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VG WORTTour 43: Ostsee: Danzig - Klaipeda (339 km)


Chris on the Bike alias Christoph Gocke mit Martin auf der kurischen Nehrung (Foto: Martin)
Chris und Martin auf der kurischen Nehrung in Litauen (Foto: Martin)

Bike-Blog & Routen-Karte & Etappen-Übersicht
Ostsee: Danzig - Klaipeda (9.-13.8.2008)
Martins Konfi-Tour durchs ehemalige Ostpreußen

Maas und Memel, Etsch und Belt
sind immer noch die Grenzen Deutschlands
(das wird nicht gesagt und nicht gesungen,
aber der unschuldigen Melodie sind diese Worte
eingeprägt wie einer Drehorgelwalze)
Heinrich Böll, Irisches Tagebuch

Success Is the Quality of Your Journey
(Die Qualität deiner Reise macht den Erfolg aus)
Jennifer James


Ausrüstung: Bike & More
Ausrüstung:
Bike & More
Martin ist 13 und vor ein paar Wochen konfirmiert worden. Seit langem hat er sich zu seiner Konfirmation eine Radreise mit seinem Paten gewünscht. Ein bisschen Ausland sollte dabei sein. Russland kam da gerade recht. Mit Polen und Litauen noch besser. Das ganze ehemalige Ostpreußen an der Küste lang. Auf der Kurischen Nehrung. Dazu noch eine Seereise zurück über die Ostsee. Ist das mit 13 Jahren zu schaffen und zu genießen? Foto Special: Martin
Foto Special:
Martin

Prolog: Kotz dich aus, Martin!
Betten-Chaos im Baltic Hostel
Freitag, 8. August 2008: Flug "Frankfurt"-Hahn - Danzig

