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Jerba - Jerusalem: zweite Woche


VG WORTCyrenaika

Bergige Cyrenaika, Libyen


Große Sirte und Cyrenaika:
Kleffende Hunde und humpelnde Kuh

Entfernungen Richtung Benghazi, LibyenBäuerliches Arabisch und das Festsetzen im Hotel der Erdöl-Arbeiter
Montag, 5. November 2001: Sirte - Ras Lanuf (206 km)
Beim Frühstück sitzt mir die Friedensnobelpreisträgerin 2001 gegenüber. Die Uno ist hier vertreten durch Monsieur D. Seine Mutter stammt aus Mainz, er bezeichnet sich als Franco-Libanese. Der Ökonom hatte Gespräche im Wirtschaftsministerium, das zusammen mit einigen anderen Regierungsinstitutionen hier in die Wüste verlegt worden ist. Ganz Diplomat lässt er sich gerade mal zu der Bemerkung hinreißen: "Wissen Sie, in allen Ländern, die sich wirtschaftlich öffnen wollen, gibt es Leute die dafür sind und Leute die dagegen sind." Als ich ihn vor der Rezeption noch einmal treffe, weil er auf seinen Chauffeur samt obligatorischer Begleitung durch die Regierung wartet, plaudert er dann doch ein bisschen aus dem Nähkästchen. Mokiert sich auch über das "bäuerliche Arabisch" der Libyer.
Zum nächsten Hotel sind es wieder 200 Kilometer. Es liegt in einem ummauerten Örtchen wie es als Muster-Bungalow-Siedlung auch jeder amerikanischen Stadt gut zu Gesicht stände. So adrett könnte es überall aussehen; aber es ist eine Siedlung nur für Erdöl-Arbeiter. Leider ist auch das Hotel vor vier Jahren zu einem Gästehaus ausschließlich für Erdöl-Arbeiter umgewandelt worden. Mein Reiseführer, überarbeitete Auflage 2001, weiß davon nichts. So fehlt mir also die obligatorische Reservierung durch eine Ölfirma.

Kamele, LibyenDa das nächste Hotel weitere 200 Kilometer entfernt ist, habe ich keine große Alternative, als mich langsam aber sicher in diesem Ex-Hotel festzusetzen. Im Restaurant habe ich besten Blick auf meterhohe Brandung im Sonnenuntergang und lese dann ein bisschen. Nach drei Stunden ist der Nervenkampf zu Ende. Ich möge doch meinen Pass geben, damit man noch eine Reservierung ausstellen könne, und die lange Wartezeit entschuldigen.

Check-Point-Dialoge: "From you?" "Almani!"
Dienstag, 6. November 2001: Ras Lanuf - Ajdabiya (218 km)
Um in die Gleichförmigkeit der Wüsten-Steppe etwas Abwechselung zu bringen, hat die libysche Regierung regelmäßig Check-Points unterschiedlichst uniformierter Männer eingerichtet. In der Regel an sicherheits-relevanten Orten. So auch an der Zufahrt zu dieser Raffinerie.
Wie gewöhnlich verzweigt sich meine Kommunikation mit den Sicherheits-Leuten angesichts von Sprachdefiziten auf beiden Seiten nicht in die kleinsten Details meiner Reisepläne. "From you?" "Almani!"

Hotel in Ajdabiya, LibyenSobald ich meinen Pass wieder in Händen habe, heißt es aber in jedem Fall, das Terrain so schnell wie möglich zu verlassen. An diesem Check-Point muss ich allerdings die Geduld der Uniformierten auf eine größere Probe stellen, weil direkt hinter dem Check-Point die einzige Einkaufs-Möglichkeit für Lebensmittel auf hundert Kilometern ist. Als ich das genehmigt bekommen und erledigt habe, passiert beim folgenden Anstieg in Sichtweite des Check-Points eine kleine Unpässlichkeit: Zwei Schrauben haben sich offenbar gelockert. Ein Teil der Pedale hängt plötzlich an meinem linken Fahrrad-Schuh, leider aber nicht mehr am Fahrrad. Ich kann gerade noch den Fahrrad-Schuh durch den Turnschuh ersetzen. Noch bevor ich mich auf die Suche nach den Schrauben mache, rollen bereits die Sicherheitskräfte an und bedeuten mir, mich schnellstmöglich aus dem Staub zu machen, sonst: "Much problems."
Zum Hotel in Ajdabiya (Foto rechts) lese ich schon im Führer: "sehr heruntergekommen" - und das ist noch maßlos untertrieben. Dank Unterstützung eines maghrebinischen Gastes zahle ich immerhin den realen Preis, rund 7,50 Mark. Wie alle libyschen Hotelpreise deutlich über Marktwert.

