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VG WORTTour 129: Guben - Danzig (1749 km)


Sandiger Radweg an der Oder in Polen
Radweg an der Oder in Polen

Bike-Blog & Routen-Karte & Etappen-Übersicht
Guben - Krakau - Warschau - Danzig (25.7.-11.8.2024)
Leipziger Seenplatte und Polen: Oder rauf, Weichsel runter

Die Olympischen Sommerspiele in Paris geben mir kurzfristig ein paar Tage frei. Da ich sowieso nach Leipzig fahre, bin ich also schon fast in Polen. Den oberen, längeren Teil der Oder in Polen habe ich seit meiner Neiße-Oder-Tour 2018 im Blick, die Weichsel kenne ich nur vom Namen her. Erst bei der Vorbereitung zur Tour entdecke ich: ihre Quelle liegt in der Nähe der Oderquelle in Tschechien. Via Oświęcim, Krakau und Warschau fließt sie nach Danzig. Sehr praktisch für mich. Zumal ich mir die Höhenmeter zu den Quellen sparen kann. Eine Tour durch die Einsamkeit der polnischen Tiefebene. Dzień dobry, Polen!

Rad vor Völkerschlachtdenkmal in Leipzig Prolog I
Donnerstag, 25. & Freitag, 26. Juli 2024: Leipzig

Nicht ganz einfach zu lösen: wie bekomme ich mein Fahrrad in den Osten? Radplätze in Fernzügen und Bussen sind alle ausgebucht, Fliegen ist mir hier zu aufwendig. Ich sitze vor dem Notebook, sinniere und weiß: es gibt eine Lösung. Es muss eine Lösung geben.
Ich habe schon am Morgen eine neue BahnCard 50 gekauft, weil ich heute zum ersten Mal seit langem einen Fernverkehrszug nach Leipzig nehmen will. Mit Miri. Unser Start verschiebt sich Stunde um Stunde. Erst im Laufe des Donnerstagvormittags kommt die Erleuchtung: wir fahren mit dem Auto nach Leipzig. Von dort komme ich leicht mit dem Rad im Zug nach Guben, wo die Tour starten soll.


Paulinum Leipzig
Paulinum in Leipzig


Nicolaikirche: Schwerter zu Pflugscharen In Leipzig findet unser alljährliches Kommiliton*innen-Treffen aus Jerusalemer Zeiten statt. Für Leipzig und unsere Begegnung nehmen wir uns diesmal einen Tag länger Zeit als sonst. So radle ich (und Miri auch) schon hier vom Quartier am Stadtrand in die Stadt, raus zum Völkerschlachtdenkmal und überall ein bisschen rum.


Karl-Heine-Kanal
Karl-Heine-Kanal


Cospudener See Prolog II
Samstag, 27. Juli 2024: Leipzig - Seenplatte - Leipzig (80 km)

Als ich Ende der neunziger Jahre für die Nachrichtensendungen von RTL in Leipzig gearbeitet habe, gehörte zu einem der Termine der Beginn der Flutung des Cospudener Sees. Die Hinterlassenschaften des Braunkohleabbaus im Süden der Stadt sollten umgewandelt werden in eine Seenlandschaft. Gut 25 Jahre später wartete ich immer noch darauf, diese Seenlandschaft kennenzulernen. Bisher lag sie immer abseits meiner Radstrecken. Und es dauerte ja auch so seine Zeit, bis die Seen voll waren und gestaltet wurden. Das ' Leipziger Neuseenland' ist noch immer nicht vollendet.
Der freie Samstagnachmittag gibt mir die Möglichkeit, die Seen mit dem Rad zu umkurven. Es geht hinaus durch das Szeneviertel Connewitz nach Markkleeberg. Dort stoße ich auf den Cospudener See, Modellprojekt für die 'Gestaltung einer Bergbaufolgelandschaft'. Es gibt eine Art Radweg ringsherum. Und gerade hier im Norden des Sees einiges an Angeboten, den See und sein Wasser zu nutzen. Der größte Teil der Strecke aber verläuft recht einsam rundherum, wenn auch nicht allzu oft mit direktem Blick auf den See.


Markkleeberger See
Markkleeberger See


Ehemaliger Braunkohlebagger am Markkleeberger See Noch bevor ich ganz rum bin, drifte ich nach Süden zum nächsten See ab, dem Zwenkauer See. Hier wird's noch einsamer. Sieht man von der Neubausiedlungen von Zwenkau ab, die direkt bis an den See gebaut wurden. Ich muss mich entscheiden zwischen zwei weiteren Seen im Osten. Auch die Radwegschilder nach Zeitz locken. Von der Zeit her reicht es nur noch für den kleinen Markkleeberger See. Der ist sehr nett und an der Südspitze steht noch einer der Riesenbraunkohlebagger.
Zurück am Cospudener See kann ich die Umrundung vollenden und schließlich auch drin baden. Unverhofftes Glück.


Commerzbank-Gebäude
Commerzbank-Gebäude

Montagabend mit Uli am Marktplatz
Montagabend mit Uli am Marktplatz

Polnischer Grenzpfahl in Gubin
Polnischer Grenzpfahl in Gubin


Waldweg in Schlesien Kein Oder-Radweg
Dienstag, 30. Juli 2024: Guben - Grenze Deutschland/Polen – Gubin - Zielona Góra - Głogów (148 km)

Ich habe wunderbar geschlafen im Acht-Bett-Zimmer des wunderschönen Groner-Hostels mitten im Zentrum von Leipzig. Werde gleichwohl früh wach und kann so den 7:12-Uhr-Zug in Angriff nehmen. Gestern bin ich nach intensiver Korrespondenz und Arbeit entsprechend spät in Leipzig mit dem Zug angekommen. Dank Uli konnten wir unser Jerusalem-Treffen gegenüber vom Rathaus noch um ein paar Bier verlängern. Jetzt aber haben die Bagel-Brothers noch geschlossen. Die Lerchen von Bäcker Lukas müssen sowieso als Wegverpflegung her. Und einiges andere.
Der Direktzug bringt mich nach Guben. Nach zwei Kilometern bin ich über die Grenze, die hier von der Neiße gebildet wird. Auf polnischer Seite fahre ich auf dem Radweg an der Landstraße Richtung Mündung der Neiße in die Oder. Die ist von dieser Seite nicht allzu sehr beschildert und ich kenne sie von der andern Seite von meiner Neiße-Oder-Tour her.