Es war der ungünstigste aller Augenblicke. Die letzte Stewardess hatte sich nun auch angeschnallt. Alles erwartete gebannt wartend oder betont lässig den Start des Ryan Air Flugs. Martin hatte im Bus nach Hahn auf den Hunsrück noch gelesen. Sein Kopf war im Flugzeug lautlos auf seine Knie gesunken. Wir saßen in der ersten Reihe auf der rechten Seite. Versehentlich hatte ich bei der obligatorischen Online-Buchung mit ihrem gelegentlichen Hin und Her "Priority Boarding" gewählt. So konnten wir uns den Platz aussuchen und ich sah jetzt vorwiegend auf eine graue Wand. In diesem Moment erhebt sich Martin aus seiner Power-Nap-Stellung und meint unvermittelt: "Mir ist schlecht."
Ich kenne mein 13jähriges Patenkind nicht so gut, dass ich die nächsten Minuten sicher einschätzen kann. "Musst du dich übergeben?" "Jaa." Ich wende mich händeringend an die zwei Meter entfernt sitzenden Stewardessen: "We need a plastic bag." Bei Ryan Air sind auch die Kotzbeutel aus der Standardausrüstung des Passagierplatzes eingespart worden. Es gibt unter dem Klapptisch überhaupt nichts. Schon gar nicht in der ersten Reihe. Die Stewardess zuckt mit den Schultern. An eine Plastiktüte komme sie jetzt nicht dran und ansonsten sei Vorschrift Vorschrift. Den Start müssen wir selber überstehen.
"Schnell!" unterstreicht Martin die Dringlichkeit. Der ältere Herr zu meiner Linken ist zwar engagiert, nicht zuletzt aus Eigeninteresse, kann aber nicht helfen. Hinter uns die Sitzreihen blieben aufgrund weiterer Vorschriften leer. In einem letzten Verzweifelungs-Appell wende ich mich an die drei linken Sitzreihen. Help! Ein Mann reagiert sofort und opfert seine aktuelle Kickerausgabe, in der er gerade liest, las. Ich reiße sie nach rechts vor Martin, der in diesem Moment ein wenig mit seinem Oberkörper ausholt und nun den mit letzter Kraft zurückgehaltenen Schwall seines bisher Unverdauten in einem Bogen in die Kickerausgabe befördert. Zumindest zu 98 Prozent. Innert weniger Sekunden ist die Kicker-Ausgabe randvoll. Das Flugzeug steht immer noch. Die Stewardessen immer noch vorbildlich angeschnallt.
Aha, ein Trip mit einem Jugendlichen ist ein in alle Richtungen offenes Event. Geht es mir durch den Kopf, während sich die unvermeidlichen olfaktorischen Folgen einstellen. Mein linker Sitznachbar wendet sich nun verstärkt dem Mittelgang zu. Ich registriere die Stellen von Martins Kleidung und Umgebung, die die restlichen zwei Prozent abbekommen haben. Und irgendwann gibt der Pilot richtig Vollgas, und das Flugzeug hebt sich, zum Glück ganz sanft, über die Höhen des Hunsrücks. Es dauert nur noch eine kleine Ewigkeit, bis die Stewardess sich abschnallen darf, eine weiße Plastiktüte überreicht und gleich noch eine fürs nächste Mal.
Das war nicht die erste Panne heute. Als wir uns an Gleis 2/3 des Mainzer Hauptbahnhofs treffen, ist Martins Fahrrad schon manövrierunfähig. In Mannheim habe das Hinterrad plötzlich die Luft verloren. Ich kann also direkt vor dem Hauptbahnhof meine Fahrrad-Kompetenz unter Beweis stellen. Flickzeug und Pumpe habe ich in meinem Bürorucksack dabei. Bei erster Analyse handelt es sich um zwei Löcher, genauer Schlitze, beide unmittelbar neben zwei Flicken, die in Minimalstgröße aus einem Bogen herausgeschnitten sind. Das erschwert, unmittelbar daneben Flicken zu platzieren, weil die alten Flicken nicht am Rand abgeflacht sind.
Schlauch-Tausch ist mein nächster Gedanke. Ich hab nicht mal Werkzeug in Mainz, um das Vorderrad von der Gabel zu nehmen. Mein Rad-Werkzeug hab ich mit dem Fahrrad und anderem Gepäck am Sonntag vor dem Rückflug im Baltic Hostel in Danzig gelassen. Lassen wir also Martins Fahrradwrack am Bahnhof, holen mein Gepäck. Da das Rad mit heraushängendem Schlauch keinen Millimeter vorwärts oder rückwärts rollt, darf ich es nun immer von Station zu Station schleppen.
Die Weichsel bei der Fähre zwischen Schiewenhorst/Swibno und Nickelswalde/MikoszewoSo ist es auch am Danziger Flughafen. Martin geht mit der zweiten weißen Ryan-Air-Tüte in der Hand recht benommen. Zum Glück steht der Stadtbus schon eine halbe Stunde vor Abfahrt bereit. Martin legt sich auf die Rückbank. Und auch hier entleert er sich noch einmal kurz vor dem Start. Für die halbstündige Busfahrt schlage ich vor, dass er sich nach vorne setzt. Martin will nicht anders, kann nicht anders, bleibt auf der Rückbank des langen Gelenkbusses liegen. Als wir vor dem Danziger Hauptbahnhof "Dworzec Główny" aus dem Bus gestiegen sind, kommt der letzte Akt. "Kotz dich aus, Martin!" Es ist nicht mehr viel drin.
Ich schleppe mich mit Martin, Gepäck und Fahrrad ein paar hundert Meter zum Baltic Hostel. Ich hatte es vor einer Woche getestet und für einen Dreizehnjährigen für gut befunden. Martin wollte eine Tour mitfahren, wie ich sie sonst mache. Und da bin ich genau in diesem Hostel abgestiegen, letzte Woche erst. Eines der "independant hostels", die auf engstem Raum ein Maximum an Leuten aus aller Welt unterbringen, wo man unkompliziert Kontakte knüpfen kann. Ich wusste aber auch vom letzten Besuch, dass es am Wochenende mitten im Sommer reichlich voll ist. Gleichwohl lief jeder Reservierungsversuch ins Leere. Genug leere Betten gebe es immer. Ja sogar heute, wie sich herausstellt, aber nicht mehr zwei Betten in einem Zimmer. Wie gern wäre ich jetzt mit Martin in einem ruhigen Hotelzimmer allein...
Aber es ist Freitag Abend 23 Uhr mitten in der Hochsaison. Martin wird seine erste polnische Nacht nach mehrstündiger Kotz-Arie allein mit Wildfremden in einem Etagenbett des Baltic Hostel verbringen müssen. Immerhin: in seinem Sechs-Betten-Zimmer sind lauter nette junge Mädchen, und das letzte freie Bett ist sogar auf der unteren Etage. Martin dämmert eh nur noch vor sich hin. Ich schleife ihn kurz mit in mein Zimmer: eine Bierwolke schlägt uns entgegen, in einem der Dreier-Etagen-Betten ist noch die mittlere Lage frei. Der Boden ist vollgestellt mit Taschen und herum liegenden Klamotten. Ich lasse erst mal nichts hier. Bin froh, dass in dem überfüllten Hostel mein Fahrrad als auch meine beiden herumstehenden Fahrradtaschen von der letzten Woche noch komplett vorhanden sind.
Zurück in Martins Zimmer macht mir ein Mädchen ein nettes Angebot. Ich könne in ihrem Bett über Martin schlafen. Sie liege im Bett nebenan mit ihrem Freund zusammen. Ihr Bett sei nicht genutzt. Gut, es hängt ein Rucksack dran, ein Handtuch zum Trocknen, aber ich bin mehr als glücklich über das Angebot.
Nachdem Martin schnell ganz hinweggedämmert ist, spricht ein Deutscher bei mir vor. Er wolle sich entschuldigen, dass er eine Bierflasche im Zimmer umgekippt habe, ich sei jedoch herzlich willkommen in dem Drei-Etagen-Bett. Schon gut. Ich wasche Martins Kotzklamotten, quatsche ein bisschen mit dem Nachtwächter, der lange in Berlin gelebt hat. Erzähle ihm auch, dass Martin und ich nun doch in einem Zimmer übernachten können. Kurz nach Mitternacht liege ich in meinem Etagenbett, in dem ein Kuli auftaucht. Sei's drum. Es ist dunkel. Ich bin müde. Friedlich liegt schräg gegenüber das Pärchen im Bett.
Überraschung um ein Uhr. Das Pärchen ist wach geworden und will offenbar noch mal losziehen. Nein, sie reisen ab. Als ich ihnen in letzter Minute den Kuli reichen will, lehnen sie dankend ab. "Der gehört uns nicht," sagen sie. Und sprechen auch noch Deutsch. Nun gut.
Vier Uhr morgens: Beim Öffnen meiner Auge sehe ich einen Südländer wild neben meinem Bett gestikulieren: "This is my bed." Nun, ausschließen kann ich das nicht. Und der Spätheimkehrer hat berechtigter Weise Angst um sein gesamtes Hab und Gut. Zumindest in dieser Hinsicht kann ich ihn beruhigen. Selbst sein Kuli ist da. Längst hat der Südländer den Nachtwächter mobil gemacht, die restlichen Mädels in unserm Zimmer erkundigen sich: "What's up?" Nur Martin gleitet nahtlos von Traum zu Traum. Salomonische Lösung. Ich verkrieche mich mit dem Bettzeug in das Ex-Pärchen-Bett, der Nachwächter bezieht das Pärchen-Bettzeug neu für den Südländer. Good night.


