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Tour 17: Santiago - Figuig: Der marokkanische Teil (991 km)


VG WORTRuinen in der Oase Figuig

Das Ziel: Die Oase Figuig an der marokkanisch-algerischen Grenze


Live-Ticker-Diary & Routen-Karte & Etappen-Übersicht
Hagel, Hitze, Heiterkeit
Frust und Genuss in Atlas und Sahara

Staiger-Rad vor den Ruinen von Lixus bei Larache, Marokko Nasskalter Regen: Welcome to Africa
Montag, 6. Mai 2002: ...Fähre nach Tanger - Larache (94 km)
Mittags: In Tanger, der legendären Schmuggler- und Hafenstadt, umgehe ich dank der Autorampe weiträumig mit meinem Rad den Pulk der Dealer, Schlepper und Nepper an der Anlegestelle. Trotzdem rennen sie hinter mir her, versuchen mich zu stoppen. Welcome to Africa. Allein gibt's hier nur eins: weiter. Außerdem macht der afrikanische Regen genauso nass und kalt wie der andalusische. Immerhin: der Rückenwind bleibt mir auch am zehnten Tag treu. An der Antlantikküste entlang umfahre ich das Haschisch-Epizentrum Rif-Gebirge. Ola amigo, werde ich allenthalben gegrüßt. Dieser Teil Marokkos war vor der Unabhängigkeit spanisch. In Larache daher Paella. Und endlich wieder Internet. Drei Stunden kosten 2 Euro und 50 "Centimos", wie der Spanier sagen würde. Kurz vor dem Zielort gab's noch die Ruinen von Lixus (Foto rechts)

chris-on-the-bike im marokkanischen Frühling Kopftuch-Gelächter
Dienstag, 7. Mai 2002: Larache - Sidi Kacem - Meknès (179 km)
Regenschauer werden ab und zu angereichert durch Sturmböen und Hagelkörner. - Immer wieder eigenartig, wie sich die Reaktionen auf mich als Fernradler in gesamten Landstrichen gleichen. Von totaler Begeisterung zu absoluter Fremdenskepsis, aber darin gleicht sich dann ein Dorf dem andern. Ob die Jungen aufhören Fußball zu spielen, wenn sie mich sehen, folgt ungeschriebenen kollektiven Gesetzen. Gestern zum Beispiel überall schallendes Gelächter. Egal wie viel Kopftuch: wo zwei Mädchen zusammen stehen, können sie sich kaum halten vor Lachen, sobald sie mich erblicken. Heute anfangs Gleichgültigkeit, Apathie. Bestenfalls die Bitte um Zigaretten.
Am späten Nachmittag dann eine Gegend, in der ich überall eingeladen werde. Aber ich habe längst keine Zeit mehr. In Sidi Kacem, wo ich eigentlich bleiben wollte, sind beide "hotels simples", die ich mühevoll vorher ausfindig gemacht hatte, angeblich voll. Anscheinend sind sie jedoch zu maximal zehn Prozent ausgelastet. Vermutlich haben die Hoteliers schlechte Erfahrungen gemacht mit Wessis und ihren Ansprüchen an einfache Hotels. Mir bleibt nichts als noch 48 Kilometer dranzuhängen bis Meknès. Macht 179 Kilometer insgesamt.
Achahir, "je suis tchadien", studiert eigentlich "à Casa"(-blanca), macht aber gerade Praktikum hier bei einer Marmeladenfabrik und begleitet mich ins "Cybercafé", wie die frankophone Welt das nennt, um mir die Lage der Haupt- und Heimatstadt N'Djamena zu erläutern. Auf einer Karte, die ungefähr 13 Minuten Ladezeit beansprucht.

chris-on-the-bike im Nebel Akustische Orientierung: Hup-Dauer und -Power
Mittwoch, 8. Mai 2002: Meknès - Azrou (72 km)
Die Zeitungen berichten von 110 km/h Windgeschwindigkeit, Regen und Schnee. Trotzdem sollen alle Pässe im Atlas-Gebirge frei sein. Also weiter (Foto rechts im morgendlichen Nebel). Von 500 Meter Höhe geht's heute zunächst auf 1.400 Meter. Karges Bergland, aber auch hier ist es - dank Regen - irre grün. Und über allem meist ein Hauch Liebstöckel-Duft.
Ansonsten gilt verkehrstechnisch die marokkanische Grundregel: für Fahrradfahrer wird nicht gebremst. Begegnen sich zwei Fahrzeuge in meiner Nähe, kann ich von Hup-Dauer und -Power auf die Ausmaße des Wagens hinter mir schließen. Bei den schmalen Straßen bleibt in der Regel nur die Totalräumung mit Abfahrt auf den Geröll-Seitenstreifen. Möglichst felgenschonend. (Wie auf dem Foto ganz unten auf dieser Seite.)
Zu guter Letzt liegt vor einem Breitband-Panorama aus Zedernwäldern das Etappenziel Azrou. Wo unter starker Anteilnahme meiner marokkanischen Umgebung Dortmund in Rotterdam - auf einem Fernseher, der so alt wie Sammer sein dürfte, aber so viel ist noch zu erkennen - das Uefa-Cup-Finale verliert.

