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Casablanca - Dakar
3. Teil: Mauretanien & Senegal


VG WORTMauretanien: Sand-Düne auf Land-Straße
In Mauretanien


3. Teil
Mauretanien & Senegal
Mit dem Fischerboot über den großen Grenzfluss
Wie Schwarzafrika den weißen Radler begrüßt

Düne mit Verlängerung in den WolkenMauretanien - das arme Land mit dem längsten Zug der Welt
Fortsetzung: Donnerstag, 7. Dezember 2006: Lamhiriz/Barbas - Guergarat (Grenze West-Sahara/Mauretanien) - Bou Lanouar (141 km)
...und dann ist da die mauretanische Fahne und das kleine Häuschen der ersten Grenzstation. In dem kleinen Raum stehen drei Liegen, unter denen die Soldaten ihre wenigen Habseligkeiten haben. An dem einzigen Tisch werden meine Personalien notiert. Als der Grenzer mir den Pass zurückgibt, fragt er noch, ob ich nicht ein Handy zum Verkauf habe. Nö, grad nicht. Ist auch ok. Vor dem Häuschen bieten Schwarzhändler mauretanische Ouguiyas an, auch daran verdienen die Grenzer vermutlich mit.
An der zweiten Grenzstation ein paar Meter weiter steht sogar ein Container des Tourimus-Ministeriums. Die vier Männer darin können mir zwar nicht groß helfen, aber immerhin. Und weil ich froh bin, mal wieder eine Grenze hinter mir zu haben, bekommt der letzte Geldwechsler dann doch noch meine restlichen marokkanischen Dirham. Und sein Zwei-Euro-Stück wird er auch noch los.

Junges Kamel in der mauretanischen SaharaMauretanien. Dieses arme Land. Über Hügel führt die Stichstraße zur neuen 470 km langen Asphaltverbindung zwischen der nördlichen Hafenstadt Nouadhibou und der Hauptstadt Nouakchott. Hier und da vom Sande überweht. Eine Sanddüne wird von den Wolken im Himmel verlängert (Foto rechts).
Genau bei Tages-km 100 erreiche ich die Verbindungsstraße und quere die berühmteste Bahnlinie der Welt: der lange Zeit längste und schwerste Zug auf dem Globus: der Eisenerz-Zug, der die Bodenschätze aus Zouerat (Zouerate) zum Hafen nach Nouadhibou transportiert. Wie viele Reportagen habe ich darüber gelesen!? Und schon nach ein paar Kilometern kommt er angerollt. Zwei Lokomotiven vorneweg und 116 Waggons hinterher (Foto unten). Die längsten werden von vier Loks gezogen und haben mehr als 200 Waggons. Leider sind die Gleise so weit von der Straße entfernt, dass man die ganze Gewalt dieser Fortbewegung nur erahnen kann.
Auch hier spare ich mir die Fahrt auf der Landzunge zu den Internet- und Hotel-Ressourcen von Nouadhibou und zurück. Es geht für den Rest des Tages ostwärts und das bedeutet seit langer Zeit mal wieder Gegenwind. Die Straße ist plötzlich wieder gesäumt von kleinen Siedlungen. Jedes zweite Zelt am Straßenrand wird mit schönen bunten Schildern zur "Auberge" oder zum "Restaurant" (v)erklärt.
In Bou Lanouar sehe ich ein Schild, das klimatisierte Zimmer verheißt. Die Beschilderung wird leider im Ort nicht fortgesetzt. Deshalb begleitet mich bald eine Schar Jungs. Alle blicken etwas sehnsüchtig auf meine Lebensmittelvorräte und die Mülltüte. Als jedoch einer tatsächlich, ohne dass ich es bemerke, eine kleine Flasche Coca-Cola aus dem Fahrradkorb entfernt, wird ihm die Flasche von dem ältesten Schüler wieder entrissen. Die andern erklären: "Ce n'est pas bon. Il est un voleur." (Das ist nicht gut. Er ist ein Dieb.) Wow. Zehnjährige Kinder aus dem dritten Schuljahr. Nur Maryam ist ein bisschen älter und das einzige Mädchen. Sie will ihr Schul-Italienisch ein bisschen trainieren.

