Lenker-Lyrik Ron, Rudi und die
Burka-Girlies
Eine
Tagebuch-Kritik von Christoph St.
buon giorno,
an
den Lyriker der Lenkstange, der gerade durch Marokko sammert...
Stilistisch zählte für mich die jakobinische Klimax
"ausgezehrt.... entkräftet.... zermürbt..." (28.4.) zu den Höhepunkten der
bisherigen Tour. In dem Dorf wird nach dem Ende Deiner Tage eine
Gedenkplatte montiert werden, Hartmut wird sie - so lange jemand anders
das gute Teil bezahlt - auch einsegnen und sicher einige
vorprotestantische Formulierungen finden, die aus der Leidensgeschichte
ein glaubhaftes Martyrium machen. Jedenfalls könntest Du angesichts Deiner
diestourigen Kilometerleistungen und Deiner Verbundenheit zu den blühenden
neuen Ländern Dich vielleicht doch noch zu einer "wild card" bei der
diesjährigen Tortour de France durchringen. Denn Jan Ulrich hat
(alkoholmäßig in Freiburg verschleudert) abgesagt und steigerte Deine
Klimax weiter: "...zermürbt ...abgestürzt". Ich sehe schon Rudolf
Scharping und Ron Sommer, die als künftige Hauptsponsoren Dich in einer
Oase zwischen Tripolis und Algier erwarten und bützen. Radelte an sich
Charles de Foucauld? Und hatte er ein Handy? Lauter Fragen.
Sprachlich auf Platz zwei liegt bislang die Portopoesie (29.4.):
Vor zehn Jahren warst Du in dieser Stadt, und Du weißt heute nichts mehr
davon. War denn auch Porto um Dich herum vor zehn Jahren, und weiß die
Stadt noch etwas davon? Aber vielleicht sind es zu viele Orte, in die Du
nur alle zehn Jahre kommst.
Schon etwas abgeschlagen, weil in der
Geschichte allzu versteckt, folgt der Scharia-Radler (30.4.), der seiner
Zeit mal wieder voraus ist. Denn solchermaßen verhüllt hätten Dich die
Burkagirlies der marokkanischen Weiten sehen sollen, nie mehr wärest Du
verlacht denn worden. Vielmehr hätten sie sich ermutigt gefühlt, diesem
neuen Trend zu folgen, und selbst das Radeln begonnen. Also: Verhüllt
durch die Wüste.
Aber pass auch dort auf Dich auf: Hüte Dich vor
Scharpings und Dealern, vor Internetseiten, die 15 Minuten lang aufbauen,
vor seriellen Prostituierten und im Stausee versunkenen Straßen. Am
besten: Du fliegst dann irgendwann wieder gesund nach Deutschland. So
long, many regards und so viel gute Wüstenfahrt wie innige Himmelfahrt
wünscht
Christoph
Zur ganzen Tour 17: Santiago - Figuig (2106 km) April/Mai 2002
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