu Werken wie "Wind, Sand und Sterne" inspiriert worden sein. Stellwände informieren ausführlich. Ansonsten steht neben dem verfallenen spanischen Kino ein kleines Denkmal (Foto links; 30 weitere Fotos auf der Seite Foto Special: Antoine de Saint-Exupéry und Tarfaya am Cap Juby). Die französische Kaserne haben marokkanische Soldaten übernommen. Könnte man mehr draus machen.
Immerhin: Das "heruntergekommene" Hotel in Tarfaya existiert nicht mehr, dafür hat in der Ortsmitte Ahmed Segari das Motel, Café und Restaurant Bahja neu gebaut. Vom Restaurant geht es ins erste Geschoss, wo die Dorfjugend ein Epos auf DVD sieht, das wohl die Misshandlungen von Abu Ghraib nachstellt. Über eine noch engere Treppe geht's ins nächste Geschoss. Mein Zimmer für 50 Dirham, knapp fünf Euro, lässt neben der auf dem Boden liegenden Zwei-Mensch-Matratze gerade noch einen schmalen Streifen für Tisch und Stuhl frei. Alles sauber und neu. Klein aber fein.
Ich gerate in eine Privatschule, in der Erwachsene abends Spanisch-Unterricht bekommen. Heute genau sechs: drei Frauen; drei Männer. Sie alle sind Saharauhis. Sehen aber völlig unterschiedlich aus, weil sie ethnisch keine Einheit bilden. Es sind Nomadenstämme, die mit ihrer Befreiungsorganisation Polisario in den siebziger Jahren erfolgreich die spanischen Kolonialisten aus der West-Sahara vertrieben, die dann von Marokko mit einer "friedlichen Eroberung" und viel Militär eingenommen und seitdem mit viel Geld und Personal entwickelt worden ist. Die Hälfte der Saharauis leben als Flüchtlinge unter erbärmlichen Umständen im westlichen Zipfel von Algerien, in Tindouf und Umgebung. Die andere Hälfte lebt in der ehemaligen "West-Sahara", auf deren Territorium ich morgen komme. Harima ist die energischste von allen: "Saharauis und Marokkaner mögen sich nicht. Das ist halt so."

Frau mit Kopftuch und Kindern am Strand von TarfayaSpanisch lernen sie nicht aus alter Liebe zur ehemaligen Kolonialmacht, sondern weil ab April 2007 eine Fährverbindung Touristen von den (übrigens auch von den Marokkanern beanspruchten) Kanarischen Inseln zum Shoppen nach Tarfaya bringen soll. (Die Fährverbindung wurde tatsächlich eingerichtet. Am 30. April 2008 aber lief die mit kubanischer Besatzung unter der Flagge Panamas schippernde Fähre "Assalama" der kanarischen Reederei Naviera Armas wenige Kilometer vor Tarfaya auf Grund. Das Schiff musste evakuiert werden. Die Fährverbindung wurde vorerst eingestellt. Überlebende Passagiere kämpfen seitdem um Aufklärung.)
Harima würde gern ihr schönes Gewand gegen europäische Kleidung tauschen. Aber die Tradition verbiete das. Immerhin: Harima ist schon 28 und noch nicht verheiratet. Halima, neben ihr, hat schon zwei Kinder; Aicha, eine Reihe dahinter, fünf. Sie hat das Kopftuch so eng gebunden, dass kein Haar zu sehen ist. Und nachdem der Unterricht für ein kurzes Gebet der Männer (nur der mit der Real-Madrid-Mütze macht nicht mit) unterbrochen wurd, geht auch Aicha kurz ins Nachbarzimmer zum Gebet.
Auf den starren Kinder-Bänken darf auch ich bei der Spanisch-Stunde mitmachen. Der Lehrer schreibt Silben, Wörter und Sätze an die Tafel, alle wiederholen das Vorgelesene mit nahezu militärischer Präzision, bevor jeder einzeln lesen muss. Morgen also die West-Sahara. Fortsetzung 2. Teil: West-Sahara


Route Casablanca - Dakar



Blaue Linie = Touren-Route; Buchstaben = Start und Ziel der Etappen

Etappen Casablanca - Dakar (24.11.-14.12.2006)

Details mit Geschwindigkeiten, Höhenmetern etc. als Excel-Tabelle

Tag Datum Start Zwischenstationen Ziel km
1. 24.11.2006 Casablanca El Jadida 112
2. 25.11.2006 El Jadida Safi 145
3. 26.11.2006 Safi Essaouira 128
4. 27.11.2006 Essaouira Agadir 175
5. 28.11.2006 Agadir Tiznit Sidi Ifni 171
6. 29.11.2006 Sidi Ifni Guelmim Ras Oumlil 128
7. 30.11.2006 Ras Oumlil Tan-Tan - El Ouatia Akhfenir 179
8. 1.12.2006 Akhfenir Sebkha Naila Tarfaya 105
9. 2.12.2006 Tarfaya Tah (Grenze Marokko/West-Sahara) Laayoune 104
10. 3.12.2006 Laayoune El Marsa (Laayoune Plage) - Lemsid Boujdour 192
11. 4.12.2006 Boujdour Lakraa/Echtoucan 174
12. 5.12.2006 Lakraa/Echtoucan El Argoub 171
13. 6.12.2006 El Argoub Lamhiriz/Barbas 211
14. 7.12.2006 Lamhiriz/Barbas Guergarat (Grenze West-Sahara/Mauretanien) Bou Lanouar 141
15. 8.12.2006 Bou Lanouar Tinchiri 192
16. 9.12.2006 Tinchiri Nouakchott 210
17. 10.12.2006 Nouakchott
18. 11.12.2006 Nouakchott Rosso (Fähre/Grenze Mauretanien/Senegal) Richard Toll 225
19. 12.12.2006 Richard Toll St. Louis 110
20. 13.12.2006 St. Louis Thiès 193
21. 14.12.2006 Thiès Dakar - Cap Vert Yoff/Aéroport de Dakar 99
Summe 3165

2. Teil: West-Sahara
Gespenster-Dörfer in besetztem Land
Beste Begleitung auf den einsamsten Wüsten-Strecken

3. Teil: Mauretanien & Senegal
Mit dem Fischerboot über den großen Grenzfluss
Wie Schwarzafrika den weißen Radler begrüßt

Zur ganzen Tour 33: Casablanca - Dakar (3165 km) Nov./Dez. 2006


Fahrrad am Sahara-Horizont
Wind, Sand und Sterne...


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