Luftbild Bou LanouarDann sind wir endlich bei der Klimaanlagen-Auberge. Ein paar Zimmer rund um einen Innenhof, sehr dreckig, ekelig, kosten gleichwohl rund 18 Euro. Die Reiseführer haben Recht. Mauretanien, ein bitterarmes aber gleichwohl teures Land für Touristen. Der Mauretanier nebenan hat genau so viel bezahlt und meint lapidar, es gebe halt keine Konkurrenz. Am Ortseingang war ich erst bei einer andern Auberge. Ein einziges leeres Zimmer und niemand sprach ein Wort Französisch.
Durch die sandigen Wege gehe ich noch einkaufen ins Dorfzentrum, das sich demnächst vermutlich an die neue Straße verlagert (rechts Luftbild: schwarz ist die Eisenbahnlinie; südlich davon links die Piste zu erkennen, die inzwischen asphaltiert in einem Rechtsbogen nach Süden führt und den Ort nur streift). Der Lebensmittelhändler betet grad gen Mekka. Spiele ich noch mit den non-voleurs-Jungs und einem zerknautschten Plastikball ein bisschen Sand-Fußball. Das verschafft mir so viele Sympathien, dass ich von einer jubelnden Menge mit lauten Sprechchören "Lalala Kristoph, Lalala Kristoph..." zurück zur Auberge begleitet werde. Ich bin in Afrika.


Der längste Zug der Welt: Zouerate - Nouadhibou
Der längste Zug der Welt:
Eisenerz-Zug bei Nouadhibou mit zwei Loks und einigen seiner 116 Waggons


Kamel-Hirte, Sahara, MauretanienWandernde Dünen und säugende Kamelkühe
Freitag, 8. Dezember 2006: Bou Lanouar - Tinchiri (192 km)
Eine Tankstelle kommt direkt bei Bou Lanouar, dann noch eine bei Tages-km 70. Das war's. Es wird wieder einsamer. Mein Handy setzt aus, funktioniert nur in der Hauptstadt Nouakchott. Gelegentlich wechselt die Landschaft schon zur Savanne.
Weil die Straße anfangs noch ein bisschen südöstlich führt, habe ich morgens wieder Gegenwind. Bei Straßen-km 235, genau auf halber Strecke zwischen den beiden Städten, wechselt der Asphalt: schwarz ist er im Norden, jetzt wird er grau, aber genauso glatt und weich. Nicht so rau wie der marokkanische.
Kurz darauf wird eine große Raststätte gebaut. Die könnte ich gebrauchen. Eine Kamelkuh säugt ihr Junges, zwei Raupen helfen der Wanderdüne beim Spaziergang über die Nationalstraße und die Sonne geht sanft unter.
Vorher habe ich einen Blick in eine Zelt-Auberge geworfen. Sieht ganz angenehm aus. Es ist hier nachts auch wärmer als in der Sahara. So oder so: Ich muss ein paar Kilometer in der Dunkelheit fahren, wenn ich morgen vor Anbruch der Dunkelheit nach Nouakchott kommen will.
Ein Fahrer versetzt mich etwas in Panik, als er wie ein Bescheuerter hinter mir bremsend über den Randstreifen rutscht. Anschließend beschwert er sich bei mir, ich verhalte mich extrem gefährlich. Das könnte ich von ihm auch behaupten. Bei Tages-km 192 erreiche ich wie erwartet: "Zelte, Auberge" - wieder einmal dank der wertvollen Aufzeichnungen von Alex Leisser, der 2005/2006 auf seiner Kaptour (Nordkap - Kapstadt) mit Michaela Göd hier radelte, basierend auf der Seite von Anna und Luke, die kurz vor ihnen die im Jahr 2005 fertig gewordene Atlantik-Asphalt-Strecke testeten und beschrieben.
Die beiden Jungs bei Zelt, Auberge und Laden stellen mich vor die Wahl: Zelt für 10 Euro oder Hütte für 6,66 Euro. Der weiche Zeltboden erscheint mir wärmer und romantischer. Und so bekomme ich 25 Quadratmeter Zelt, in dem ich sogar stehen kann, ganz für mich und mein Fahrrad. Matte, Kopfkissen und Decke liegen auch noch herum. Ein Traumquartier. Eine traumhafte Nacht unter dem heute besonders sternigen Himmel, an dem der Mond erst nach Mitternacht aufgeht.


