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Jeddah: Globe Roundabout and Cyclist
Kreisverkehr: Die Welt in Dschidda

Teil 2
Saudi-Arabien & Libanon
Radeln am Roten Meer rund um Mekka


Die Saudi-Arabien-Tour bei YouTube


Die besten Videos und Fotos der Saudi-Arabien-Tour zu Musik in 15 Minuten.
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Luftbild: Stadtrand von Dschidda im Anflug auf King Abdulaziz International Airport Visa on arrival?
Samstag, 22. Februar 2020: Flug: Malé - Riad - Dschidda (8 km) [Fortsetzung]

...Ursprünglich wollte ich in den Norden Indiens fliegen, um durch Bhutan, Nepal und Bangladesh zu radeln. Das erschien mir Fitness- und Logistik-mäßig dann doch zu anspruchsvoll. Gleichzeitig erfuhr ich über den Facebook-Account von Robert Hart, einer alten Travellerbekanntschaft, dass er gerade durch Saudi-Arabien radelt. Seit Jahren suche ich nach Wegen, in das Land zu kommen. Seit vielen Monaten warte ich auf die angekündigten Touristen-Visa. Dann kam es, wie ich von Robert erfuhr, im September 2019, von mir unbemerkt, zur kompletten Kehrtwende bei der saudischen Visa-Vergabe: für Menschen aus vielen Ländern gibt es nun nicht nur Visa, sondern die auch direkt am Flughafen. Nicht mal israelische Stempel im Pass sollen ein Problem sein. Zwei Israelis an Bord des Kreuzfahrtschiffs hofften sogar, dass bald Israelis Visa bekommen. Im Sudan sei das jetzt schon so, und viele arabische Länder würden gerade Einreisebeschränkungen für Israelis revidieren oder überdenken.
Trotz Visa on arrvial hatte ich begonnen, ein eVisa von Deutschland aus zu beantragen. Das klappte nicht so recht, und es standen eine Unmenge an Fragen an, die am Ende möglicherweise noch die beste Punktzahl der Urgroßmutter bei den Bundesjugendspielen erfassen wollte. Ich gab auf und kann so die Frage beim Check-In in Malé nach einem Visum für Saudi-Arabien nur beantworten mit: Visa on arrival.


Saudi-Arabien


Visa on arrival: Automat und Leuchtschrift am King Abdulaziz International Airport
Verheißungsvoll: Visa-on-arrival-Automat am Flughafen in Riad


King Abdulaziz International Airport: Arrival Hall Das Visa on arrival ist im Terminal von Riad International (Foto links) von Anfang an ausgeschildert. Doch die Schreibtische auf beiden Seiten der eVisa-Maschine sind unbesetzt. Versuche ich es mit dem Einscannen meines Passes am Automaten (Foto oben). Ergebnis: "Your country is not eligible for e-Visa at the moment". Hm. Alles ringsum menschenleer.
Ich wander ein bisschen umher. Plötzlich sind auf dem Fußboden Hinweise auf eine weitere Visa-on-arrival-Stelle zu finden. Folge denen. Drei schwarz verhüllte Damen mit Sehschlitz betreuen hier das gleiche Arrangement von Automat und Schreibtischen - und nun mich. Ich bekomme ein Tablet. Da muss ich nur die allerwichtigsten Daten angeben. Insbesondere wird nicht nach dem Beruf gefragt. Dafür vor allem nach der Kreditkarte. Rund 115 € werden fällig.
Dann schießt die Dame mit dem Tablet aus der Hüfte noch ein Foto von mir und bittet mich, meine Visa-Nummer auf dem Tablet mit meinem Smartphone zu fotografieren. Damit erhalte ich bei der regulären Passkontrolle nun ein handgeschriebenes Visum. Da, wo an anderen Grenzkontrollen mit Mini-Webcam Fotos gemacht werden, sind hier überall Canon EOS1100D installiert. Fingerprints sind auch Pflicht. Daran scheitert es bei einer Dame am Nachbarschalter.
Der Inlandsterminal ist überraschenderweise noch eine gute Shuttle-Fahrt entfernt. In beiden Terminals gibt es , anders als in Malé, problemlos Wlan. Bei der Handgepäckkontrolle - und mit nichts anderem bin ich nach wie vor unterwegs - fällt mein Fahrradschloss unerwartet auf. Ich darf aber zurück und es noch aufgeben. Um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass es in Dschidda ankommt, gebe ich gleich den ganzen Rucksack auf.
Beim zweiten Gang durch die automatisierte Bordkartenkontrolle werde ich natürlich geblockt. Aber das passiert nicht nur, wenn man zum zweiten Mal durch die Sperre geht. Durch die Summe aller Verzögerungen erreiche ich das Gate erst zeitgleich mit dem Final Call. Schließlich musste ich noch kurz pinkeln. Da gab‘s auch eine Wartezeit: in Saudi-Arabien gibt es offenbar keine Pissoirs.




Riyadh by night: Aerial view of suburbs
Abendflug über Stadtteile von Riad... 

Jeddah Corniche Waterfront by night with The Headquarter Business Park
...nach Dschidda mit dem Headquarter Business Park an der Corniche


Saudi-Arabien-Route Dschidda - Dschidda



Rundkurs um Mekka von Dschidda aus: Blaue Linie = Touren-Route;
grüner Punkt = Etappen-Start; roter Punkt = Etappen-Ziel