Częstochowa-Kirche in Zielona Góra
Częstochowa-Kirche in Zielona Góra

Zielona Góra
Zielona Góra

Katholische Stadtpfarrkirche St. Hedwig - Zielona Góra
Katholische Stadtpfarrkirche St. Hedwig


Rathaus Glogau Nun sind weder Fahrradbeschilderung noch Fahrradwege zu entdecken. Den polnischen Oder-Radweg scheint es wirklich nicht zu geben. Ja, der Fluss entschwindet immer mehr in der Weite.
Nach einigem Herumirren entscheide ich mich nach halber Strecke bis Zielona Góra für die Nationalstraße 32. Sehr unangenehm. Kein Randstreifen, viele LKW, auch wenn die Fahrer - im Gegensatz zu den neunziger Jahren - inzwischen Abstand halten, auch beim Überholen.
Zielona Góra (aka Grünberg in Schlesien) versöhnt mit seiner Schönheit, Kirchen, Fußgängerzone. Ich brauche eine Pause. Der eigentliche Kampf des Tages steht noch aus. Sand. Sandwege. Egal ob Google-Maps Fahrradfunktion oder Strecken aus dem Internet: die kleineren Straßen verlaufen nicht parallel zur Oder, es bleiben nur die Strecken durch den Wald und der ist in den Sand gesetzt. Und hier und da ist der Sand auch an der Oberfläche. Ein einziges Fahrradschild sehe ich an diesem Tag (Foto ganz oben). Bin ich nun zwei Wochen lang von jeder Fahrradinfrastruktur vergessen?
Zuletzt irre ich auch noch durch den Zielort Głogów alias Glogau auf der Suche nach einem Quartier. Blöderweise habe ich nicht schon am Nachmittag bei booking.com gebucht. So ist das Wunschquartier komplett ausgebucht, als ich endlich ankomme. Aber das große Hotel Qubus ist nicht schlecht. Zu Fuß spaziere ich noch über die Oder. Am andern Ufer sitzt man nett bei einem Bier. Und die Mücken halten sich in Grenzen.


Oder-Brücke in der Blauen Stunde in Głogów
Blaue Stunde: Oder-Brücke in Głogów


Rathaus am Marktplatz in Wołów Weiter Weg
Mittwoch, 31. Juli 2024: Głogów - Breslau - Opole (206 km)

Ein großer Sprung heute. Mehr als 200 Kilometer. Im Frühsommer hab ich das seit 17 Jahren erstmals wieder geschafft, aber von zu Hause aus, mit Regeneration vorher und nachher, noch nicht wieder auf einer Tour mit Gepäck und allem was dazu gehört. Ich will es aber versuchen, damit ich am Wochenende in Warschau sein kann. Genau lassen sich all die Entfernungen nicht abschätzen, weil es keinen offiziellen Radweg gibt. Aber klar: der Weg ist weit.
Rund hundert Kilometer sind es zunächst durch das schöne Wołów (früher Wohlau) bis Breslau alias Wrocław. Schon gegen 13 Uhr bin ich da. Vorbei an einzelnen Gräbern direkt am Wegesrand. Trauertag. So ziemlich das einzige polnische Lied, das ich kenne, summt sich die ganze Tour durch meinen Kopf: 'Zabrałaś serce moje, zabrałaś moje sny.' (Du hast mein Herz genommen, du hast meine Träume genommen.)
Erste, richtig gute Radwege tauchen auf. Allerdings in der Regel ohne Beschilderung: wohin führen sie? Und wie weit ist die Entfernung dorthin? Hier und da sind auf weißem Grund ein roter, blauer oder grüner Balken zu sehen. Allein, wo führt er hin? Wo kommt er her? Und warum ist das nur zwischendurch beschildert und nicht an den neuralgischen Punkten, an denen man nicht weiterweiß?


Trauernde in Tarchalice
Trauernde in Tarchalice

Altstadt Wrocław
In der Altstadt von Breslau

Aleksander-Fredro-Denkmal
Aleksander-Fredro-Denkmal

Vor dem alten Rathaus
Vor dem alten Rathaus


Fischteich bei Nowe Kolnie Der Stadtkern von Breslau ist vom Massentourismus in Besitz genommen. Plätze und Straßen sind sehr schön, viele alte oder wieder aufgebaute Gebäude sind zu sehen. Aber ich bin nicht gut vorbereitet und innerlich nicht eingestimmt auf Sightseeing. Es ist praktisch, ein paar Postkarten kaufen zu können, aber bald bin ich wieder auf dem Rad.
Ich schaffe es tatsächlich über die 200 Kilometer. Und Oppeln alias Opole belohnt mich außerordentlich. Ein toller Stadtkern. Über das Red Bike Hostel bekomme ich für 45 Euro Cash eine großzügige Ferienwohnung mittendrin. Da kann ich noch schön ein Bier trinken am Stare Miasto und dennoch schnell ins Bett.


Radweg bei Stobrawa
Radweg bei Stobrawa

Oderbrücke in Oppeln
Oderbrücke in Oppeln

Pomnik księcia Kazimierza I Opolskiego
Denkmal für Fürst Kasimir I. von Oppeln


Oder-Radweg in Opole Banalität des Bösen
Donnerstag, 1. August 2024: Opole - Gliwice - Oświęcim - Krakau (213 km)

Denn auch heute geht es früh los. Denn es stehen möglicherweise ein weiteres Mal mehr als 200 Kilometer an. Es ist trüber, weniger heiß.
Gliwice alias Gleiwitz. Ich lese etwas über den von den Nazis vorgetäuschten Angriff auf den Funkturm - gewollter Mitauslöser des Zweiten Weltkiregs. Hier verlasse ich die Oder. Und wähle die Nationalstraße 44 nach Oświęcim, nicht ohne mich auf der Strecke zweimal zu verfahren. Bei Bieruń Nowy, kurz vor Oświęcim, bin ich erstmals, rund 70 Kilometer unterhalb ihrer Quelle, an der Weichsel.
Von Westen kommend erreiche ich zunächst Auschwitz-Birkenau, am Stadtrand der kleinen Stadt Oświęcim, damals als im Oktober 1939 vom Deutschen Reich annektiert Auschwitz, errichtet. Industrialisierter Massenmord. Die Banalität des Bösen zeigt sich für mich diesmal im unvermittelten Auftauchen am Wegesrand. Im Oktober 1990 war ich mit einer Gruppe Zivildienstleistender hier. Vor allem im Lager Auschwitz I, näher am Stadtkern, waren wir eingesetzt zu Pflegearbeiten und zum Studium im Archiv.
Seitdem haben sich offenbar die Besucherzahlen vervielfacht. Busse und E-Busse pendeln ständig. Vom großen Parkplatz gibt es eine betonierte Unterführung, der die Massen zum Tor mit der Aufschrift 'Arbeit mach frei' führt. Massentourismus am Ort des Massensterbens.


