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VG WORTTour 42: Ostsee: Lübeck - Danzig (890 km)


Sandstrand von Lübeck bis Danzig
Sandstrand von Lübeck bis Danzig

Bike-Blog & Routen-Karte & Etappen-Übersicht
Lübeck - Danzig (26.7.-2.8.2008)
Ostwind an der Ostsee

Ausrüstung: Bike & More
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Schon 2007 tummelte ich mich auf dem Ostsee-Radweg. Damals war es ein Test fürs Fernsehen. Leider konnte ich die Strecke nicht selber fahren. Fast die gesamte Strecke legten wir in einem Transport-Fahrzeug zurück. Die Faszination eines Meerbades mit Fahrradhelm bei Regen jedoch war unverkennbar. So kehrte ich zurück auf einen der allerbeliebtesten deutschen Radwege. Und wollte noch ein bisschen darüber hinaus bis Danzig. Und noch weiter...

Pudelwohl: Hund im (Fahrrad)-Korb, Ostsee-Radweg in Mecklenburg-VorpommernProlog: Mit Schweizerinnen und Deutsch-Türkinnen Richtung Ostsee
Freitag, 25. Juli 2008: Zugfahrt Mainz - Lübeck

Im Schweizer Eurocity hat's noch einen Fahrradplatz. Zwei frankophone Schweizerinnen wollen von Koblenz aus durchs Moseltal. Ist also bald noch mehr Platz für Räder. Eine zehnjährige nette Hauptschülerin hat in allen Fächern eine Vier auf dem Zeugnis. Fährt jetzt mit der türkisch sprechenden Großmutter nach Koblenz, aber bald mit der Familie nach Bodrum. Türkei-Urlaub auf deutsche Art. Wie viele Deutsch-Türken fahren an die Ostsee?


Travemünde: Autofähre auf den Priwall, Schleswig-Holstein
Travemünde: Autofähre auf den Priwall


Steilküste bei Boltenhagen, Mecklenburg-VorpommernZwei Meter bis in die Ostsee
Samstag, 26. Juli 2008: Lübeck - Travemünde - Fähre - Priwall - Boltenhagen (45 km)

Vor der Jugendherberge in Lübeck verläuft die Travemünder Allee. Nachdem Kilometer-Zähler, Höhenmesser und Triathlon-Lenker installiert sind, ist also der Weg zur Ostsee klar. Bis zum Herrentunnel. Durch den werden Fußgänger und Radler mit einem kostenlosen Shuttle gebracht. Bochumer Rentner-Radler sind mit an Bord. Und ein Boy, der verschlafen hat und jetzt nur noch geringe Chancen, seine Fähre am Skandinavien-Kai von Travemünde zu erreichen.
Zumal es nach dem Shuttle-Transport unübersichtlich wird. Kaum Beschilderung, schlechte Radwege. So komme ich mit einer Imbiss-Mitarbeiterin auf ihrem Weg zur Arbeit ins Gespräch. Sie fährt täglich sieben, acht Kilometer bis zur Fähre in Travemünde, wo sie mir rät, Tickets (60 Cent für mich, 40 Cent fürs Fahrrad) aus dem Automaten zu ziehen, nach denen nie jemand fragt.
Bald hinter der Fähre tauchen Markierungen des Ostsee-Radwegs auf. Erst Schotter. Dann ein Traumweg. Ein kühler Tunnel unter Sonnen beschienenen Bäumen. Meerchenhafter Blick durch den Ufer-Wald auf Strand und Wasser. Neuster Asphalt direkt an der Küste.
Schon bin ich in Boltenhagen, wo meine Schwester mit ihrer Familie und unsern Eltern zwei Wochen Sommerurlaub zur Hälfte hinter sich hat – in einem Strandkorb direkt am Wasser. Zwei Meter Weg bis in die Ostsee...


Glücklich auf der Schaukel: Patenkind Felix, 5 Jahre
Glücklich auf der Schaukel: Felix


Künsterlin am Ball: CarolinSonniger Sonntag
Sonntag, 27. Juli 2008: Boltenhagen

Spiel und Spaß an einem sonnigen Sonntag mit dem glücklichen Felix (Foto oben) und Ball-Künstlerin Carolin (Foto rechts) in und an der Ostsee...