Jeddah: bike rental Cyclist Home Mein nun amtlich gemessenes, genau vier Kilo schweres Ex-Handgepäck kommt an. Kurzerhand lasse ich den Taxifahrer direkt zum Radverleih fahren. "Cyclist Home" hat bis 23 Uhr auf. Das müsste reichen. Der Taxifahrer, der vermutlich keiner ist, orientiert sich mit Google Maps auf meinem Handy. Minutenlang hält er es in der Hand. Einer der Fahrer, die mich in den nächsten Tagen hier umgeben werden auf dem Rad.
Dschidda ist riesig. Obwohl der Radverleih wie der Flughafen im Norden der Stadt liegt, fahren wir zwanzig Kilometer. Zur Corniche, der langen Promenade am Roten Meer. Weil dort zwischen den Fahrbahnen ein sehr breiter Rad- und Allzweckstreifen angelegt ist, gibt es hier rund zehn Radverleihe nebeneinander. Die alle nach 22 Uhr noch geöffnet sind. Die, mit denen ich spreche, vermieten auf Stundenbasis. An einer ganzen Woche hat keiner Interesse. Aber ich.
Gut, dass ich vorher mit Cyclist Home (Foto rechts) in Kontakt war. Genauer: Dr. Sallah. Der ist nicht da. Unser WhatsApp-Austausch beschleunigt aber alles. Wohl auch, weil ich auf einen astronomisch hohen Preis eingegangen bin: fast 40 Euro pro Tag. Ich hatte den Wechselkurs nicht richtig zugrunde gelegt. Das - mit großem Abstand - teuerste jemals von mir gemietete Rad wird nun zusammen gesetzt: höchster Rahmen mit Reifen, die noch halbwegs Profil haben. Der aufgeplatzte Sattel kann immerhin auf eine anständige Höhe gebracht werden. Aufgepumpt wird auch noch. Während ich mir die elektrische Gebetszeiten-Anzeige anschaue (Fotos unten). Zu den täglich fünf Gebetszeiten müssen alle Läden schließen. Zwischen Abend- und Nachtgebet liegen hier aktuell nur anderthalb Stunden. Ein großes Problem für Restaurants, wie mein Reiseführer meint.
Dann kann ich los. Auf der wunderschönen, weit geschwungenen und vermutlich für Fahrräder gesperrten Uferpromenade mit Werken internationaler Künstler (Foto oben und unten). Als ich zum relativ nah gelegenen Hotel will, muss ich das Rad beim Queren der großen Parallelstraßen zur Küste über sehr hohe Bordsteine hieven. Damit der Verkehrsfluss nicht ins Stocken gerät, gibt es kaum Kreuzungen. Stattdessen kommen irgendwann U-Turns. Ich beschließe den Tag mit einem Eis bei McDonald‘s. Das Schnellrestaurant ist "Open till Fajr", wie die Leuchtreklame verkündet. Wahlweise zu übersetzen mit Morgenröte oder Morgengebet.


Jeddah bike rental: Cyclist Home - pumping the bicycle
Cyclist Home in Dschidda: mein Rad wird nochmal aufgepumpt 

Gebetszeiten-Anzeige im Fahrradgeschäft, Dschidda, Cyclist Home
Gebetszeiten-Anzeige im Fahrradgeschäft 

Dschidda: Kunstwerk an der Corniche Waterfront
Kunstwerk an der Corniche Waterfront 

Dschidda: Frau mit Nikab auf Fahrrad
Jeddah on the Bike


Jeddah: Bicycle Roundabout with cyclist Muslems only
Sonntag, 23. Februar 2020: Dschidda - Shumaisy (86 km)

Ich denke immer noch über verschiedene Routen nach. An der Küste des Roten Meeres kann ich nach Süden fahren oder nach Norden. Sollte aber immer mit dem starken Nordwind fahren. Oder ich fahre nach Westen an Mekka entlang in den Bergort Taif. Schon in Deutschland ist es mir nicht gelungen herauszufinden, wo genau die Grenze für Nichtmuslime um die Kaaba herum gezogen ist Als Arbeitshypothese nehme ich den vierten Ring, an dem auch Hotels liegen. Heute dürfte es eh nur bis Bahrah reichen.
So oder so muss und will ich erstmal durch Dschidda radeln. An der Promenade radeln sie auch am Morgen. Auch Frauen (Foto oben). Einige tragen gar keine Kopfbedeckung. Ansonsten sind keine Radwege zu entdecken. Dafür ein Riesenfahrrad mitten in einem Kreisverkehr (Foto links). Dafür muss ich mich einige Kilometer landeinwärts durch den Verkehr quälen. Jetzt geht es zum Teil auf Hochstraßen ins Zentrum. Die Altstadt mit vielen alten Häusern ist ein Juwel (Fotos unten). An vielen halb verfallenen Bauten arbeitet jetzt das Kultusministerium. Stoffläden prägen das Bild.
Am Mekka-Tor liegt der Beduinen-Markt. Hier beginnt die "Old Hajj Road". Meine Strecke. Rund achtzig Kilometer zur Kaaba. Heutzutage durchgehend vierspurig. Und auch jenseits der Stadtgrenze kontinuierlich besiedelt. Es ist meist etwas bedeckt und dadurch nicht so heiß.
In Bahrah finde ich dann, entgegen der Verheißungen von Google Maps, doch kein Hotel. Ein junger Mann versucht mit Google Translation mit mir zu kommunizieren. Realisiert aber nicht, dass er es so eingestellt hat, dass ich nur die lateinische Umschrift seiner arabischen Statements zu sehen bekomme. Das ist noch nicht gleichbedeutend mit Englisch...


