Contre la montre: Erreiche ich Berlin vor dem letzten Zug?
Freitag, 29. Juli 2011: Barby - Bad Belzig - Potsdam -
Berlin (155 km) Zugfahrt - Bad Pyrmont Do you wanna go for
a ride? wird Barbie Girl gefragt. Heute definitiv nicht. Es ist kälter als
gestern und es regnet. Richtig. Immerhin peitscht Rückenwind den Regen
übers Land. Und über die Fähre (Foto oben links), die mich zu allererst über die Elbe
bringt. Dann lässt der Regen zunächst nach, ich komme in Fahrt. Immer
besser, immer schneller. 17.38 Uhr fährt der letzte Zug von Berlin nach
Bad Pyrmont. Kann ich das schaffen? Nur, wenn alles optimal läuft. Knapp
160 Kilometer in acht Stunden. Normalerweise pack ich das nicht. Aber die
ersten Stunden fahre ich dank des Windes mit über 23 Stundenkilometern.
Als der Fläming (Foto oben) mich von rund 40 auf fast 200 Meter katapultiert bin ich
sogar am schnellsten. Diese flachen Fläming-Hügel sind reines
Radler-Doping. In Belzig, seit rund 500 Tagen offiziell "Bad Belzig" und
damit eigentlich ein idealer Übernachtungsort für diese meine "Bäder-Tour" -
wenn ich es denn schon vorher gewusst hätte, will ich wieder auf den
Europa-Radweg R1 stoßen. Mit meinem Schwung verfehle ich ihn zunächst,
erreiche ihn aber in Schwanebeck. R1 - wie haste dir verändert! Die
Streckenführung ist gegenüber meiner Karte begradigt, vor allem aber sind
die Wege exzellent. Vielfach sind es exklusive Fahrradstraßen, gut
asphaltiert (sh. YouTube-Video oben). So machen Fernradwege Spaß. Mein Tempo kann ich fast halten.
Die Chancen für den Zug nach Bad Pyrmont stehen gut. Immer mehr geht es
hinein in die Brandenburger Wälder (Foto rechts). Meine Tchibo-Handschuhe "TCM Gel-Rad-Handschuhe L/XL" lösen sich
schon wenige Wochen nach dem Kauf am 5. Mai auf, die Vorderbremse will nicht mehr so
richtig zurückschnacken. Egal. Kann ich mich heute nicht drum kümmern.
Keine Zeit und inzwischen wieder Regen. Tendenz zunehmend. Wenn man einmal
im Regen fährt, ist alles halb so schlimm. Potsdam ist so recht trostlos.
Am trostlosesten, wenn man am Kreuz-Bahnhof Potsdam-Pirschheide nicht nur
einen völlig heruntergekommenen Bahnhof sieht, sondern kein
Fahrradweg-Schild mehr und in strömendem Regen rätselt, wo es weiter
geht. Rund um die Großbaustelle für das Neue Stadtschloss am Alten Markt
verliert sich der R1 ein weiteres Mal. Hinweisschilder nach Berlin Fehlanzeige.
Mit Hilfe meiner Karte finde ich zur Glienicker Brücke und damit zum
Berliner Mauerweg. Auf dem hat ein Spaßvogel ein Radschild verdreht, nur
gibt es zwei Möglichkeiten, in welche Richtung es einstmals geführt hat.
Im treuen Regen entscheide ich mich für die richtige Variante. Der R1
führt durchs Grüne in die Stadt. Hinauf zum Grunewaldturm. Hinunter nach
Charlottenburg. So gut wie Grüne Welle fürs Fahrrad. Ein Mann bedankt
sich, dass ich ihn grade noch wegschreie, bevor er auf den Radweg mir ins
Rad läuft. "Berlin Mitte" ist für den R1 an der Siegessäule erreicht. Für
mich frühestens an Brandenburger Tor. Wo das Fotografieren (Foto unten) im Regen auch
keinen großen Spaß macht. Ein paar Meter unter den Linden müssen noch
sein. Dann muss ich abdrehen zum Hauptbahnhof. Zehn Minuten vor der
ultimativen Abfahrt erreiche ich ihn. Ticketautomaten finde ich nicht
grade en masse, ein englisches Couple vertreibe ich aber vom
Automaten, da ich ihnen wenig Hoffnung mache, hier ihr Tagesticket zu
bekommen. Am Zug fehlt scheinbar der Fahrradwagen. Er ist aber ganz normal
ganz vorne. Was fehlt ist der Fahrrad-Aufkleber außen. Triefend stehe ich
im Zug. Reservierungen konnten heute mal wieder nicht ausgedruckt werden.
Von daher auch nicht meine nicht vorhandene Rad-Reservierung. Es gibt aber
nur wenige Räder. Dafür zwei Polen, die meine Wasserflaschen leeren und
das Pfand kassieren wollen. Meine Flüssigkeitsvorräte sind damit für die
nächsten Stunden auf Null gesunken. Die Polen werden in Magdeburg aus dem
Zug geworfen, weil sie sich auch bei den Schaffnern unbeliebt gemacht
haben. Um zehn Uhr bin ich schließlich in Bad Pyrmont, finde ein Zimmer.
Der Marathon kann kommen. |