Bäume am Meer bei Heiligendamm, Mecklenburg-Vorpommern
Bäume am Meer bei Heiligendamm


Neun Kilometer Eltern-Begleitung: Gertrude und Paul GockeSanddorn-Eis und Coca-Cola
Montag, 28. Juli 2008: Boltenhagen -Wismar - Insel Poel - Kühlungsborn - Heiligendamm - Warnemünde (129 km)

Nachdem ich gut 65.000 km auf meinen Touren unterwegs war, eine Premiere: meine Eltern, die einst meine allerersten Radlversuche begleiteten, radeln mit (Foto links). Zumindest die ersten neun Kilometer an diesem ebenfalls sonnigen Montagmorgen. Durchs Hinterland von Boltenhagen. Nach einem Abschied bei Eis und Coca-Cola kehren sie zurück. Nicht verkehrt. Denn der Weg nach Wismar, den sie überlegt hatten mitzukommen, ist länger als angegeben und bei den Temperaturen kein Kinderspiel.
Bei der Touri-Info von Wismar macht man mir mit Hilfe des Internets Hoffnungen auf eine Fähre von Gollwitz nach Rerik für 15 Uhr und 18 Uhr 10. Das passt. So kann ich eine Insel-Rundfahrt auf Poel in Gollwitz enden lassen. Nachdem ich auf Asphalt in die Südwest-Ecke der Insel gefahren bin und mich von dort gelegentlich durch die ein oder andere Sandschicht am Ufer entlang kämpfen musste. Kurz vor drei habe ich es geschafft.

Blaue Stunde in Warnemünde, Mecklenburg-VorpommernAllein, die Fähre fährt im Sommer nur dienstags. Macht nichts. Hab ich einige neue Ecken von Poel kennengelernt und erreiche kurz vor fünf Rerik. Schneller wäre die Fähre auch nicht gewesen.
Hinter Rerik macht der Ostsee-Radweg ein paar merkwürdige Schlenker, ist nicht immer klar zu finden, aber das aufgeblühte Ostseebad Kühlungsborn ist nicht zu verfehlen. Die Promenade überfüllt. Eine schöne Waldstrecke (Foto oben) führt nach Heiligendamm, dessen Promenade nur mit einem kleinen Schlenker betreten und nicht durchfahren werden darf.
Am Abend wander ich an der Promenade von Warnemünde entlang. Auch hier ist die Frontreihe erblüht (Foto rechts). Und es gibt Sanddorn-Eis. In der zweiten Reihe hat sich noch nicht so viel verändert.


Chris neben dem Bike nach der Ernte, Mecklenburg-Vorpommern
Chris neben dem Bike nach der Ernte


Werner: 157 km Rekordfahrt mit 70 JahrenTagesrekord mit 70 Jahren: Werner radelt 157 km mit
Dienstag, 29. Juli 2008: Warnemünde - Fähre - Hohe Düne - Prerow - Zingst - Stralsund - Rügendamm - Glewitz - Fähre - Stahlbrode - Reinberg (157 km)

Die Jugendherberge Warnemünde wird von den Mädels und Jungs der DLRG-Strandwacht beherrscht. Die bekommen ihr Frühstück schon um sechs. Gegen sieben sitzt mein Zimmergenosse Werner (Foto rechts) am Frühstückstisch und ich setze mich dazu. Im Grunde haben wir heute mit Stralsund das gleiche Ziel. Dennoch zieht er zunächst allein von dannen. Während ich noch unserm dritten Zimmergenossen helfe, den Zimmerschlüssel zu finden.
Die Fahrt mit der Fähre bietet in der Ferne einen Blick auf Rostock und seinen Hafen. Auf der waldigen Strecke hole ich Werner ein. Gemeinsam fahren wir durch Graal-Müritz. Hier wird Werner mit seiner Partnerin im September ein paar Tage verbringen. Brauchen wir uns also nicht näher anzuschaun. Werner kommt aus Windeck, lebt aber zum Teil in Haldensleben bei Magdeburg. Nach Touren an Elbe, Mosel, Rhein und Weser ist bei ihm jetzt die deutsche Ostsee-Küste an der Reihe.
Auf der Halbinsel Darß wählen wir - vom Ostsee-Radweg abweichend - einen alten DDR-Beton-Waldweg, der früher wohl Militärzwecken diente und in die Nordwest-Spitze führt. Die lassen wir letztlich doch links liegen, auch wenn wir sie dem Toytrain Darßzug folgend vielleicht leicht erreicht hätten.
Selbst in Prerow bleiben wir fast stets im kühlen Wald. Von dort führt der Ostsee-Radweg über den Hauptdamm nach Zingst. Die reine Fahrrad-Autobahn. Lückenlos reihen sich Räder aller Art in beide Richtungen aneinander. Nicht allzu viele Fernradler sind darunter. Unsere Mittagspause verbringen wir an der Seebrücke von Zingst inmitten der Urlauber-Massen ein bisschen wie im Auge eines Zyklons.

