Neunundneunzig Luftballons für Caro & Boris
Mittwoch, 1. Juni 2011: [Zugfahrt Mainz-Kastel - ] Dillenburg - Dietzhölztal - Werthenbach (28 km)
Es beginnt mit einer jener Skurrilitäten, die das Bahnfahren mit dem Fahrrad noch zusätzlich erschweren. In jedem "Regional-Express" kann man eigentlich ein Fahrrad mitnehmen. Das sollte auch für die direkte, schnelle Verbindung mit dem von Saarbrücken kommenden "Regional-Express" nach Frankfurt so sein. Nur die Online-Fahrplanauskunft der Bahn übergeht diesen Zug, wenn man eine Verbindung nach Dillenburg sucht. Wir sollen umständlich eine Viertelstunde früher über Wiesbaden fahren, um dann in Frankfurt den gleichen Zug nach Dillenburg zu bekommen.
Da wir nicht sicher sein können, mit dem direkten "Regional-Express" samt Rädern nach Frankfurt zu kommen, warten wir auf den Zug nach Wiesbaden. Doch der hat Verspätung. So viel Verspätung, dass der Anschluss nach Frankfurt gefährdet ist. Miri hat die Idee, nach Mainz-Kastel zu radeln, um dort den Zug nach Frankfurt abzupassen. Gedacht, gesagt, getan. Ohne Schwierigkeiten erreichen wir die S-Bahn in Kastel. Um dann in Frankfurt jenen Zug zu sehen, der direkt vom Mainzer Hauptbahnhof gefahren wäre. Natürlich mit Fahrradtransportmöglichkeit. Oh, du, Deutsche Bahn, warum musst du uns immer so quälen? Für die folgende Verspätung kann die Bahn nix. Im Zug nach Dillenburg wird erst nach einem Notarzt gefahndet, am nächsten Bahnhof entern Rot-Kreuz-Helfer den Bahnsteig, um einen Kranken in Obhut zu nehmen. Unser Start in Dillenburg verspätet sich entsprechend um rund 20 Minuten. Abendstimmung. Die Fachwerk-Schönheiten von Dillenburg bleiben mir (anders als bei meiner ersten Radl-Durchquerung auf der Strecke von Essen nach Budapest 1983 diesmal verborgen. Wir kreisen auf dem Bahnhofsvorplatz, der kein Platz mehr ist sondern eine Straßenkreuzung, um dann die Ausfallstraße ins Dietzhölze-Tal anzusteuern. Das scheint der flachste Weg zur Lahnquelle zu sein. Die Straße ist recht breit, der Autoverkehr zahlreich, der Fahrradweg bescheiden. Die schöne Landschaft kommt trotz des abendlichen Sonnenscheins noch nicht recht zur Geltung. Schon in Frohnhausen tritt der nächste Stimmungskiller ein: Fahrradpanne. Miris Hinterrad schleift. Die Felge eiert. Meine Erschöpfung von einem anstrengenden Arbeitstag und mein Eindruck, die Panne sei zurückzuführen auf eine vermeidbare Bordsteinabfahrt, befeuern nicht gerade die Glückshormone. Ich versuche mit dem Speichendreher das Ei so gut wie möglich zu beheben. Doch wir müssen die Bremse lockern, weil ich das Rad nicht gut genug zentriert bekomme. Dann schleift der breite Mantel immer noch am Schutzblech. Als wir auch das gerichtet haben, ist wieder ein Stück Sonnenschein dahin.
Der Verkehr lässt nach, die Straße wird schmaler, die Abendsonne noch schöner (Foto links). Die Orte heißen hier alle zusammen Dietzhölztal, eine Kreation der Gemeindegebietsreform vor 40 Jahren. Aus dem Tal verabschieden wir uns Richtung Norden. Rittershausen begrüßt uns mit einer Betttuch-Ankündigungder Hochzeit von Caro & Boris, die das ganze Wochenende über andauern soll. Das zweite Herz-Betttuch hängt dann auf Höhe des Polterabends. Nenas Neunundneunzig Luftballons wummern durch die Abendluft. Wir fahren im Schatten der Berge. Hinter Rittershausen beginnt die Steigung. Rund sechs Prozent. Die Kilometer-Markierung am Straßenrand verrät die Distanz zum höchsten Punkt, zur Ortsgrenze, zur Landesgrenze von Hessen und Nordrhein-Westfalen. Mitten auf der Hainchener Höhe. Rund 555 Meter hoch. Mit dem Bundesland wechselt der Asphalt. Noch sind wir
mitten im Wald. Nach ein paar Metern Abfahrt weitet sich der Blick über die Hügel des Siegerlandes. Im schönen Abendrot liegend (Foto unten). Die Abfahrt nach Hainchen erfrischt.
Die beiden Gasthöfe an der Lahnquelle sind am Vorabend von Christi Himmelfahrt schon ausgebucht.
So haben wir uns in Werthenbach ein Zimmer im Gasthof Groos reserviert. Laut Karte liegt Werthenbach in einem Seitental, das uns noch ein paar weitere Höhenmeter bescheren könnte, aber in der Realität liegt der Gasthof direkt an der Hauptstraße. Schneller als erwartet haben wir unseren Schlafplatz erreicht.
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