Am Marktplatz von Gliwice
Am Marktplatz von Gliwice

Weichsel bei Bieruń Nowy
Meine erste Weichselüberquerung bei Bieruń Nowy

Rad vor Zaun von Auschwitz-Birkenau
Auschwitz-Birkenau

Auschwitz-Birkenau: Gleis
Auschwitz-Birkenau: Gleis


Ściejowice In Oświęcim mündet der Fluss Soła in die Weichsel. Es gibt eine Radwegbeschilderung an der Wisła, wie der Fluss im Polnischen heißt. Sie erweist sich gelegentlich als lückenhaft, wenn der Damm nicht mehr als Radweg herhalten kann. Einmal muss ich so richtig am Hang hoch. Ich schleppe mich nur so dahin. Die Kräfte sind geschwunden. Das trübe Wetter wird allerdings wieder lichter und am Ende gibt es auch wieder einen richtigen Dammradweg. Krakau glänzt in der Sonne.
Im Little Havanna Party Hostel werde ich vor der Party gewarnt, nehme aber mein Bett im Acht-Bett-Zimmer gern an und genieße die Atmosphäre der Stadt. Mitten im Partyraum wartet mein Fahrrad auf den Morgen.


Weichsel
Weichsel

Krakau
Krakau

Ukrainer
Ukrainer

Rathausturm
Rathausturm


Weichsel-Radweg auf dem Damm bei Krakau Auf der Fahrradautobahn
Freitag, 2. August 2024: Krakau - Fähre Otfinów - Szczucin - Strużki (165 km)

Beim Verlassen der Stadt am frühen Morgen bedauere ich doch etwas, die für 11 Uhr für Hostelgäste angebotene Stadtführung nicht wahrgenommen zu haben. Krakau hat sehr viel zu bieten. Ich nehme den Radweg weichselabwärts. Und was für ein Radweg. Die Radautobahn von Kleinpolen wird sie auch genannt. Und das sie ist auch. Rennradler*innen begegnen mir allenthalben. Auf rund hundert Kilometern ist sie größtenteils asphaltiert und verläuft überwiegend auf dem Damm. Ein Geschenk. Mit Rückenwind. Damit sich die Gedanken nicht zu sehr umkreisen darf's sogar Musik von der Playlist sein.
Nur die dazu gehörige Fähre über den Zufluss Dunajec bei Nowopole fährt nicht. So warnt mich ein Anwohner. Der mich aber so auf den ebenso guten Radweg am Dunajec entlang führt. Entgegen seiner Angaben von einem nötigen 25-Kilometer-Umweg gibt es schon im wenige Kilometer entfernten Nachbardorf Otfinów eine Fähre.


Weichsel bei Barczków
Weichsel bei Barczków


Bartek radelt von der Fähre bei Otfinów über den Dunajec Bartek radelt hier gerade von Bord, wo Platz für maximal zwei Autos ist. Ich mache ein Foto, gebe ihm meine Visitenkarte und tatsächlich meldet er sich, bietet auch seine Hilfe für die weitere Strecke an. Sehr nett.
An der Biedronka-Filiale von Otfinów treffe ich Jugendliche aus Krakau, die zwei, drei Tage mit dem Rad unterwegs sind. In Szczucin ist es dann mit der Fahrradherrlichkeit plötzlich vorbei. Die Beschilderung verlässt mich nicht ganz, aber der Glanz ist dahin. Es ist die alte mühsame Suche nach der ureigenen Strecke. Schließlich lande ich auf der Nationalstraße 79. Ich will noch weiter. Aber es geht irgendwann nicht mehr. Oder: das Hotel Gościniec direkt an der Straße ist zu verlockend. Und es hat auch noch Bier.


Co-Radler*innen
Co-Radler*innen

Landwirtschaft in Polen
Bauer


Sandomierz Heftzwecke an der Nationalstraße
Samstag, 3. August 2024: Strużki - Sandomierz - Dęblin - Zug - Warschau (168 km)

Kein Frühstück in meinem kleinen Hotel direkt an der Autostraße von Strużki. So komme ich sehr früh los. Auf der Nationalstraße ist zu dieser Zeit auch weniger los. Zumal am Samstag. Es ist nicht besonders angenehm dort zu fahren, aber ich komme gut voran. Wäre nicht dieser Regen. Zweimal verziehe ich mich in Bushaltestellen, um stärkeren Schauern zu entgehen. Dabei entdecke ich plötzlich eine Heftzwecke im Mantel des Vorderrades. Kann sie rausziehen. Zum Glück steckte sie noch nicht zu tief drinnen.
Ansonsten tröpfelt es vor sich hin. An der Tankstelle am Fuß von Sandomierz (Sandomir) bin ich geschafft. Stärke mich mit allen Möglichem. Zwei bis drei Koffeindosen über den Tag verteilt sind in den letzten Monaten das Mittel der Wahl geworden, um konzentriert durch den Verkehr und über den Tag zu kommen. Nun erklimme ich noch die Straßen hinauf durch Sandomierz. Vor 24 Jahren war ich schonmal hier, habe hier übernachtet. An mehr erinnern kann ich mich nicht. Es ist kleiner als ich dachte. Ich bleibe der N 79 treu. Bis Czekarzewice. Jetzt kommt auch meine App auf den Gedanken, mich auf der 754 zurück zur Weichsel zu führen und dann parallel zu ihr.