Längste Brücke Deutschlands: die neue Verbindung von Stralsund nach Rügen, Mecklenburg-VorpommernKaum haben wir die Ortsgrenzen von Zingst verlassen, sind wir wieder weitgehend allein auf dem Ostsee-Radweg unterwegs. Dessen Nord-Schlenker nach Hohendorf verkneifen wir uns allerdings. Und verpassen so das schöne Schloss von Hohendorf. Was uns bei der Einfahrt nach Stralsund drei Münsteraner Radlerinnen, frisch examinierte Sozialpädagoginnen, erzählen, die etwas gemächlicher und mit großer Campingausrüstung an der Ostsee-Küste entlang ziehen. Während sie zum Campingplatz bei Altefähr auf Rügen übersetzen, prüfen Werner und ich unsere Optionen in der Stralsunder City.
Eine Fähre nach Hiddensee fährt nur noch am frühen Abend, vor allem macht die Touri-Info keinerlei Hoffnung auf Zimmer. Alles, was sie Werner anbieten können, ist ein Doppelzimmer bei Reinberg, 17 Kilometer südlich von Stralsund. Nicht mein Traum, aber als Entscheidungshilfe für Werner, schließe ich mich ihm an.
Um zumindest ein paar Meter Rügen mitzubekommen, überlege ich, über den alten Rügendamm zu fahren und bei Reinberg die Fähre von Glewitz nach Stahlbrode zu nehmen und dort auf Werner im Hotel zu stoßen. Doch Werner fasziniert die Rügen-Idee auch.
Obwohl wir schon rund hundert Kilometer heute seit Warnemünde hinter uns haben, rollen wir gemeinsam weiter. Geraten auf dem Rügendamm aber in die nachmittägliche Sperrung. Der Asphalt vor uns führt in den Himmel, damit die Schiffe erst von links nach rechts, dann von rechts nach links durchfahren können. Und: wir stehen mit den Wartenden unterhalb der "längsten deutschen Brücke", der 4.100 Meter langen im Oktober 2007 frei gegebenen neuen Verbindung nach Rügen (Foto links). Mit dem Fahrrad darf man da oben nicht rauf.
Die Odyssee beginnt, als wir auf der andern Seite sind. Denn auf Rügen sind die Meck-Pomm-Alleen zwar besonders schön, aber eben auch besonders eng (Foto oben). So wählen wir die Ostsee-Radweg-Route, die aber hier an der Südseite der Insel ziemlich im ZickZack-Kurs verläuft – in aller Schönheit.
Die Fähre zurück zum Festland liegt schon zum Greifen nahe, als der Weg plötzlich endet. Das letzte Wegzeichen, gut zwei Kilometer Holperstrecke zurück, hatte offenbar ein Witzbold verdreht. Wie wir durch Nachfragen herausbekommen. Fahren wir also die zweite Variante, die scheinbar auf einem Acker versandet, dann wieder an Deutlichkeit gewinnt und schließlich zu einem grad neu perfekt angelegten kleinen Hafen führt.
So erreichen wir nach fast drei Stunden Rügen die Fähre. Ich bade noch kurz im Strelasund, während Werner schon mal unser Hotelzimmer in Besitz nimmt. 157 Kilometer sind wir heute gefahren. Ein neuer Streckenrekord für Werner. Mit 70 Jahren: „Über 100 Kilometer bin ich schon mal gefahren... Ich bereue nichts...“, sagt er, trotz der langen Irrfahrt über Rügen.