Danzig mit dem Krantor
Danzig mit dem Krantor


Kraftreserven fürs Trampolin
Samstag, 9. August 2008: Danzig/Gdansk - Schiewenhorst/Swibno - Fähre - Nickelswalde/Mikoszewo - Stutthof/Sztutowo - Kahlberg/Krynica Morska (68 km)

Martin ist am Morgen wieder fit als wäre nix gewesen. Selbstbedienungsfrühstück ist in dem gemütlichen Aufenthaltsraum inklusive. Wir sitzen an langen Tischen zum Beispiel mit Sophie. In ihrem Zimmer war ich am vergangenen Wochenende untergebracht. Nachdem ich damals mit einem tschechischen Paar ankam und jetzt mit Martin unterwegs bin, vermutet sie, ich böte solche Touren professionell an. Wär auch ein netter Broterwerb. Sie hat eine Woche mit zwei Freundinnen in Danzig verbracht, fährt zu ihren Eltern nach Kolberg/Kolobrzeg, will am liebsten in Berlin studieren. Und große Fahrradtouren in Frankreich und Spanien machen. Nur los. Ein deutscher Jugendlicher am Tisch hat im polnischen Seebad Ausweise und Autoschlüssel geklaut bekommen. Gut, der Rucksack stand vor dem Zelt.

Die Weichsel bei der Fähre zwischen Schiewenhorst/Swibno und Nickelswalde/MikoszewoIch installiere im Treppenhaus einen neuen Schlauch in Martins Hinterrad, korrigiere an beiden Rädern ein paar Kleinigkeiten, während Martin dem Start entgegenfiebert. Dann muss sein Helm richtig eingestellt werden. Es wird ein Start in Etappen. Wir klappern noch ein paar Highlights in Danzig ab, die ich mir schon am letzten Wochenende angeschaut habe. Und gewöhnen uns ans Fahren zu zweit. An der Josefskirche halten wir wegen der dort begangenen sowjetischen Gräuel am Kriegsende, an der alten Hauptpost wegen der dort begangenen deutschen Gräuel zu Kriegsbeginn, an dem Krantor, weil es das Wahrzeichen ist und an der Marienkirche, weil sie eine großartige und die größte Backsteinkirche der Welt ist.
Dann spucken uns die Touristenmassen aus und wir sind schon auf der E77 Richtung Nordost. Mit Südwest-Wind im Rücken. Jetzt beginnt auch für mich terra inkognita. Erst auf der Nordhälfte der Kurischen Nehrung komme ich wieder auf bekanntes Gelände. Der Weg direkt am Wasser ist leider durch ein großes Industriegelände versperrt. Müssen wir zurück und den großen Bogen auf der E77 fahren. Dann verlassen wir die National- und Europastraße, folgen der Küstenstraße 501. Über eine Pontonbrücke tuckern wir auf die Bohnsacker Insel (Wyspa Sobieszewska), die wir bei Swibno mit der Fähre wieder verlassen. An der Anlegestelle die erste gemeinsame Pause mit Blick auf ein schönes Bötchen an der breiten Weichsel (Foto links).

Konzentrationslager Stutthof: Fahrräder vor dem KZ-WachturmHarter Etappenstopp am Nachmittag: das Konzentrationslager Stutthof (Foto rechts), liegt nur ein paar Hundert Meter abseits der Küstenstraße. Nur ein Teil des ehemaligen Lagers ist heute Gedenkstätte. Schon riesig genug. Viele Gebäude sind nur noch im Grundriss kenntlich gemacht. Die, die stehen, sind schlimm genug. Ganz am Ende die Gaskammer - ein schlichtes Ein-Raum-Haus mit Loch im Dach - und das Krematorium. Brutal der riesige Berg Schuhe, der einen Ausstellungsraum füllt. Abgetretene dünne Latschen von zig Menschen. Martin fotografiert viel. Erst ab 13 Jahren ist der Besuch zugelassen. Aber es gibt keine Eintrittskontrolle. Martin wollte mit, seine Eltern waren einverstanden. Was bewirkt so ein Besuch in diesem Alter?
Dann stehen wieder leichtere Dinge an. Martins Sattel ist ein Stück zu hoch. Er quält sich zunehmend. Etwas niedriger ist es einfacher. Und, wenn er hinterherfahren kann. Er hat ein, zwei Tage trainiert. Aber 68 Kilometer sind kein Kinderspiel. Zumal die anstrengendsten erst noch anstehen. Durch sandigen Wald am Strand entlang. Wir sind jetzt auf der Frischen Nehrung. Ästhetisch traumhaft. Trampeln traumahaft. R64-Zeichen markieren Fahrrad-Küstenweg - nicht mehr der R10, der mich von Swinemünde bis Danzig begleitet hat. Gelegentlich ist der R64 eine Zitterpartie, aber weil der Radwaldweg zwischen Straße und Strand verläuft, können wir uns nicht wirklich verfahren.
Zehn Kilometer vor dem Ziel haben wir die Chance, auf die Straße zurückzukehren. Was wir uns nicht nehmen lassen. Sehen das Frische Haff auf der andern Seite der Halbinsel. Es bleibt mühsam für Martin. Auch der gestrige Tag fordert seinen Tribut. Aber er klagt nicht. Rundum erleichtert rollen wir in Kahlberg/Krynica Morska ein. Das Ortsschild des Etappenziels lässt die Anspannung abfallen. Auch wenn sich der Ort lange hinzieht. Am Hafensteg warten zwei Schiffe für die Fahrt über das Frische Haff ans Festland. Eine Fähre brauchen wir, denn auf der Frischen Nehrung gibt es - anders als auf der Kurischen Nehrung - keinen Grenzübergang. Die erste fährt schon um neun Uhr morgens (nicht um 9:30 h, wie es im Internet zu finden ist).