Sahel-Zone: Sonnenaufgang in der Savanne, Mauretanien
9.12.2006: Sahelzone: Sonnenaufgang in der Savanne


Morgen in Mauretanien: Mein Zelt. Mein Fahrrad. Mein Sonnenaufgang.Müll, Sand und Tiere: Mauretaniens Hauptstadt Nouakchott
Samstag, 9. Dezember 2006: Tinchiri - Nouakchott (210 km)
Mein Zelt, mein Fahrrad und mein Sonnenaufgang (Foto rechts): Ein Traumstart nach einer Traumnacht. Bis auf die kurze Passage nach einer kleinen Passhöhe, wo die Straße eine große Kehrtwende macht und damit wieder gegen den Wind führt, läuft es heute wieder easy über den weichen Asphalt.
Noch einmal sind es 200 km. Die letzten 25 km vierspurig, obwohl der Verkehr kaum zugenommen hat. Nur die Checkpoints. Mit einem Spalier von Müllbergen kündigt sich die mauretanische Hauptstadt endgültig an.
Auf der Gegenfahrbahn begleiten ein Allrad-Fahrzeug und ein Radler mehrere JoggerInnen. Der Radler gesellt sich zu mir. Die Jogger versuchen ihren ersten Halbmarathon zu laufen. Er lädt mich zur anschließenden Feier ein. Aber ich will vor Sonnenuntergang ein Quartier haben und wissen, wann am Sonntag Kult ist. Letzteres klärt sich an der Josefs-Kirche, in der die Vorabendmesse läuft. Die Gottesdienstzeiten sind nicht angeschlagen, aber ein kurzes Gespräch macht mich schlauer.
Ich radle in das nicht vorhandene Zentrum zurück. In den sechziger Jahren ist diese Stadt aus dem Wüstensand gestampft worden. Aus dem Nichts heraus beherbergt sie heute rund eine halbe Million Menschen. Und wohl ebenso viele Ziegen, Kühe, Esel und Kamele. Und noch viel mehr Müll. Und Sand.
Die fliegenden Geldwechsler bieten schlechtere Kurse als die Banken, denn die haben übers Samstag-Sonntag-Wochenende, das eigenartiger Weise in diesem konservativ-islamischem Land gilt, geschlossen. Auch für alles Touristische ist das Preis-Leistungs-Verhältnis grotesk. Verstaubte dreckige hässliche Postkarten sollen 1,50 Euro kosten. Schließlich quartiere ich mich im Hotel Park ein. Will nichts mehr sehen und hören von Nouakchott.


Nouakchott: Müll am Markt
Nouakchott - Hauptstadt von Mauretanien


Katecheten-Gruppenbild von St. Josef, NouakchottSingen, Klatschen und Tanzen an einem trübseligen Ort
2. Adventssonntag, 10. Dezember 2006: Pause in Nouakchott (0 km)
Ein Tag Pause ist fällig. Auch wenn Nouakchott ein trübseliger Ort ist. Die Straßen versinken in Sand und Müll. Ziegen wühlen nach Essbarem. Ich bin einziger Besucher im Nationalmuseum. Ein Raum Steinzeit, ein doppelt so großer für Folklore. Auch das trostlos.
Der Gottesdienst in der Josefs-Kirche dagegen ist mitreißend. Alles Ausländer, hauptsächlich Gastarbeiter aus Senegal und Guinea-Bissau. Viele arbeiten als Haushaltshilfen. Haben einen tollen Chor, der drei Mal in der Woche probt. Und die überfüllte Kirche in Schwung versetzt. Das Singen, Klatschen und Tanzen geht nach dem Segen weiter. Das Bistum Nouakchott feiert sein Patronatsfest Mariä Empfängnis (Foto links: Gruppenfoto der Katecheten). Der Bischof, Martin Happe, ist Weißer Vater und Westfale. Und lädt mich abends in Bischofshaus ein. Ist der Pausentag doch noch ein Festtag geworden.