Heftzwecke in Fahrradmantel
Heftzwecke

Selfie on the Bike
Selfie on the Bike


dino-Supermarkt von 26-704 Lipiny Abkühlung im dino-Supermarkt von Lipiny. Erst bei Dęblin nehme ich die Brücke auf die rechte Weichselseite in den Ort. Es bleibt noch Zeit für ein Eis, bevor der Regional-Zug mich um 17:20 Uhr nach Warschau bringt. Ein Mädchen hilft mir eine Fahrkarte am Automaten zu kaufen. Das Fahrrad ist frei. Und nicht nur das: der Zug fährt genau nach Fahrplan, ist sauber. Im geräumigen WC kann ich mich wunderbar waschen und umziehen.
Vorbei am großen Nationalstadion, erbaut für die EM 2012, fährt der Zug und weiter über die Weichsel ins Zentrum von Warschau. Am Hauptbahnhof steige ich aus. Radle nun an den südlichen Stadtrand. Nastya und Maxim sind gerade umgezogen, wie ich per WhatsApp erfahre. Es sind zwei, drei Kilometer weiter raus, die sich sehr lohnen. Sie wohnen in einem schicken Neubau.
Im Juni sind sie umgezogen, aber vieles ist vor allem rundherum noch nicht ganz fertig. Und in der Wohnung gibt es viele Provisorien, die Einrichtung steht noch weitgehend aus. Das gibt dem Ganzen zusätzlich den Anstrich des Neuen und Jungen. Wir haben uns Jahre nicht gesehen. Aber ich bin müde und geschafft. Immerhin ist der Plan aufgegangen: wir können Sonntag gemeinsam durch Warschau ziehen und am Montag kann ich die letzte Teilstrecke von Dęblin nach Warschau nachholen.


Weichselbrücke bei Dęblin
Weichselbrücke bei Dęblin

KM-Zug nach Warschau
KM-Zug nach Warschau


Nastya am Wäscheständer Taylor-Teenies
Sonntag, 4. August 2024: Warschau

Langes, schönes Frühstück mit Nastya und Einblicken in den Homo (post-)sovieticus. Maxim hat noch Schlafbedarf. Ich auch, wie ich nach dem Frühstück bemerke. Also startet unser Stadtprogramm recht spät.
Weltstar Taylor Swift is in town. Drei Tage hintereinander gibt sie im großen Stadion von Warschau Konzerte ihrer 'Eras Tour'. Das macht die Stadt noch voller. Allenthalben Teenies mit Tournee-T-Shirts. Ein Drummer lässt zu seinem Schlagzeug ihren Song Anti-Hero laufen: 'I have this thing where I get older but just never wiser.' Eine Bandura-Spielerin aus der Ukraine versucht dagegen zu halten.
Das ist die Begleitmusik zu unserem Tag in der Innenstadt von Warschau, wo wir uns zu Fuß, per Bus und Tram fortbewegen. Und unterhalten. Und die Stadt aufsaugen. In Stalins Kulturpalast - sozialistischer Klassizismus - lassen wir uns auf die Aufsichtsplattform katapultieren. Nur einer der neuen Wolkenkratzer ist mit seiner Antennenspitze höher.


Blick vom Kulturpalast
Blick vom Kulturpalast


Swiftie mit Tour-T-Shirt vor Musikerin mit Bandura Einige Innenstadtstraßen sind wie häufiger am Sonntag für den Autoverkehr gesperrt. So bewegen sich entspannte Massen durchs Zentrum. Swifties, Einheimische, Touristen. Eine nette Mischung.
Abends schlendern wir noch zum Weichselstrand in der Nähe der Wohnung. Sandstrand mit Blick auf die Skyline. Erschreckt stelle ich fest, dass die Sonne genau eine Stunde früher untergeht als in Mainz, auch wenn sie eine Stunde früher aufgeht. Es ist einfach recht früh dunkel. So erstrahlt die Skyline mit den rot blinkenden Warnleuchten on top im Dunkel. In dem wir Becherovka und Wodka zu uns nehmen. Sind da nicht auch Taylor-Töne zu vernehmen von Norden her oder ist es ein schnödes Fußballspiel?


Warsaw by night
Warsaw by night


Weichsel-Damm bei Warschau Lückenschluss im Regen
Montag, 5. August 2024: Warschau - Dęblin - Zug - Warschau (118 km)

Heute will ich die verbliebene Lücke zwischen Warschau und Dęblin schließen. Ich könnte mit dem Zug hin- oder zurückfahren. Das Wetter spricht dafür, den trockenen Vormittag zum Radeln zu nutzen. Ziemlich lange kann man ganz gut auf dem Weichseldeich nach Süden radeln. Nach dem ersten Drittel wechsel ich in Góra Kalwaria die Weichselseite. Jetzt beginnt wie vorhergesagt der Regen. Er macht mich schnell. Rückenwind kommt hinzu. Ich erreiche heute eine sensationelle Durchschnittsgeschwindigkeit von 23,6 Stundenkilometern. Habe aber auch kaum Gepäck dabei. Nur meine Lenkertasche.
Ich werde durch und durch nass, halte aber noch in einem Supermarkt. An der Kasse zieht es sich ewig hin. Die junge Kassiererin checkt nix, tapert ewig durch den Laden nach Preisen. Jetzt muss ich doch noch mal voll konzentriert bis zum Ende radeln, um den Zug um 13:20 Uhr zu erreichen. Irgendwie kostet der am Automaten heute mehr als das, was das Mädchen am Samstag da bewirkt hat.


Gebrochenes Pedal
Broken

Blick auf Fischerboot auf der Weichsel
Fischerboot auf der Weichsel

Vorderrad ohne Schutzblech
Vorderrad ohne Schutzblech


Chris am Bahnhof von Dęblin in Warschau noch bei einem Radladen vorbeizuschauen. Am Morgen ist das linke Pedal gebrochen. Ich konnte zwar weiterfahren, aber der Fuß rutschte schneller ab. Ich wollte die Pedalen sowieso erneuern. Sie haben bei den langen Strecken zuletzt immer eine gefühlte Megablase an der Fußsohle hinterlassen. War zwar nie wirklich was, aber es schmerzte oft so, dass ich den Sattel senken musste, um auf den Fersen zu fahren.
Im erstbesten Radladen bekomme ich genau das Gesuchte. Der Chef besteht darauf, dass sie es selber austauschen. Bei der Gelegenheit wird auch noch mein Ständer stabilisiert.
So radle ich noch am ZDF-Studio in einer schicken historischen Villa vorbei. Bevor Nastya und Maxim am Warschau sich noch einen interessanten Ausflug zu einer netten Attraktion ausgedacht haben: Mit ihrem Carsharing-Auto werde ich in Neoprenschuhen - meine eigentlichen Schuhe sind zu nass - zum "Hügel des Warschauer Aufstands" gefahren. Der Hügel entstand 1945 aus Kriegstrümmern. Vor 80 Jahren, am 1. August 1944 begann der blutig niedergeschlagene, 63 Tage lange Aufstand gegen die deutsche Besatzungsmacht. Deshalb brennt in den ersten Augusttagen ein Feuer, das gerade in den letzten Zügen liegt. Der Blick auf die Cityskyline ist schön, die Erinnerung traurig.