Chris im Doppelzimmer des O. W. Jantar in Kahlberg/Krynica Morska (Foto: Martin)Quasi auf der Verlängerung des Hafenstegs finden wir schon nach wenigen Metern ein Quartier. Auf dem großen Anwesen O. W. Jantar bekommen wir in einem Häuschen ein kleines Zimmerchen. Alles alt aber sauber (Foto links). Martin muss sich an den maroden Osten erst gewöhnen: reißt die Klospülung aus der Verankerung und holt beinah den Vorhang runter, als er ihn im Bett liegend zuziehen will. Lernen durch Experimente.
Dafür hab ich meine Kamera ruiniert. Sie war einen Moment zu lang in der Hosentasche. Ich habe mehr geschwitzt als gedacht. So hat sich Kondenswasser abgesetzt. Am nächsten Morgen ist auf dem Display nichts mehr zu erkennen. Totalschaden, auch wenn ich auf Verdacht weiter Fotos machen kann, ohne zu sehen, was ich denn genau fotografiere.
Kaum sind wir am Strand, entdeckt Martin in sich neue Kraftreserven fürs Trampolinspringen (Foto unten), während ich im 17-Grad-Wasser schwimme. Auch beim Airhockey - bei der ein Puk auf einem Luftteppich hin und hergeschleudert wird - in den verschiedenen offenen oder halboffenen Spielhallen geht's noch mal hoch her. Und da wir Polen morgen, am Sonntag, schon wieder verlassen, muss Martin für seine Sammlung ein paar Briefmarken kaufen, die wir angesichts des umfangreichen Postkarten-Angebots bald gefunden haben.


Martin auf Spring-Trampolin am Strand von Kahlberg/Krynica Morska
Trampolin am Strand von Kahlberg/Krynica Morska:
Martin hat auch nach 68 Rad-Kilometern noch Power


Fahrt mit Fähre auf Frauenburg/Frombork zu (Foto: Martin)Kopernikus und Kant: am Grab der Menschheits-Lehrer
Sonntag, 10. August 2008: Kahlberg/Krynica Morska - Fähre - Frauenburg/Frombork - Grenze Polen/Russland - Königsberg/Kaliningrad (78 km)

Auch heute eine Fährfahrt. Über das Frische Haff nach Frauenburg/Frombork, dessen Kopernikus-Turm mit dem gesamten Kathedral-Komplex sich schon früh am Horizont abzeichnet (Foto links). Samt dem Grab jenes Nikolaus, der die Erde davon befreite, sich selbst als Mittelpunkt der Welt zu sehen.
Einen Holländer treffen wir, der von Frombork nach Elbing/Elblag zurückwandern will, nachdem er zuvor an der Ostseeküste lückenlos von seiner Heimat bis hierhin gelaufen ist. Die Lücke der Fährfahrt, die sich selbst mir nicht völlig erschließt, muss irgendwie geschlossen werden. Auch eine Berlinerin, die aus der Hauptstadt geradelt kam, fährt wieder zurück nach Westen. Mit unserer polnischen Straßen-Karte, die von Kolberg bis hier ihr Geld allemal wert war.
Viele lassen sich abschrecken von der russischen Grenze, von dem Visum, das leider immer noch verlangt wird. Auch zwei Motorradfahrer mit Delitzscher Kennzeichen, die uns kurz vor der Grenze überholen, kommen uns bald wieder entgegen. Offenbar fehlt auch ihnen der richtige Pass mit dem richtigen Stempel. Der Verkehr ist da schon völlig zum Erliegen gekommen. Prägten hier vor Jahren noch Schmuggel-Kolonnen in alle Richtungen das Bild, erreichen wir nun einen einsamen Grenzposten, an dem in aller Ruhe die Formalitäten abgewickelt werden. Erst auf der polnischen Seite. Dann auf russischer Seite schon am ersten Schlagbaum (auch das Wort ein deutscher Exportschlager, der Eingang in den russischen Wortschatz gefunden hat). Wo wir die Immigrationskarte zwei Mal ausfüllen müssen. Allerdings keine Zoll- bzw. Devisen-Erklärung.

Auch der Asphalt auf der russischen Seite der Grenze verdient das Prädikat 1a. Die Landschaft wirkt etwas wilder. Nicht so konsequent landwirtschaftlich genutzt. Überraschender die Busse der Linie 117, die alle paar Minuten in beide Richtungen zwischen Kaliningrad und dem Grenzort fahren, meist menschenleer. Immer wieder geht's ein bisschen rauf bis auf 80 Meter. Und wieder runter. So stellt sich auch heute Martins Müdigkeit am Nachmittag ein. Eigentlich fühle ich mich wohler, wenn er vor mir herfährt. Aber das kostet ihn noch mehr Kraft und macht uns ein ganzes Stück langsamer. So fahre ich meist vor. Aber es ist kaum Verkehr, selbst als wir die Vororte von Kaliningrad und schließlich durch das wieder aufgebaute Brandenburger Tor (Foto auf der Seite Foto Special: Martin) den Stadtkern erreichen.