Dorf-Moschee mit Dunst-Sonne, MauretanienDie Grenzscouts vom gefürchteten Rosso auf dem Senegal
Montag, 11. Dezember 2006: Nouakchott - Rosso (Fähre/Grenze Mauretanien/Senegal) - Richard Toll (225 km)
Nach Süden dehnt sich die Stadt 15 km weit aus. So lange rolle ich durch eine Müllschneise, in der Hunde, Ziege, Schafe, Esel und Kamele hocken. Fast lückenlos stehen die Menschen am Straßenrand auf der Suche nach Transportmöglichkeiten in die Stadt.
Ich halte an einer Boulangerie. Das Frühstück, das ich um sieben Uhr im Hotel bekommen sollte, blieb eine Fata Morgana. Ich musste das Hotelpersonal wecken, um das Hotel verlassen zu können. Kaufe ich also jetzt günstig ein frisches Baguette. Als ich zurück zum Fahrrad will, halten mir drei Jungs ihre übergroßen Betteldosen hin. Als ich jeden mit einer Münze beglücke, rennen sie laut schreiend zurück und eine Armada bettelnder Kinder setzt sich in Bewegung. Schnell weg.
Es läuft gut. Unverändert Rückenwind. Die Straße ist jenseits der Stadtgrenzen erst mal sehr schmal. Es wird gemächlich immer grüner. Und besiedelter. Das Winken- und "Donnez moi un stylo"- Business beginnt von vorn.

Sand-Dünen ersticken Akazien-BäumeMehr als sonst hab ich den Eindruck, dass die Kinder gar nicht wirklich etwas wollen. Sobald ich meine Fahrt verlangsame, rennen sie schreiend davon. Einen Kuli will ich tatsächlich verschenken. Von den drei Jungs traut sich einer schließlich ganz skeptisch zuzugreifen (Fotos auf der Foto Special: Zurück ins Leben: Mauretanien & Senegal). Seltsam.
Trotz Reifenpanne liege ich so gut in der Zeit, dass ich überlege noch über die Grenze, genauer gesagt den Grenzfluss Senegal überzusetzen. Rosso heißt der Grenzort auf beiden Flussufern. Dieser Grenzübergang zählt zu den berüchtigsten in West-Afrika.
Noch bevor ein Ortskern zu erkennen ist, stehe ich vor dem Grenzzaun, der die mauretanische Grenzabfertigung umgibt. 18 Uhr 14. Es wird langsam dunkel. Aber schon beginnen die Grenz-Scouts mich in Fahrt zu bringen. Die letzte Fähre sei zwar längst weg, aber es gebe ja noch die Pirogen, die kleinen Fischerboote. Der mauretanische Grenzbeamte erklärt mir, nach 18 Uhr sei eine Gebühr für Sonderabfertigung fällig. Ok, sage ich, dann fahr ich eben morgen.
Als ich zurück durchs Tor will, ist die Sonderabfertigungsgebühr plötzlich doch nicht nötig. Ich kann doch weiter. Bekomme kostenlos den regulären Ausreisestempel. Badj, ein junger Senegalese, der sich mit einem jungen Helfer ungefragt zu meinem Grenz-Scout erklärt hat und mir damit vor allem alle anderen Jungs vom Leib hält, die ihr Geld damit verdienen, die durch sie geschaffene Unübersichtlichkeit der Grenzabfertigung wieder übersichtlich zu machen.

Bike on the Boat bei Rosso: Überquerung des Senegal in der PirogeDas Fischerboot ist für deutsche Vorstellungen voll. Was Badj nicht davon abhält, mein Rad noch hinein zu heben. Alles schwankt und wankt, aber nichts kippt. Es folgen weitere Pakete und Fahrgäste. Der kleine Außenbord-Motor springt nicht an, auch als wir schon längst abgelegt haben. Ganz ruhig und träge liegt der Senegal im grünen Flussbett. Ein paar hundert Meter ist er breit (Foto rechts). Die möchten wir nicht schwimmen. Dann springt der Motor doch an und im letzten Tageslicht erreichen wir die andere Seite.
Tohuwabohu beim Ausstieg. Einige springen in das kniehohe Wasser. Wir bugsieren das Rad über den Bug an Land. Alle Zoll- und Militärgebäude lässt Badj mit mir und Rad im Schlepptau rechts liegen. Das Grenztor ist unbesetzt, aber ein paar Meter weiter im Ort ist noch eine Polizeistation. Badj, wir verstehen uns schon fast blind, passt vor dem Haus aufs Rad auf, während ich drinnen den Eingangsstempel bekomme.
Das war's schon. Jetzt eröffnet mir Badj, den ich mit 1000 Ouguiyas (ca. drei Euro) entlohne, dass es auf dieser Flussseite kein Hotel gebe. Ich erinnere mich zwar (richtig - wie sich nachher rausstellt), dass dem nicht so sei. Aber ich könne ja bei ihm schlafen. Hotels gebe es erst in 16 km Entfernung.
Ich entscheide mich fürs Hotel, auch wenn ein ganzes Gauner- und Ganoven-Grenz-Kaff jetzt weiß, dass ich auf 16 km allein in der Dunkelheit auf einsamer Strecke unterwegs bin. Einen Moment überlege ich die 95 km nach St. Louis durchzufahren. Damit sind 300 km heute locker möglich. Aber die Dunkelheit spricht dagegen. Es hätte auch Schlaglöcher ohne Ende gegeben.
Ich radle nach "Richard Toll", so heißt der Ort mit Hotel. Ein Auto scheint mir zu folgen. Aber ich stoße bald auf Murhad, der mit einem Sack Reis auf dem Rad nach Richard Toll eiert. Bleiben wir auf Hörweite. Bis uns endlich die schwachen Straßen-Lichter und die hellen Scheinwerfer der Zuckerfabrik einfangen.