Al-Balad: Radler in der Altstadt von Dschidda
Al-Balad: Altstadt von Dschidda  

Al-Balad: Radler in der Altstadt von Dschidda
Historische Shafei-Moschee 

Vor der Restaurierung: Haus in der Altstadt Al Balad von Dschidda
Vor der Restaurierung


Makkah - Muslems Only: Straßenschild am Stadtrand von Mekka Es ist noch früh. Also fahre ich weiter. Ins Ungewisse. Wesentlich früher als erwartet, erscheint an einer Kreuzung der Hinweis "MUSLEMS ONLY" unter dem Ort Makkah (Foto rechts). Für mich nicht eindeutig: Ist das schon die Grenze oder kommt sie noch? Also radle ich erstmal weiter. Zwei, drei Kilometer später halte ich mal vorsichtshalber an einer neuen Tankstelle mit Ladenzeile. Der erste, den ich frage, meint, ich befände mich schon auf Territorium, das nur Muslimen vorbehalten sei. Im Laden nebenan kündigen sie einen Checkpoint in einem Kilometer an. Mehr meiner Erschöpfung wegen als auf Basis realistischer Hoffnung frage ich beiläufig nach einem Hotel. Überraschung: es gibt eins. In der hinteren Ecke der Ladenzeile. Ganz ordentlich, sogar. Als der Manager aus einem der Restaurants an der Ladenzeile zurückkommt, kann ich einchecken.
Wie schon in Dschidda werde ich nach einer Art Personalausweis gefragt, den Gastarbeiter offenbar mit sich fühern. Mit meinem Pass samt dem improvisierten handgeschriebenen Visa on arrival können sie nicht so viel anfangen. Touristen sind eine ganz neue, besondere Kundschaft. Advantage me: hier zahlen sie nur die Hälfte des zunächst vereinbarten Zimmerpreises von rund 25 Euro.
Mit dem Rhythmus der Gebetszeiten schließen die Läden und Restaurants, obwohl sie zum Teil angeben, rund um die Uhr geöffnet zu sein. Viele Männer gehen zur Moschee in einer weiteren Ecke der Anlage. (Hier scheinen auch die einzigen öffentlichen Toiletten zu sein.) Und verneigen sich zur zwanzig Kilometer entfernten Kaaba. Jeder von ihnen dürfte ein Hadsch sein.
Ich gehe zu Fuß zum Mekka-Checkpoint. Der Verkehr rauscht ungehindert durch. Einen Hinweis für Nicht-Muslime gibt es nicht mehr. Ich gehe in das Checkpoint-Häuschen, wo die Wächter der Kaaba beim Kaffee auf dem Teppich liegen. Ja, ich dürfe hier nicht weiter. Nach Taif müsse ich nördlich oder südlich in einem riesigen Bogen um Mekka herum fahren. Der nördliche Bogen sei anstrengender, weil höher.


"Auch machte mir die Nähe Mekkas viel zu schaffen. Da lag sie, die 'Heilige', die Verbotene! Sollte ich sie meiden, oder sollte ich es wagen, sie zu besuchen? Es zuckte mir in allen Gliedern nach ihr hin, und dennoch mußte ich die Bedenken, die dagegen aufstiegen, ernstlich berücksichtigen. Was hatte ich davon, wenn der Besuch gelang? Ich konnte sagen, daß ich in Mekka gewesen war - weiter nichts. Und wurde ich entdeckt, so war mein Tod unvermeidlich, und was für ein Tod!"
(Kara Ben Nemsi in Karl May, Bd. 1: Durch die Wüste. 1892 [Originaltitel: Durch Wüste und Harem; 1895 umbenannt].)


Früchte-Saft in Schichten
Früchte-Saft in Schichten


Reifenflicken in der Lobby eines Hotels in Shumaisy Arafat: am Stadtrand von Mekka
Montag, 24. Februar 2020: Shumaisy - Al Maqrah - Al Hasasinah (101 km)

Das Hotel steht immer offen, die Rezeption ist nie besetzt. Mein Rad steht aber im verschlossenen, ansonsten nicht mehr genutzten Frühstücksraum. Nirgendwo eine Menschenseele. Auch in den einschlägigen Restaurants finde ich den Hotelmanager nicht. Bis ein palästinensischer Gast aus Jenin auftaucht, der hierzulande als Ingenieur arbeitet. Er ruft den Hotelmanager an. Vergeblich. Dann treibt er irgendjemanden auf dem Tankstellengelände auf, der den Schlüssel irgendwo aus der Rezeption hervorzaubert. Der Hinterreifen ist platt. Das Hotel ist der ideale Platz für solche Reparaturen. Vor allem eine nun wieder menschenleere Lobby (Foto links). Sogar einen Wassereimer für die Lochanalyse treibe ich auf.
So komme ich erst um zehn Uhr los. Es ist schon gut warm. Ich radle nun auf dem fünften Ring weit um Mekka herum. Bei der Überquerung der fünfspurigen neuen Mekka-Road, einer Autobahn, werden Nicht-Muslime Richtung Jeddah geleitet. Ich bleibe allerdings auf dem Ring. Wüsste nicht, wie ich sonst jemals nach Taif kommen sollte. Außedem ist auch mein Gewährsmann, Robert Hart, auf dieser Strecke vor wenigen Wochen geradelt. Zum Teil ist die Straße vierspurig, oder wird dazu ausgebaut. Bei zumindest jetzt, außerhalb der Wallfahrtssaison, sehr wenig Verkehr. Die riesigen Bus-Lager und -Friedhöfe lassen nach. Beduinenzelte und Kamele (Fotos unten) prägen das Wüstenbild jenseits von Straße, Radarfallen und Baustellen.