Königsberger Dom in Kaliningrad (Foto: Martin)Es ist ja auch Sonntag. So beobachten wir ein Brautpaar-Fotoshooting auf der Pregelinsel, wo Dom und Kant-Grab Rücken an Rücken stehen (Foto rechts und unten). Auf der Brücke hängen lauter Schlösser, eingraviert die Namen und Daten von Vermählungen. Sie sollen ewig zusammenhalten. Der Dom ist schon geschlossen, das Kant-Grab schlicht. Mir fällt noch ein, dass Kant eine hervorragende CO2-Bilanz hatte, da er sich Zeit seines Lebens (und posthum) nie aus Königsberg herausbegeben hat. Zumindest erzählt man sich das.
Es ist kühl, wir sind müde. Und haben kein Quartier. Es gibt kaum welche. Einige wenige Privatquartiere. Wir haben eine Liste dabei, aber die Suche erweist sich schnell als zu mühsam für uns hier und heute. Versuchen wir es mal bei dem riesigen restaurierten Kaliningrad-Hotel. Das Personal personifiziert die russische Unfreundlichkeit in extenso und Zwei-Bett-Zimmer gibt es angeblich nur noch in der teuersten Kategorie.
Bleiben Martin weitere Kilometer in der Stadt nicht erspart. Wir sehen das Zentrum. Die neuerbaute Christ-Erlöser-Kathedrale der russisch-orthodoxen Kirche, die die imposante Lenin-Statue ersetzt - in Russland immer noch nicht selbstverständlich. Lernen noch ein junges deutsch-russisch-usbekisches Paar kennen, das auf Heimat-Urlaub ist. Und landen dann im Hotel Moskwa, das die gleichen (Preis-)Schilder wie das Kaliningrad-Hotel hat. Hier ist man freundlich und hat auch ein günstigeres Zwei-Bett-Zimmer. 78 Kilometer sind es geworden. Wieder ein neuer Rekord für Martin.
Wieder entfesselt das Airhockey am Abend neue Kräfte. Heute bleibt es bei einer Partie. Die Family nach uns bringt das Gerät aus dem Takt. Dafür stößt Martin in der Spielhölle gegen eines jener Geräte, die man mit kleinen Münzen füllen kann, in der Hoffnung, dass zahlreiche überhängende Münzen herunterfallen in die Ausgabe. Martins Versuch, ohne eigene Münzen zu mehr Rubeln zu kommen, endet schnell. Das Licht am Gerät erlischt. Einer der Security-Guards ist sofort zur Stelle. Wir sehen zu, dass wir schnell weiter kommen.


Chris am Grab von Immanuel Kant (1724-1804) in Königsberg/Kaliningrad (Foto: Martin)
Am Grab von Immanuel Kant (1724-1804) in Königsberg/Kaliningrad


Chris auf einem Feldweg bei Tenknitten/Muromskoe (Foto: Martin)Kurische Nehrung total - im Sonnenschein
Montag, 11. August 2008: Königsberg/Kaliningrad - Cranz/Selenogradsk - Rossitten/Rybachy (84 km)

Zimmerfrühstück. Die Ausfahrt aus der Stadt verbinden wir mit ein wenig Shopping. Heute sind russische Briefmarken dran. Wir kaufen alle Sorten, die es gibt. Wir statten einem Geldwechsler, dem "Obmen valut", einen Besuch ab. Der kurz vor zehn grad öffnet. Der Buchladen leider immer noch nicht. Kurz bevor wir Kaliningrad endgültig Richtung Flughafen und Selenogradsk im Norden verlassen, verspricht ein kleines Einkaufszentrum "knigi". Der winzige Buchladen hat tatsächlich zwei exzellente Straßenkarten des Kaliningrader Kreises. Ich entscheide mich für die Карта "Калининградская область" im Maßstab 1:200000.

Martin auf einem Feldweg bei Tenknitten/MuromskoeMit ihr entdecke ich - nachdem wir 25 Kilometer auf der großen Nationalstraße vom Montagmorgen-Verkehr umtost waren - einen winzigen Feldweg mitten durch die Botanik (Foto links und rechts). Dazu müssen wir über die Bahnstrecke klettern und ein Bächlein überqueren, in dessen Motsch mein Schuh kurzzeitig versinkt. Dann können wir den Rest der Strecke auf ruhigen Landstraßen zurücklegen. Bis wir das einstige Ostseebad Cranz erreichen.
In Cranz/Selenogradsk rollen wir sofort zur Promenade. Die ist eine Mischung aus sozialistischen Ruinen (Foto links) und verschiedenen Erneuerungsversuchen. Erschwerend kommt hinzu, dass der Strand in ständigem Schwinden begriffen ist und an weiten Strecken nur noch ein paar Kiesel am Wasser liegen (ebenfalls auf dem Foto zu erkennen). Die prächtigen Fotos von einst, als Cranz zu den in jedem Sinne ersten Adressen des See-Tourismus gehörte, stimmen wehmütig.