Allee auf Rügen, Mecklenburg-Vorpommern
Allee auf Rügen


Frischer ist's beim Fischer
Mittwoch, 30. Juli 2008: Reinberg - Greifswald - Freest - Fähre - Peenemünde - Ahlbeck - Grenze Deutschland/Polen - Swinemünde/Swinoujscie - Misdroy/Miedzyzdroje (140 km)

Beim Frühstück sitzen am Nebentisch vier Israelis. Sie wollen Tipps für den Schnell-Trip nach Rügen. Eine der beiden Frauen ist erpicht darauf, einen echten „Nudist Beach“ zu sehen. Ich rate ihr, nach den Buchstaben „FKK“ Ausschau zu halten. Über den Tipp, mit der Fähre direkt am Ort nach Rügen überzusetzen, gerät die Gruppe in eine kleine Entscheidungsnot. Die kann auch nicht nachdem Preis, Verfügbarkeit von Benzin etc. geklärt sind, endgültig entschieden werden.
Werner und ich radeln die verbliebenen Kilometer nach Greifswald. Jetzt auf dem alten Kopfstein-Pflaster der Fernstraßen-Allee, die jenseits der Bäume als Bundesstraßen-Neubau auferstanden ist. Das Pflaster ist so platt und weich (Foto auf der Ausrüstungsseite), dass es kaum zu spüren ist.
Ruinen des Zisterzienser-Klosters Eldena bei Greifswald, Mecklenburg-VorpommernFrüh sind wir in Greifswald. Die Nikolaikirche ist noch nicht geöffnet. Wir schauen uns solange Marienkirche, Fußgängerzone und Marktplatz an, bis sie schließlich geöffnet ist. Und trennen uns dann. Werner will gleich in der JuHe einchecken, während ich an der Klosterruine Eldena (Foto rechts) Richtung Usedom und Polen radle.
Zufällig entdecke ich einen kleinen Hinweis auf eine Fähre am Nordende von Usedom. Nach einem superfrischen Matjes-Brötchen („Willst du's frischer, geh zum Fischer!“) in Freest überquere ich mit dieser Fähre den Peenestrom nach Peenemünde. Zwischen Kriegsruinen, größtem Diesel-U-Boot und einem Kriegsschiff legen wir an. Der Radweg ist bald nur noch ein kleiner Pfad am Straßenrand. Dann aber ein breiter Waldweg. Auch hier der local traffic beachtlich.
Katrin fährt mir mit ihrem Geländerad und leichtem Gepäck auf dem Rücken fast davon. Aber bald sind wir im gleichen Rhythmus. Ganz steile Stellen im Wald sind gepflastert und mit 16 Prozent Steigung ausgeschildert. Als sie bei fast 16 Prozent dann mal nicht gepflastert ist, fällt Katrin. Ich höre es und sehe noch im Augenwinkel wie sie nach links kippend aufschlägt und dann noch dieses winzige aber bittere Stück mit dem Rad weiterrutscht. Schürfwunden unvermeidlich.
Katrin nimmt’s sportlich und mein Aldi-Erste-Hilfe-Set hat nach langer Zeit mal wieder einen Einsatz. Ein bisschen Schock gehört dazu. Und so nehm ich ihr Gepäck und wir rollen gemächlich nach Heringsdorf, wo Katrin von ihrer Verwandtschaft schon in Empfang genommen wird.

Deutsch-polnische Grenze zwischen Ahlbeck und SwinemündeIch schwanke - nach den Schwierigkeiten bei der Zimmersuche in Stralsund - ob ich ein „freies Zimmer“ nehme. Fahre weiter. Geradeaus. Auch, als der Ostsee-Radweg nach rechts zum alten offiziellen Grenzübergang abbiegt. Der Grenzzaun im Strandbereich ist weg. Es stehen nur noch Zaunpfähle. Und ein deutscher und ein polnischer Grenzpfahl einsam im Sand (Foto links).
Ein paar Meter weiter ist schon der erste polnische Parkplatz erreicht. Ein paar Meter weiter das erste freie polnische Zimmer. Mit rund hundert Euro nicht übermäßig günstig. Durch Swinemünde/Swinoujscie und seinen Kurpark erreiche ich schließlich die Stadtfähre zur Insel Wollin. Bis zur nächsten Abfahrt reicht die Zeit noch, um ein paar Zloty zu ziehen. Als ich zum Fahrrad zurückkehre, steht dort ein Bettler und mahnt mich, mein Rad nie allein zurück zu lassen. Willkommen in Polen. Den deutlich mit „kostenlos“ und „free“ bedruckten Stadtplan bietet er mir an. Meine 45 Cent Restmünzen sind ihm nicht genug. Ein Euro müsse es schon sein. Es geht offenbar aufwärts mit der polnischen Wirtschaft.
Der Stadtplan ist dennoch ein gutes Geschäft, weil die Touri-Info um 18 Uhr längst geschlossen hat und ich auf der kurzen Fährfahrt entdecke, dass der Ostsee-Radweg in Polen „R10“ heißt. Und, dass er schon kurz hinter der Fähre mitten durch den Wald führt. So finde ich den Einstieg recht schnell und habe eine traumhafte Fahrt in der langsam untergehenden Sonne über den weichen Waldboden. Nur die überlebensgroßen rot-gelb-grellen Zecken-Warnschilder stören die Romantik ein bisschen.