Kamele an der Ringstraße von Mekka
Kamele an der Ringstraße von Mekka 

Kamele an der Ringstraße von Mekka


Kamele an der Ringstraße von Mekka


Kleine Moschee an der Ringstraße 298 südlich von Mekka Keine Geschäfte, keine Tankstelle. Erste Pause an einer kleinen, einsamen Moschee (Foto rechts). Hier gibt’s eine Toilette und frisches Wasser zum Kühlen von Kopf und Schulter. Endlich nach 45 Kilometern der erste, winzige, düstere Laden. Ich ergattere ein paar Getränke und Sesamkringel. Auf die Frage nach meinem Muslimsein reagiere ich zunehmend zurückhaltend. Auf den Stuhl in dem noch düsteren und engeren Nebenzimmer darf ich mich setzen. Den Papagei bemerke ich erst später. Am Ende bekomme ich eine Dose Red Bull geschenkt.
Mittagspause nach 70 Kilometern im einzigen Ort heute direkt an der Strecke: Al Maqrah. Bekomme nach Besichtigung der Küche einen Riesenteller mit Reis und Nudeln sowie eine Schüssel mit Gemüse. Muss mich aber erstmal hinlegen, bevor ich wenigstens ein bisschen essen kann. Wie immer bei Hitze.
Am nächsten Mekka-Muslim-Checkpoint endet der unvollendete Ring. Hier bin ich das einzige Mal direkt an der Stadtgrenze: Der Berg Arafat liegt dahinter, auf dem der Prophet Mohammed seine Abschiedspredikt hielt, auf dem auch Adam und Eva sich vereinigt haben sollen, nachdem sie vom Himmel fielen und auf dem Adam vergeben wurde: Mount of Mercy daher. Ich realisiere das alles erst später, bin zu müde. Mache immerhin ein Foto (unten).
Die riesige Ausfallstraße führt von Mekka in die tausend Kilometer entfernte Hauptstadt Riad. Über den Bergort Taif. Bevor es richtig hinaufgeht, halte ich in einem Hotel, das ich auch Robert Hart verdanke. Der hat hier vor wenigen Wochen noch 13 Prozent weniger bezahlt. Das Tourismusgeschäft in Saudi-Arabien läuft an.


Arafat-Schild bei Mekka: Ar Riyadh - Taif
Am Stadtrand von Mekka: Arafat. Rechts geht's nach Riad via Taif

Al Hasasinah und die Berge
Al Hasasinah und die Berge


Auffahrt zur Passhöhe bei Al Hada (2000 m) im Nebel Im kalten Nebel über die Passhöhe
Dienstag, 25. Februar 2020: Al Hasasinah - Al Hada (2000 m) - Taif (46 km)

Nach dem Checkpoint direkt am Hotel kommt bald ein riesiger Amusement Park. Auf der andern Talseite stürzen sich eine Vielzahl von Wasserrutschen die Felsen hinunter. Zur Zeit geschlossen. Winter. Und heute auch noch Wolken und Kälte. Bis auf 2000 Meter soll mich die zweispurige Schnellstraße in Serpentinen führen. Zunächst vorbei an einer Pavianfamilie.
Dann zieht es zu. Bis ich komplett von den Wolken verschluckt bin. Sichtweite zehn Meter (Foto links). Feuchtigkeit legt sich auf Haut und Kleidung. Es wird kalt. Ich will mein neues, grellgelbes Trikot nicht mit dem dunklen Windstopper verdecken. Denn eine Flut von Autos rauscht an mir vorüber. Auf den durch eine meterhohe Betonbarriere getrennten Gegenfahrbahnen rammt einer den Beton. Möglich, dass er durch mich abgelenkt war.
Dann klart es ganz kurz auf (Foto unten). Bevor Wolken und ein bisschen Regen wieder alles verschlucken. Auch die Passhöhe, an der viele halten. Und ich für die Abfahrt nun doch den Windstopper überziehe (Foto unten).
Am Pass liegt der gleichnamige Ort Alhuda (Al Hada). Ich kann mich in einem Imbiss mit einem Tee aufwärmen. Dann geht’s bergab, nun wieder vierspurig auf beiden Seiten. Mit Stau dank kräftigem Auffahrunfall. Hier ist wieder klare Sicht. Weitere Freizeitparks. In Taif, immer noch auf 1700 Meter, nehme ich das erstbeste Hotel. Muss mich dringend aufwärmen. Trocknen.


Auffahrt zur Passhöhe bei Al Hada (2000 m)
Auffahrt zur Passhöhe bei Al Hada (2000 m) 

Auffahrt zur Passhöhe bei Al Hada (2000 m): Radler im Nebel
Kurz vor der Passhöhe wieder im Nebel


Rosenwasserflasche in einem Café in Taif Halbwegs aufgewärmt und halbwegs trocken ziehe ich am Nachmittag durch Taif. Weniger der romantische Gebirgskurort, den ich erwartet habe, als eine Großstadt. Mit riesigem Einkaufszentrum. Samt großer Eisfläche zum Schlittschuhlaufen und Karussells. Fast alle Frauen tragen zwar nur den Nikab mit seinem schmalen Sehschlitz. Aber die Schuhe, meist Turnschuhe, sind offenbar ein Statement. Und, wieviel man darüber vom Bein sieht.
Gegenüber vom Shoppingcenter spricht mich überraschend eine standardmäßig schwarz gekleidete Frau an. Auf Arabisch. Offenbar will sie Geld. Das Stichwort Palästina fällt. Kommt sie aus Ramallah? Nein, Gaza. Danach fallen mir noch weitere Bettlerinnen auf. Mich sprechen sie nicht an.
Die Sonne geht unter hinter der König-Fahd-Moschee von Taif (Fotos unten). Erst ruft der Muezzin. Zehn Minuten später beginnt das Gebet. Ich setze mich ganz hinten in dem riesigen Bau an einen Pfeiler. Alle Beter passen in eine Reihe über die ganze Breite des Raumes. Als nach zehn Minuten das Gebet vorbei ist, bilden die Zuspätgekommenen eine neue Reihe.
Ich gehe durch den Souq. Gold, Parfum, Datteln, Stoffe. Mittendrin ein historisch wirkendes Gebäude. Ein nettes, stilvolles Café. Das Stück Safrantorte kostet rund vier Euro. Überwiegend Frauen zu Gast. Wie isst und trinkt man mit verhülltem Gesicht? Der Schleier wird gehoben und Tasse oder Kuchengabel über das entblößte Kinn zum Mund geführt. Ich trinke unterdessen Rosenwasser (Foto rechts). Als die nächste Gebetszeit startet, wird vorschriftsmäßig das Licht runtergedimmt und die Tür geschlossen. Das Geschäft geht weiter.


Gläubiger in der King Fahd Moschee, Taif
King Fahd Moschee von Taif: innen...