Blick aus dem Hotelzimmer in AzrouBeschauliches Berber-Bergstädtchen
Donnerstag, 9. Mai 2002: Azrou
Das Abendessen hat meinen Magen ruiniert. Zwangsruhetag im Hotel (Foto links) des beschaulichen Berber-Bergstädtchens Azrou. 35.000 Einwohner, 5 Internet-Cafés. Einziger Störfaktor: Gestern, kurz nach meiner Ankunft plötzlich Blaulicht und Sirenengeheul von drei Polizei-Motorrädern. Gefolgt von etwa hundert westlichen Motorradfahrern und einigen Begleitfahrzeugen preschen sie von den Höhen des Atlas durch die Stadt.

Kälte-Regen-Pause
Freitag, 10. Mai 2002: Azrou
Dauerregen. Eiseskälte schon hier auf 1.250 m. Ich bleibe in Azrou. Magen wieder ok.
In einem der fünf Internet-Cafés am Orte ereilt mich die lustvolle Kritik meines Online-Tagebuchs von Christoph: Lenker-Lyrik: Ron, Rudi und die Burka-Girlies. Wahre Liebe.

Zedern im Atlasgebirge, 98 km vor Hajeb Festtag: Querende Hunde bei 66 km/h
Samstag, 11. Mai 2002: Azrou - Col Djebl Hebri (1.945 m) - Midelt (126 km)
In 80 Minuten von 1.250 auf 1.945 Meter - du bist warm und schon ist der erste Pass passé. Mittlerer Atlas. Runter auf 1.450 Meter, rauf auf 2.000 Meter. Kurzer Abstecher zu einem bizarren Bergsee und schon taucht hinter dem Col du Zad, 2.178 Meter, das verschneite Massiv des Hohen Atlas auf. Bei der Abfahrt liegen allenthalben Hunde in der Sonne, bei 66 km/h springt einer auf und quert die Bahn. Glück gehabt. Seit der schwäbische LKW-Fahrer auf der Fähre erzählt hat, wie er in der Türkei auf dem Rad von einem Hund krankenhausreif gebissen wurde, hat meine Angst erstaunlicher Weise weiter nachgelassen. Der Zielort Midelt liegt auf 1.488 Meter in einem Hochtal zwischen Mittlerem und Hohem Atlas, ein bisschen Monument-Valley-like. Und vor allem viel wärmer. Ein Festtag.


Chris on the bike im Atlas-Gebirge
Im Atlas-Gebirge


Oase Ziz, MarokkoHorror im Hohen Atlas
Sonntag, 12. Mai 2002: Midelt - Col du Talghamt (1.907 m) - Errachidia (140 km)
Ein Horrortag. Hoher Atlas. Die letzten Kilometer vor dem einzigen Pass, 1.907 Meter, fegt ein Südwindsturm über den Kamm mir entgegen. Der Spaß hört auf, wenn du bergab strampeln musst, um überhaupt voran zu kommen. Der Wind ist so laut, dass ich nicht mal mehr das Hupen hinter mir höre. Schon mittags falle ich bei der Rast an einer Tankstelle fast in Tiefschlaf. Dazu versuchen mich ständig alle unter allen möglichen Vorwänden anzuhalten. Am beliebtesten die Bitte um Wasser, als wenn ich einen Tankwagen hinter mir her zöge. In Wahrheit verbirgt sich immer ein Link zu einer bombastischen Einkaufsmöglichkeit von Souvenirs dahinter. Dabei ist meine Ladekapazität für Teppiche, Pottery und versteinerte Fossilien sichtbar begrenzt. Als ich gerade mehr als fertig das Eincheckformular im Hotel ausgefüllt habe, das niemals auch nur bis nach der Dusche warten kann, will mir der Hotelmensch eine supertolle Wüstentour mit Jeep andrehen. Es reicht. Gerade fragt mich mein Nachbar im Internet-Café, ob ich nicht morgen noch einen Guide...