Deutsch-polnische Grenze zwischen Ahlbeck und Swinemünde Ich erreiche Misdroy/Miedzyzdroje an einem riesigen Campingplatz mit Holzhütten, wo ich womöglich auch eine Unterkunft gefunden hätte. Da ich nicht recht abschätzen kann, wie weit es noch bis zum Ort ist, fahre ich weiter. Es ist nicht weit, aber es ist sehr schwer, dort ein Zimmer zu finden. Es mangelt nicht an „Zimmer frei“-Schildern, nur sind die Zimmer alles andere als frei, wie sich bei einem kleinen radebrechenden Interview mit den Hausherrinnen schnell herausstellt. Ganz wenige haben „Zimmer frei"-Schilder mit „brak“ ("fehlt") überklebt. Wer grad wie ich aus Irland mit super korrekten (no-)vacancies-Schildern kommt, kann schnell verzweifeln.
Schließlich versuche ich es bei einem Hotel. 200 Zloty, mehr als 60 Euro, wollen sie für ein Doppelzimmer, dass ich alleine nicht füllen kann. Nehme ich für den gleichen Preis ein Einzelzimmer im großen Traditions-Hotel Slavia, wo - wie fast überall in der Stadt - zahlreiche deutsche Autos stehen. Und steige noch schnell in die vor dem Hotel recht flache Ostsee.


BORN TO PERFORM: Beim Leuchtturm von Horst/Niechorze, Ostsee-Küste Polen
BORN TO PERFORM: Beim Leuchtturm von Horst/Niechorze


Polnische Studenten-Radlergruppe aus KrakauStradeln: nur Wasser, Sand und Dünen
Donnerstag, 31. Juli 2008: Misdroy/Miedzyzdroje - Kolberg/Kolobrzeg - Großmöllen/Mielno (128 km)

Am Abend bin ich vor dem deutschen Fernseh-Programm versumpft, Frühstück gibt’s erst ab acht, ich will noch was von der Promenade und langen Seebrücke sehen, versacke wiederum im Internet-Café. Nach den harten letzten beiden Tagen fällt heute der Start schwer.
Erst kurz vor 11 Uhr geht's los. Ich nehme die Straße statt den „R10“. Um die 95 Meter hohen Klippen kurz nach dem Ort zu sehen. Mit vier polnischen Studenten-Radlern aus Krakau (Foto links) finde ich sie. Sie sind nicht ganz so beeindruckend, weil es nicht ganz so steil und ganz so weiß bergab geht.
Noch weniger beeindruckend ist die Kirchenruine von Hoff/Trzęsacz. Es steht nur noch der allerletzte Chor-Abschluss, der Rest ist von der See davongetragen. Doch diese zwei, drei Fenster werden von einer eigens gegründeten Stiftung mit Millionenaufwand gesichert. Und eine Brücke wird über den Strand gebaut, von der man einen besseren Blick auf die kleine Ruine haben soll. Verschiedene deutsche Radler ballen sich hier.

