Kaum haben wir die Ortsgrenzen von Zingst verlassen, sind wir wieder weitgehend allein auf dem Ostsee-Radweg unterwegs. Dessen Nord-Schlenker nach Hohendorf verkneifen wir uns allerdings. Und verpassen so das schöne Schloss von Hohendorf. Was uns bei der Einfahrt nach Stralsund drei Münsteraner Radlerinnen, frisch examinierte Sozialpädagoginnen, erzählen, die etwas gemächlicher und mit großer Campingausrüstung an der Ostsee-Küste entlang ziehen. Während sie zum Campingplatz bei Altefähr auf Rügen übersetzen, prüfen Werner und ich unsere Optionen in der Stralsunder City. Eine Fähre nach Hiddensee fährt nur noch am frühen Abend, vor allem macht die Touri-Info keinerlei Hoffnung auf Zimmer. Alles, was sie Werner anbieten können, ist ein Doppelzimmer bei Reinberg, 17 Kilometer südlich von Stralsund. Nicht mein Traum, aber als Entscheidungshilfe für Werner, schließe ich mich ihm an. Um zumindest ein paar Meter Rügen mitzubekommen, überlege ich, über den alten Rügendamm zu fahren und bei Reinberg die Fähre von Glewitz nach Stahlbrode zu nehmen und dort auf Werner im Hotel zu stoßen. Doch Werner fasziniert die Rügen-Idee auch. Obwohl wir schon rund hundert Kilometer heute seit Warnemünde hinter uns haben, rollen wir gemeinsam weiter. Geraten auf dem Rügendamm aber in die nachmittägliche Sperrung. Der Asphalt vor uns führt in den Himmel, damit die Schiffe erst von links nach rechts, dann von rechts nach links durchfahren können. Und: wir stehen mit den Wartenden unterhalb der "längsten deutschen Brücke", der 4.100 Meter langen im Oktober 2007 frei gegebenen neuen Verbindung nach Rügen (Foto links). Mit dem Fahrrad darf man da oben nicht rauf. Die Odyssee beginnt, als wir auf der andern Seite sind. Denn auf Rügen sind die Meck-Pomm-Alleen zwar besonders schön, aber eben auch besonders eng (Foto oben). So wählen wir die Ostsee-Radweg-Route, die aber hier an der Südseite der Insel ziemlich im ZickZack-Kurs verläuft – in aller Schönheit. Die Fähre zurück zum Festland liegt schon zum Greifen nahe, als der Weg plötzlich endet. Das letzte Wegzeichen, gut zwei Kilometer Holperstrecke zurück, hatte offenbar ein Witzbold verdreht. Wie wir durch Nachfragen herausbekommen. Fahren wir also die zweite Variante, die scheinbar auf einem Acker versandet, dann wieder an Deutlichkeit gewinnt und schließlich zu einem grad neu perfekt angelegten kleinen Hafen führt. So erreichen wir nach fast drei Stunden Rügen die Fähre. Ich bade noch kurz im Strelasund, während Werner schon mal unser Hotelzimmer in Besitz nimmt. 157 Kilometer sind wir heute gefahren. Ein neuer Streckenrekord für Werner. Mit 70 Jahren: „Über 100 Kilometer bin ich schon mal gefahren... Ich bereue nichts...“, sagt er, trotz der langen Irrfahrt über Rügen. |