Neues Pedal
Neues Pedal

ZDF-Studio in Warschau
ZDF-Studio

Auf dem Balkon der neuen Wohnung
Auf dem Balkon der neuen Wohnung

Wodka
Wodka


Weichsel-Promenade von Warschau Wieder Sand
Dienstag, 6. August 2024: Warschau - Płock (134 km)

Abschied von Nastya und Maxim. Es waren drei wundervolle Tage und Nächte. Sie haben viel von ihrem Alltag mit mir geteilt. Großartige Willkommenskultur.
Wie sich herausstellt hat Warschau eine nette und recht lange Weichselpromenade. Am linken Flussufer kann ich so bis zum nördlichen Stadtrand radeln, wo ich an der E 67 entlang die Weichsel überquere. Danach geht die Deichstrecke sehr schnell in einen schmalen Pfad über. Bald ohne Asphalt oder Pflaster, aber sehr gut zu fahren. Aufpassen muss man allerdings, ist halt schmal.
Bei Nowy Dwór Mazowiecki führen mich die einschlägigen Apps wieder auf die links Weichsel-Seite. Für die Weiterfahrt gibt es gelegentlich unterschiedliche Varianten. In Gorzewnica ist ein winziger Laden. So ein typisch lang gestreckter, mit sehr langem Tresen. Davor steht eine Bank und während ich hier eine Pause mache, redet erst eine alte Dame endlos polnisch auf mich ein, dann ein Mann. Ich brauche nur zu nicken.


Deich im Sand mit Wanderzeichen
Deich im Sand mit Wanderzeichen


Begrüntes Gewässer Als die 575 nach Süden Richtung Iłów führt, bleibe ich auf den kleinen Straßen am Fluss. Auch hier gibt es verschiedene Wegvarianten, alle sind schön. Flaches Weichselland.
Zurück auf der 575 wird es ein bisschen dreckig und unangenehm. Irgendwie arbeitet man hier an einer neuen Straßenauflage oder gar an einem Radweg. Jedenfalls muss das Rad durch sehr viel Splitter.
Dann liegt Plock - deutsch Plock, Plotzk oder Plozk - auf einer Anhöhe am nördlichen Ufer. Ich strample hinauf. Das Zimmer im Sempre B&B, mitten im Zentrum über dem Café, ist sehr geschmackvoll eingerichtet samt Bad. Unglaublich. Roma sein Name. Mehr als eine Verheißung.
Am alten Marktplatz laufen 80er-Jahre-Coversongs. Entspannte Atmosphäre in dem kleinen wunderschönen Altstadtkern. Zurück am Sempre checkt gerade noch ein Radlerpaar ein.
Henrieke hat einen Rekord zu feiern: die beiden sind heute auch in Warschau gestartet und sie ist damit erstmals mehr als hundert Kilometer an einem Tag geradelt.


Denkmal Bolesław III in Płock
Denkmal Bolesław III. in Płock

Kathedrale von Płock
Kathedrale von Płock

Marktplatz von Płock
Marktplatz

Platten: Reparatur am Fahrrad
Platten


Zalew Sobótka Bei Kopernikus
Mittwoch, 7. August 2024: Płock - Włocławek - Toruń (115 km)

Auf dem Weg zum Frühstück eine unangenehme Entdeckung: Der Hinterreifen ist platt. Ich frühstücke erstmal. Dann die einstündige Reparatur. Das kleine Loch kann ich mit Hilfe des Kosmetikabfalleimers aus meinem Hotelzimmer finden. Es ist eigenartigerweise an der Felgenseite entstanden. Entsprechend kann ich auch keine Ursache finden, geschweige denn beseitigen.
Dank der Verzögerung kann ich mich noch zum Frühstück von Henrieke und Johannes gesellen. Das Paar, das in Dortmund lebt, ist von Frankfurt/Oder aus schon eine Weile unterwegs und hat ähnliche Erfahrungen mit der polnischen Radinfrastruktur und dem Sand gemacht. Nach der Rekordfahrt von gestern wollen sie es heute ruhiger angehen lassen und nicht so weit radeln wie ich. Sie sind auch noch im Freizeitlook und möchten sich noch etwas die Stadt anschauen.


Windräder
Windräder

Wisla-Radwegbeschilderung: Toruń 34,5
Toruń kommt näher

Mystery-Radweg
Mystery-Radweg


Fast im Sand Ich rolle runter zur Weichsel, wo es anfangs noch ein bisschen Radweg rund um ein paar Seen gibt. Dann bin ich im Wesentlichen auf der Straße 562 unterwegs. In Dobrzyń nad Wisłą sind es erst gut 30 Kilometer, aber wegen meines Spätstarts bin ich reif für die erste Pause. Genauso wie das polnische Paar Marika und Marcin. Sie sind ebenfalls gestern in Warschau gestartet und haben ebenfalls in Plock übernachtet und mich bei einer Pinkelpause überholt - mit einem Tempo, dem ich nicht folgen konnte. Sehr nett sind die beiden. Auch sie wollen heute nach Toruń. Vielleicht sehen wir uns nochmal.
In Włocławek die nächste Pause an einem rudimentären Lebensmittelladen. Ich entscheide mich dafür, auf dieser Seite der Weichsel zu bleiben. Das führt zu sehr schönen, sehr sandigen Strecken an diesem Nachmittag. So bin ich ausreichend erschöpft und es ist ausreichend spät, als ich in Toruń nach nur 115 Kilometern ankomme. Die Stadt hat eine wunderbare Promenade an der Weichsel, recht neu gemacht, mit schönen Restaurants. Aber auch in der Stadt gibt es jede Menge zu sehen. Zu später Stunde lasse ich mir noch auf einer Bank liegend den Wikipedia-Artikel von Nikolaus Kopernikus vor seinem vermeintlichen Geburtshaus vortragen.