Große Sirte: Endlich Finale
Mittwoch, 7. November 2001: Ajdabiya - Benghazi (164 km)
Hielten am ersten Tag auf den endlosen Strecke der Großen Sirte noch Fahrer und boten mir an, mich samt Fahrrad auf dem Pick-Up zu transportieren, so kann ich mich heute am Finaltag kaum vor Einladungen retten. LKW-Fahrer bitten mich zum Tee, Sudanesen zum Essen.
Dem Nigerianer, der vor dem Hotel in Benghazi - Libyens zweitgrößter Stadt - Autos wäscht, soll ich helfen, in irgendein Land weiter im Norden zu kommen.

BenghaziCyrenaika im Transit
Donnerstag, 8. November 2001: Benghazi - Al Marj (100 km)
In den Suqs von Benghazi (Foto links) finde ich Schrauben für meine Pedale und jemanden, der sie mir auf die richtige Länge kürzt. Auch eine neue Schelle. Das batterie-betriebene Blinklicht für die Dämmerung repariere ich ebenso.
Von einem Regenschauer unterbrochen geht's dann in die Berge, in die Cyrenaika. Eine bewaldete Serpentinenstraße, an deren Ende wieder ein Check-Point auf mich wartet. Die Gesichtsmienen der Soldaten entspannen sich immer dann, wenn ich verständlich machen kann, dass ich mich nicht wirklich in Libyen aufhalte, sondern das Land nur notwendiger Weise im Transit von Tunesien nach Ägypten durchquere. Gebe ich jedoch als Ziel meinen nächsten Übernachtungs-Ort an, so stürze ich die Strategen in große Sorge um die nationale Sicherheit.

Wadi Al KufAbenteuer Internet-Coffee im Land mit zwei Servern
Freitag, 9. November 2001: Al Marj - Al Bayda (115 km)
Freitag ist freier Tag für die Libyer. Heute werde ich aus fahrenden Autos fotografiert, gefilmt und allerorten zum Picnic eingeladen. Vor allem im Wadi Al Kuf, einer tiefen Schlucht mit gigantischen Fels-Höhlen (Foto rechts). Den ganzen Tag geht es bergauf und -ab, bis ich am Zielort auf 614 Meter Höhe bin. Zwischendurch immer wieder Schauer.
Am Abend Verzweifelung im Internet-Café, oder wie es hier heißt "Internet-Coffee". Meist neon-durchflutete Läden, gelegentlich aber auch über Hintertreppen zu erreichende Büros in oberen Stockwerken. Immer sind die Stühle noch mit der Original-Plastik-Schutzfolie bezogen, meist ist die Explorer-Oberfläche halb in Englisch und halb in Arabisch. Ich darf dann raten, was auf Arabisch wohl "save as" heißen mag. Hintergrundbilder sind meist verschneite Alpen-Landschaften. Gelegentlich werde ich Zeuge von Online-Unterricht für Anfänger. Wobei die Internet-Adressen auf jeden Fall in lateinischen Buchstaben eingegeben werden müssen, was für viele eine große Hürde ist. (Wenn wir alle Internet-Adressen auf Arabisch eingeben müssten...)
Zwar gibt es Internet-Coffees in jedem Ort, aber das bedeutet nicht, dass sie auch funktionieren. Heute erklärt mir der Webmaster, die Verbindungen seien extrem schlecht. Er habe aber keinen Einfluss darauf, weil es nur zwei Server im Land gebe, einen in Tripolis, einen in Benghazi. (Während man mir einen Tag später erklärt, das Internet-Café in Darnah habe einen Server, der direkt über Astra laufe. Hier geht's auch recht schnell.)