Michael aus LodzDann bin ich wieder allein. D.h. Michael ist plötzlich an meiner Seite (Foto rechts). Ein Programmierer aus Lodz. 800 Euro verdient er netto in seinem ersten Job nach der Uni. Zahlt aber auch für sein Drei-Bett-Zimmer hier 40 Euro. Überhaupt ist inzwischen hier alles fast so teuer wie in Deutschland. Vor 15 Jahren hab ich die Strecke mal per Anhalter, Bus und Zug zurückgelegt. Damals war alles so gut wie geschenkt.
Beim Leuchtturm von Horst/Niechorze (Foto oben) offenbart mir Michael, am besten sei es, wenn ich demnächst auf den Strand wechseln würde. Gleich komme ein Militärgelände, das man per Straße sehr weit umfahren könne, am Strand aber ziemlich direkt. Ich bin skeptisch. Glaube an eine tragbare Lösung. Dann strandeln wir schon, bevor wir die Militärabsperrung erreichen. Der Weg versandet immer mehr im Wald. Schließlich sehen wir den Wachdienst. Michael spricht mit ihm. Auch der sagt: Am besten weiter am Strand.
Michael begleitet mich noch bis auf den Sand. Fünf Kilometer sollen es werden. Anfänglich liegt hier und da noch ein Sonnenanbeter am Strand. Dann niemand mehr. Nur Wasser, Sand und Dünen. Und ich kann sogar radeln. Barfuß auf meinen zackigen Pedalen, genau auf der Naht zwischen Wellenspitzen und trockenem Sand ist es etwas fester. Ab und zu muss ich abspringen, ab und zu erwischt mich eine Welle.
Nach fünf Kilometern Pause. FKK-Schwimmen im Meer. Lunch am Meer. Dann kommen wieder Menschen, bei Kilometer sieben ein Aufgang, von dem man bald auf eine Straße trifft. Nach 10,5 Kilometern kommt die Brücke über die Rega, der Ort Deep/Mrzezyno ist erreicht.
Eine wunderbare Strecke am Strand, aber hart für Material und Mann. Und immer wieder höre und lese ich seitdem von Radlern, die die selbe Strecke stradelten. Martin Wojkowsky schrieb mir später (2009): "So bin auch ich gestradelt. Allerdings erst später. Bei mir geht es ab Lazy auf dem Strand weiter... Nur hier geht recht schnell nichts mehr, da es immer wieder hügelartige "Sandverwehungen" gibt. So wurde sogar das Schieben zum Kampf. An einer Stelle ist rechts gleich eine Böschung und der Strand so schmal, dass ich plötzlich mit samt dem Rad im Wellenschaum stehe. Ich nehme also die erste Möglichkeit über die Böschung zu klettern, als wieder eine geteerte Straße in Sicht ist. Auf der anderen Seite der Dünen kann ich über einen gepflegten Rasen laufen und wasche das Rad gegenüber am See. Es kann also weitergehen. Doch jetzt entdecke ich ein großes Tor, das mir den Weg zur Straße versperrt. Bin ich also auf einem Privatgrundstück gelandet, das ringsherum abgeriegelt ist. Was machen? Zurück auf den Strand? Niemals! Nur leider ist niemand zu Hause, der mich rauslassen könnte, wie sich schnell herausstellt. In einem großen Kraftakt wird schließlich zuerst das Rad und dann das Gepäck über das Tor gewuchtet. Es kann endlich wirklich weitergehen."
Kurz darauf bin ich in Kolberg/Kolobrzeg. In der backstein-gotischen Kathedrale streben die Säulen schräg auseinander. Ein tolles Bild. Aber es wird kalt. Der Tag war anstrengend, doch will ich noch ein bisschen weiter. Hinter der Stadt ist der Fahrradweg gut ausgebaut. Es sind viele Radler und Fußgänger unterwegs. Schließlich führt er über den alten Militärflughafen Bagicz, wo der Weg sich zwischen den leerstehenden Tarngaragen der Militärjets hindurchschlängelt. Und schließlich am Rande der Landebahn, die jetzt von Segelfliegern genutzt wird, wieder zur Küste führt.
In den Vororten von Großmöllen/Mielno wird mir dann die Unterkunftsfrage zu brenzlig. Der Neubau ist mir zu teuer, aber die netten Besitzer vermitteln mich zu einem ebenfalls neuen aber günstigeren Zimmer an der Kreuzung zwischen Sorenbohm/Sarbinowo und Chlopy/Bauerhufen.


Am Strand zwischen Pogorzelica und Mrzezyno, Ostsee-Küste Polen
Am Strand zwischen Pogorzelica und Mrzezyno


Adam und Leba
Freitag, 1. August 2008: Großmöllen/Mielno - Rügenwalde/Darlowo - Stolpmünde/Ustka - Schmolsin/Smoldzino (144 km)