Altstädtischer Ring
Altstädtischer Ring

Etappenziel Toruń
Etappenziel Toruń

Jugendstilfassade
Jugendstilfassade

Kopernikus-Haus
Kopernikus-Haus


Markplatz von Chełmno Bahntrasse und EuroVelo 9
Donnerstag, 8. August 2024: Toruń - Chełmno - Grudziądz - Tczew (170 km)

Im ehrwürdigen Backsteingewölbe des alten Hotels Gomada gibt es Frühstück. Ich weiß nicht so recht, wie weit ich heute radeln soll und kann. Je weiter ich komme, desto weniger Kilometer sind es morgen bis zu meinem anvisierten Zug um 14:08 Uhr Richtung Heimat.
Direkt vor der Hoteltür beginnt die Ausfallstrecke nach Chelmno. Den weiten Bogen nach Westen, den die Weichsel hier bei Bydgoszcz macht, hat sowieso kaum jemand auf dem Schirm. Außerhalb der Altstadt beginnt ein breiter Radweg auf der linken Fahrbahnseite. Der schwenkt irgendwann noch weiter nach links von der Straße weg, bevor er zweifellos einer ehemaligen Bahntrasse folgt. Und das eine ganze Weile. Die Bahntrasse geht irgendwann verwildert weiter, aber ich bin schon fast in Chelmno, früher Culm oder Kulm. Eine der vielen Kirchen schaue ich mir an und lasse mich nieder am Rathaus- und Marktplatz. Entgegen der Wettervorhersage ist die Maximaltemperatur von 23 Grad schon längst überschritten.
Jetzt bin ich wieder an der Weichsel und der Radweg verläuft hier auf dem Damm, ist plötzlich als EuroVelo-Radweg 9 beschildert, der sich von Westen kommend bei Bydgoszcz an die Weichsel herangepirscht hat. In Dębowe Wzgórze, kurz vor Grudziądz, muss man aber den Berg hinauf. Auf den letzten Metern zur Anhöhe überhole ich ein Paar, zuerst die junge Frau, dann den jungen Mann. Sage Hi, aber es kommt keine Reaktion.


Löchrige Betonplatten auf Weichseldeich
Löchrige Betonplatten auf Weichseldeich

Grudziądz
Grudziądz

Radwegbeschilderung: R1, EuroVelo 9, Wisla
Radwegbeschilderung: R1, EuroVelo 9, Wisla


Radlerpaar bei Regenpause in Bushaltestelle Grudziądz (Graudenz) lasse ich fast rechts auf der Anhöhe liegen, obwohl die Türme über der Stadtmauer verheißungsvoll aussehen. Der Radweg führt am Fuß der Stadtmauer stetig empor. Dann entscheide ich mich doch, das Rad samt Gepäck an die Reling anzuschließen und zu Fuß die Treppen in den Ort hochzusteigen. Ich brauche auch ein paar Lebensmittel. Einen kleinen Eindruck bekomme ich auch von der Schönheit des Orts.
Danach geht's mehr über kleine Straßen. Am See von Jezioro Nebrowo sind ein paar Menschen am - und die Kinder im - Wasser. Ich bald auch. Obwohl schon drohend ein paar Regenwolken aufgezogen sind. Der große Regenschauer ist unausweichlich, wenn ich heute noch ein paar Kilometer machen will. Die Straße führt samt Radweg unvermeidlich von der Weichsel ab, um bei Kwidzyn zurück zum Fluss zu führen. Eigentlich führen mich meine Planungen bzw. Apps hier über die große Weichselbrücke auf die Ostseite, aber die Beschilderung von Weichsel-Radweg und EuroVelo 9 lassen mich auf der rechten Weichselseite bleiben.
Während ich noch an meinem heute stotternden Bikecomputer rumbastle, überholt mich plötzlich das Paar von der Anhöhe vor Grudziądz. Jetzt aber nichts wie hinterher. Ich lasse mich ziehen, bleibe auf mittlerem Abstand, mache ein paar Fotos von ihnen. Mit den ersten Tropfen erreichen wir eine Bushaltestelle, wo wir uns unterstellen. Gemeinsam lässt sich der Regen, der alle Wetterapps übertrifft, leichter ertragen. Sie bieten mir Plätzchen an. Ich sage, dass ich schon zu viel Süßes heute gegessen habe. Darauf sie: "Dafür fährt man doch Fahrrad". Sie zelten meist, so auch heute in Malbork.
Einen Teil unserer 30 Rest-Kilometer haben wir noch gemeinsam, aber ich lasse sie ziehen. Komme erst langsam wieder in Fahrt. Bevor ich an der Weichselbrücke bei Tczew, früher Dirschau, mein in der Regenpause gebuchtes Zimmer mit Weichselblick an einer schönen Raststätte beziehen kann. Geschafft. Nur noch 66 Kilometer bis Danzig.


Regenbogen am Deich
Regenbogen am Deich

Weichsel bei Tczew
Auf der Weichselbrücke bei Tczew


Weichsel-Radweg bei Tczew Reservierungspech und -glück
Freitag, 9. August 2024: Tczew - Weichsel-Mündung - Danzig - Gdynia - Jastrzębia Góra (145 km)

Der letzte Morgen an der Weichsel. Das Frühstück im schicken Hotel am Fluss präsentiert noch einmal alles, was ein slawisches Frühstück präsentieren kann. Dabei will ich heute nur noch bis nach Danzig radeln und um 14:08 Uhr den direkten Zug nach Zielona Góra nehmen. Den Reifen muss ich wie schon gestern aufpumpen. Offenbar habe ich den Flicken nicht hundertprozentig fixiert. Bei einem Bar Druck stoppe ich, um das Löchlein nicht zu weiten. So kann ich insgesamt vier, fünf Tage damit radeln.
Sonnig geht es los auf dem weitgehend neu gebauten Weichsel-Radweg. Nach wie vor verläuft der EuroVelo 9 hier weitgehend gut beschildert und gut asphaltiert direkt auf dem Damm. Trotzdem verliere ich zweimal die Spur und einmal fahre ich auf einer Betonplattenpiste am Fuß des Damms, nichts ahnend von dem großartigen Premium-Radweg obenauf.
Bei der Fähre von Świbno - schon Danziger Stadtgebiet - dreht der Radweg Richtung Innenstadt ab. Die letzten drei Weichselkilometer sind mehr oder weniger Naturschutzgebiet.
Zum EuroVelo 9 haben sich jetzt 10 und 13 gesellt. Alles gesponsert von der EU, wie hier und da zu lesen ist. Und gut frequentiert von Fernradler*innen, die sich hier munter grüßen.
Ich zweige kurz auf einer guten Piste zum Strand ab. Bade in der Ostsee. Nicht sehr salzig im Vergleich und in der Danziger Bucht wohl schon gar nicht. Erfrischend aber auf jeden Fall. Einige tummeln sich im Wasser, nicht nur Deutsche. Als ich die Innenstadt von Danzig erreiche, ist es mit dem Radfahren vorbei. Touristenmassen schieben sich durch die Straßen. Also schiebe auch ich. Und diese plötzliche Überdosis an Menschen lässt mich spontan entschieden für ein komplettes Touristenverbot sein. Die Stadt als Ort der dort Lebenden existiert in diesem Umfeld, dieser Stimmung nicht.