Einspurige Straße von Source de Meski nach Boudnib, Marokko
Einspurige Straße von Source de Meski nach Boudnib


Hotelzimmer in BoudnibEndlich Sahara, Afrika: Vorhang als Zimmertür
Montag, 13. Mai 2002: Errachidia - Source bleue de Meski - Boudnib (90 km)
Ich folge zunächst weiter der Canyon-artigen Schlucht von Ziz, auf deren Boden sich ein grüner Saum von Palmen und Feldern hinzieht. Bei der Source bleue de Meski lege ich ein vierstündiges Wellness-Programm ein. Sauge aus den dürren Zeilen der Reiseführer ein paar positive Gedanken für den wüsten Rest der Tour.
Dann geht's in die Sahara. Rückenwind regained. Die Straße wird einspurig (Foto oben). Jetzt muss ich bei jedem Fahrzeug von der Piste. Aber nur alle fünf bis zehn Minuten taucht eins am Horizont auf.
Boudnib ist die einzig mögliche Übernachtungs-Station. Das "sehr einfache" (Reise Know-How) Hotel ist laut Schild seit fünf Jahren eine Baustelle, gefördert vom Tourismus-Ministerium. Nun gut, eine Zimmertür würde die Illusion von Sicherheit erhöhen. Ein schmaler Vorhang tut es auch (Foto rechts). Zumal der Hotelier darauf besteht, dass das Fahrrad mit aufs Zimmer wandert. Immerhin ist die Bettwäsche eindeutig gewaschen. Kostet 3 Euro. 1,60 für das Abendessen. In einem 7.000-Einwohner-Ort, der mit seinen staubigen Wegen überall in Afrika liegen könnte.

L'Étranger: Mittagessen in der Kaserne
Dienstag, 14. Mai 2002: Boudnib - Bouarfa (181 km)
Aufstehen mit der Sonne. 5 Uhr 30: Rolling. 6 Uhr 30: Das erste Auto. 7 Uhr 31: Das nächste Auto. 8 Uhr 17: Zum ersten Mal werde ich an einem Checkpoint in Marokko angehalten. Passeport. Die beiden Herren von der königlichen Gendarmerie sitzen schon im Schatten. Der eine legt seine Lektüre beiseite: Albert Camus: L'Étranger. (Besser als erfunden, oder?) Der andere holt ein neues Schulheft aus dem Häuschen und schreibt auf der Basis meines Passes und eines Interviews 15 französische Zeilen.
Weiter zieht sich einsam das schmale Asphaltband durch die Steinwüste. 177 Kilometersteine. Die Sonne knallt unerbittlich. Gelegentlich habe ich eine Fata Ohrgana: Ich höre Autos, die gar nicht kommen. Höchste Zeit, aus der Sonne zu kommen. Der einzige Ort erweist sich als Ansammlung von ein paar weit verstreuten Hütten. An der ersten halte ich. Ein Militärposten. Alle Orte hier bestehen im Wesentlichen aus Kasernen. Der Verlauf der Grenze zu Algerien ist umstritten. Ich frage nach einem Laden, den scheint es nicht wirklich zu geben. Aber vom Mittagessen ist noch etwas übrig. Ibrahim lässt mich im Schatten eines Baumes optimal verpflegen (Foto unten). Alle entschuldigen sich erst mal: Mittagsgebet. Wenn die Araber alle nur den Islam befolgen würden, meint Ibrahim später, wären alle Probleme gelöst.
Es wird heißer und heißer. Acht Liter trinke ich. Und aus der Brauchwasserflasche ab und zu eine Dusche, die in Minuten trocknet.


Straßenschild 178 Kilometer vor Colomb Béchar
Schild aus der Zeit vor der Grenzschließung:
Noch 178 Kilometer bis zum algerischen Colomb Béchar


Chris on the Bike: Mittagessen beim Militärposten von Ain ech Chair, Marokko
Mittagessen beim Militärposten von Ain ech Chair