Betonruine auf der Strand-Promenade von Cranz/SelenogradskDabei ist der russische Aufschwung - der just in dieser Woche zur kriegerischen Attacke auf georgisches Staatsgebiet geführt hat - nur wenige Straßenzüge oder Orte entfernt. Russland imitiert zwar in Vielem den Westen, in dem Bewusstsein allerdings, den Westen eigentlich nicht zu brauchen. Dass 750 Kilometer Ostseeküste Deutschland waren - wenn auch schon damals von unterschiedlichen Nationen besiedelt - ist schwer vorstellbar. Gerade weil die Entwicklung in Polen, Russland und Litauen sehr unterschiedlich verlaufen ist und dem ehemals deutschen Land auch so seine Einheit verloren ging. Jetzt also begrenzter Charme.
Kurz hinter dem Ortsende öffnet eine Schranke, die Radler kostenlos passieren dürfen, den Weg in den Naturpark Kurische Nehrung. Seit ich vor neun Jahren die nördliche, litauische Hälfte der Kurischen Nehrung befuhr und vor der russischen Grenze stand, träume ich davon, die Nehrung auf ganzer Länge zu durchfahren. Auch wenn sich die Landschaftsgestaltung als sehr homogen erweist. Geprägt von den deutschen Deichgrafen, die im 19./20. Jahrhundert mit systematischer Bepflanzung einen Weg fanden, die Wanderbewegung der Sanddünen zu verlangsamen und sogar zu beenden, sodass die deutschen Orte auf der Nehrung nicht alle hundert Jahre verlassen und andernorts neu errichtet werden mussten.
In Lesnoje, an der schmalsten Stelle der Insel, fahren wir zur Pause an den Strand. Eine schöne, warme Pause, weit und breit Sand. Etwas weiter verlassen wir die ruhige Landstraße, fahren durchs Gestrüpp bis an den Fuß einer bewaldeten Sanddüne. Lassen die Fahrräder stehen und erklettern den Wall, auf dem wir oben weiter wandernd die weiten Sandfelder sehen (Foto unten). Da wir ansonsten weder Sand-Wald-Wege wie am ersten Tag, noch Hügel wie am zweiten Tag haben, bringen wir es auf einen weiteren Martin-Rekord: 84 Kilometer.

Gespräch mit der Gastgeberin: Privatunterkunft in der Ulitsa Gagarina in Rossitten/Rybachy, Russland (Foto: Martin)Wobei wir die letzten Kilometer erst in Angriff nehmen, nachdem wir in dem 900-Einwohner-Dörfchen Rybachy, dem früheren Rossitten - wo sich inzwischen sogar ein Hotel "Gostiniza Rossitten" nennt - uns von dem Infozentrum zur Abwechslung ein Privatquartier vermitteln lassen. Es findet sich in der "Ulitsa Gagarina": der erste Kosmonaut verewigt in der winzigen Straße eines kleinen Dorfes auf dem winzigen Strich der Kurischen Nehrung. Neben der alten, einst protestantischen Kirche, die mit Unterstützung deutscher Ehemaliger als russisch-orthodoxe Kirche restauriert wurde, begrüßt uns ein altes russisches Mütterchen (Foto rechts).
Alle Schuhe stehen im Eingang, wir dürfen unsere anlassen. In der Küchenwand ist halbhoch ein kleiner Einstieg, durch den man direkt auf eine Treppe ins Obergeschoss steigen kann. Da haben wir ein großes Zimmer. Alles alt. Alles Holz. Bad- und Toilette teilen wir mit der von Stunde zu Stunde größer werdenden Familie. Ein kleiner Einblick in den russischen Alltag. Und das bestialisch schmeckende Wasser aus dem Wasserhahn. Das schon beim Zähneputzen anwidert. Tausend Rubel (etwa 27 Euro) mehr als wert.
Beschwingt fahren wir noch einmal quer über die Nehrung, um zur Ostsee-Seite, zum Strand zu kommen. Obwohl es schon 17 Uhr ist, bekomme ich fast noch einen Sonnenbrand. Ein herrlich warmer Tag. Martin gräbt sich in den Sand ein (Fotos auf der Seite Foto Special: Martin).
Abendessen auf der großen Terrasse des Hotels an der Straße. Pelmeni (gefüllte Teigtaschen) und Blini (Pfannküchle) sind innerhalb von zwei Tagen zu Martins Leibgerichten avanciert. Als wir im Laden die allerletzten verbliebenen Kopeken in russische Lebensmittel umsetzen, lernen wir zwei Lehrerinnen aus Schwerin kennen. Sie haben mit der Fähre den russischen Hafen Baltijsk angesteuert und fahren ausführlichst in der russischen Enklave herum. Den Rest vom Ostseeradweg haben sie schon in den Vorjahren hinter sich gelassen. Sie wohnen gegenüber unserer Nachbar-Kirche im ehemaligen Pfarrhaus. Als Martin seine 84 Rekord-Kilometer ausschläft, unterhalte ich mich mit ihnen noch bei moldawischem Wein über das Radler-Leben an der Ostsee.


Wurzeln im Sand: Bewaldete Dünen auf der Kurischen Nehrung in Russland
Wurzeln im Sand: Bewaldete Dünen auf der Kurischen Nehrung in Russland


Privatunterkunft in der Ulitsa Gagarina in Rossitten/Rybachy, RusslandNolens volens auf dem litauischen Bike-Highway
Dienstag, 12. August 2008: Rossitten/Rybachy - Grenze Russland/Litauen - Nidden/Nida - Schwarzort/Juodkrante (69 km)

Frühstück unter übervollen Apfelbäumen (Foto rechts). Das schöne Wetter von gestern hat sich nicht gehalten. Anfangs ist es regnerisch. Wird der Regen heftig, machen wir eine Pause unter Bäumen. So bleiben wir halbwegs trocken. Wieder eine übersichtliche Grenzabfertigung. Nach einer halben Stunde sind wir in Litauen.
Nähern uns Nidden/Nida, dem Haupt-Touristen-Ort der Kurischen Nehrung. Wir lassen uns heute treiben. Wir könnten bis Klaipeda durchfahren, aber das wäre wieder ein sehr langer Tag (wieder eine Rekordfahrt...). Beinah fahre ich Martin über den Haufen. Ich habe ihm zugerufen, wir fahren weiter auf dem Fahrradweg: doch der führt geradeaus weiter aber auch direkt vor meinem Rad nach links. Nur ein Schrecken. Nix passiert. Es geht jedenfalls ein Stück zurück zu den Dünen von Nida, der "litauischen Sahara" (Foto rechts und unten). Wieder lassen wir die Räder am Fuße stehen und erklettern 60, 70 Höhenmeter. Allein, das Wetter lässt kein Wüsten-Feeling aufkommen.