King Fahd Moschee, Taif: Sonnenuntergang
...und außen


Awaliv International Hotel, Taif Kaaba-Nahsehen
Mittwoch, 26. Februar 2020: Taif - Az Zaymah - Al Jumum (147 km)

Ich weiß wieder lange nicht, wohin ich weiterfahren soll. Schließlich entschließe ich mich für die große Runde um Mekka. Auch wenn ich das Höhenprofil nicht ermitteln kann und vor allem nicht weiß, ob es Unterkünfte gibt. Zwanzig, dreißig Kilometer zieht sich die Stadt nach Norden. Monströse Hotels (Foto links), Mall mit Mosque. Von der Universität und den königlichen Palästen, die am Wegesrand liegen, bekomme ich nichts mit.
An der allerletzten Tankstelle esse ich in der Fastfoodkette Al Baik. Humus und Fishburger. Dann geht es sehr schön durchs Gebirge - auch ein ganz kleines bisschen aufwärts. Bevor die lange Wadi-Abfahrt beginnt. Fast hundert Kilometer lang. Schon bald werden Nichtpilger und LKW gebeten, eine noch weitere Umgehung um Mekka zu nehmen. Allein: sie scheint nicht zu existieren. Zum Glück. Eine Riesencompanie Paviane ist die Attraktion auf der andern Straßenseite (Foto rechts). Sie streiten sich permanent und bewegen sich leider in einer Unmenge von Müll.
Meine Begleitlektüre in diesen Tagen ist Karl Mays "Am Jenseits" aus dem Jahr 1899. Das unvollendet gebliebene Werk über die Reise von Kara Ben Nemsi mit Hadschi Halef Omar und dessen Frau Hanneh nach Mekka. So schildert der Abenteuerromancier die Landschaft: "Die Wüste liegt weit und flehend ausgebreitet wie ein endloses Gebet zu Gott um Gnade und Barmherzigkeit. Sie ist ein tief ergreifendes Bild irdischer Armut und Hilflosigkeit. Sonnendurchglüht, kahl und nackt ragen ihre Felsen empor, oft grotesk, phantastisch geformt, oft kühn vereinzelt, oft zu gemeinschaftlichen, wilden Zügen vereint, bald in seltsamen Gliederungen aufgebaut, so daß man zerfallene Städte, verödete Schlösser und Burgen oder prächtige Säulenhallen in der Ferne zu erblicken meint, bald wieder wie von der Faust eines unerbittlichen Schicksales niedergeschmettert, breitgedrückt, zerrissen und zerklüftet, von gähnenden Abgründen durchzogen, in deren Tiefe selbst die Glut der äquatorialen Sonne nicht zu dringen vermag... Das Auge brennt, der Sehnerv versagt ermüdet seine Thätigkeit, denn der sehnsüchtige Blick findet keinen Punkt, an dem er ruhen könnte. Der Sinn für die Entfernung geht verloren; man glaubt, inmitten einer halt- und gestaltlosen Ewigkeit zu reiten, und verliert in ihr den eigenen Halt. Die Thatkraft schwindet; der Wille wird verzehrt; die Schärfe der Sinne nimmt ab, und an die Stelle fehlender Wahrnehmungen treten Hallucinationen, welche das, was man wünscht, vortäuscht und vorgaukeln..." (Kapitel 2)


Radler bei Az Zemah/Zaymah, Saudi-Arabien
Bei Az Zemah/Zaymah 

Fahrradfahrer: Reifenflicken in Az Zemah/Zaymah
Reifenflicken in Az Zemah/Zaymah 

Mittagessen im pakistanischen Restaurant von Az Zemah/Zaymah
Mittagessen im pakistanischen Restaurant von Az Zemah/Zaymah 

Mohammed Agra and Chris on the Bike
Selfie mit Pakistani Mohammed Agra


Pawiane an der Schnellstraße 40/80 westlich von Mekka Dann kann ich ein paar Kilometer auf einer Nebenstrecke zur vielspurigen Schnellstraße radeln. Eine kleine Moschee hält gut gekühltes Wasser in der prallen Sonne für mich bereit. Az Zaymah (Az Zemah) ist ein ganz ruhiger Ort in der Mittagshitze. Das Minarett pittoresk vor den rötlichen Felsen, die mich den ganzen Tag begleiten.
Die Abzweigung nach Mekka hab ich abgekürzt, im Ortsteil an der Fortführung des Rings finde ich ein nettes Restaurant von Pakistanis. Die letzten Meter dorthin gebe ich Vollgas, denn wieder weicht die Luft aus dem Hinterreifen. Wohl der Preis für die Nebenstrecke. Nach dem leckeren, scharfen Essen bekomme ich eine Aluschale, in die ich den Schlauch zur Lochsuche tauchen kann (Fotos oben).
Nebenan ein kleines Hotel, auf der andern Seite eine Autowerkstatt, die man mir für die Schlauchreparatur empfohlen hat. Dann lädt mich Mohammed Agra zum Tee ein (Foto oben). Schließlich lebt sein Sohn in Frankfurt. Schon sprechen wir über irgendeine Art von Telefonapp mit ihm. Aschermittwoch in Deutschland mit Nachrichten über Coronaverbreitungen durch Karnevalssitzungen. In Saudi-Arabien wird erst am folgenden Montag der erste Fall gemeldet.
Mit 86 Kilometern Strecke war Az Zaymah ursprünglich mein Tagesziel. Es ist noch so früh, dass ich gleich die nächste Etappe nach Al Jumum anschließe. Irgendwann ist die Straße dann wieder als Schnellstraße vierspurig ausgebaut. Und Vögele-Planierraupen der deutschen Wirtgen-Group ebnen weitere Kilometer. Es geht raus aus dem Hauptwadi - ohne nennenswerte Steigungen. So sind es am Ende fast 150 Kilometer.
In Al Jumum weist mir ein Ex-Mediziner, der mal in Bonn an einer Klinik Neurologie studiert hat, den Weg zu einem Hotel. Auf den letzten Metern kann ich einen Bengalen dazu bewegen, seine Bäckerei trotz einsetzender Gebetszeit noch mal kurz für mich zu öffnen. Das Gebet verfolge ich dann auf dem Mekka-Kanal über der Rezeption. Keine dreißig Kilometer von mir entfernt. Nahsehen. Und doch so unerreichbar.