Kilometer-Stein 21 vor Bouarfa: Sand auf der Sahara-Straße, Marokko
Kilometer-Stein 21 vor Bouarfa: Sand auf der Sahara-Straße


chris-on-the-bike sees camel-on-the-road: Kamel auf Straße bei Bouarfa Signal-Störung im Paradies
Mittwoch, 15. Mai 2002: Bouarfa - Figuig (109 km)
Was hast du von nur 34 Grad im Schatten, wenn es keinen Schatten gibt? Schon ab 9 Uhr kannst du nicht mehr anhalten, weil es einfach zu heiß ist. So schwitze ich mich zur Oase: Figuig. Ziel erreicht. Ein Paradies. Für 8 Euro quartiere ich mich im besten Hotel im Umkreis von 1000 Quadratkilometern ein. Die erste Dusche nach drei Tagen, dann in den Swimming-Pool. Zimmer mit Terrasse und Blick auf einen beträchtlichen Teil der 160.000 Dattelpalmen. Ruhe.
Viermal bin ich in den vergangenen 16 Monaten in Nordafrika geradelt. So oft wie Bayer Leverkusen Vizemeister wurde. Es fehlt der letzte Durchbruch: Algerien, um die Mittelmeerumrundung zu komplettieren. Aber die Grenze hier ist geschlossen. Seit 1994. Aus Angst vor den Islamisten.
A propos Bayer. Im Café werfen sie die Satelittenschüssel an und schon füllen Günther Jauch und Reiner Calmund den Bildschirm im Verhältnis 1:4. Champions-League-Finale. Der Ton ist nicht ganz synchron, na ja. Während ich das Länderspiel Deutschland-Wales gestern nur in der Version von Dubai TV betrachten konnte, heute ein Heimspiel. Bis die Kamera beim Schwenk über die eingelaufene Mannschaft bei Placente ankommt. Freeze. Fünf Minuten sehen wir nur das stehende Bild, allein der Ton läuft weiter. Und das Spiel. Dann plötzlich die Einblendung: "Signal strength to weak." Fehlt ein O. Bzw. das Signal. Die Schüssel wird geschwenkt, der Kellner zappt von ARD bis ZDF, bis Iran und Oman, nur RTL taucht nicht wieder auf. Es gibt eben doch kein Paradies.

Figuig, Maroc Sahara-Genuss: Joggen zum Pool
Donnerstag, 16. Mai 2002: Figuig
6 Uhr 15: Ich laufe. Genuss-Joggen in der Sahara. Runter zur Grenzstation, die einen völlig verlassenen Eindruck macht. Die Versuchung ist groß, den Fuß auf algerischen Boden zu setzen. Dann durch die langsam erwachende Oase, über die verwinkelten Pfade mit ihren Lehmmauern und Bewässerungskanälen. Ein Traum. (Fotos rechts und ganz oben.) Nach 15 Lauf-Kilometern in den Swimming-Pool...

Epilog: Ein Wiedersehen am Flughafen
Noch ein Genusstag in der Oase. Am Samstag dann neunstündiger Busmarathon ans Mittelmeer. Das Fahrrad verschwindet mit einigen Schafen und Ziegen in den Gepäckfächern. Ich radle in die spanische Exklave Melilla. Schengen- und Euroland in Afrika. Die Nachtfähre bringt uns nach Malaga. Wo ich am Flughafen tatsächlich Johan wiedertreffe. Ein paar steinige Wege haben sein Hinterrad einige Speichen gekostet. Aber ansonsten hat er 1.200 Kilometer Andalusien gut überstanden. Heimkehr an Pfingsten. Halbmarathon am Pfingstmontag. Das Leben läuft weiter.


Route Santiago - Figuig



Blaue Linie = Touren-Route; Buchstaben = Start und Ziel der Etappen

Etappen Tanger - Figuig (Marokkanischer Teil)

Details mit Geschwindigkeiten etc. als Excel-Tabelle

Tag Datum Start Zwischenstationen Ziel km
10. 6.5.2002 ...Fähre nach Tanger Larache 94
11. 7.5.2002 Larache Sidi Kacem Meknès 179
12. 8.5.2002 Meknès Azrou 72
13. 9.5.2002 Azrou
14. 10.5.2002 Azrou
15. 11.5.2002 Azrou Col Djebl Hebri (1.945 m) -
Aguelmane Sidi Ali -
Col du Zad (2.178 m)
Midelt 126
16. 12.5.2002 Midelt Col du Talghamt (1.907 m) Errachidia 140
17. 13.5.2002 Errachidia Source bleue de Meski Boudnib 90
18. 14.5.2002 Boudnib Bouarfa 181
19. 15.5.2002 Bouarfa Figuig 109
Summe 991

Der iberische Teil:
Ultra-Radeln mit Johan, Korkeichen und LKW
Zehn Tage Galizien, Estremadura und Andalusien

Zur ganzen Tour


Lenker-Lyrik:
Ron, Rudi und die Burka-Girlies
Eine Tagebuch-Kritik


LKW-Gegenverkehr am Atlasgebirge in Marokko

On the road - am Atlasgebirge in Marokko


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