Hausdächer in Nidden/Nida, Kurische Nehrung, Litauen (Foto: Martin)Chris in den Dünen der litauischen Sahara bei Nidden/Nida, Kurische Nehrung (Foto: Martin) Der litauische Teil der Kurischen Nehrung ist inzwischen von einem durchgehenden Fahrradweg durchzogen, meist fernab der Straße. 1999 hatte ich noch nichts davon entdeckt, 2002 immerhin die letzten 15 km vor Nida. Jetzt nutzen ihn aber auch viele Touristen. Der meist etwa zwei Meter breite Streifen, der durch die Nadelwälder führt, ist ein richtiger Bike-Highway. Eine größere Gruppe deutscher Senioren radelt sogar in geschlossener Formation einige Kilometer drauf. In Vilnius sind sie gestartet. Aber immer nur kurze Strecken mit dem Fahrrad gefahren. Alle paar Meter wartet der Gruppenbus. Besonders originell sind die Mini-Fahrradtaschen in tausend grellen Lack-Farben.
Wir entschließen uns, nolens volens in Schwarzort/Juodkrante zu bleiben. Kommen dort am Ortsrand bei einem Künstlerehepaar unter, das auch regelmäßig Ausstellungen in Deutschland hat: Jūratė Bučmytė und Albertas Krajinskas. Als Feriengast hat man die Originale im eigenen Zimmer hängen (Foto links unten).


Kurische Nehrung
Kurische Nehrung


Künstler-Unterkunft bei Jurate Bucmyte und Albertas Krajinskas in Schwarzort/Juodkrante (Foto: Martin)Gebrauchtwagen aus den USA
Mittwoch, 13. August 2008: Schwarzort/Juodkrante - Sandkrug/Smyltyne - Fähre - Memel/Klaipeda (40 km); Fähre Klaipeda - Kiel

Heute regnet es richtig. Es schüttet. Den ganzen Morgen. Unser Künstler-Gastgeber Albertas Krajinskas (*1956) erfreut uns mit der Nachricht, dass es gegen Mittag besser werden solle. Und so kommt es auch. Dennoch muss bis dahin ein großes Opfer gebracht werden: Martin liest sein einziges Buch, das von Napoleons Schlachten handelt, angereichert durch eine Drachen-Geschichte und zufällig auch in Ostpreußen spielt, fast aus. Und das, wo uns noch mindestens 19 Stunden auf der Fähre und zahlreiche Stunden im Zug bevorstehen...

Ostsee-Strand bei Schwarzort/Juodkrante, Kurische Nehrung, LitauenAls wir gegen halb eins starten, hält sich der Himmel halbwegs. Immerhin ist der Radweg heute Radlerleer. So auch der Strand (Foto rechts). Wie meist bei schlechtem Wetter fahren wir recht zügig. Bis zur Fähre nach Klaipeda sind es keine 30 Kilometer mehr. Am Ende bieten sich mehrere Radweg-Varianten an. Auch, weil die Fähren an zwei verschiedenen Anlegestellen halten. Wir landen schließlich die letzten drei Kilometer auf der Straße. Dafür erwischen wir direkt eine Fußgängerfähre rüber zum Festland. Mit der Kulisse des sich 15 Kilometer dahinziehenden Hafens.
Durch den späten Start haben wir nicht mehr viel Zeit. Sie reicht für einen letzten Großeinkauf: Briefmarken. Lebensmittel. Auf der zehn Kilometer weiten Fahrt zum Fähranleger machen wir noch einen Zwischenstopp bei einer Autohändler-Werkstatt, in der ich vor sechs Jahren eine Reportage gedreht habe. Damals importierten die Gebrüder Bernotas Autos aus Norddeutschland, bastelten an ihnen mit rund 20 Mitarbeitern rum und verkauften sie weiter Richtung Osten. Inzwischen ist ein Bruder ins Baugeschäft umgestiegen, dafür ein anderer ins Auto-Geschäft eingestiegen. Inzwischen kaufen sie Autos über Internet in den USA. Die sind dann nach zwei Monaten in Litauen. Das lohnt sich mehr als Autos aus Europa. Wieder eine Lektion in Sachen Globalisierung.

Chris on the Ferry I (Foto: Martin)Chris on the Ferry II (Foto: Martin)Damals - für die Reportage - fuhren wir auch mit einer Fähre: von Sassnitz/Mukran nach Memel/Klaipeda. Das Passagiergeschäft war für die Reederei nur ein kleiner Zusatzverdienst. Das Hauptgeld wurde mit dem Transport von Autos gemacht. Plätze auf dieser Fähre waren angeblich schon ausgebucht. So suchen wir jetzt die stattdessen gebuchte Fähre nach Kiel.
An ein paar Investitions-Palästen vorbei arbeiten wir uns, nachdem wir einen letzten kräftigen Regenschauer abgewartet haben, in das entsprechende Hafenbecken am Südende der Stadt vor. Die Lisco Optima fasst wahnsinnig viele Autos, ist aber auch fast ein kleines Kreuzfahrtschiff. Mehrere hundert Passagiere sind an Bord. Ein Motorrad-Pärchen teilt sich mit uns eine Kabine (Foto unten links). Mit dem Erreichen der Fähre haben wir die geplanten Rad-Etappen alle bewältigt. Ein bisschen fällt die Spannung von mir ab (Fotos links, rechts; die wollte Martin auf der Homepage haben...).
Es hat wahnsinnig viel Spaß gemacht, mit Martin zusammen zu fahren. Er hat sich für die Tourphilosophie begeistert. Nicht, ohne eigene Akzente zu setzen. Nicht, ohne zu kritisieren. Er hat immer klar gesagt, wie es ihm geht. Was geht. Er interessiert sich für so vieles, sodass wir uns über tausend Dinge unterhalten haben. Die Tour war Teamwork. Wir haben viel gelacht. Fun & Sun. Danke, Martin! Und für das Vertrauen deiner Eltern.