Stroh-Hütten im SenegalSt. Louis: stillende Mütter, der Beat und ein Elsässer
Dienstag, 12. Dezember 2006: Richard Toll - St. Louis (110 km)
Durch den spontanen Grenzwechsel brauche ich dringend local Cash. Hier gilt der westafrikanische CFA-Franc, der zuletzt mit 100:1 an den alten französischen Franc gekoppelt war. Da es den nicht mehr gibt, ist der CFA-Franc jetzt eben an den Euro gebunden. Umrechnen vom Franc zur D-Mark also wie in alten Zeiten. Nur bekommt man den CFA-Franc in Richard Toll nur am Automaten. "Geldscheine nehmen wir nicht," heißt es in beiden Banken. Das genaue Gegenteil zu Mauretanien, wo Kredit-Karten so gut wie nirgendwo zu gebrauchen sind.
St. Louis - das klingt so beschwingt wie New Orleans und Louisianna. Das klingt nach Süden, Schwüle und Jazz. Die Stadt ist toll. Überhaupt Senegal und die Senegalesen. Es ist wie eine Befreiung. Auch hier bekennen sich 90 Prozent zum Islam, aber das Leben ist so viel lockerer als in Mauretanien, die Menschen sind so ansteckend fröhlich und begeisterungsfähig.

Abendstimmung in St. Louis, SenegalUnd dann diese Stadt. In der die Mädchen lachend, rufend, schreiend von der Schule kommen. Und diese Mischung von Kolonialismus und Afrika: in den Bauten der Stadt, in den Menschen und im Hotelfrühstück. Das nette Touristenviertel nördlich vom Gouverneurspalast. Hier und da quatscht dich einer an. Und wenn du keinen Bock hast und nicht jede Hand schüttelst, wirst du eben lächelnd als Rassist bezeichnet.
Die Mütter stillen ihre Kinder offen am Straßenrand. Und Pascal hat mich ausfindig gemacht. Mit dem Hotelmanager steht er vor meinem Zimmer, während ich noch die Wäsche durchs Waschbecken wälze. Von dem Radler mit dem hohen Lenkrad hat er seit Tagen von Autofahrern gehört. Und dass ich in St. Louis bin, hat man ihm schnell zugetragen.
Der Elsässer Pascal Schickele ("In 80 Jahren um die Welt") ist aus seiner Heimatstadt Straßburg losgeradelt und will ans Kap. Beim Abendessen beichtet er, dass er bei der Fahrt von Nouakchott zur senegalesischen Grenze einen ganz schlechten Tag hatte und die Kinder hier und da angeschrieen hat. Das erklärt ein wenig, warum sie mir gegenüber so ängstlich waren. Auch er ist froh, den Senegal erreicht zu haben. Als ich aus dem Internet-Café zurück zum Hotel kommt, wiegt mich der lockere Beat der Stadt aus der Taverne gegenüber in den Schlaf.