In der Abendsonne bei Al Khalas nördlich von Mekka
In der Abendsonne bei Al Khalas

an der Schnellstraße 40/80 westlich von Mekka
Bäume in der Wüste westlich von Mekka 

Schafe an der Schnellstraße 40/80 westlich von Mekka
Hirte und Schafe 

Sattel und Berge in der Wüste an der Schnellstraße 40/80 westlich von Mekka
Mein hoher Sattel


Sand an der Straße 4700 östlich von Al Jumum Abstecher nach Norden mit Sunset am Roten Meer
Donnerstag, 27. Februar 2020: Al Jumum - Asfan - Khulais - Thuwal (129 km)

Bei der Morgenschultergymnastik und beim Frühstück verfolge ich wieder das Geschehen im nahen Mekka. Kann langsam die unterschiedlichen Ecken der Kaaba auseinander halten. Unaufhörlich drehen Pilger und auch Pilgerinnen im Rahmen ihrer Umra, der kleinen Wallfahrt nach Mekka außerhalb des Pilgermonats Hadsch, ihre sieben Runden um den geschlossenen Quader. Gegen den Uhrzeigersinn. So wie meine Tour. Unterdessen meldet Al Jazeera erste Einschränkungen für Mekka wegen des Coronavirus. Saudi-Arabien schließt seine Grenzen für ausländische Pilger. Auch Reisende aus (nicht konkret benannten) Ländern, in denen die Verbreitung des Virus einen Gefahr darstelle, bekommen keine Visa mehr.
Dank der Ultra-Etappe gestern, kann ich noch einen kleinen Abstecher nach Norden machen. Schön vor allem: es geht fast den ganzen Tag über eine wenig befahrene Parallelstrecke zur großen Schnellstraße. Manchmal hat selbst die gleichwohl drei Spuren in beide Richtungen. Ich bin wieder in den Niederungen und da ist es richtig heiß. Der Wind, der gestern trotz meiner Strecke im Halbkreisform stetig hinter mir war, unterstützt mich auch heute zunächst ganz gut. Die Sonne ist heute stets in meinem Rücken. Beim frühen Mittagessen in Asfan werde ich mit dem Gebetsbeginn rausgeworfen.
Beim nächsten Halt am Hospital von Khulais muss ich ab Richtung Schnellstraße. Gerade jetzt kommen Höhenmeter und Gegenwind dazu. Noch mehr Wind erwartet mich, als es abgeht Richtung Tagesziel Thuwal. Dafür bekomme ich aus einem Auto eine Wasserflasche gereicht.


Hochgeschwindigkeitsstrecke Haramain Express von Mekka nach Medina bei Thuwal
Haramain-Hochgeschwindigkeitsstrecke von Mekka nach Medina bei Thuwal 

Moschee von Thuwal innen
Moschee von Thuwal: innen... 

Moschee von Thuwal außen
...und außen


Fußgänger*innen-Ampel in Thuwal, Saudi-Arabia Unter der neuen Haramain-Hochgeschwindigkeitszugstrecke hindurch, auf der ich auch hier keine Züge erlebe, geht's in die Stadt. Zunächst zur chicen neuen Moschee (Fotos oben). An der nächsten Kreuzung fällt mir die Fußgänger*innen-Ampel auf (Foto links). Die Infrastruktur des bisher kaum vorhandenen Ortes erstreckt sich gigantisch in alle Richtungen. Im Hotel ist - entgegen booking.com - überraschend noch etwas frei. Erst am Morgen steht das Schild FULL auf dem Tresen der Rezeption. Ich bin überglücklich. Mangels Handtuch auch hier, muss ich einen der überflüssigen Kopfkissenbezüge zum Abtrocknen benutzen. Auch Toilettenpapier findet man selten in den Hotels meiner Preisklasse.
Unbeschwert kann ich die fünf Kilometer zum Strand radeln. Sonnenuntergang am Roten Meer. Eine gigantische Food Plaza hat nur wenige Besucher. Mehr Menschen sind nebenan am Public Beach. Viele sitzen auf mitgebrachten Teppichen (Foto unten). Ins Wasser gehen nur ganz wenige. Und das auch nur bis zu den Knien. Ein Mann bringt mir ein Glas Tee. Zu einem Gespräch kommt es leider nicht.
Mit dem Sonnenuntergang ertönt aus dem Gendarmeriefahrzeug der Befehl zum sofortigen Rückzug aus dem Wasser. Ich radle noch an großen und kleinen Fischrestaurants vorbei. Entdecke erstmals eine englisch-saudi-arabische Zeitung: Arab News. Schenke sie nach der Lektüre, im wesentlichen Agitation gegen den Iran (der doch tatsächlich Demokratiedemos unterdrückt...), drei Filipinas, die mit langen, wehenden Haaren den Supermarkt verlassen. Und sich freuen.


Mit Teppich am Strand von Thuwal im Sonnenuntergang
Mit Teppich am Strand von Thuwal im Sonnenuntergang


Panne: Draht im Fahrrad-Faltreifen Panaracer Gravelking SK TLC 28'' 700X38C (40-622) Made in Japan Zufrieden im vorerst letzten Zeitfenster
Freitag, 28. Februar 2020: Thuwal - Dschidda (95 km)