Hafenausfahrt in Klaipeda: auf der Lisco Optima an der Spitze der Kurischen Nehrung, Litauen
Hafenausfahrt in Klaipeda: auf der Lisco Optima an der Spitze der Kurischen Nehrung


Martin in der Vierer-Kabine D auf der Lisco OptimaEpilog: als Martin plötzlich im Menschentrubel entschwunden war
Donnerstag, 14. August 2008 & Freitag, 15. August: Zugfahrt Kiel - Hamburg - Bonn - Mainz

Die Fähre hat kräftig Gegenwind. So komme ich am Morgen noch zu einem Blick von Hoher See auf die Steilküste von Rügen. Wir verfolgen zum ersten Mal Wettkämpfe von den Olympischen Spielen in Peking.
Höhepunkt ein Basketballspiel zwischen Litauen und Russland, das nicht zuletzt wegen des Kriegs im Kaukasus die Emotionen kochen lässt. Auch, weil es spannend ist. Gut, dass am Ende Litauen gewinnt. Verspätet gehen wir in Kiel an Land. Auch ein strammer Radspurt lässt uns den letzten Zug, der uns heute eine Heimfahrt bis Mainz ermöglicht hätte, nicht mehr erreichen.

Chris im Intercity 2307 Hamburg - Koblenz (Foto: Martin)Immerhin, wir kommen zunächst nach Hamburg. Dank Verspätung haben wir dort nur drei, vier Minuten zum Umsteigen. Mit Rädern und allem Gepäck. Und die Gleisangabe auf dem Fahrplanausdruck ist falsch. Martin ist schon zu Gleis 1 unterwegs, während ich an der Anzeigetafel den Fehler entdecke. Für einen Moment habe ich ihn aus den Augen verloren. Mitten in der größten Hektik. Rufe nach ihm. Da ist er wieder. Kräftig rempelnd schlagen wir uns zum richtigen Gleis durch. Es wäre die allerletzte Sekunde gewesen. Oder eher schon danach.
Aber auch dieser Zug hat einen Moment Verspätung. Glück auch im Intercity-Fahrradabteil. Es sind genügend Plätze für uns frei. Auch wenn wir nicht reservieren konnten. Endlich sind wir drin. Es geht los. Ein langer Abend im Zug. Tatsächlich fehlt ein zweites Buch für Martin. Napoleon und die Drachen lassen sich durch keine noch so aktuelle Tageszeitung ersetzen.
Immerhin kann er sich in dem von mir ausgelesenen Buch von Josie Dew "Tour d'Aloha. Mit dem Fahrrad durch die USA." für den Abschnitt begeistern: "Am Tag meiner Ankunft hatte das Schicksal der Familie Bonney bereits übel mitgespielt: Racing Car, der Goldfisch, hatte das Zeitliche gesegnet. Sein Besitzer, der siebenjährige Mark Bonney, begrüßte mich schon auf der Türschwelle mit folgenden Worten: 'Hi! Racing Car ist im Müll.'" Immerwieder lacht er sich halbtot über diese Passage. Ich auch.
Wir belassen es für heute bei Bonn, wo wir bei unsern Freunden C & A (& JCT) großartig unterkommen. Trotz der späten Stunde. Wir hätten bis Koblenz fahren können, wo wir um Mitternacht ein Late-Night-Radeln nach Mainz veranstalten könnten... Morgen noch die letzte Etappe. Zug-Etappe. Nach Mainz.


Sonnenuntergang in der Ostsee auf der Lisco Optima
Sonnenuntergang in der Ostsee auf der Lisco Optima


Route Ostsee: Danzig - Klaipeda



Blaue Linie = Touren-Route; Buchstaben = Start und Ziel der Etappen

Etappen Ostsee: Danzig - Kaliningrad - Klaipeda (9.-13.8.2008)

Details mit Geschwindigkeiten etc. als Excel-Tabelle

Tag Datum Start Zwischenstationen Ziel km
1. 9.8.2008 Danzig/Gdansk Schiewenhorst/Swibno - Fähre - Nickelswalde/Mikoszewo - Stutthof/Sztutowo Kahlberg/Krynica Morska 68
2. 10.8.2008 Kahlberg/Krynica Morska Fähre - Frauenburg/Frombork - Grenze Polen/Russland Königsberg/Kaliningrad 78
3. 11.8.2008 Königsberg/Kaliningrad Cranz/Selenogradsk Rossitten/Rybachy 84
4. 12.8.2008 Rossitten/Rybachy Grenze Russland/Litauen - Nidden/Nida Schwarzort/Juodkrante 69
5. 13.8.2008 Schwarzort/Juodkrante Sandkrug/Smyltyne - Fähre Memel/Klaipeda 40
Summe 339

Chris mit neuem Fahrrad-Helm: KED Neo Visor XXL (Foto: Martin)
Chris mit neuem Fahrrad-Helm: KED Neo Visor XXL
(Foto: Martin)


Anschluss Tour 42: Lübeck - Danzig (890 km) Juli/Aug. 2008

Anschluss Tour 18: Nida - Vilnius (505 km) Juli 2002

Anschluss Tour 8: Tallinn - Nida (875 km) Aug. 1999


Nächste Tour: Budapest - Stara Zagora (1682 km) Sept. 2008

Vorherige Tour: Ostsee: Lübeck - Danzig (890 km) Juli/Aug. 2008


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