Mädchen, Senegal: Cadeau für Foto
Cadeau für Foto


Renn-Radler Musamba"Toubab": der weiße Mann ist braun
Mittwoch, 13. Dezember 2006: St. Louis - Thiès (193 km)
Kaum aus der beschwingten Stadt St. Louis heraus, sehe ich einen weiteren Radler am Straßenrand sitzen. Sylvain hatte ein bisschen Angst vor der Wüst und ist deshalb nach Dakar geflogen, um von hier aus seinen Jahrestrip nach Kapstadt zu starten. Er hat KEINE Website. Dafür produziert er unterwegs Videos, die er auf YouTube unter 'slaiiman' einstellt.
Und dann ein Rennrad. Musambu (Foto rechts) trainiert. Kommt mir erst entgegen, holt mich auf dem Rückweg wieder ein. Dann radeln wir bis Trainingsende zusammen. Gewonnen hat er auch schon ein Rennen.
"Toubab" heißt es immer, sobald mich irgendjemand sieht. Der Ruf setzt sich durchs ganze Dorf fort. Ein "weißer Mann". Dabei war ich selten so braun wie nach diesen Tagen in der Wüste. Und sofort schallt es aus vielen Kehlen: Cadeau, cadeau, cadeau. Cadeaus (= Geschenke) gibt's seit heute tatsächlich, aber nur gegen Foto (einziges Beispiel: Foto oben)!
Eigentlich will ich in Tivouane übernachten. Das Hotel hat aber keinen Strom und macht schon von außen keinen besonders einladenden Eindruck. Kurbel ich noch 20 Kilometer weiter nach Thiès. Zum ersten Mal seit Agadir ist wieder richtig Verkehr auf der Straße. Mit dem letzten Tageslicht unter der Wolkendecke erreiche ich die Stadt.

Kathedrale von Thiès, SenegalStehe in der riesigen Kathedrale (Foto vom nächsten Morgen links), wo eine charismatische Gruppe in den vorderen Bänken singt. Gilbert geht in den Chor, der auch hier drei Mal in der Woche übt. Vorher zeigt er mir doch den Weg zum Hotel Rex. "Anmeldung" steht über dem Eingang. Und an der Rezeption hängt eine Urkunde aus Solingen, der Partnerstadt von Thiès.
Die Fauna im Zimmer hat sich proportional zur Flora im Laufe des Tages gesteigert. Mit einem Liter heißen Wassers aus dem Hotel-Restaurant lässt sich sogar eine Dusche simulieren. Das Fahrrad steht etwas verloren im offenen Innenhof. Falls es weg sein sollte: Die 72 km nach Dakar sind Rennsteig-Lauflänge, lassen sich also auch zu Fuß bewältigen.


Strand am Cap Vert bei Dakar
Strand am Cap Vert bei Dakar


Jan mit Rennrad am Stadtrand von DakarDer Tscheche, das Mädchen und die Sklaven
Donnerstag, 14. Dezember 2006: Thiès - Dakar - Cap Vert - Yoff/Aéroport de Dakar (99 km)
Da überholt er mich, wo ich doch vermutete, er sei mir längst enteilt: Jan, der Tscheche, von dem mir Natalia und Javi erzählt haben (Foto rechts). Mit dem Rennrad, beladen mit Zelt und Schlafsack. Ist er wirklich 300 km an einem Tag gefahren? Mehr als das. Er kramt einen Din A 4 Zettel heraus, faltet ihn auseinander: seine einzigen Reisenotizen auf einem Blatt.
Seit Prag. Lauter Zahlen. An einem Tag steht da 307 km, ein paar Tage später 325 km. Er hat Dakhla und Nouadhibou nicht beiseite gelassen und musste in Nouakchott auf ein Visum warten. Deshalb lag ich bis zu diesem Moment vor ihm. Er bietet mir noch an, in seinem Windschatten zu fahren. Chancenlos. Er eilt zur nächsten Botschaft. Nigeria. Schließlich will er, der Rennrad-Sportler ist, ans Kap. Bei Kapstadt.

Jungs tragen Fische an den StrandMich zieht's zu einem andern Kap. Nachdem ich an der Küste entlang ins gänzlich unaufgeregte Dakar gefahren bin, ohne irgendwo das kleinste Aufsehen zu erregen, und die Insel Gorée, dem jahrhundertelangen Sklaven-Umschlagplatz Nummer 1, von Weitem gesehen habe, fahre ich die Halbinsel weiter entlang zum westlichsten Punkt Afrikas, dem Cap Vert, dem ersten grünen Kap für die Matrosen, die von Europa her an Afrikas Küste entlang fuhren und fahren.
Villen- und Botschaftsgegend. Bis zum Flughafen. In dessen Lärmschatten ich eine kleine Auberge Poulagou direkt am Strand ansteuer. Hunderte Dorfbewohner stehen am Ufer und beobachten die Rückkehr der Fischer. In großen Kisten auf ihrem Kopf schleppen die älteren Jungs unaufhörlich Fische zu den LKW (Foto links). Mädchen und Jungs jagen nach jedem Fisch der runter fällt fürs Abendessen (Fotostudien von einem Mädchen auf der Foto Special: Das Fischermädchen von Yoff: Jagd auf herunterfallende Fische). So ungefähr fing die Tour an, vor drei Wochen im Hafen von Casablanca.