Eine Etappe auf dem Highway 5, der Küstenstraße am Roten Meer, mit bis zu fünf Spuren in beide Richtungen. Nur in Dahaban kann ich ein bisschen runter. Pause machen. Leider versagt der Wasserservice der Moschee. Kann ich Kopf und Schultern erst am Ortseingang von Dschidda kühlen. Schon lange vorher sehe den Rohbau des Burj Jeddah (Foto unten). Auch wenn er vielleicht erst zur Hälfte fertig ist, gehört er schon zu den höchsten Bauwerken der Welt. Er soll das höchste werden: sich über einen Kilometer in den Himmel strecken. Mit 200 Stockwerken. Obwohl ich dem Jeddah Tower höchstens bis auf fünf Kilometer nahe komme, dominiert er schon jetzt alles rundherum.
Kaum kann ich die Schnellstraße endlich verlassen, habe ich den dritten Platten der Tour. Erstmals vorne. Ein Draht hat sich in den dünnen Mantel gebohrt (Foto links). Mit Mülleimer aus dem Müll und Meerwasser finde ich das Loch. Reparatur in einem verlassenen Strandpark.
Vielleicht liegt es am Meerwasser: jedenfalls sitzt der Flicken nicht perfekt. So oder so steuere ich meinen Radverleih Cyclist Home an. Geschlossen. Zeit und Luft habe ich vorher noch am Globe-Roundabout verloren, der ein schönes Motiv abgibt (Foto ganz oben). Im Nachbarladen bekomme ich eine Pumpe. So kann ich die fünf Kilometer zu meinem Hotel rollen. Ohne Reservierung bekomme ich genau das gleiche Zimmer wie vor einer Woche. Dann ist die Luft fast raus. Aus dem Reifen, aus der Tour, aus mir.


Burj Jeddah Feb. 2020
Burj Jeddah von Südwesten gesehen


Kind mit Tablet in Dschidda Ich muss wieder zum Verleih. Dank Tankstellenluft kann ich dorthin zurückrollen. Immer noch geschlossen. Bis Mohammed auftaucht und sensationelle 900 saudische Riyal kassiert. Mehr als 200 Euro für sechs Tage auf einem äußerst bescheidenen Rad. Aber alles hat geklappt. Im Nachhinein betrachtet: im vorerst allerletzten Zeitfenster. Schon vom folgenden Mittwoch dürfen nicht mal mehr Saudis die kleine Wallfahrt nach Mekka machen. Ich finde schon vor Ort meinen Frieden. Bin rundum glücklich und zufrieden. Mein letztes Ziel, die König-Fahd-Riesenwasserfontäne gegenüber vom Stadtzentrum, ist noch zwanzig Kilometer entfernt. Ich hatte sie vom Flugzeug aus angestrahlt in der Dunkelheit gesehen. Dabei soll es bleiben.
Ich genieße stattdessen zwei Stunden lang das Treiben auf der Seebrücke. Was für Gestalten. Was für vielfältige schwarze Frauengewänder. Und Turnschuhe. Und Parfums. Was für eine Stimmung. Und ich werde einfach ignoriert. Der Fremde. Größtmögliche Distanz haben schon die kleinsten Kinder verinnerlicht. Eine junge Frau bedankt sich zumindest, nachdem ich sie auf lose Schnürsenkel hinweise. Eine andere äußert sogar: "You saved my life.", nachdem ich sie gerade noch davon abhalten kann, sich in hundert Ameisen zu setzen.
Vor uns sind Plastikteppiche ausgerollt. Auf dem Männer und in gebührendem Abstand Frauen das Abendgebet beten. Immerhin können hier alle beten ohne Sichtschutz zwischen den Geschlechtern. Geht doch. Der Muezzin wird über Lautsprecher auf einem Pickup verstärkt.
Nach dem Sonnenuntergang (Foto unten und ganz unten) schlender ich über die Promenade, die anders als am vergangenen Samstag vollbesetzt ist. Überall lagern Familien. Am liebsten auf dem Teppich.


Selfie: Vater und Tochter im Abendlicht auf der Seebrücke Jeddah Waterfront von Dschidda
Selfie im Abendlicht auf der Seebrücke Jeddah Waterfront


Aerial view: Haj Terminals King Abdulaziz International Airport Schaltjahr-Special
Samstag, 29. Februar 2020: Dschidda - Flug - Beirut (17 km)

Zum Glück hab ich mal die Terminals des riesigen Flughafens von Dschidda gecheckt. Ich starte ganz woanders, als ich gelandet bin. Zwischen den futuristischen Haj-Terminals von 1981 in Zelt-Form (Foto links) hindurch geht’s zu Terminal N. An meinem Gate sammelt sich vor allem eine Gruppe Kasachen. Sie wirken so, als wären sie gerade aus ihrer Jurte gekrabbelt. So läuft auch ihr Self-Catering.
Von meinem Fensterplatz blicke ich immer wieder nach draußen. Die Faszination der riesigen Wüstengebiete. Sand, Felsen. Wir überqueren Syrien. Zuletzt tauchen kreisrunde Bewässerungsfelder auf. Und Schneereste auf dem Libanon oder Antilibanon (Foto unten). Bevor der Flieger einen weiten Bogen übers Mittelmeer macht.


Libanon


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Libanon mit Schneefeldern
Der Libanon mit Schneefeldern 

Raouché Rocks (Pigeon Rocks)
Raouché Rocks


Libanon-Route Beirut



Rundkurs vom Radverleih in Beirut: Blaue Linie = Touren-Route;
grüner Punkt = Etappen-Start; roter Punkt = Etappen-Ziel