Mit einem Gartenschlauch kann ich am Haus den Sand und Dreck vom Rad spülen. Auch heute hab ich wieder schnell Gesellschaft. Zwei polnische Radler aus dem großen Marien-Wallfahrtsort Tschenstochau/Częstochowa. Das heißt, eigentlich fährt nur einer neben mir, denn Adam hängt immer eine ganze Weile hinter uns.
Die beiden verständigen sich durch ständige Handygespräche. Grundproblem an beiden Rädern: Das Gepäck wird auf dem Gepäckträger nur von einem Gummi gehalten. Entsprechend häufig fliegt was runter, vor allem die Pumpe. Adams Pumpe, die sein Kumpel auf sein nagelneues amerikanisches Kelly-Rad gebunden hat. Auch das nagelneue Rad hat frische Sandspuren von der gestrigen Strandstrecke. Als Adam dann an einer Kreuzung gar nicht mehr auftaucht, fahre ich schließlich alleine weiter. Obwohl auch sie morgen in Hela/Hel sein wollen. Wie ich. Wiedersehen?
Burg in Rügenwalde/Darlowo, Ostsee-Küste PolenEine Wiederholung der Strandexpedition bietet sich heute an mehreren Stellen an. Aber schon mit den Wallfahrtsortlern bin ich mir einig gewesen: es war sehr schön. Aber bitte keine Wiederholung. So heißt es also immer wieder Abschied nehmen vom Ufer und einen See oder sonstige Hindernisse weit umfahren. Dazwischen liegt der sehr schöne Ort Rügenwalde/Darlowo (Foto links), der nicht wie die meisten anderen im Krieg zerstört wurde.
Stolpmünde/Ustka wiederum ist ein überfülltes Seebad. An der Strandpromenade ist ein Riesengedränge von zig Buden, Verkäufern, Gauklern und Urlaubern. An der Tankstelle finde ich eine Straßenkarte mit Fahrradwegen für die letzten Kilometer bis zur polnisch-russischen Grenze. Die Karte ist großartig. Bei den Umwegen kann ich jetzt viel besser planen. Obwohl ich keine Strand-Strecke fahre, brauche ich heut länger als gestern. Der Ostwind, seit Lübeck ein ständiger Begleiter, macht sich noch einmal stark bemerkbar.
Auch in der Umgebung von Schmolsin/Smoldzino ist die Quartiersuche nicht einfach. Freie Zimmer sind nicht frei. Jugendherbergen überhaupt nicht geöffnet. Einmal bellt mich ein Hund davon. Steffen aus Berlin will mich überreden, mit ihm noch weiter zu fahren und mit der Fähre nach Leba überzusetzen. Von der nehme ich an, dass sie maximal sonntagnachmittags fährt. Auch Steffen will morgen Hela/Hel erreichen.
Schließlich find ich doch ein kleines, nettes Zimmerchen in Smoldzinski Las. Mache mich noch zu Fuß auf die Suche nach den riesigen Wanderdünen im Slowinzischen Nationalpark. Sie liegen allerdings weiter im Osten. Schneller als gedacht bin ich am Strand und bade noch einmal in der Abendsonne.


Beton-Platten auf dem Ostsee-Radweg in Polen
Beton-Platten auf dem Ostsee-Radweg in Polen


Radweg R 10 im Slowinzischen Nationalpark (Slowinski Park Narodowy), Ostsee-Küste PolenMit Rückenwind und tschechischen Radlern ins baltic hostel
Samstag, 2. August 2008: Schmolsin/Smoldzino - Sassin/Sasino - Hela/Hel - Fähre - Danzig/Gdansk (147 km)

Kräftiger Schauer in der zweiten Nachhälfte. Alles nass und wolkig am Morgen. Die ersten Wolken seit einer Woche. Ab und zu tröpfelt es ein bisschen, vor allem aber ist es der erste Tag mit Westwind, mit RÜCKENWIND.
Doch zunächst geht’s halb rund um den See auf dem R10. Schlechteste Strecke. Mal ein schmaler Graspfad mit reichlich Untiefen (Foto rechts). Das geht auf die Felgen und den armen Korb. Viel Sand. Gelegentlich Stege über den Sumpf. Alles sehr romantisch. Aber genug. Kurz vor Leba nutze ich die Gelegenheit und wechsle auf die Straße.
Von nun an fliege ich. Dank Rückenwind. In Zarnowiec/Zarnowitz steht noch eine Backstein-Gotik-Kirche. Immer noch radle ich durch das einst deutsche Hinterpommern. Ich bin auf der Hauptverkehrs-Straße 213. Doch der Hauptverkehr hält sich in Grenzen. Am Ortsende von Krokowa verlasse ich die 213 aber wieder, um die letzten Kilometer am Meer zu radeln. Und wie. Während neben mir die Autos kilometerlang im Dauerstau stehen.
Vor allem die Halbinsel Hela/Hel, die sich 33 Kilometer in die Danziger Bucht vorstreckt. Dieser schmale Landstreifen, von dem aus ich die Bucht voller Wind- und Kite-Surfer sehe (Foto unten). Der Wind trägt auch mich auf dem anständigen Fahrradweg nach Hela/Hel. Wo mit Weltkriegs-Relikten für meinen Geschmack etwas zu folkloristisch umgegangen wird, wenn Touristen in den Militärjeeps begleitet von großer Ballerei durch den Trubel fahren.
Auf der Nord-Seite kann ich dagegen in aller Ruhe schwimmen. Um im Abendlicht mit der Fähre nach Danzig überzusetzen. Dort setzen sich noch Zuzana und Oldrich zu mir. Das Prager Pärchen ist auch an der Ostsee lang geradelt. Wir wollen zum gleichen Hostel. Dem Baltic Hostel, das auch gut gefüllt eine angenehme Atmosphäre bewahrt.