CyreneHunde-Duo auf Wadenhöhe in der Nacht
Samstag, 10. November 2001: Al Bayda - Cyrene - Apollonia - Darnah (118 km)
Der erste wolkenfreie Tag seit einer Woche. Erstmals seit einer Woche sehe ich drei Touristen - in 400 Meter Entfernung, in Cyrene (Foto links), dem archäologischen Highlight der Cyrenaika. Weiter bergab wieder zum warmen Mittelmeer nach Apollonia mit byzantinischen Basiliken (Foto unten).
Vor lauter Sightseeing muss ich die letzte Stunde in der Dunkelheit fahren. Ein bis zwei Kilometer bevor ich die Lichterketten von Darnah erreiche, höre ich Bellen. Das ist Alltag. Ständig hängen sich kleffende Hunde für ein paar hundert Meter an mein Hinterrad. Doch in der Regel bleibt genügend Distanz, ein paar bissige Worte tun ihr Übriges. Diesmal ist es anders. Der hier ist richtig schnell. Und bald gleichauf mit mir. Ich brülle ihn an, für wenige Sekunden lässt er sich etwas zurückfallen. Als ich auf die andere Straßenseite ausweichen will, merke ich, dass sich auch dort ein Hund mit großen Sprüngen nähert. Der auf der rechten Seite ist schon wieder auf Höhe meiner rechten Wade. Stereophon bellen sie auf mich ein. Ich schreie zu beiden Seiten. Verliere das Gleichgewicht. Fange mich wieder. Habe endlich die Kraft hochzuschalten. Gewinne an Fahrt. Die Hunde geben noch einmal alles, aber fallen schließlich zurück, so wie langsam auch mein Herzschlag.

Rad in Wüste, Libyen Panik-Kuh
Sonntag, 11. November 2001: Darnah - Tubruq (178 km)
Von den Solidaritäts-Erklärungen mit Amerikanern und Deutschen von Gaddafi jr. in Berlin weiß man in Darnah offenbar noch nichts. Am Ortsausgang hängt ein großes Propagandabild - wie überall ein Unikat: Ein Passagierflugzeug hat eine US-amerikanische Fahne durchbrochen. Darunter jubeln die islamischen Massen, über allem ruht der weise Blick Gaddafis.
Die Kuh weidete am Straßenrand, wo ich kaum Grün erkennen konnte. Wie die meisten Dromedare, Schafe, Esel und Ziegen ignoriert sie den Autoverkehr. Aber als ich mich nähere gerät sie in Panik. Und springt plötzlich auf die andere Straßenseite. Dort kommt gerade ein LKW. Der Fahrer bremst nicht richtig oder hat keine richtige Bremse oder beides. Jedenfalls einer dieser Momente, die man anhalten möchte, weil man das Unheil schon sieht, das noch nicht eingetreten ist, aber sicher kommen wird. Der LKW erwischt die Flanke der Kuh, die überschlägt sich, rappelt sich wieder auf und humpelt ein paar Meter. Scheiß Gefühl. Andreas mailt mir drei Tage später zu diesem Bericht mit dem Betreff "Besser die Kuh als Du."
Am Abend bin ich 149 Kilometer vor der Grenze. Morgen nachmittag wird sich wohl zeigen, ob ich sie überwinde.


Route Jerba - Jerusalem



Blaue Linie = Touren-Route; Buchstaben = Start und Ziel der Etappen

Etappen Jerba - Jerusalem: zweite Woche

Details mit Geschwindigkeiten etc. als Excel-Tabelle

Tag Datum Start Zwischenstationen Ziel km
8. 5.11.2001 Sirte Ras Lanuf 206
9. 6.11.2001 Ras Lanuf Ajdabiya 218
10. 7.11.2001 Ajdabiya Benghazi 164
11. 8.11.2001 Benghazi Al Marj 100
12. 9.11.2001 Al Marj Al Bayda 115
13. 10.11.2001 Al Bayda Cyrene - Apollonia Darnah 118
14. 11.11.2001 Darnah Tubruq 178
Summe 1099

Die erste Woche: Tunesien und Tripolitanien
Cat Stevens, Kakerlaken, Kamel-Kadaver
und der libysche Geheimdienst

Die dritte Woche: Ägypten: Die Ratten der Raffinerie
Apokalyptische Annäherung an Alexandria

Die vierte Woche: Nildelta, Sinai, Israel:
Road No.1, Sandsturm und Felsendom

Zur ganzen Tour 15: Jerba - Jerusalem (3300 km) Okt./Nov. 2001


Apollonia bei Cyrene, Libyen

Apollonia, Libyen


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