Fahrradfahrer vor Betonsperre mit Libanonfahne Bei der Einreise gibt’s einfach ‘nen Stempel. Null Visum nötig. Ich gerate an einen ganz speziellen Taxifahrer. Um Parkkosten zu sparen, bringt er mich auf seinem Motorroller zum Taxi. Dann geht’s durch den brutalen Verkehr von Beirut. Beim spontanen Ausscheren nach rechts muss beinahe ein Mopedfahrer samt Beifahrer dran glauben.
Wie in Dschidda lasse ich mich direkt zum Radverleih bringen. "Bike Generation" habe ich im Netz ausfindig gemacht. Aber nicht vorher kontaktiert. Das Geschäft schließt in der Realität schon zwei Stunden früher als im Netz angegeben: um achtzehn Uhr. Bis dahin ist die Sonne eh schon untergegangen. Von der ist nicht viel zu sehen. Gelegentlich regnet es auch. Ein extrem kräftiger Wind weht vom Meer in die Stadt. Gegen den kämpfe ich mich, wie die meisten Zweiradfahrer, gegen die Fahrtrichtung vieler Einbahnstraßen fahrend und durch jede sich bietende Lücke stoßend, zu dem Wahrzeichen der Stadt: Raouché - den beiden Kalkfelsen im Meer (Foto oben).
Jeder Meter dauert länger als gedacht. Bleibt nur Zeit, durch den Dschungel der Stadt zurück zum Verleih zu fahren. Vorbei an festungsmäßig gesicherten Residenzen, patriotisch bemalten Betonsperren (Foto rechts), Panzern, unter offen stehenden Schranken hindurch. Hier ein improvisierter Heiligen-Altar am Straßenrand, dort Trauerposter um den von Amerikanern vor zwei Monaten getöteten iranischen General Qasem Soleimani und seine Genossen (Fotos unten). Ich bin rechtzeitig zurück bei Bike Generation. Den Helm, den man mir angeboten hatte, habe ich zum Glück nicht gebraucht. Zum ersten Mal am 29. Februar on Bike-Tour.
Es gibt zwei Hotels mit dem Namen Assahah in Beirut. Der Taxifahrer bringt mich erst zu einem Fünf-Sterne-Schuppen im Stil einer alten Wüstenburg. Dort erklären sie dem Taxifahrer den Weg zum andern. Da allerdings finden sie meine Reservierung nicht. Dank ihrem Wlan, weiß ich bald, dass ich zurück muss. Zu Fuß. Fünf Sterne sind vielleicht übertrieben. Aber der Bau ist stilvoll. In wessen Hand? Ein Ayatollah schreitet herrschaftlich durch die Anlage.


Straßenalter in Beirut
Straßenaltar  

Assahah Hotel, Beirut
Im Assahah Hotel

Hizbollah-Plakat für den getöteten iranischen General Kassem Soleimani und Gefährten
Hizbollah-Plakat für den getöteten iranischen General Kassem Soleimani


Kalter Frühlingsbeginn in Beirut: Wärmen am offenen Feuer auf der Straße Frühling?
Sonntag, 1. März 2020: Beirut - Flug - Frankfurt - Zug - Mainz

Der Frühling beginnt in Beirut mit Blitz und Donner die halbe Nacht. Der Wächter schläft, als ich um halb sechs Richtung Flughafen laufe. Kann er mich natürlich auch nicht, wie erbeten, um fünf Uhr wecken. Im allerersten Morgenlicht glänzen ein paar Schneereste. Es ist kalt (Foto links). Sonntagmorgen in Beirut. Ich habe, wie bei den Iran-Reisen das Gefühl für die Wochentage verloren. Wochenende war vorgestern in Dschidda. Am Freitag.
Im Flugzeug neben mir Jeena. Syrerin. 22 Jahre alt. Verheiratet. Folgt ihrem Ehemann nach Bonn. Spricht einige, wenige Worte Englisch. In den Reihen vor und hinter mir arabische Familien, deren Kinder perfekt Deutsch sprechen.

Vom Tag nach der Heimkehr an gibt es beruflich und bald auch privat nur noch ein Thema: Coronavirus. Das Thema, das mich die ganze Tour über begleitet hat, angefangen mit der Angst, in der Innenkabine auf einem Kreuzfahrtschiff zur Quarantäne verdammt zu sein, bekommt eine völlig neue Dimension. Und beschränkt auch die (Rad-)Reisefreiheit in einem nie für möglich gehaltenen Ausmaß. Was für ein Glück, dass ich und wir diese Tour noch in diesem allerletzten Moment machen konnten.


MEA-Flieger auf dem Flughafen von Beirut am frühen Morgen
Morgenstimmung auf dem Flughafen von Beirut


Teil 1: Malediven, Sri Lanka & Indien
Kreuzfahrt im Süden des Subkontinents


Route Malé - Colombo - Mumbai - Dschidda - Beirut



Rote Linie = Rad-Route; schwarze Linie: Kreuzfahrt & Flüge

Etappen Malé - Colombo - Mumbai - Dschidda - Beirut (6.2.-29.2.2020)

Details mit Geschwindigkeiten, Höhenmetern etc. als Excel-Tabelle

Tag Datum Start Zwischenstationen Ziel km
1. 6.2.2020 Malediven: Himmafushi 6
2. 7.2.2020 Himmafushi 12
3. 8.2.2020 Himmafushi 6
4. 9.2.2020 Hulhumalé 10
5. 10.2.2020 Seetag
6. 11.2.2020 Sri Lanka: Colombo 18
7. 12.2.2020 Seetag
8. 13.2.2020 Indien: Vasco da Gama (Goa) 16
9. 14.2.2020 Mumbai (Maharashtra) 33
10. 15.2.2020 Mumbai (Maharashtra)
11. 16.2.2020 Mumbai (Maharashtra)
12. 17.2.2020 Seetag
13. 18.2.2020 Mangaluru (Karnataka) 31
14. 19.2.2020 Kochi (Kerala) 34
15. 20.2.2020 Seetag
16. 21.2.2020 Malediven: Malé & Thilafushi & Villingili 13
17. 22.2.2020 Saudi-Arabien: Dschidda 8
18. 23.2.2020 Dschidda Shumaisy 86
19. 24.2.2020 Shumaisy Al Maqrah Al Hasasinah 101
20. 25.2.2020 Al Hasasinah Al Hada (2000 m) Taif 46
21. 26.2.2020 Taif Az Zaymah Al Jumum 147
22. 27.2.2020 Al Jumum Asfan - Khulais Thuwal 129
23. 28.2.2020 Thuwal Dschidda 95
24. 29.2.2020 Libanon: Beirut 17
Summe 808

Saudi-Arabien: Frauen im Sonnenuntergang an der Seebrück Jeddah Waterfront
Frauen im Sonnenuntergang an der Seebrück Jeddah Waterfront


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