Wind- und Kite-Surfer in der Danziger Bucht, Ostsee-Küste Polen
Wind- und Kite-Surfer in der Danziger Bucht


Sonnenuntergang auf der Fähre von Hela/Hel nach Danzig/GdanskCome back soon
Sonntag, 3. August 2008: Rückflug Danzig - Frankfurt

Ich lasse im Hostel mein Rad und ein Großteil meines Gepäcks. Am Freitag will ich wieder kommen, um dann mit Martin weiterzufahren: durch Ostpreußen über Königsberg/Kaliningrad und die Kurische Nehrung nach Memel/Klaipeda.


Markierung für den polnischen Ostsee-Radweg: R 10
Markierung für den polnischen Ostsee-Radweg: R 10


Route Ostsee: Lübeck - Danzig



Blaue Linie = Touren-Route; Buchstaben = Start und Ziel der Etappen

Etappen Ostsee: Lübeck - Danzig (26.7.-2.8.2008)

Details mit Geschwindigkeitenetc. als Excel-Tabelle

Tag Datum Start Zwischenstationen Ziel km
1. 26.7.2008 Lübeck Travemünde - Fähre - Priwall Boltenhagen 45
2. 27.7.2008 Boltenhagen
3. 28.7.2008 Boltenhagen Wismar - Insel Poel - Kühlungsborn - Heiligendamm Warnemünde 129
4. 29.7.2008 Warnemünde Fähre - Hohe Düne - Prerow - Zingst - Stralsund - Rügendamm - Glewitz - Fähre - Stahlbrode Reinberg 157
5. 30.7.2008 Reinberg Greifswald - Freest - Fähre - Peenemünde - Ahlbeck - Grenze Deutschland/Polen - Swinemünde/Swinoujscie Misdroy/Miedzyzdroje 140
6. 31.7.2008 Misdroy/Miedzyzdroje Kolberg/Kolobrzeg Großmöllen/Mielno 128
7. 1.8.2008 Großmöllen/Mielno Rügenwalde/Darlowo - Stolpmünde/Ustka Schmolsin/Smoldzino 144
8. 2.8.2008 Schmolsin/Smoldzino Sassin/Sasino - Hela/Hel - Fähre Danzig/Gdansk 147
Summe 890

Radspuren im Sand neben Dornen, Ostsee-Küste Polen
Radspuren im Sand neben Dornen


Anschluss Tour 95: Neiße - Oder - Stettiner Haff (785 km) Mai 2018

Anschluss Tour 90: Hamburg - Rügen (508 km) Okt./Nov. 2017

Anschluss Tour 80: Berlin - Greifswald (500 km) Juli 2016

Anschluss Tour 50: Berlin - Rostock (360 km) Okt. 2009

Anschluss Tour 43: Ostsee: Danzig - Klaipeda (339 km) Aug. 2008

Anschluss Tour 14: Mainz - Nordkap - Lofoten (4144 km) Juni/Juli 2001


Nächste Tour: Ostsee: Danzig - Klaipeda (339 km) Aug. 2008

Vorherige Tour: Irland & Nordirland: Kerry - Newry (1025 km) Juni/Juli 2008


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Tour 82: Karibik: Barbados - Haiti (902 km) 2016
Karibik 2016
Chris Tour 91: Jerusalem - Dan - Eilat (1165 km) 2017
Negev 2017
on the Tour 96: Karibik II: Havanna - Miami (1560 km) 2018
Kuba 2018
Bike Tour 97: Kigali - Kampala - Nairobi (1136 km) 2019
Uganda 2019
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