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Jerba - Jerusalem: dritte Woche


VG WORTAlexandria, Ägypten

Alexandria, Ägypten


Ägypten: Die Ratten der Raffinerie
Apokalyptische Annäherung an Alexandria

Deutsche Kriegsgräberstätte Tubruk, LibyenGrenzerfahrung: Positive Diskriminierung und Erleichterung
Montag, 12. November 2001: Tubruq - Grenze Libyen/Ägypten - Sallum (164 km)
Auf der gegenüberliegenden Seite der Hafenbucht von Tubruq steht eine Art maurisches Fort, errichtet 1955 von Deutschen (Foto rechts). Als Kriegsgräberstätte für die im Zweiten Weltkrieg in Libyen gefallenen deutschen Soldaten. Mit erschreckend aktueller Gedenktafel: "Wüstenwind hüllte uns ein, die Leiber versengend, die Herzen. Schicksalssturm löschte das Licht unseres irdischen Tags. Was wir gewesen, ihr seid's. Und was uns verhängt war, bedroht euch. Lernt aus verwehter Spur, sorgt dass die Wüste nicht wächst." Unter den 6.026 Namen an der Tafel auch ein - mir unbekannter - "Heinr. Gocke".
Und dann geht alles plötzlich ganz schnell. Ein libyscher Grenzoffizier fängt mich schon an der ersten Station an der Grenze ab und begleitet mich durch Pass- und Zollabfertigung bis zum letzten Zentimeter libyschen Staatsgebiets. Zwischendurch nur noch ein Kurzinterview mit einem Agenten: "Next time bring your family. You are welcome any time in Libya."
Auch auf der ägyptischen Seite "positive discrimination". Die Passkontrolle erlebe ich aus dem Häuschen der Passbeamten. Verschleierte Frauen müssen ihren Schleier vor dem Beamten (und damit auch mir) zum Vergleich mit dem Passbild heben und sehen dabei gar nicht unglücklich aus. Dann das Gepäck durch das Röntgen-Gerät und schon rolle ich den Berg von Sallum herab. Womit ich nicht gerechnet habe: Ich spüre große Erleichterung.

Osama: 50 Prozent gut, 50 Prozent schlecht
Dienstag, 13. November 2001: Sallum - Sidi Barrani (90 km)
Der Küstenstraßen-Freeway ist vierspurig mit 2-Meter-Seiten- und 5-Meter-Grün-Streifen in der Mitte, die Hauptverbindung zwischen Libyen und Ägypten. Und ich radle völlig allein. Alle paar Minuten tuckert ein einsames Auto vorbei.
Am Abend im Lebensmittelladen von Sidi Barrani kommen wir ins Gespräch. Man bittet mich um meine Adresse, auch Email-Adresse. Das nächste Internet-Café ist 140 km entfernt, aber der Händler hat trotzdem eine "Email-Adresse": www.barrani.com. Sozusagen eine Homepage für die ganze Sippe, den ganzen Beduinen-Ort.
Plötzlich sagt er: "Da kommt Osama bin Laden," als ein Bart- und Turban-Träger den Laden betritt. Diese Chance kann ich nicht ungenutzt lassen. Was er denn von Osama halte, frage ich. "Very good." Und die Taliban? Auch eine sehr gute Regierung. Sie hätte nur einen Fehler gemacht, die Spregung der Riesen-Buddhas von Bamiyan. Wenn er nun die Politik Mubaraks mit der der Taliban vergleiche, was gefalle ihm denn besser. Nach einem Loblied auf Mubarak, meint er, die Amerikaner müssten endlich mit dem Krieg aufhören. Was er denn davon halte, dass die Taliban die Mädchen nicht zur Schule gehen ließen. Und was er denn von Terrorismus halte. Und ob Osama nicht dazu aufgefordert habe, mich umzubringen. Darauf kommt keine Antwort. Kein Ja, kein Nein. Ob das eine gute Idee sei, mich umzubringen, frage ich. Kein Ja, kein Nein. Später schränkt er ein: Osama sei so 50 Prozent gut, 50 Prozent schlecht. Wir verabschieden uns herzlich.

Marsa MatruhDas erste Seebad seit Jerba
Mittwoch, 14. November 2001: Sidi Barrani - Marsa Matruh (146 km)
Mein Erste-Hilfe-Set wird erstmalig gefordert. Es besteht ausschließlich aus 20 cm Pflaster. Ein LKW-Fahrer, der an einem Reifen-Wechsel arbeitet, hält mich an, fragt mich, ob er nicht seinen Schraubenschlüssel, der an einer Stelle verteert ist, mit etwas Pflaster abkleben kann. Is ok.
Am Abend im ersten Seebad meiner Reise: Marsa Matruh. Ein ägyptisches Seebad (Foto links) für Ägypter, nicht für Deutsche. Keine Highseason also. Ich genieße Strand und Wasser für mich allein.

Radarfalle in der Wüste
Donnerstag, 15. November 2001: Marsa Matruh - El Alamein (194 km)
Auf der immer noch einsamen Küstenstraße hockt ein Mann hinter einem Busch. Vor sich eine Radarfalle. Ein paar Kilometer weiter endlich mal ein Check-Point, an dem nur die Autos rausgewunken werden.