Radwegbeschilderung: EuroVelo 9, 10 und 13 sowie Wisla
EuroVelo 9, 10 und 13 sowie Wisla

Zum Sandstrand an der Danziger Bucht
Zum Sandstrand an der Danziger Bucht

Danzig erreicht
Danzig erreicht

Neptunbrunnen
Neptunbrunnen

Gdańsk Główny
Hauptbahnhof: Gdańsk Główny


Orłowo Pier Nun gut, ich will ja schnell weiter, radle also direkt zum schönen Bahnhofsgebäude. Auch hier sehr viele Menschen vor den Ticketschaltern. Ich halte Ausschau nach Automaten. Sehe sie auf Anhieb nicht, dafür aber einen separaten Intercity-Verkaufsraum, wo ich schnell drankomme. Die Ernüchterung: Entgegen den Angaben des 'DB-Navigators' braucht man sehr wohl eine Reservierung für die Fahrradplätze im polnischen Intercity. Und die sind für den von mir gewünschten Zug in einer Stunde komplett ausgebucht. Auch morgen früh und morgen Nachmittag.
Aber Sonntagmorgen um 6:14 Uhr gibt's noch einen. Was für ein Glück! Mehr scherzhaft meint die Bahnticket-Verkäuferin, ab 60 Jahre gebe es Senior-Ermäßigung. Aber hallo. Ich zücke meinen Ausweis. Bekomme das Ticket quer durch Polen samt Fahrrad für rund 15 Euro. Auch Fahrradplätze in Regionalzügen sind übrigens nach Meinung der Verkäuferin reservierungspflichtig und auch da kann sie weder Richtung Stettin noch Richtung Guben freie Plätze finden. Vielleicht hätte es noch einen Flixbus gegeben, aber ich bin froh, dass ich überhaupt samt Rad rechtzeitig heimreisen kann und nutze die überraschende Restzeit um direkt durchzustarten Richtung Norden an der Ostsee entlang Richtung Gdynia (Gdingen).
Bald komme ich wieder ans Meer, nunmehr nur noch begleitet von EuroVelo 10 und 13 - EV 9 endet (oder startet) in Danzig. Jetzt sind es keine Fernradelnden mehr auf dem Radweg, sondern der Strandverkehr. Trotz separatem Radweg sind es viel zu viele Radelnde. Gelegentlich ist die Geschwindigkeit theoretisch auf zehn Stundenkilometer reduziert, einmal geht und gilt nur Schieben. Man kann nur hintereinanderfahren, kaum überholen. Anstrengend.
Kurz vor Gdynia versuche ich in einer kleinen Fahrradwerkstatt einen neuen Schlauch zu kaufen. So bin ich gewappnet, falls mein Schlauch doch noch aufgibt. Hier kann ich zum ersten Mal auf der Tour nicht elektronisch zahlen. Zum Glück ist hundert Meter entfernt im Einkaufszentrum eine Wechselstube. Für zehn Euro bekomme ich 433 Złoty.
In Gdynia checke ich die Fähren zur Halbinsel Hel. Ich müsste eine Stunde warten, habe aber schon ein Hotel nördlich gebucht. Auf der Halbinsel war so gut wie alles ausgebucht. Also weiter an der Küste entlang. Hinter Gdynia geht's noch einmal aufwärts, dann wird es relativ flach. Flach werden aber auch meine Kräfte. Der Tag war ja ganz anders geplant. Und so sind es am Ende doch 145 Kilometer, die hinter mir liegen im Pensionat Szaman Morski. Immerhin komme ich an, bevor der Regen so richtig loslegt.


Ostseestrand bei Jastrzębia Góra
Morgendbad in der Ostsee


Radweg auf der Halbinsel Hel Auf der Nehrung
Samstag, 10. August 2024: Jastrzębia Góra - Hel - Fähre - Gdynia - Danzig (87 km)

Ich schlafe mal gut aus. Die Fährzeiten in Hel machen einen frühen Start nicht sinnvoll. So schlender ich zum Strand, den ich weitgehend für mich habe. Es ist bedeckt, um die 20 Grad. Ich kann mich in die Welle stürzen. Starker Westwind, starker Sog nach Osten im Wasser.
In aller Ruhe geht's ans Radpacken. Gemächlich trete ich in die Pedale, zurück auf der Allee mit Kopfsteinpflaster, an deren Rand sich ein guter Radweg auf beiden Seiten befindet.
In Władysławowo geht es ab auf die Halbinsel Hel. Wobei 'Halbinsel' leicht irreführend ist: ein ganz schmaler, mehr als 30 Kilometer langer Sand- bzw. Landstreifen hinein in die Danziger Bucht, eine Nehrung. Der Westwind wirkt umso stärker als Rückenwind. Der kräftige Wind hat an diesem Samstagmorgen Mengen von Surfern und Kitern aufs Wasser getrieben. Dazu gesellt sich ein buntes Publikum. Ich spüre die Erschöpfung von zwei Wochen Radfahren mit sehr weiten Strecken. Um etwas besser in Gang zu kommen, leiste ich mir eine Waffel mit Sahne und Heidelbeeren.
Hel heißt auch der größere Ort am Ende der Insel, wo die Fähren in verschiedene Richtungen ablegen. Ich kann wählen zwischen Gdynia, Sopot und Danzig. Gdynia fährt am frühesten und damit kann ich nochmal wie gestern die schöne Küstenstrecke nach Danzig fahren.


Bunker auf Hel
Bunker auf Hel

Ostspitze
Ostspitze

Polnische Fahre auf Hel-Fähre
Fähre von Hel nach Gdynia


Westerplatte Zunächst ist aber an der Fährkasse Mittagspause, die ich mit einem fetten Fisch überbrücke. Dann gibt's problemlos Fährtickets fürs Fahrrad und mich. Kostet doppelt so viel wie das Intercity-Bahnticket morgen quer durch Polen. Es bleibt noch Zeit für eine Ehrenrunde am Inselende.
Der graue Morgen ist längst der Sonne gewichen. Richtig heiß wird es heute nicht. Die Strände sind gut gefüllt, entsprechend auch der separate recht breite Radweg. Wie schon gestern ist er bei dem Radverkehr am Limit. Erst ganz am Ende, schon in Danzig, verdünnisiert sich der Verkehr. Und auf einsamen Straßen rolle ich zum Landende gegenüber der Westerplatte. Anfang September jährt sich hier zum 85. Mal der Beginn des Zweiten Weltkriegs. Rund 200 polnische Soldaten hielten dort, wo sich jetzt ein großes Betondenkmal in die Höhe reckt, eine Woche lang gegen rund 3.400 deutsche Soldaten die Stellung.
Die Danziger Innenstadt ist wieder gut gefüllt mit Touristen. Mein Hostel Universus liegt sogar innerhalb der 'Rechtstadt' in einem historischen Gemäuer. Von dort ziehe ich am Abend noch einmal durch die Stadt, umwabert von Touristenmassen. Gegenüber vom neuen Holiday Inn finde ich ein nettes Piroggen-Restaurant. Bei Kozel-Schwarzbier und Kraut-Pilz-Teigtaschen genieße ich das Umfeld. Bevor es durch die schön bestrahlten und belebten Gassen über die Kippbrücke zurück zum Hostel geht.


