Die gedreiteilte Bahnfahrkarte in der Kältenacht
Karmittwoch, 27. März 2013: Zug Mainz - Basel
Es ist eines der ungelösten Marketing-Rätsel unserer Zeit, warum Bahnreisende mit Fahrrad ihre Bahnfahrten mindestens 36 Stunden im voraus zu planen haben und dann auch noch ihre Rad-Fahrkarte über ein halbstündiges Telefongespräch auf einer sündig teuren Hotline buchen müssen. Jedenfalls hatte sich meine 18-Uhr-22-Fahrt erst um 15.35 Uhr entschieden. Mein irrwitziger Versuch, da noch fernmündlich zumindest die internationale Fahrradkarte zu buchen, ließ mich zunächst am Dauerbesetztzeichen der Radfahr-Hotline scheitern. Der Umweg über die allgemeine Nummer und eine mehrstufige Menü-Führung brachte mich zu einem lebendigen Bahnmenschen. Der sich durchaus speziell für Fahrradkarten zuständig fühlte. Als ich unbedacht das Wort Lago Maggiore in den Mund nahm, verband er mich in Sekundenschnelle mit "Ausland". Das heißt, er kündigte es an, machte es im selben Augenblick bereits, sodass sich Bruchteile einer Sekunde später wieder eine Stimme vom Band meldete: Wegen der vielen Anfragen bitte man mich, zu einem späteren Zeitpunkt... Ich schlug also eine halbe Stunde vor Abfahrt am Mainzer Hauptbahnhof auf, zog meine Wartenummer 1621 und keine zehn Minuten später konnte ich mein Anliegen vortragen. Es ist ein weiteres Rätsel, warum die Computer der Fahrkartenverkäufer nicht einfach eine Fahrkarte nach Verbania-Pallanza zumindest ausdrucken können. Nein, die Strecke muss gedreiteilt werden. Mainz-Brig, Brig-Domodossola, und dann noch 2,80 Euro Domodosoola - Verbania-Pallanza. Für jede Teilstrecke eine Fahrkarte.
Dann noch die Fahrradkarte. Obwohl sie zu allen Zielen im europäischen Ausland gleichermaßen zehn Euro kostet, gelingt es dem Schalter-Ex-Beamten nicht, sie auszustellen. Er versucht es mit dem Zielort Verbania-Pallanza, Domodossola usw. Nix. Um eine realistische Chance zu behalten, den Zug um 18.22 Uhr auch tatsächlich zu besteigen, schlage ich schlicht Mailand als Zielort meiner Fahrradkarte vor. Er greift diesen Vorschlag voller Begeisterung auf. Und nach gut zehn Minuten habe ich nun fünf Fahrkarten für die eine Fahrt. Samt Aufkleber für's Fahrrad: Milano-Centrale. Ich hätte auch Palermo sagen können. Gut hundert Euro kostet das Ganze mit der BahnCard 50, die es neuerdings nur noch mit üblicher Monopolisten-Arroganz der Bahn im unverschämten Zwangs-Abo gibt. Hundert Euro, obwohl ich keinen einzigen Intercity dabei hab. Denn dafür hätte man sich eben schon mindestens gestern entscheiden müssen. S.o. Mir bleiben also drei mehrstündige Nahverkehrszüge: Mainz - Karlsruhe, Karlsruhe - Freiburg, Freiburg - Basel Badischer Bahnhof. Dazwischen ausgedehnte Pausen. Zeit genug, um festzustellen, dass ich meine Kamera vergessen habe. Versuche ich es also mit der Webcam meines Netbooks. Links und rechts die ersten Bilder. Optimierbar. Dafür habe ich alles Wärmende dabei, was der Schrank so hergab. Der kälteste März seit hundert Jahren, zumindest in Berlin, ist eben noch nicht vorbei. Kurz vor Mitternacht verkrieche ich mich auf dem Freiburger Bahnsteig zwischen Gleis 2 und 3 in eine Telefonzentrale. Basel ist um 0.46 Uhr menschenleer aber hell erleuchtet. So hell, dass ich ohne Licht fahre. Was ich erst bemerke, als mich ein Polizist, den ich nach dem Weg frage, darauf aufmerksam macht. Die offizielle Jugendherberge ist das einzige Hostel, das um ein Uhr morgens noch Gäste aufnimmt. Deshalb habe ich dort gebucht. Großer Fahrradkeller. Um halb zwei liege ich im Stockbett.
|