Gräber, El AlameinApokalypse Alexandria: Myriaden von Ratten am Mareotis-See
Freitag, 16. November 2001: El Alamein - Alexandria (126 km)
Ich habe Kilometer 21 vor Alexandria erreicht. Es ist später geworden als geplant. Am Morgen erst die Besichtigung der Commonwealth-Kriegsgräber (Foto rechts) und des Museums von El Alamein, das Begeisterung versprüht über einen Krieg auf einem riesigen Schlachtfeld ohne Zivilbevölkerung und ohne jede Infrastruktur. Und auf dem mindestens 80.000 Soldaten im Zweiten Weltkrieg starben. Dann 8.000 km nach dem Kauf meines Fahrrads im Juni der erste Platten. Ein winziges Loch durch einen noch winzigeren (logo) einen Zentimeter langen Draht. Da ist selbst der Schwalbe-Marathon-Mantel machtlos.
Und jetzt biegt die Straße wie auf der Karte (Maßstab 1:3,5 Mio., d.h. die heutige Etappe ist knapp 4 Zentimeter lang auf meiner Karte; besser gab's nicht) angedeutet, von der Küste ab. Bald geht mir das zu weit. Zweimal frage ich, aber jedesmal bestätigt man mir auf dem richtigen Weg zu sein. Es ist der falsche. Als es zu spät ist, stehen 15 km Umweg an. Rund um die stinkende, quadratkilometer-große Kloake des Mareotis-Sees (Lake Mariut, Mariout, Maryut). Durch die Industriegebiete der fünf-Millionen-Metropole. Überwiegend Petrochemie. Die einzigen Lebewesen, die ich noch sehe, sind Myriaden von Ratten, die sich vor mir in Sicherheit bringen. Ein LKW überschüttet mich mit einer Salve Sand.
Es wird dunkel. Die Straßen werden acht-, zehnspurig, verlaufen auf drei Ebenen. Dann muss ich auf eine Hochstraße. Oben fahre ich zu schnell in ein Schlagloch. Höre zum Glück wie das Batterie-Blinklicht fällt. Die Klemme ist im Eimer. Es blinkt von nun an aus dem Fahrradkorb. Ich will den bis dahin tadellos funktionierenden Dynamo zuschalten. Totalausfall. Aus luftigen Höhen geht's in tiefe Tunnel. Irgendwann spüre ich wieder das Meer. Ich stehe fast beim Fahren, weil es von See her stürmt. Endlich bin ich auf der Uferpromenade. Das Hotel, das ich ansteuere, ist inzwischen renoviert und kostet über 100 Dollar, für Ägypter weniger als die Hälfte. Das nächste ist im fünften Stock. Aufzug und Treppe zu eng fürs Fahrrad. Im dritten bleibe ich aus Verzweifelung. Das Zimmer mit Seeblick lehne ich ab, es stürmt zu heftig.

KM-Markierung 29 vor Alexandria auf der Küstenstraße, Ägypten Das Cheeseburger-Geständnis im Ramadan
Samstag, 17. November 2001: Alexandria
Bis zu 15 Meter hoch ist die Gischt, die die Brandung auf die sechsspurige Uferstraße treibt. Meerwasser gemischt mit Müll. Wettermäßig, mental und körperlich Ruhetag fällig. Die wenigen reifen Feigen, die ich vor drei Tagen am Straßenrand gekauft habe, haben meinen Körper aus der Balance gebracht. Und vermutlich nicht nur sie.
Alexandria ist eine Offenbarung. Nach 2.600 Kilometern Wüste. Mit dem abgeschotteten Libyen. Mitten im Ramadan offene Geschäfte und Restaurants mitten am Tag. Ja, ich gestehe es: ein Cheeseburger bei McDonald's. Ein Genuss.

Weiter?
Sonntag, 18. November 2001: Alexandria
Der Sturm lässt nach. Mal sehen, ob und - wenn ja - wie es morgen weiter geht.


Route Jerba - Jerusalem



Blaue Linie = Touren-Route; Buchstaben = Start und Ziel der Etappen

Etappen Jerba - Jerusalem: dritte Woche

Details mit Geschwindigkeiten etc. als Excel-Tabelle

Tag Datum Start Zwischenstationen Ziel km
15. 12.11.2001 Tubruq Grenze Libyen/Ägypten Sallum 164
16. 13.11.2001 Sallum Sidi Barrani 90
17. 14.11.2001 Sidi Barrani Marsa Matruh 146
18. 15.11.2001 Marsa Matruh El Alamein 194
19. 16.11.2001 El Alamein Alexandria 126
20. 17.11.2001 Alexandria
21. 18.11.2001 Alexandria
Summe 720

Die erste Woche: Tunesien und Tripolitanien
Cat Stevens, Kakerlaken, Kamel-Kadaver
und der libysche Geheimdienst

Die zweite Woche: Große Sirte und Cyrenaika
Kleffende Hunde und humpelnde Kuh

Die vierte Woche: Nildelta, Sinai, Israel:
Road No.1, Sandsturm und Felsendom

Die ganze Tour 15: Jerba - Jerusalem (3300 km) Okt./Nov. 2001


I'm in Egypt, now: Sallum

Wegesrand bei Sallum, Ägypten


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