Europäisches Zentrum der Solidarität
Europäisches Zentrum der Solidarität

Denkmal für die gefallenen Werftarbeiter 1970
Denkmal für die gefallenen Werftarbeiter 1970

Blaue Stunde in Danzig
Blaue Stunde in Danzig

Hebebrücke
Hebebrücke

Langgasser Tor frühmorgens
Langgasser Tor frühmorgens


Fahrradwaggon im IC
Sonntag, 11. August 2024: Die laaaange Fahrt Danzig - Zug - Leipzig - Auto - Mainz

Um 5:16 Uhr geht heute die Sonne auf über Danzig und das ist ziemlich genau die Zeit, in der ich mich anschicke, das mit neun Menschen belegte Zehner-Mixed-Dorm-Zimmer - nur das Bett über mir ist nicht belegt - zu verlassen. Mein Rad steht noch vor der Haustür. Ich radle durchs Zentrum noch ein bisschen Richtung Sonnenaufgang. So eine Wohltat die Innenstadt ohne Touristenmassen zu erleben. Einige späte Liebespaare küssen sich noch an den Brücken.
Es geht zurück - zunächst zum Hauptbahnhof Gdańsk Główny. Ein großartiges Bahnhofsgebäude, aber dahinter nur vier Gleise oder zwei Bahnsteige: Peron. Es gibt Rolltreppen und Aufzug fürs Rad und einige Radler*innen am Bahnsteig. Die sechs Hängevorrichtungen in Waggon 13 werden bis auf eine alle genutzt. Auch eine Sitzplatzreservierung habe ich bekommen. Das Wlan funktioniert ganz gut, allerdings fliegt man regelmäßig immer wieder raus. Der Zug ist voll aber nicht überfüllt.


Fahrradaufhängung
Im Intercity


Bahnhof Guben In Posen leert sich der Zug, in Zielona Góra endet er. Ich kaufe am Schalter ein Ticket für die Fahrt zur Grenze und finde endlich einen Briefkasten für eine einzelne Postkarte. Der Zug fährt über das polnische 'Gubin' bis ins deutsche 'Guben' über die Grenze. Der Schaffner in dem gut gefüllten Zug hat sich tatsächlich gemerkt, dass ich ihm vor anderthalb Stunden nur ein Ticket bis Gubin und nicht bis Guben gezeigt habe. Also Nachzahlung. Vier Zloty. Auf meiner Kreditkartenabrechnung sind es später 93 Eurocent.
Ich radle noch einmal zwischen Gubin und Guben hin und her. Hier startete die Tour vor knapp zwei Wochen. Viele Eindrücke sind noch da.
Auch unser Auto in Leipzig steht noch da. Ein bisschen dreckig, In der Hitze hat sich der Handyhalter vom Armaturenbrett gelöst. Ich komme gut durch auf recht leeren Autobahnen gen Westen. Nach 16 Stunden von Haus zu Haus hab ich's geschafft. Dziękuję!


Rad im Kofferraum
Agila

Wäscheständer
Komplette Kleidung


Route Guben - Danzig



Blaue Linie = Touren-Route; Buchstaben = Start und Ziel der Etappen

Etappen Guben - Krakau - Warschau - Danzig (27.7.-10.8.2024)

Details mit Geschwindigkeiten, Höhenmetern etc. als Excel-Tabelle

Tag Datum Start Zwischenstationen Ziel km
1. 27.7.2024 Leipzig Seenplatte Leipzig 80
2. 28.7.2024 Zug Leipzig - Mainz
3. 29.7.2024 Zug Mainz - Leipzig
4. 30.7.2024 Guben Grenze DE/PL – Gubin - Zielona Góra Głogów 148
5. 31.7.2024 Głogów Breslau Opole 206
6. 1.8.2024 Opole Gliwice - Oświęcim Krakau 213
7. 2.8.2024 Krakau Fähre Otfinów - Szczucin Strużki 165
8. 3.8.2024 Strużki Sandomierz Dęblin 168
9. 4.8.2024 Warschau
10. 5.8.2024 Warschau Dęblin 118
11. 6.8.2024 Warschau Płock 134
12. 7.8.2024 Płock Włocławek Toruń 115
13. 8.8.2024 Toruń Chełmno - Grudziądz Tczew 170
14. 9.8.2024 Tczew Danzig - Gdynia Jastrzębia Góra 145
15. 10.8.2024 Jastrzębia Góra Hel - Fähre - Gdynia Danzig 87
Summe 1749

Weichsel-Kilometermarkierung bei Warschau: 528+498
Weichsel-Kilometermarkierung bei Warschau


Anschluss Tour 95: Neiße - Oder - Stettiner Haff (785 km) Mai 2018

Anschluss Tour 43: Ostsee: Danzig - Klaipeda (339 km) Aug. 2008

Anschluss Tour 42: Lübeck - Danzig (890 km) Juli/Aug. 2008

Anschluss Tour 10: Mainz - Vilnius (2070 km) Aug. 2000

Anschluss Tour 9: Mainz - Dresden (715 km) Juni 2000


Nächste Tour: Saint-Nazaire - Speyer (2155 km) Sept./Okt. 2024

Vorherige Tour: Donaueschingen - Ulm (226 km) Juli 2024


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Tour 82: Karibik: Barbados - Haiti (902 km) 2016
Karibik 2016
Chris Tour 91: Jerusalem - Dan - Eilat (1165 km) 2017
Negev 2017
on the Tour 96: Karibik II: Havanna - Miami (1560 km) 2018
Kuba 2018
Bike Tour 97: Kigali - Kampala - Nairobi (1136 km) 2019
Uganda 2019
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