Dakar - Blick auf Sklaven-Insel Gorée
Dakar - Blick auf Sklaven-Insel Gorée


Victoria da SilvaEpilog: Gloria, Victoria!
Freitag, 15. Dezember 2006: Dakar + Rückflug
Anderthalb Stunden braucht der Bus von Yoff in die Innenstadt von Dakar, zwei Stunden zurück. Dazwischen bin ich richtiger Touri. Fahre mit dem Ausflugsdampfer zur Sklaven-Insel Gorée (Foto oben). Nur Weiße zahlen dort den Besichtigungspreis. Von hier wurden die meisten der afrikanischen Sklaven nach Amerika verschifft. Das Sklavenhaus ist idiotischer Weise mittags, wenn die meisten Touris die Insel erreichen, geschlossen.
Zum Sonnenuntergang bin ich ein letztes Mal am Strand. Sitze in einem Fischerboot. Eine Joggerin gesellt sich zu mir. Victoria. Sie glaubt mir nicht recht, dass ich am späten Abend heim fliege. Doch. Und ich bin glücklich und zufrieden. Auch wenn Victoria es viel schwerer hat als ich auf meinem Rückenwind-Trip durch die Wüste. Weit entfernt von ihrer Familie in Guinea-Bissau und Lissabon versucht sie hier, ihr Examen zu machen: Gloria, Victoria! (Foto rechts; mehr Fotos auf Foto Special: Victoria da Silva: Joggerin am Strand)


Route Casablanca - Dakar



Blaue Linie = Touren-Route; Buchstaben = Start und Ziel der Etappen

Etappen Casablanca - Dakar (24.11.-14.12.2006)

Details mit Geschwindigkeiten, Höhenmetern etc. als Excel-Tabelle

Tag Datum Start Zwischenstationen Ziel km
1. 24.11.2006 Casablanca El Jadida 112
2. 25.11.2006 El Jadida Safi 145
3. 26.11.2006 Safi Essaouira 128
4. 27.11.2006 Essaouira Agadir 175
5. 28.11.2006 Agadir Tiznit Sidi Ifni 171
6. 29.11.2006 Sidi Ifni Guelmim Ras Oumlil 128
7. 30.11.2006 Ras Oumlil Tan-Tan - El Ouatia Akhfenir 179
8. 1.12.2006 Akhfenir Sebkha Naila Tarfaya 105
9. 2.12.2006 Tarfaya Tah (Grenze Marokko/West-Sahara) Laayoune 104
10. 3.12.2006 Laayoune El Marsa (Laayoune Plage) - Lemsid Boujdour 192
11. 4.12.2006 Boujdour Lakraa/Echtoucan 174
12. 5.12.2006 Lakraa/Echtoucan El Argoub 171
13. 6.12.2006 El Argoub Lamhiriz/Barbas 211
14. 7.12.2006 Lamhiriz/Barbas Guergarat (Grenze West-Sahara/Mauretanien) Bou Lanouar 141
15. 8.12.2006 Bou Lanouar Tinchiri 192
16. 9.12.2006 Tinchiri Nouakchott 210
17. 10.12.2006 Nouakchott
18. 11.12.2006 Nouakchott Rosso (Fähre/Grenze Mauretanien/Senegal) Richard Toll 225
19. 12.12.2006 Richard Toll St. Louis 110
20. 13.12.2006 St. Louis Thiès 193
21. 14.12.2006 Thiès Dakar - Cap Vert Yoff/Aéroport de Dakar 99
Summe 3165

1. Teil: Marokko
Sex-Tourismus und Flitterwoche
Von Rick's Café zu Saint-Expuéry's Flughafen

2. Teil: West-Sahara
Gespenster-Dörfer in besetztem Land
Beste Begleitung auf den einsamsten Wüsten-Strecken

Zur ganzen Tour 33: Casablanca - Dakar (3165 km) Nov./Dez. 2006

Unter einer Akazie im Senegal
Unter einer Akazie im Senegal


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